Nr. 62/2013
Interview

(Romy c. Plädoyer); Stellungnahme des Schweizer Presserats vom 13. November 2013

Drucken

Zusammenfassung

Grenzen von Interviewvereinbarungen

Sind Medienschaffende verpflichtet, autorisierte Zitate nach der Übersetzung in eine andere Sprache nochmals zur Autorisierung zu unterbreiten? Nein, findet der Presserat. Dies zu tun, sei aber fair und verhindere Missverständnisse. Interviewvereinbarungen, die dem Interviewten über das Gegenlesen von Zitaten hinaus die vollständige Kontrolle über den Inhalt eines Artikels geben, sind berufsethisch unbeachtlich.

Die Juristenzeitschrift «Plädoyer» übernahm im Februar 2013 von ihrer französischsprachigen Schwesterzeitschrift «Plaidoyer» ein Porträt über die Juristin und UBS-Verwaltungsrätin Isabelle Romy, welches die Redaktion für die Deutschschweizer Leserschaft in einigen Punkten anpasste. Die Porträtierte beschwerte sich beim Presserat, «Plädoyer» habe dabei die Intervieregeln verletzt, weil die Redaktion statt auf den von Romy autorisierten Text auf eine frühere Fassung des Artikels zurückgegriffen habe.

Der Presserat weist in seiner Stellungnahme darauf hin, dass Redaktionen nicht verpflichtet sind, bereits autorisierte Zitate nach der Übersetzung in eine andere Sprache nochmals zur Autorisierung zu unterbreiten. Trotzdem sei es fair, dies zu tun, um Missverständnisse zu verhindern. Gestützt auf das Verhalten der Redaktion habe die Beschwerdeführerin davon ausgehen dürfen, dass die von ihr bearbeitete Fassung des Textes für die Publikation verwendet würde. Beim Vergleich der beiden Versionen kommt der Presserat zum Schluss, dass sich die Redaktion im Wesentlichen an diese Vereinbarung gehalten hat. Ohnehin gehe es gehe zu weit, wenn die Beschwerdeführerin davon ausgehe, dass sie über das Gegenlesen und die Autorisierung von Zitaten hinaus die vollständige Kontrolle über den Inhalt des Porträts behalte.

Résumé

Limites d’interviews convenues

Les journalistes doivent-ils soumettre à nouveau pour approbation des citations préalablement autorisées après leur traduction dans une autre langue? Non, estime le Conseil suisse de la presse. Le faire éviterait toutefois des malentendus. Des accords sur une interview allant au-delà de la relecture de citations et qui autoriseraient l’interviewé à garder le contrôle total sur le contenu de l’article ne sont pas justifiés d’un point de vue déontologique.

La revue juridique alémanique «Plädoyer» reprend en février 2013 un portrait de sa revue sœur de langue française «Plaidoyer» consacré à la juriste et membre du conseil d’administration de l’UBS Isabelle Romy, texte dont la rédaction adapte certains points pour ses lecteurs alémaniques. La personne dépeinte se plaint auprès du Conseil de la presse de ce que «Plädoyer» aurait enfreint les règles de l’interview, la rédaction ayant recouru à une version antérieure au lieu du texte approuvé par Romy.

Dans sa prise de position, le Conseil de la presse fait observer que les rédactions n’ont pas l’obligation de soumettre une nouvelle fois pour approbation des citations déjà autorisées et traduites dans une autre langue. Le faire tout de même est un acte d’équité propre à prévenir des malentendus. Se fondant sur le comportement de la rédaction, la plaignante pouvait admettre que le texte retravaillé par elle serait utilisé pour la publication. En comparant les deux versions, le Conseil de la presse estime que la rédaction s’est tenue à l’accord pour ce qui est essentiel. De toute manière, la plaignante ne pouvait partir de l’idée qu’outre la relecture et l’approbation des citations, elle pouvait garder un contrôle total sur le contenu du portrait.

Riassunto

Quanto valgono gli accordi presi per un‘intervista

È obbligato un giornalista, dopo aver raccolto dichiarazioni autorizzate, a sottoporre all’intervistato il testo quando è stato tradotto in un’altra lingua? No, dice il Consiglio della stampa, anche se sarebbe un modo di agire leale e tale da prevenire malintesi. In ogni caso, è deontologicamente eccessivo affermare il dovere del giornalista di concedere all’intervistato il diritto di controllare nei minimi particolari il contenuto di un articolo.

