Nr. 45/2018
Privatsphäre/Unterlassen anonymer und sachlich nicht gerechtfertigter Anschuldigungen

(X. c. «Republik»)

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Klarstellung
Der Schweizer Presserat hält zur Stellungnahme 45/2018 folgendes fest: Beim Beschwerdeführer der nachfolgenden Stellungnahme handelt es sich nicht um Herrn Regierungsrat Beat Villiger. Der Presserat kennt die Hintergründe zur Causa Beat Villiger / Republik nicht.

Zusammenfassung

Der Schweizer Presserat erachtet die Beschwerde gegen einen Bericht des digitalen Magazins «Republik» über den Zuger Regierungsrat Beat Villiger als offensichtlich unbegründet. Er tritt auf sie nicht ein.

Im Artikel «Zuger Justizdirektor verhindert Berichterstattung» hatte die «Republik» kurz vor der Regierungsratswahl vom 7. Oktober 2018 berichtet, die Luzerner Staatsanwaltschaft habe das Verfahren gegen Villiger trotz diverser Widersprüche eingestellt. Mit einer superprovisorischen Verfügung verhindere nun der CVP-Politiker die Veröffentlichung der «Republik»-Recherche. Der Presserat tritt auf eine Beschwerde gegen diesen Bericht erst gar nicht ein. Der Beschwerdeführer fand die Publikation dieses Artikels an sich fragwürdig, denn es sei niemand verurteilt worden. Es sei zudem um eine private Angelegenheit gegangen, ausserdem sei der Zeitpunkt eine Woche vor den Wahlen fragwürdig.

Der Presserat ruft in seinem Entscheid in Erinnerung, dass es grundsätzlich keine verbotenen Themen gibt. Die Kontrolle der Justiz gehöre zur Aufgabe der Medien, sie umfasst auch Berichte über eingestellte Strafverfahren.

Gleichzeitig bekräftigt der Presserat den Grundsatz, dass Medienschaffende die Privatsphäre auch von öffentlichen Personen zu respektieren haben. Dies gilt jedoch nur soweit, als das öffentliche Interesse nicht das Gegenteil verlangt. So ist es von öffentlichem Interesse, wie eine Staatsanwaltschaft arbeitet und wie sie eine Einstellungsverfügung gegen einen kantonalen Justizdirektor begründet. Sowohl Staatsanwaltschaft wie Villiger konnten sich zu den Fragen der «Republik» äussern. Auch die Publikation eine Woche vor der Wahl schützte der Presserat. Das öffentliche Interesse an den Ergebnissen der Recherche überwog klar.

Résumé

Le Conseil suisse de la presse juge manifestement infondée la plainte qui lui a été adressée au sujet d’un article consacré au Conseiller d’Etat Beat Villiger, publié sur le portail de «Republik». Il n’entre pas en matière.

Dans l’article intitulé «Zuger Justizdirektor verhindert Berichterstattung» (le directeur de la justice du canton de Zoug empêche la publication d’un article), «Republik» avait brièvement rendu compte de l’élection au Conseil d’Etat du 7 octobre 2018, indiquant que le ministère public lucernois avait classé la procédure pénale ouverte contre Beat Villiger malgré diverses contradictions. Le politicien PDC aurait empêché, par une décision superprovisoire, la publication des recherches menées par «Republik». Le Conseil de la presse n’entre pas en matière sur la plainte concernant cet article. Le plaignant estimait la publication de l’article contestable en soi parce que personne n’avait été condamné. De plus, il s’agissait, selon lui, d’une affaire privée et le moment choisi, une semaine avant les élections, était lui aussi discutable.

Le Conseil de la presse rappelle dans sa décision qu’il n’existe en principe pas de sujets interdits. Le contrôle de la justice fait partie des tâches des médias, et il englobe les comptes rendus de procédures pénales classées.

Parallèlement, le Conseil de la presse réaffirme le principe selon lequel les journalistes doivent respecter la sphère privée, y compris celle des personnes publiques. Ce principe ne vaut toutefois que lorsqu’aucun intérêt public n’exige le contraire. Il est d’intérêt public, par exemple, de savoir comment un ministère public travaille et de quelle manière il justifie une décision de classement concernant un directeur cantonal de la justice. Tant le ministère public que Beat Villiger ont pu s’exprimer sur les questions soulevées par «Republik». Le Conseil de la presse a également défendu la date de la publication, une semaine avant l’élection. L’intérêt public pour les résultats des recherches effectuées primait clairement.

Riassunto

«Manifestamente infondato»: così il Consiglio svizzero della stampa ha giudicato un reclamo contro il portale online «Republik» sul caso del consigliere di Stato di Zugo Beat Villiger. Negata l’entrata in materia.

