Nr. 35/2018
Wahrheit / Anhören bei schweren Vorwürfen / Entstellen und Unterschlagen von Informationen / Berichtigungspflicht

(Universitätsspital Basel c. «Basler Zeitung»)

Drucken

Zusammenfassung

Vorwürfe wiederholen macht sie nicht wahrer

Der Schweizer Presserat hat eine Beschwerde des Universitätsspitals Basel gegen die «Basler Zeitung» (BaZ) gutgeheissen. Die Zeitung hatte das Spital zweimal mit dem Vorwurf der illegalen Organentnahme und des Organhandels belegt. Die Vorwürfe erwiesen sich als falsch.

Am 21. Dezember 2017 publizierte die «Basler Zeitung» den Artikel «Verdacht auf illegale Organentnahme». Gestützt auf die Aussagen der Mutter und ihres Anwalts schilderte der Journalist die Geschichte eines jungen Deutschen, der tödlich verletzt mit der Ambulanz ins Universitätsspital Basel transportiert worden war. Die Mutter befürchte, ihrem Sohn seien ungefragt Organe entnommen worden. Tags darauf brachte die BaZ kurz ein Dementi des Spitals, allerdings ohne die Hauptaussage, wonach das Institut für Rechtsmedizin keinerlei Hinweise auf eine Organentnahme gefunden hatte. Wieder einen Tag später wiederholte die Redaktion die Vorwürfe.

Das Universitätsspital kritisierte in seiner Beschwerde, die BaZ habe schwerste Verstösse gegen das Transplantationsgesetz und medizinethische Grundregeln «kolportiert». Die BaZ verteidigte sich, sie habe transparent auf die Hintergründe der Berichte und deren Quellen hingewiesen und nicht verschwiegen, dass der Verdacht von der Mutter und deren Anwalt komme.

Der Presserat hält fest, dass die BaZ den aussergewöhnlichen Tod des jungen Mannes wohl aus der Sicht seiner Mutter und ihres Anwalts schildern und auf Ungereimtheiten aufmerksam machen durfte. Sie hätte aber wegen der Schwere der Vorwürfe auch das Institut für Rechtsmedizin anhören müssen. Die Mutter verdächtigte dieses, es habe durch die Obduktion die illegale Organentnahme vertuschen wollen. Vor allem aber hätte die BaZ die Kernaussage im Dementi des Spitals wiedergeben müssen, wonach der Leichnam laut den Rechtsmedizinern keine Hinweise auf eine Organentnahme aufwies. Damit hätte die BaZ ihre Leser eindeutig aufgeklärt, dass kein Organ entnommen worden war. Ohne diese wichtige Information durfte die BaZ nicht einfach die gleichen Vorwürfen einer Organentnahme wiederholen. Um Ungereimtheiten zu erhärten, hätte sie zudem Zusatzrecherchen anstellen müssen.

Résumé

Réitérer ses reproches ne les rend pas plus vrais

Le Conseil suisse de la presse a accepté une plainte de l’hôpital universitaire de Bâle contre la «Basler Zeitung» (BaZ). Le quotidien avait à deux reprises imputé à l’hôpital d’avoir prélevé illégalement des organes et de faire du trafic d’organes. Les reproches se sont révélés faux.

Le 21 décembre 2017, la «Basler Zeitung» avait publié l’article intitulé «Verdacht auf illegale Organentnahme» (soupçon de prélèvement illégal d’organe). Fort des déclarations d’une mère et de son avocat, l’auteur de l’article relatait l’histoire d’un jeune Allemand amené en ambulance, mortellement blessé, à l’hôpital universitaire de Bâle. La mère craignait que les médecins n’aient prélevé des organes de son fils sans lui en faire la demande. Le lendemain, la BaZ a publié un bref démenti de l’hôpital, sans toutefois citer la principale déclaration faite par l’Institut de médecine légale, à savoir qu’il n’avait trouvé aucun indice de prélèvement d’organe. Le surlendemain, la rédaction renouvelait ses reproches.

Dans sa plainte, l’hôpital universitaire reproche à la BaZ d’avoir «colporté» de graves atteintes à la loi sur les transplantations et aux règles fondamentales de l’éthique médicale. La BaZ s’est défendue en disant qu’elle avait évoqué de manière transparente l’arrière-plan des articles et leurs sources et n’avait pas caché que les soupçons émanaient de la mère et de son avocat.