Il periodico giuridico «Plädoyer» aveva ripreso nell’edizione del febbraio 2013, dal confratello di lingua francese «Plaidoyer», un ritratto della giurista e consigliera d’amministrazione dell’UBS Isabelle Romy, in alcuni punti adattandolo per la comprensione dei lettori di lingua tedesca. La persona in questione ha presentato contro il periodico un reclamo al Consiglio della stampa, per denunciare che la redazione si era servita di un testo precedente quello autorizzato tra lei e l’intervistatore.

Il Consiglio della stampa nega, nella sua presa di posizione, che sussista un dovere, da parte di chi traduce un’intervista, di sottoporre nuovamente il testo all’intervistato. Sarebbe certamente un gesto di cortesia ed eviterebbe eventuali malintesi, e si comprende che l’intervistata abbia potuto pensare che la redazione si doveva attenere al testo concordato. Ma, dal confronto delle diverse versioni, il Consiglio della stampa deduce che, nella sostanza, l’accordo è stato rispettato. La pretesa di poter controllare di nuovo nei particolari le citazioni contenute nel «ritratto» è eccessiva.


I. Sachverhalt

A. Die französischsprachige Juristen-Zeitschrift «Plaidoyer» veröffentlichte am 4. Februar 2013 unter dem Titel «Isabelle Romy, l’excellence par le contrôle et la discrétion» ein von Sylvie Fischer verfasstes Porträt der Rechtsanwältin und UBS-Verwaltungsrätin Isabelle Romy. Das Deutschschweizer Pendant von «Plaidoyer», «Plädoyer», veröffentlichte am selben Tag eine übersetzte und gekürzte Version des Porträts mit dem Titel «Diskret, kontrolliert, erfolgreich». Die von Corinna Hauri, Redaktorin von «Plädoyer», gezeichnete deutschsprachige Version unterscheidet sich an einigen Stellen vom französischsprachigen Ursprungstext.

B. Am 27. Juni 2013 beschwerte sich Isabelle Romy beim Presserat, «Plädoyer» habe mit der Veröffentlichung des übersetzten und gekürzten Textes «Diskret, kontrolliert, erfolgreich» die Ziffer 4 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (Lauterkeit der Recherche) und die zugehörige Richtlinie 4.5 (Interview) verletzt.

Die Beschwerdeführerin habe Sylvie Fischer im Dezember 2012 unter drei Bedingungen für ein Interview zu einem Porträt zugesagt:

– Sie kann nicht nur alle Zitate, sondern den ganzen Artikel prüfen und ändern;
– ihre Tätigkeit als Verwaltungsrätin der UBS wird nicht thematisiert;
– die Publikation des Artikels erfolgt in «Plaidoyer» auf Französisch.

Die französischsprachige Originalfassung des Porträts habe die Beschwerdeführerin durchgesehen und dessen Publikation autorisiert. Mitte Januar habe sich dann die Redaktorin der Deutschschweizer Ausgabe von «Plädoyer», Corinna Hauri, per E-Mail an Isabelle Romy gewandt und ihr eröffnet, dass sie das Porträt gerne auf Deutsch übersetzen und in der deutschsprachigen Ausgabe von «Plädoyer» veröffentlichen würde. Die Redaktorin habe die Beschwerdeführerin gebeten, die im E-Mail angehängte Übersetzung durchzusehen und die darin enthaltenen Zitate zu autorisieren.

Die Beschwerdeführerin habe die Übersetzung gelesen und die Publikation noch gleichentags verboten, da der Text stark vom Original abweiche und entgegen der mit Sylvie Fischer getroffenen Abmachung stark auf die UBS fo
kussiere. Im Zuge des darauffolgenden E-Mail-Verkehrs habe sich Isabelle Romy bereit erklärt, den Text von Corinna Hauri zu überarbeiten. Sie habe der Redaktorin den überarbeiteten Text zugestellt und erklärt, dass sie einzig mit dessen Veröffentlichung einverstanden sei. Corinna Hauri habe daraufhin wie folgt geantwortet: «Ich werde dem Produzenten unseres Heftes nun diese Version des Textes übermitteln und hoffe, dass sich so alle Diskussionen für beide Seiten mehr oder weniger befriedigend lösen können.» In der deutschsprachigen Ausgabe von «Plädoyer» 1/2013 sei dann aber doch die andere Fassung erschienen. Indem die Redaktorin entgegen der getroffenen Vereinbarung auf einen früheren Artikel zurückgegriffen habe, habe sie die Richtlinie 4.5 zur «Erklärung» (Interview) verletzt.