Con un servizio intitolato «Il direttore della Giustizia di Zugo ostacola il lavoro dei giornalisti», il sito online «Republik» del 7 ottobre – in prossimità della rielezione del Consiglio di Stato del Cantone – riferiva che il Pubblico Ministero del Cantone aveva decretato l’abbandono di un procedimento contro Beat Villiger malgrado alcuni elementi contraddittori. L’uomo politico si era tuttavia rivolto alla giustizia per chiedere la sospensione superprovvisionale del servizio. Investito dal reclamo di una terza persona, il Consiglio della stampa ha deciso di non entrare in materia. L’autore metteva in dubbio la liceità dell’articolo come tale, in quanto a carico dell’uomo politico non risultava alcuna sentenza giudiziaria: si trattava, secondo il reclamante, di un fatto inerente alla sfera privata, inoltre la breve distanza dalle elezioni giustificava qualche perplessità circa il momento scelto per la pubblicazione.

Nella sua presa di posizione, il Consiglio della stampa rivela anzitutto che, in linea di principio, non esistono tematiche di cui il giornalista non possa occuparsi. Anzi, il controllo dell’esercizio della giustizia è un compito che ai media compete, decreti di abbandono non esclusi. Naturalmente – sottolinea il Consiglio della stampa – anche alle persone pubbliche deve essere riconosciuto per principio il rispetto della sfera privata. Ciò tuttavia solo in quanto non prevalga l’interesse pubblico: ed è sicuramente di interesse pubblico il modo in cui opera un Pubblico Ministero, comprese le motivazioni poste alla base di un decreto di abbandono. Tanto il magistrato quanto lo stesso Villiger avrebbero potuto replicare a «Republik». Niente da obiettare neppure circa la vicinanza della pubblicazione al voto popolare: l’interesse pubblico per l’argomento della ricerca giornalistica prevaleva.

I. Sachverhalt

A. Am 1. Oktober 2018 veröffentlichte die «Republik» einen Artikel von Carlos Hanimann und Michael Rüegg mit dem Titel «Zuger Justizdirektor verhindert Berichterstattung». In Lead heisst es: «Die Luzerner Strafbehörden ermittelten gegen den Zuger Justizdirektor Beat Villiger. Trotz Widersprüchen stellten sie das Verfahren ein. Mit einer superprovisorischen Verfügung verhindert der CVP-Politiker die Veröffentlichung einer Republik-Recherche.» Im Artikel führen die Autoren aus, die Luzerner Polizei habe am 29. Juli 2017 Villigers Wagen angehalten, eine Person ohne Führerschein habe diesen gelenkt. Daraufhin habe sie Anzeige gegen die Person und gegen Villiger erstattet. Zwei Tage vorher hätte sich der Justizdirektor telefonisch bei der Luzerner Polizei erkundigt, ob diese Person über einen Führerschein verfüge. Vier Monate später habe die Luzerner Polizei dieselbe Person mit Villigers Wagen erneut angehalten. Anlässlich der Einvernahme habe die Person einen Kaufvertrag präsentiert, welcher auf den 15. Mai datiert sei. Handschriftlich ergänzt habe es darin geheissen, die Übernahme des Wagens werde per 1. Juli erfolgen, der effektive Halterwechsel dann Ende August. Die Tatsache, dass der Wagen auch noch bei der zweiten Polizeikontrolle auf Villiger eingelöst war, habe bei der Polizei Zweifel aufkommen lassen. Wegen der superprovisorischen Verfügung des Bezirksgerichts Zürich verzichte die «Republik» darauf, über die Zweifel der Polizei zu berichten. Villiger weise die Vorwürfe zurück, er habe das Vertragsdokument Anfang Juni erstellt – also vor dem ersten Vorfall. Anlässlich der Einvernahme durch die Luzerner Staatsanwaltschaft im Januar 2018 dann habe er angedeutet, dass das Datum auf dem Vertrag möglicherweise nicht korrekt sei. Trotz dieser Unstimmigkeiten seien weitere Abklärungen der Staatsanwaltschaft ausgeblieben und sie habe das Verfahren in allen Punkten eingestellt. Die Einstellungsverfügung sei rechtskräftig, es gelte die Unschuldsvermutung für Villiger. Angefragt von der «Republik» hätten verschiedene Strafrechtsexperten auf Unstimmigkeiten hingewiesen. Die Luzerner Staatsanwaltschaft habe auf den Fragenkatalog der «Republik» mit einer pauschalen Stellungnahme geantwortet. Villiger selbst hält fest, er habe in dieser Geschichte Fehler gemacht. Er habe sich linken lassen, sich in etwas reingeritten. Er fürchte, die Sache könne ihn seine Karriere kosten.

B. Mit Eingabe vom 13. Oktober 2018 reichte X. beim Schweizer Presserat gegen die Berichterstattung der «Republik» Beschwerde ein. X. sieht mit dem Artikel die Ziffer 7 (Privatsphäre/Unterlassen anonymer und sachlich nicht gerechtfertigter Anschuldigungen) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (nachfolgend: «Erklärung») verletzt. Insbesondere ist für ihn gar die Publikation fragwürdig, da es sich erstens um eine eingestellte Strafuntersuchung handle, somit niemand verurteilt worden sei. Zweitens sei es um eine private Angelegenheit gegangen und drittens sei der Zeitpunkt der Publikation eine Woche vor den Regierungsratswahlen aus medienethischer Sicht fragwürdig.

