Nr. 19/2015
Wahrheitspflicht / Namensnennung / Unschuldsvermutung

(L. c. «Blick») Stellungnahme des Schweizer Presserats vom 11. Mai 2015

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I. Sachverhalt

A. «Blick» publizierte am 18. September 2014 einen Artikel mit dem Titel «Rentner Pierre L. drohte mit Blutbad». L. habe sich über die Studenten, die im Stockwerk über seiner Wohnung grossen Lärm verursachten, genervt und ihnen mit einem Blutbad gedroht. Sieben Mal habe er seit 2010 die Polizei gerufen. Ein anderes Mal sei er mit seinem Auto auf dem Trottoir auf einen seiner Nachbarn zugerast. L. sei nun wegen Gefährdung des Lebens und versuchter Nötigung zu 14 Monaten verurteilt worden. Gegen dieses Urteil habe er Berufung angekündigt.

B. Am 12. Dezember 2014 reichte L. beim Presserat Beschwerde ein. Er begründet sie mit der Veröffentlichung eines unvorteilhaften Fotos von ihm, welches ohne seine Zustimmung vor der Gerichtsverhandlung aufgenommen worden sei. Darin sieht er eine Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte. Zudem entspreche der reisserische Titel nicht der Wahrheit, weil das erstinstanzliche Urteil noch nicht rechtskräftig sei. Die Namensnennung sei durch kein öffentliches Interesse gedeckt, ausserdem sei die Aussage «Dafür muss der Familienvater jetzt hinter Gitter» unwahr und stelle eine Vorverurteilung dar. Dass er an einem Aprilmorgen 2012 mit seinem Auto auf dem Trottoir auf den Nachbar zugerast sei, entspreche ebenfalls nicht der Wahrheit, was im Plädoyer zu seiner Verteidigung ausdrücklich erwähnt worden sei, nicht jedoch im Artikel selbst. Darin habe «Blick» wichtige Elemente von Informationen unterschlagen.

C. Gemäss Art. 13 Abs. 1 des Geschäftsreglements behandelt das Presseratspräsidium Beschwerden, auf die der Presserat nicht eintritt.

D. Das Presseratspräsidium, bestehend aus Präsident Dominique von Burg, Vizepräsidentin Francesca Snider und Vizepräsident Max Trossmann, hat die vorliegende Stellungnahme per 11. Mai 2015 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.

II. Erwägungen

1. Gestützt auf Artikel 11 Absatz 1 seines Geschäftsreglements tritt der Presserat nicht auf eine Beschwerde ein, wenn diese offensichtlich unbegründet erscheint.

2. Der Artikel bewegt sich innerhalb der Grenzen, die durch die «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» abgesteckt sind. Das von «Blick» veröffentlichte Foto des Beschwerdeführers ist mit einem die Augen verdeckenden schwarzen Balken versehen, der Beschwerdeführer somit nicht erkennbar. Ob das Foto von ihm als unvorteilhaft zu gelten hat, kann nicht Gegenstand einer Beurteilung durch den Presserat sein. Der Autor schildert, was Gegenstand der Gerichtsverhandlung war. Deren Inhalt bestreitet der Beschwerdeführer nicht. Aus dem Artikel geht zudem klar hervor, dass das Urteil noch nicht rechtskräftig ist, weshalb auch der Vorwurf der Vorverurteilung ins Leere stösst. Der Beschwerdeführer wird nicht mit vollem Namen genannt, sein Nachname lediglich mit dem Anfangsbuchstaben bezeichnet, was nicht zu beanstanden ist. Die Beschwerde ist somit offensichtlich unbegründet.

III. Feststellung

Der Presserat tritt nicht auf die Beschwerde ein.