C. Am 30. August 2013 wies René Schuhmacher, publizistischer Leiter von «Plaidoyer»/«Plädoyer», die Beschwerde von Isabelle Romy als unbegründet zurück. Die Redaktion «Plädoyer» habe sich lediglich dem Wunsch der Porträtierten widersetzt, das Porträt in der deutschen Version nicht zu veröffentlichen. Dies verletze den Journalistenkodex in keiner Weise. Soweit sich Isabelle Romy auf die Richtlinie 4.5 (Interview) berufe, gehe ihr Vorwurf zudem schon deshalb fehl, weil es sich beim beanstandeten Artikel nicht um ein gestaltetes Interview handle.

Die Beschwerdeführerin sei aufgrund eines Missverständnisses davon ausgegangen, dass ihr nicht nur die einzelnen Zitate, sondern der ganze Text zur Autorisierung zu unterbreiten sei. Dies entspreche aber nicht den üblichen Gepflogenheiten. Denn es liege nicht im Ermessen der Beschwerdeführerin, einen Artikel zu genehmigen oder zu verbieten. Porträtierte könnten eigene Aussagen klären, präzisieren oder in bestimmten Fällen zurückziehen. Da Romy mit der französischen Version einverstanden gewesen sei, inklusive der Zitate, sei es nur noch darum gegangen, die Übersetzung der Zitate zu autorisieren. Romy habe deren Richtigkeit nicht bestritten, habe aber die Veröffentlichung des ganzen Porträts verhindern wollen.

Ohnehin treffe es keineswegs zu, dass sich «Plädoyer» nicht an die mit Sylvie Fischer getroffene Abmachung gehalten habe. Mit der Porträtierten sei vereinbart worden, dass die ersten Monate im UBS-Verwaltungsrat nicht Gegenstand der Fragen seien. Das sei eingehalten worden. Es sei aber nicht abgemacht gewesen, dass das VR-Mandat an sich nicht Gegenstand des Porträts war. Die französische Version des Porträts enthalte denn auch weit längere Passagen zur UBS als die deutsche Version. Dies mit dem einzigen Unterschied, dass die deutsche Version die Bedingung der Porträtierten transparenter mache. Weiter sei auch nicht vereinbart worden, dass der Text nur in der französischsprachigen Ausgabe von «Plädoyer» erscheine. «Dies würde der Arbeitsweise der Redaktionen diametral widersprechen.»

D. Am 13. September 2013 replizierte die Beschwerdeführerin sie habe sich gegen eine «krasse Verletzung» der getroffenen Vereinbarung gewehrt. Hauri habe versichert, die von Romy überarbeitete Version zu publizieren. Was aber nicht geschehen sei. Zudem sei folgendes Zitat falsch und nicht autorisiert worden: «Auch ich war als Steuerzahlerin und Bürgerin geschockt über die Ereignisse bei der UBS.» Weiter sei eine Frage, die im Porträt vorkomme, gar nicht gestellt worden, da ja vereinbart gewesen sei, dass keine Fragen zur UBS gestellt würden. Somit sei die Aussage falsch, Romy habe dazu nichts sagen wollen.

E. Am 15. Oktober 2013 erwiderte «Plädoyer», die Beschwerdeführerin sei von Sylvie Fischer darüber informiert worden, dass der Text möglicherweise für «Plädoyer» übersetzt werde. Und entgegen der Darstellung der Beschwerdeführerin sei keineswegs vereinbart worden, dass die von Isabelle Romy gewünschte Version des übersetzten Porträts publiziert werde. Über eine Veröffentlichung entscheide nicht die Autorin, sondern der Produzent. Abgemacht sei lediglich gewesen, die Zitate autorisieren zu lassen. Die redaktionellen Ausführungen seien demgegenüber Sache der Redaktion. Der Beschwerdeführerin die beiden Versionen der Porträts vollständig zu unterbreiten, habe auf einem reinen Entgegenkommen der Redaktionen beruht.