Le Conseil de la presse constate que la BaZ avait le droit d’aborder la mort hors du commun du jeune homme du point de vue de sa mère et de son avocat et de signaler des incohérences. Vu la gravité des reproches, elle aurait toutefois dû entendre l’Institut de médecine légale. La mère soupçonnait ce dernier d’avoir profité de l’autopsie pour prélever des organes. Mais surtout, la BaZ aurait dû citer la principale déclaration figurant dans le démenti de l’hôpital, à savoir que le corps ne présentait aucun indice que des organes avaient été prélevés. Le journal aurait ainsi montré à ses lecteurs qu’il n’y avait pas eu prélèvement d’organe. Sans cette information importante, la BaZ ne pouvait se contenter de réitérer ses reproches. Pour prouver les incohérences, elle aurait également dû lancer des recherches plus poussées.

Riassunto

Ribadire un’accusa non la rende vera

Il Consiglio svizzero della stampa ha accolto un reclamo dell’Ospedale universitario di Basilea contro la «Basler Zeitung» (BZ). La clinica era stata accusata due volte dal giornale di prelievo illegale di organi e di commercio dei medesimi. Le accuse si erano rivelate false.

Il primo articolo era stato pubblicato il 21 dicembre 2017 sotto il titolo «Sospetto di prelievo illegale organi». Basandosi sulla testimonianza della madre di un giovane tedesco e del suo legale, il giornale raccontava la storia dell’avvenuto trasferimento, a bordo di un’ambulanza, di un ragazzo ferito mortalmente in un incidente. Il titolo del servizio rifletteva il sentimento della madre: «Sospetto di prelievo illegale di organi». Il giorno seguente il giornale pubblicava una smentita dell’ospedale, tacendo tuttavia un particolare importante contenuto nel comunicato dell’istituto di medicina legale della clinica, in cui si precisava che il prelievo degli organi era smentito dall’autopsia. Anzi, il giornale ritornava alla carica, rilanciando l’accusa.

Nel reclamo presentato al Consiglio della stampa, l’ospedale universitario critica la leggerezza con cui il giornale si era fatto portavoce del sospetto di una gravissima violazione delle norme legali e deontologiche che l’ospedale è tenuto a rispettare. Il giornale risponde di essersi basato sulle informazioni raccolte e su una fonte che citava. A esprimere il sospetto erano la madre del giovane e il suo legale. Il Consiglio della stampa è del parere che il giornale era senz’altro autorizzato a dar voce al punto di vista della madre e del suo avvocato, rilevando eventuali irregolarità nella gestione del caso. Considerata tuttavia la gravità del sospetto, la redazione avrebbe dovuto interpellare subito il dipartimento di medicina legale della clinica. E poiché la madre esprimeva il sospetto che le tracce dell’avvenuto prelievo illegale potessero essere state cancellate nel corso dell’autopsia, il giornale non avrebbe dovuto omettere la precisazione dell’ospedale, nel senso che proprio l’autopsia certificava il non avvenuto prelievo di organi. Come poteva il giornale, in presenza di una simile certificazione, ribadire il sospetto nel secondo articolo? Non risulta infatti che per rilanciare il sospetto il giornale si sia basato su ulteriori approfondite ricerche.

I. Sachverhalt

A. Am 21. Dezember 2017 publizierte die «Basler Zeitung» (BaZ) in ihrer Print- und Onlineausgabe einen Artikel von Mischa Hauswirth mit dem Titel «Verdacht auf illegale Organentnahme». Im Online-Lead heisst es: «Die Mutter eines verstorbenen 20-jährigen Deutschen erhebt Vorwürfe gegen das Unispital Basel. Sie hat den Verdacht, die Ärzte seien in einen organisierten Organhandel verstrickt.» Gestützt auf die Aussagen der Mutter und ihres Anwalts schildert der Journalist die Geschichte eines jungen Deutschen, der tödlich verletzt vom süddeutschen Grenzgebiet mit der Ambulanz ins Universitätsspital Basel transportiert worden war. Die Mutter verstehe nicht, warum er nicht in ein näheres Spital gebracht wurde. Die «Basler Zeitung» bringt Aussagen aus einem deutschen Polizeiprotokoll, dem Bericht der deutschen Notärztin sowie der deutschen Staatsanwaltschaft; dabei ist von Reanimation, klinischem Tod und Organentnahme die Rede. Die BaZ schreibt, die deutsche Notärztin sei für eine Stellungnahme nicht zu erreichen gewesen.