C. Gemäss Art. 13 Abs. 1 des Geschäftsreglements behandelt das Presserats-präsidium, bestehend aus Dominique von Burg, Präsident, Francesca Snider, Vizepräsidentin, und Max Trossmann, Vizepräsident, Beschwerden, auf die der Presserat nicht eintritt.

D. Das Presseratspräsidium hat die vorliegende Stellungnahme per 15. November 2018 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.

II. Erwägungen

1. Gestützt auf Art. 11 Abs. 1 seines Geschäftsreglements tritt der Presserat nicht auf eine Beschwerde ein, die offensichtlich unbegründet ist.

2. a) Ziffer 7 der «Erklärung» hält Journalistinnen und Journalisten dazu an, die Privatsphäre der einzelnen Personen zu respektieren, sofern das öffentliche Interesse nicht das Gegenteil verlangt. Sie unterlassen anonyme und sachlich nicht gerechtfertigte Anschuldigungen.

Der Beschwerdeführer macht geltend, die Publikation des Artikels sei fragwürdig, da es sich um eine eingestellte Strafuntersuchung handle, weiter um eine private Angelegenheit und drittens sei die Publikation eine Woche vor den Wahlen fragwürdig bzw. unzulässig. Für den Presserat sind alle drei Gründe nicht stichhaltig, dies aus den folgenden Gründen: Ziffer 1 der «Erklärung» hält fest, dass Journalisten sich an die Wahrheit halten. Sie lassen sich vom Recht der Öffentlichkeit leiten, die Wahrheit zu erfahren. Als Grundsatz gilt, dass es keine verbotenen Themen gibt. In Bezug auf die Informationsfreiheit hält der Journalistenkodex unter den Rechten der Journalistinnen und Journalisten in Buchstabe a. ausdrücklich fest, dass diese freien Zugang haben zu allen Informationsquellen und die Freiheit zur unbehinderten Ermittlung aller Tatsachen, die von öffentlichem Interesse sind. In seiner Stellungnahme 25/2015 hat sich der Presserat ausführlich mit dem Öffentlichkeitsprinzip der Justiz auseinandergesetzt. Und unter anderem festgehalten: «Gemäss der Praxis des Bundesgerichts haben Journalistinnen und Journalisten auch das Recht, Einsicht in Strafbefehle, Einstellungs- oder Nichtanhandnahmeverfügungen zu nehmen, sofern daran ein schutzwürdiges Interesse besteht und keine überwiegenden öffentlichen oder privaten Interessen der Einsichtnahme entgegenstehen.» Er hat weiter bekräftigt, dass Medienschaffende möglichst einfachen Zugang zu Anklageschriften, Urteilen, Einstellungsverfügungen und Strafbefehlen gewährt werden muss, damit sie ihren Auftrag als «chiens de garde de la démocratie» erfüllen können. Art. 30 Abs. 3 der Bundesverfassung fordert eine öffentliche und damit kontrollierbare Justiz. Diese Kontrolle der Justiz ist somit eine der grundlegenden Aufgaben der Medien. Es gehört folglich zur Aufgabe von Medienschaffenden, auch Einstellungsverfügungen – wie im vorliegenden Fall geschehen – unter die Lupe zu nehmen.

b) Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, der Berichterstattung über die Einstellungsverfügung stehe die Privatsphäre des Vorstehers der Sicherheitsdirektion, Beat Villiger, entgegen. Laut Praxis des Presserats haben selbstverständlich auch öffentliche Personen Anspruch auf Schutz ihres Privatlebens. Prominente und Politiker müssen sich jedoch mehr gefallen lassen als gewöhnliche lebende Zeitgenossen. Wie erwähnt haben Medienschaffende gestützt auf Ziffer 7 der «Erklärung» deren Privatsphäre zu respektieren, sofern das öffentliche Interesse nicht das Gegenteil verlangt. Es ist zweifellos von öffentlichem Interesse, wie sich ein Politiker und insbesondere ein Justizdirektor gegenüber dem Gesetz verhält. Es ist ebenso zweifellos von öffentlichem Interesse, wie eine Staatsanwaltschaft arbeitet und eine Einstellungsverfügung begründet. Die Ergebnisse entsprechender Recherchen zu veröffentlichen ist somit nicht zu beanstanden. Dies um so weniger, als sowohl Sicherheitsdirektor Villiger wie auch die Luzerner Staatsanwaltschaft im Artikel zu Wort kamen und sich zu den Fragen der «Republik» äussern konnten. Und last but not least ist auch nicht zu beanstanden, dass der Bericht eine Woche vor den Wahlen erschien. Das öffentliche Interesse an den Ergebnissen der Recherche überwog klar. Die Beschwerde ist somit offensichtlich unbegründet.

III. Feststellungen

Der Presserat tritt auf die Beschwerde nicht ein.