Das angeblich nicht autorisierte Zitat sei in der Isabelle Romy unterbreiteten Übersetzung wie folgt enthalten gewesen: «‹Doch›, sagt sie, ‹denn auch ich war als Steuerzahlerin und Bürgerin geschockt über diese Ereignisse.›» Veröffentlicht habe «Plädoyer» dann aber die von der Beschwerdeführerin überarbeitete Version: «‹Ich habe es mir gut überlegt›, sagt sie, ‹denn auch ich war als Steuerzahlerin und Bürgerin von den Ereignissen im 2008 schockiert›». Da die Redaktion damit lediglich eine Ergänzung der Beschwerdeführerin übernommen habe («im 2008») könne offenkundig keine Rede davon sein, ein nicht autorisiertes Zitat veröffentlicht zu haben. Zumal die von der Redaktion vorgenommene Änderung unwesentlich sei. Denn es sei klar, dass mit «Ereignissen im 2008» die Ereignisse bei der UBS gemeint seien.

F.
Das Präsidium wies die Beschwerde seiner 3. Kammer zu, der Max Trossmann (Kammerpräsident), Marianne Biber, Jan Grüebler, Matthias Halbeis, Peter Liatowitsch, Markus Locher und Franca Siegfried (Mitglieder) angehören.

G. Die 3. Kammer behandelte die Beschwerde an ihrer Sitzung vom 13. November 2013 sowie auf dem Korrespondenzweg.

II. Erwägungen

1. a) Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung von Ziffer 4 der «Erklärung» und der zugehörigen Richtlinie 4.5 (Interview). Ziffer 4 verbietet allgemein die Anwendung unlauterer Methoden bei der Beschaffung von Informationen. Die Richtlinie 4.5 lautet: «Das Interview basiert auf einer Vereinbarung zwischen zwei Partnerinnen/Partnern, welche die dafür geltenden Regeln festlegen. Besondere Bedingungen vor der Aufzeichnung (Beispiel: Verbot, gewisse Fragen zu stellen) sind bei der Publikation öffentlich zu machen. Im Normalfall müssen Interviews autorisiert werden. Die interviewte Person darf bei der Autorisierung keine wesentlichen Änderungen vornehmen (Veränderungen des Sinnes, Streichung oder Hinzufügung von Fragen). Sie kann aber offensichtliche Irrtümer korrigieren. Auch bei starken Kürzungen soll die interviewte Person ihre Äusserungen im Text wiedererkennen können. Ist keine Einigung zu erzielen, haben Medienschaffende das Recht, auf eine Publikation zu verzichten oder den Vorgang transparent zu machen. Wenn beide Seiten mit einer Fassung einverstanden sind, kann hinterher nicht mehr auf frühere Fassungen zurückgegriffen werden.»

b) Beim beanstandeten Artikel handelt es sich nicht um ein gestaltetes Interview, sondern um ein Porträt. Ist damit die Richtlinie 4.5 nicht anwendbar, wie dies die Beschwerdegegnerin geltend macht? Der Presserat hat dazu in der Stellungnahme 30/2002 ausgeführt, dass im Rahmen eines Recherchegesprächs getroffene Vereinbarungen ungeachtet der Form einzuhalten sind, in welcher der Gesprächsinhalt anschliessend veröffentlicht wird. Auch wenn «Plädoyer» das Gespräch mit der Beschwerdeführerin nicht als gestaltetes Interview veröffentlicht hat, ist die Richtlinie 4.5 mithin trotzdem anwendbar.

2. Zwischen den Parteien ist umstritten, was letztlich zwischen ihnen vereinbart worden ist. Dazu geht aus den dem Presserat eingereichten Unterlagen hervor, dass sich Corinna Hauri am 21. Januar 2013 per E-Mail an Isabelle Romy wandte: «Wir würden das Porträt nun gerne auch in der deutschsprachigen Ausgabe des ‹Plädoyer› bringen – ich glaube, Frau Fischer hat dies Ihnen gegenüber so bereits erwähnt. Wir haben versucht, Ihre Zitate möglichst gleich zu übersetzen, wären aber froh, wenn Sie diese noch kurz autorisieren könnten. Ich hänge Ihnen den Text für das Porträt an.»

Isabelle Romy a
ntwortete postwendend: «Ich teile Ihnen mit, dass ich die Publikation dieses Porträts in der deutschsprachigen Ausgabe nicht bewillige. Der Artikel weicht stark in Ton und Inhalt von der französischen Fassung ab und fokussiert auf die UBS, was nicht meinen Abmachungen mit Frau Fischer entspricht.» Für eine Publikation müsste der Text stark überarbeitet werden, was ihr kurzfristig nicht möglich sei.