Die Mutter befürchtet im Artikel, ihrem Sohn seien Organe entnommen worden. Unter dem Zwischentitel «Was steht im Obduktionsbericht?» heisst es, weder die Mutter noch ihr Anwalt hätten bislang von den Behörden Informationen erhalten, Einblick in den rechtsmedizinischen Bericht sei ihnen nicht gewährt worden. Wenn es zu einer Organentnahme vor der Obduktion genommen sei, müsse das dort erwähnt sein. Der Journalist schreibt: «Im Raum steht der Verdacht, fürs Unispital tätige Ärzte hätten Notärzte, mit denen sie immer wieder in Kontakt stehen, für eine rasche Organentnahme in bestimmten Fällen animiert – Spenderorgane sind gesucht und die Wartelisten lang.» Die BaZ bat das Unispital, Stellung zu nehmen. Dessen Mediensprecher sagte, das Universitätsspital Basel habe keine Kenntnis von einer Untersuchung der Basler Staatsanwaltschaft im besagten Fall. Er hielt zudem fest, das Spital halte sich bei Organentnahmen an die gesetzlichen Richtlinien. Danach könne eine Organentnahme nur dann erfolgen, wenn die verstorbene Person selbst oder ihre Angehörigen ausdrücklich damit einverstanden seien. Der Artikel schliesst mit dem Satz «Selbstverständlich gilt für alle Beteiligten die Unschuldsvermutung».
Am 22. Dezember 2017 publiziert die BaZ ein elf Zeilen kurzes Dementi mit dem Titel «Basler Unispital dementiert Vorwürfe». Darin zitiert sie teilweise aus einer Medienmitteilung des Unispitals, wonach das Spital nicht in organisierten Organhandel verwickelt sei. Das Kästchen befindet sich am unteren Rand der Seite und wird von einem Artikel zu einem andern Thema umrandet.

Am 23. Dezember 2017 doppelt der Journalist mit den Vorwürfen ans Unispital unter dem Titel «Organentnahme war in Basel geplant» nach. Er wiederholt im Wesentlichen die Aussagen von Mutter und Anwalt. Weiter zitiert er aus dem Polizeiprotokoll der Kriminalpolizei Bad Säckingen; die BaZ zeigt auch ein Faksimile dieses Protokolls mit Aussagen der Notärztin. Diese stehen zum Dementi des Unispitals teilweise in Widerspruch. Zu Wort kommt sodann der Medienchef der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt: Diese kläre ab, ob an den Vorwürfen der illegalen Organentnahme etwas dran sei. Zum Schluss äussert sich der Sprecher des Unispitals: «Im Universitätsspital Basel ist zum fraglichen Zeitpunkt weder eine Anfrage noch eine Anmeldung für eine Organspende eingegangen.»

B. Am 15. März 2018 reichte das anwaltlich vertretene Universitätsspital Basel gegen die drei genannten Artikel Beschwerde beim Schweizer Presserat ein. Es macht geltend, dass die Beiträge der BaZ Ziffer 1, Richtlinie 1.1 (Wahrheitssuche), Ziffer 3 (Informationen weder entstellen noch unterschlagen), Richtlinie 3.8 (Anhörung bei schweren Vorwürfen) und Ziffer 5 (Richtlinie 5.1 Berichtigungspflicht) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (nachfolgend «Erklärung») verletzen. Das Spital kritisiert, dass der Journalist sich lediglich auf die Aussagen der Mutter und deren Anwalt stütze sowie auf Unterlagen, die ihm diese zur Verfügung stellten, und dass er damit den Vorwurf schwerster Verstösse gegen das Transplantationsgesetz und medizin-ethische Grundregeln «kolportiert». Die Beschwerdeführerin bemängelt, die BaZ habe es unterlassen, die Vorwürfe kritisch zu hinterfragen und eigene Anstrengungen zur Wahrheitssuche zu unternehmen. Das Universitätsspital Basel bemängelt weiter, dass die kurze Frist (24 Stunden) zur Sachverhaltsabklärung und zur Stellungnahme «kurz vor der arbeitsintensiven Zeit vor den Weihnachtsferien» für einen über vier Monate alten Fall zu knapp gewesen sei. Die Beschwerdeführerin beanstandet schliesslich, dass die BaZ die Pflichten zum Anhören bei schweren Vorwürfen und zum Berichtigen verletzt habe. Vor allem habe die BaZ mit keinem Wort erwähnt, dass dem Verstorbenen gemäss Auskunft des Instituts für Rechtsmedizin des Kantons Basel-Stadt keine Organe entnommen wurden. Dies hatte das Unispital in einer Medienmitteilung vom 21. Dezember 2017 bekannt gegeben.

