Nr. 47/2007
Presserats- und Gerichtsverfahren

(Marchand c. «Blick») Stellungnahme des Presserates vom 28. September 2007

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I. Sachverhalt

A. Unter dem Titel «Schuldig! Jetzt muss schöne Fabienne blechen» berichtete «Blick» am 30. August 2007, das «Schweizer Topmodell» Fabienne Marchand sei am Vortag vom «Zürcher Bezirksgericht der Veruntreuung von Sponsorengeldern schuldig gesprochen» worden. «Das Gericht verdonnerte das Model zu einer Geldstrafe von 9900 Franken und ihren Ex-Partner zu 4500 Franken.»

B. Gleichentags gelangte die anwaltlich vertretene Fabienne Marchand an den Presserat. Am 29. August 2007 abends sei sie von «Blick» angerufen worden. Dabei sei ihr eröffnet worden, sie sei wegen Veruntreuung vom Bezirksgericht Zürich schuldig gesprochen und zu 9900 Franken Geldstrafe verurteilt worden. Sie habe zu diesem Zeitpunkt von nichts gewusst, denn das entsprechende – vollumfänglich auf Freispruch – lautende Urteil sei ihrem Anwalt erst im Laufe des 30. August 2007 zugestellt worden. Obwohl ihr Anwalt daraufhin sofort die SDA und den «Blick» informierte, habe der «Blick» die Meldung im Internet belassen bzw. um 13.30 Uhr aufgeschaltet. Mit der Veröffentlichung dieser Falschmeldung habe die Zeitung gegen die Richtlinien 1.1 (Wahrheitssuche), 2.3 (Trennung von Fakten und Kommentaren), 3.1 (Quellenbearbeitung), 3.8 (Anhörung bei schweren Vorwürfen), Ziffer 7.5 (Unschuldsvermutung) sowie 7.6 (Namensnennung) der Richtlinien zur «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verstossen. Weiter kündigte die Beschwerdeführerin an, dass zivilrechtliche und strafrechtliche Verfahren gegen den «Blick» bzw. die Ringier AG und die verantwortlichen Personen eingeleitet würden.

C. Tags darauf, am 31. August 2007, veröffentlichte «Blick» folgende Berichtigung: «Unschuldig! Schöne Fabienne freigesprochen». Darin entschuldigte sich «Blick» bei der Beschwerdeführerin «für die gestrige Falschmeldung. ‹Blick› hatte zu Unrecht geschrieben, die Jungunternehmerin und ihr ehemaliger Geschäftspartner (…) seien verurteilt worden. Der Urteilsbegründung ist klar zu entnehmen, dass die beiden keine Spendengelder für die SOS-Kinderdörfer veruntreut haben.» «Blick» habe bei der Veröffentlichung der Falschmeldung auf Angaben des ehemaligen Geschäftspartners von Fabienne Marchand abgestellt. Dieser habe erst nach Aufklärung durch seinen Anwalt gemerkt, dass sie freigesprochen worden seien. «Wir bedauern, dieser Falschmeldung aufgesessen zu sein.»

D. Gemäss Art. 9 Abs. 3 des Geschäftsreglements des Schweizer Presserates sind offensichtlich unbegründete Beschwerden durch das Presseratspräsidium zurückzuweisen. Dasselbe gilt für Beschwerden, bei denen die Zuständigkeit des Schweizer Presserates zu verneinen ist oder auf die der Presserat aus anderen Gründen nicht eintritt.

E. Das Presseratspräsidium bestehend aus dem Presseratspräsidenten Peter Studer und den beiden Vizepräsidentinnen Sylvie Arsever und Esther Diener-Morscher hat die vorliegende Stellungnahme per 28. September 2007 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.

II. Erwägungen

1. a) Gemäss Art. 15 Abs. 2 seines Geschäftsreglements kann der Presserat auch dann auf Beschwerden eintreten, wenn im Zusammenhang mit dem Beschwerdegegenstand bereits ein Gerichtsverfahren eingeleitet worden ist oder ein solches noch anhängig gemacht werden soll. Nach Abs. 3 der gleichen Bestimmung tritt der Presserat jedoch dann nicht auf eine Beschwerde ein, wenn er zum Schluss gelangt, «dass a) die manifeste Gefahr der Beeinflussung eines hängigen Gerichtsverfahrens durch das Presseratsverfahren das Interesse der Beschwerdeführerin/des Beschwerdeführers an einer Stellungnahme des Presserates eindeutig überwiegt und b) sich im Zusammenhang mit der Beschwerde keine grundlegenden berufsethischen Fragen stellen». Schliesslich tritt der Presserat gestützt auf Art. 15 Abs. 4 auch dann nicht auf Beschwerden ein, wenn er den Eindruck erhält, dass der Beschwerdeführer den Presserat missbrauchen will, um an Beweismittel zu gelangen, an die er auf anderem Wege nicht gelangen könnte.

b) In seiner jüngeren Praxis hat der Presserat darauf hingewiesen, dass es bei gleichzeitig hängigen Gerichts- und Presseratsverfahren schwierig abzuschätzen ist, ob das Gerichtsverfahren durch eine Stellungnahme des Presserats beeinflusst werden könnte. Für ihn ist deshalb in erster Linie massgebend, ob die Presseratsbeschwerde grundlegende berufsethische Fragen aufwirft (Stellungnahme 44/2006). Ungeachtet davon tritt der Presserat jedoch dann nicht auf eine Beschwerde ein, wenn aufgrund der ihm zur Verfügung stehenden Angaben zu schliessen ist, dass für den Beschwerdeführer weniger die Klärung offener berufsethischer Fragen als vielmehr die gerichtliche Durchsetzung von Ansprüchen im Vordergrund stehen dürfte. Dies gilt erst recht, wenn die wichtigsten berufsethischen Fragen nicht mehr strittig sind (56/2006).

2. Ähnlich ist die Sachlage aus Sicht des Presserates bei der Beschwerde von Fabienne Marchand. Diese stellt zusätzlich zur Presseratsbeschwerde gleich mehrere Gerichtsverfahren in Aussicht. Nach der Veröffentlichung der unmissverständlichen Berichtigung und Entschuldigung durch den «Blick» ist es nicht ersichtlich, welche der in der Beschwerde aufgeworfenen berufsethischen Fragen losgelöst von den angekündigten Gerichtsverfahren unbedingt durch den Presserat geklärt werden sollten.

III. Feststellung

Der Presserat tritt nicht auf die Beschwerde ein.