Nach einigem Hin und Her erklärte sich die Beschwerdeführerin dann doch bereit, den Text zu überarbeiten. Am 23. Januar, spätabends, sandte sie Corinna Hauri eine eigene Version und hielt nochmals fest, dass sie mit dem Entwurf der «Plädoyer»-Redaktorin nicht einverstanden sei «und untersage ‹Plädoyer› dessen Publikation in der mir zugesandten Fassung». Sie habe sich jedoch bereit erklärt, den Text anzupassen. «Ich bin nur bereit, diese Version zu bewilligen, und dies nur unter der Bedingung, dass ausdrücklich erwähnt wird, dass es eine Zusammenfassung des Artikels auf Französisch ist.» Und sie schloss ihre Mitteilung mit dem Satz «Ich bitte Sie, mir bis morgen 12 Uhr zu bestätigen, dass Sie damit einverstanden sind und dass Sie die beigefügte Version – und nicht Ihren Text – publizieren werden».

Am 24. Januar 2013 kurz vor dem Mittag antwortete Corinna Hauri: «Ich werde dem Produzenten unseres Heftes nun diese Version des Textes übermitteln und hoffe, dass sich so alle Diskussionen für beide Seiten mehr oder weniger befriedigend lösen können.»

Für den Presserat durfte die Beschwerdeführerin ausgehend vom Vertrauensprinzip unter diesen Umständen grundsätzlich davon ausgehen, dass die Redaktion «Plädoyer» die von Isabelle Romy bearbeitete Fassung des Textes als Grundlage für die Publikation verwenden würde.

3. Mithin hat der Presserat zu prüfen, ob «Plädoyer» diese implizite Vereinbarung bei der Veröffentlichung des beanstandeten Textes eingehalten oder ob sich die Redaktion darüber hinweggesetzt hat. Beim eingehenden Vergleich der Version «Hauri» mit der Version «Romy» und dem von «Plädoyer» schliesslich veröffentlichten Porträt stellt der Presserat zunächst fest, dass zwischen den drei Versionen – aus Sicht eines unbefangenen Lesers – keine wesentlichen Unterschiede bestehen. Die von der Beschwerdeführerin verlangten Änderungen sind fast ausschliesslich redaktioneller, stilistischer Natur. Weiter ist festzustellen, dass sich die Redaktion beim veröffentlichten Text grösstenteils auf die Version «Romy» abgestützt und die «Vereinbarung» insofern eingehalten hat. Zwischen der Version «Romy» und dem veröffentlichten Text bestehen lediglich zwei nennenswerte Differenzen:

– Von der Version «Hauri» übernommen (und sprachlich noch leicht korrigiert) hat «Plädoyer» folgenden Abschnitt, den die Beschwerdeführerin gestrichen haben wollte: «Fast keine Woche vergeht ohne einen UBS-Skandal. Gewerbsmässiger Betrug wie beim Libor-Referenzzinssatz, Geldwäschereivorwürfe, Beihilfe zur Steuerflucht, Milliardenverluste durch Börsenspekulationen einzelner Angestellter, das Einheimsen von Retrozessionen, die den Kunden gehören – all das macht einen Sitz im UBS-Verwaltungsrat wohl kaum zum Traumjob einer Anwältin. Was kann sie als Einzelne für die Einhaltung von rechtlichen und ethischen Standards in dieser Grossbank beitragen? Dies hätte ‹Plädoyer› gerne von ihr gewusst. Doch Romy will dazu nichts sagen.»

– Zudem hat «Plädoyer» ein im Lauftext korrekt wiedergegebenes Zitat Romys («Auch ich war als Steuerzahlerin und Bürgerin von den Ereignissen im 2008 schockiert») wie folgt herausgehoben und zugespitzt: «Auch ich war als Steuerzahlerin und Bürgerin geschockt über die Ereignisse bei der UBS».

4. Hat «Plädoyer» mit diesen Veränderungen die getroffene Vereinbarung verletzt und damit gegen das der Richtlinie 4.5 zugrunde liegende Fairnessprinzip verstossen? Bei formaler Betrachtung ist dies zu bejahen. Nach Auffassung des Presserats wäre es aber aus den nachfolgenden Gründen unverhältnismässig, daraus eine Verletzung der «Erklärung» abzuleiten:

a) Nachdem die Beschwerdeführerin den französischen Text für «Plaidoyer» autorisiert und die darin enthaltenen Informationen sowie die direkten und indirekten Zitate damit zur Veröffentlichung freigegeben hatte, war die Redaktion von «Plädoyer» grundsätzlich frei, gestützt auf den französischen Originalartikel einen eigenen Text zu veröffentlichen und dabei den Originalartikel zu ergänzen und zu kommentieren. Selbst bei den Zitaten war die Zeitschrift nicht von vornherein verpflichtet, diese nach der Übersetzung nochmals autorisieren zu lassen. Dies zu tun war aber fair. Denn es kann verhindern, dass jemand nachträglich beanstandet, die Übersetzung habe die Aussagen verfälscht.