Mit Noveneingabe vom 9. Mai 2018 reichte das Spital die Medienmitteilung der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt vom selben Tag ein. Darin teilt die Staatsanwaltschaft mit, das Strafverfahren wegen Störung des Totenfriedens sei am 7. Mai 2018 mit einer Nichtanhandnahmeverfügung abgeschlossen worden. Die Abklärungen im Rahmen des Strafverfahrens und das forensische Abschlussgutachten des Instituts für Rechtsmedizin Basel-Stadt hätten ergeben, dass es zu keinem Zeitpunkt zu einer Organentnahme gekommen war.

C. In ihrer Beschwerdeantwort vom 15. Juni 2018 schreibt die ebenfalls anwaltlich vertretene «Basler Zeitung», sie habe Ziffer 1, 3 und 5 der «Erklärung» nicht verletzt. Der Journalist habe transparent auf die Hintergründe der Berichterstattung und deren Quellen hingewiesen und er verschweige nicht, dass der Verdacht insbesondere von der Mutter und deren Anwalt geäussert worden sei. Die Beschwerdegegnerin betont, im Zusammenhang mit dem Tod des jungen Mannes sei es unbestritten zu Unregelmässigkeiten gekommen. Die BaZ habe nie geschrieben, dem Mann seien illegal Organe entnommen worden oder das Unispital sei in diesen Fall verwickelt. Der Vorwurf des Spitals, nicht genug Zeit gehabt zu haben, um Stellung nehmen zu können, sei völlig haltlos. Die Frist von 24 Stunden sei im journalistischen Alltag üblich, das Universitätsspital habe eine Medienabteilung und es hätte auch die Möglichkeit gehabt, die Frist (wenn sie doch zu kurz gewesen wäre) zu verlängern. Die Stellungnahme des Unispitals sei im ersten Artikel zudem integral abgedruckt worden.

Die BaZ habe nie geschrieben, dass es tatsächlich zu einer Organentnahme gekommen sei. Sie habe über Unregelmässigkeiten berichtet und dabei ganz bewusst eine zurückhaltende Sprache gewählt. Sie habe zudem die Kernaussage der Medienmitteilung des Unispitals (keine Organentnahme) in der BaZ vom 22. Dezember 2017 auf der Spitze des Lokalbunds veröffentlicht. Es könne ihr kein Vorwurf gemacht werden, diese Medienmitteilung nicht integral abgedruckt zu haben.

D. Das Präsidium des Presserats wies den Fall seiner 3. Kammer zu; ihr gehören Max Trossmann (Kammerpräsident), Annika Bangerter, Marianne Biber, Jan Grüebler, Barbara Hintermann, Markus Locher und Simone Rau an.

E. Die 3. Kammer behandelte die Beschwerde an ihrer Sitzung vom 12. Juli 2018 sowie auf dem Korrespondenzweg.

II. Erwägungen

1. Im ersten Artikel vom 21. Dezember 2017 schildert der Journalist den aussergewöhnlichen Todesfall eines jungen Mannes aus der Sicht der Mutter und deren Anwalt. Auch die Befürchtung, dass es zu einer Organentnahme ohne Einwilligung gekommen sei und der Verdacht auf illegalen Organhandel werden aus der Sicht der Mutter geschildert. Dies ist für die Leserschaft der «Basler Zeitung» klar ersichtlich. Der Journalist macht auf die Ungereimtheiten, welche die Mutter und deren Anwalt aufzählen, aufmerksam. Weder Ziffer 1 noch Ziffer 3 der «Erklärung» sind dadurch verletzt worden. Da Mutter und Anwalt schwere Vorwürfe erheben, hat der Journalist auch richtigerweise das Unispital mit präzisen Fragen um eine Stellungnahme ersucht. Diese ist integral abgedruckt und hätte dem Spital die Möglichkeit gegeben, klar jegliche illegale Handlung oder Organentnahme zu verneinen. Der Sprecher des Spitals hat diese Möglichkeit nach Einschätzung des Presserats aber nicht genutzt, sondern sich eher unpräzis und allgemein geäussert. Die Zeitspanne von 24 Stunden für eine Stellungnahme war genügend lang, da das Spital eine Medienabteilung hat; der Mediensprecher hat denn auch bereits nach sechs Stunden geantwortet. Nicht angehört hat die BaZ jedoch das Institut für Rechtsmedizin Basel-Stadt. Im Artikel verdächtigt die Mutter das Institut, es habe durch die Obduktion die vorgängige illegale Organentnahme vertuschen wollen. Das ist ein schwerer Vorwurf, zu dem das Institut zwingend hätte angehört werden müssen. Indem die BaZ dies unterliess, hat sie gegen Richtlinie 3.8 verstossen.

2. Der kurze Artikel vom 22. Dezember 2017 hält fest, das Universitätsspital wehre sich gegen den Vorwurf in der Ausgabe der BaZ vom Vortag, in einen organisierten Organhandel verwickelt zu sein. Der Vorwurf entbehre jeglicher Grundlage, heisse es in einem Communiqué des Spitals. Das Spital habe alle nötigen Schritte unternommen, um den Vorwurf abzuklären. Die BaZ fügt an, noch am Tag zuvor aber habe es geheissen, das Spital habe keine Kenntnis von einer Untersuchung der Staatsanwaltschaft.

Dieser Bericht über das Dementi des Unispitals ist äusserst knapp gefasst. Vor allem aber enthält er kein Wort über die Obduktion im Rechtsmedizinischen Institut und deren Resultat. Er unterschlägt somit die Hauptaussage im Communiqué des Spitals, das heisst die Auskunft des Instituts für Rechtsmedizin, wonach der Leichnam keinerlei Hinweise auf Organentnahme aufwies. Diese Information hätte die Leser zweifelsfrei aufgeklärt, dass es zu keiner Entnahme gekommen war. Diese Information war zwingend, selbst wenn die BaZ nur den Verdacht (der Mutter) wiedergegeben hatte und nicht geschrieben hatte, es sei eine Entnahme vorgenommen worden. Die Ziffer 3 (Unterschlagung von wichtigen Informationen) der «Erklärung» ist jedenfalls verletzt.

Ob die BaZ das Dementi des Spitals auch online veröffentlichte, konnte der Presserat mangels Unterlagen nicht ermitteln. Er hält jedoch fest, dass dieses auch dort hätte publiziert werden sollen, und auch da mit dem Hinweis, dass eine Obduktion keine Hinweise auf eine Organentnahme erbracht hatte.

Der Presserat konstatiert zudem, dass der erste Artikel vom 21. Dezember 2017, der erstmals über den Verdacht auf illegale Organentnahme berichtete, eine halbe Seite umfasst. Das Dementi des Basler Universitätsspitals ist am folgenden Tag dann jedoch lediglich einspaltig elf Zeilen wert. Zudem war es am Seitenfuss platziert und von einem anderen Artikel umgeben. Es wäre der BaZ gut angestanden, das Dementi des Universitätsspitals angesichts der am Vortag publizierten gravierenden Vorwürfe prominenter zu platzieren. Eine Verletzung des Journalistenkodex vermag die gewählte Platzierung letztlich jedoch nicht zu begründen.