Der tiefere Grund für die Kontroverse zwischen den Parteien liegt für den Presserat darin, dass sich Isabelle Romy nicht darauf beschränkte, gestützt auf das «Recht am eigenen Wort» Zitate gegenzulesen und zu autorisieren, wie dies die Richtlinie 4.5 vorsieht. Vielmehr liefen ihre Bestrebungen tendenziell darauf hinaus, möglichst weitgehend zu kontrollieren, was die beiden Journalistinnen über die Beschwerdeführerin schreiben durften.

Journalismus ist im Gegensatz zu Public Relations jedoch nicht Selbst-, sondern Fremddarstellung. Interviewvereinbarungen, die den Interviewten über die Autorisierung des Wortlauts von direkten und indirekten Zitaten hinaus die vollständige Kontrolle über den publizierten Inhalt geben und damit die Freiheit des Kommentars und der Kritik übermässig einschränken, sind mit der Richtlinie 4.5 nicht vereinbar und deshalb berufsethisch unbeachtlich. Journalistinnen und Journalisten sollten ihren Gesprächspartnern deshalb –Ausnahmen vorbehalten, z.B. wenn es darum geht, komplizierte Sachverhalte fachlich zu überprüfen – lediglich die Zitate und nicht den ganzen Text zur Autorisierung unterbreiten.

Über diese grundsätzlichen Überlegungen hinaus stellt der Presserat zudem fest, dass der von «Plädoyer» eingefügte Absatz zwar tatsächlich eine Frage enthält, die der Beschwerdeführerin so nicht gestellt wurde und den Isabelle Romy in ihrer Version gestrichen hat: «Was kann sie als Einzelne für die Einhaltung von rechtlichen und ethischen Standards in dieser Grossbank beitragen? Das hätte ‹Plädoyer› gerne von ihr gewusst. Doch Romy will dazu nichts sagen.» Da Romy Fragen zu ihrer Arbeit als UBS-Verwaltungsrätin ablehnte, ist die Aussage, sie wolle dazu nichts sagen, jedoch korrekt. Zudem erweckt die fragliche Passage, die keine direkten Zitate enthält, nicht den Eindruck, dass sie der Beschwerdeführerin wörtlich so gestellt worden wäre. Gestützt auf die Richtlinie 4.5 (Offenlegung von besonderen Bedingungen bei Interviews) war es zudem richtig, dass «Plädoyer» transparent machte, dass sich Romy nicht zur UBS äussern wollte. Auch wenn das Hinzufügen des Absatzes formal gegen die getroffene «Vereinbarung» verstiess, hat «Plädoyer» die Richtlinie deshalb nicht verletzt. Hat doch «Plädoyer» damit nicht auf eine frühere Fassung eines Interviews zurückgegriffen sondern lediglich eine wichtige Rahmenbedingung des Gesprächs kommentiert.

b) Schliesslich hat «Plädoyer» im herausgehobenen Zitat die Aussage der Beschwerdeführerin zwar zugespitzt, inhaltlich aber nichts Unwahres geschrieben. Denn das in der Version der Beschwerdeführerin enthaltene und mithin autorisierte Zitat «Auch ich war als Steuerzahlerin und Bürgerin von den Ereignissen im 2008 schockiert» wird von Leserinnen und Lesern in der Schweiz unzweifelhaft in Zusammenhang mit der UBS gebracht, zumal in einem Porträt über eine Verwaltungsrätin der UBS. Zudem geht es im Abschnitt unmittelbar davor um die UBS und die Frage, die zu dieser Aussage führte, lautete: «Hat sie nicht gezögert, das Mandat als Verwaltungsrätin bei der UBS anzunehmen?» Unter diesen Umstän
den wäre es auch in Bezug auf das formal nicht ganz korrekte Zitat unverhältnismässig, daraus eine Verletzung der Ziffer 4 der «Erklärung» abzuleiten.

III. Feststellungen

1. Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. «Plädoyer» hat mit der Veröffentlichung des Porträts «Diskret, kontrolliert, erfolgreich» in der Ausgabe 1/2013 vom 4. Februar 2013 die Ziffer 4 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (Interview) nicht verletzt.