3. Im dritten Artikel vom 23. Dezember 2017 kommt der Journalist unter dem Titel «Organentnahme war in Basel geplant» noch einmal auf die Ungereimtheiten und Widersprüche der Geschichte des jungen Mannes zu sprechen, indem er aus dem Polizeiprotokoll zitiert und die Befürchtungen der Mutter wiederholt. Der Journalist zitiert zwei Passagen des Protokolls: «Der Leichnam befindet sich in der Pathologie der Uniklinik Basel. Eine zunächst geplante Organentnahme konnte nicht mehr durchgeführt werden, da der Kreislauf des Patienten zu lange stillgestanden hatte» und dass eine «Beschlagnahme des Leichnams» angeordnet worden sei «nach Kenntnisnahme der geplanten Organentnahme». Es stellt sich somit die Frage, ob die BaZ auf das deutsche Polizeiprotokoll abstützen durfte, ohne weitere Recherchen anzustellen. Immerhin stand Aussage gegen Aussage. Der Presserat hält fest, dass bei einem so heiklen Thema und angesichts der hektischen Situation das deutsche Polizeiprotokoll und die Befürchtungen der Mutter eine zu schwache Basis darstellen, um zu erhärten, dass eine Organentnahme geplant war. Der Journalist hätte anderweitige Recherchen anstellen und vor allem mit der Notärztin sprechen sollen. Im Artikel fehlt auch wiederum jeglicher Hinweis auf den Obduktionsbericht, der eine Organentnahme verneint. Stattdessen verschweigt der Journalist dieses Element und setzt einen Titel, der Fakten vorspiegelt («Organentnahme war in Basel geplant») sowie einen tendenziösen Zwischentitel («Keine offizielle Organentnahme»). Letzterer bezieht sich auf eine Aussage des Mediensprechers des Spitals, dies wird für den Leser jedoch nicht klar. Der Titel «Organentnahme war in Basel geplant» entspricht nicht der Wahrheit und führt die Leserinnen und Leser in die Irre. Die Wahrheitspflicht (Ziffer 1 der «Erklärung») ist somit verletzt. Den Zwischentitel «Keine offizielle Organentnahme» kann der Leser auch so deuten, dass eine Organentnahme stattgefunden hat, nur war sie nicht offiziell bzw. legal. Dieser Zwischentitel ist zumindest missverständlich formuliert und kann falsch interpretiert werden. Die Wahrheitspflicht verletzt er jedoch nicht.

Unter dem Zwischentitel «Fragwürdiges Vorgehen» schreibt die BaZ zudem, in einer Stellungnahme habe das Unispital behauptet, dass der Basler Staatsanwaltschaft kein solcher Fall bekannt sei. Peter Gill, Medienchef der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt, habe gestern auf Anfrage der BaZ allerdings gesagt: «Wir können bestätigen, dass schon seit längerer Zeit ein polizeiliches Ermittlungsverfahren läuft. Die Staatsanwaltschaft klärt ab, ob an den Vorwürfen der illegalen Organentnahme etwas dran ist.» Damit unterstellt die BaZ dem Unispital eine Falschaussage. In Tat und Wahrheit hatte dessen Mediensprecher in seiner Antwort an den Journalisten jedoch festgehalten, das Universitätsspital Basel habe keine Kenntnis von einer Untersuchung der Basler Staatsanwaltschaft im vom Journalisten geschilderten Fall. Dem Presserat liegen keine Anhaltspunkte vor, die ihn an dieser Aussage zweifeln lassen müsste. Somit liegt auch hier eine Verletzung von Ziffer 1 der «Erklärung» vor.

4. In seinem Mediencommuniqué vom 21. Dezember 2017 hielt das Universitätsspital Basel fest, es erwarte von den Medien, die aufgrund der Berichterstattung der «Basler Zeitung» bereits (online) berichtet hätten, ihre Artikel zu korrigieren und die Stellungnahme des Spitals entsprechend zu berücksichtigen. In seiner Beschwerde macht das Spital folgerichtig eine Verletzung von Ziffer 5 (Berichtigungspflicht) der «Erklärung» geltend. Der BaZ war die Bestätigung des Instituts für Rechtsmedizin bekannt, wonach keine Organentnahme durchgeführt wurde und eine solche auch nicht geplant war. Dennoch hat sie keine Berichtigung veröffentlicht. Somit liegt auch ein Verstoss gegen Ziffer 5 der «Erklärung» vor.

III. Feststellungen

1. Die Beschwerde wird in den wesentlichen Punkten gutgeheissen.

2. Die «Basler Zeitung» hat mit dem Artikel «Verdacht auf illegale Organentnahme» vom 21. Dezember 2017 dadurch, dass sie das Institut für Rechtsmedizin zu den schweren Vorwürfen nicht angehört hat, die Ziffer 3 (Anhören bei schweren Vorwürfen) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verletzt.

3. Die «Basler Zeitung» hat mit dem Artikel «Basler Unispital dementiert Vorwürfe» vom 22. Dezember 2017 Ziffer 3 (Unterschlagen von Informationen) der «Erklärung» verletzt, indem es die Kernaussage wegliess, wonach kein Organ entnommen wurde.

4. Die «Basler Zeitung» hat mit dem Artikel vom 23. Dezember 2017 «Organentnahme war in Basel geplant» die Ziffern 1 (Wahrheitssuche), 3 (Unterschlagen von Informationen) und 5 (Berichtigungspflicht) der «Erklärung» verletzt.

5. Darüber hinausgehend wird die Beschwerde abgewiesen.