Nr. 5/1995
Ungenügende Trennung von journalistischer und bezahlter Information;

(Bezahlte Dienste der Schweizerischen Depeschenagentur und der Teletext AG), vom 2. November 1995

Stellungnahme

Ungenügende Trennung von journalistischer und bezahlter Information;

Die bezahlten und gesponserten Dienste der SDA und von Teletext sind als wirtschaftliche Notwendigkeit unbestritten. Aber die Gefahr der Verletzung der „Erklärung der Pflichten und Rechte » besteht, insbesondere durch mangelnde Transparenz (Ziff. 3 der Pflichten), ungenügende Abgrenzung von Information und kommerziellen Interessen (Ziff. 9) sowie eingeschränkte Freiheiten der Information und Recherche (Ziff. 2 und Buchstabe a der Rechte). Um diese Gefahr von vornherein zu bannen, wäre es erstrebenswert, wenn die SDA die bezahlten und gesponserten Dienste in eine spezielle Tochterfirma überführen und organisatorisch deutlicher vom Basisdienst abgrenzen würde. In jedem Fall muss die optische Abgrenzung wesentlich deutlicher als heute ausfallen.

Es ist sicherzustellen, dass sich die Journalisten in der Wahl der Information nicht durch die Möglichkeit beeinflussen lassen, die Meldung im OTS aufzunehmen. Die Journalisten dürfen nicht für OTS Nachrichten aquirieren. Das Sponsoring von Information durch Unternehmen, welche in einem direkten Zusammenhang zum Thema stehen, wie dies bei MID praktiziert wird, stellt eine besondere Gefährdung der journalistischen Unabhängigkeit dar. Eine Weiterentwicklung dieser Dienste ist vor allem in Bereichen abzulehnen, in denen die Gefahr von Schleichwerbung besonders gross ist. Die SDA muss in jedem Fall gewährleisten, dass die Informations- und Recherchierfreiheit der Redaktion sichergestellt ist. Die Redaktionen von Presse, Radio und Fernsehen sollten zudem dem Publikum offenlegen, welche Informationen nicht journalistisch überprüft oder gesponsert sind.

Prise de position

La nécessité économique de services payés et sponsorisés de l’ATS et de Télétext n’est pas contestée mais le danger de violation de la „Déclaration des devoirs et des droits du journaliste » subsiste en particulier en raison de la transparence insuffisante (ch. 3 des devoirs), d’une délimitation insuffisante entre information et intérêts commerciaux (ch.9) et, enfin, en raison d’une liberté d’information et d’investigation limitée (ch.2, litt.a des droits). Afin de conjurer d’emblée ces dangers, il vaudrait la peine que l’ATS soustraite à une filiale les services en question et qu’elle les distingue plus clairement, sur le plan de l’organisation, de ses services de base. Dans tous les cas, la délimitation doit être nettement plus importante, du point de vue optique, qu’elle ne l’est actuellement.

Il faut garantir que les journalistes ne soient pas influencés au moment de choisir les informations par le fait qu’il est possible de faire passer la nouvelle en question sur l’OTS. Les journalistes ne doivent pas non plus acquérir de l’information pour ce service. Le parrainage d’informations par des entreprises qui sont en rapport direct avec le sujet (tel que cela se passe au MID) met particulièrement en danger l’indépendance journalistique. Il faut rejeter un développement de ces services tout en particulier dans les domaines où le danger de la publicité rampante est spécialement grand. L’ATS doit, dans tous les cas, veiller que la liberté d’information et d’enquête soit assurée. Les rédactions de la presse, de la radio et de la télévision doivent, de même, indiquer au public quelles informations n’ont pas été journalistiquement vérifiées et quelles sont les informations sponsorisées.

Presa di posizione

Notizie e servizi a pagamento una distinzione insufficiente

L’ATS e il Teletext non possono prescindere, per necessità economiche, dall’ospitare testi a pagamento o sponsorizzati. Sussiste tuttavia un pericolo di violazione della Dichiarazione dei doveri e dei diritti del giornalista, per mancanza di trasparenza (cifra 3 dei Doveri), distinzione insufficiente tra informazione e interessi commerciali (cifra 9) e rischio di contrazione della libertà di informazione e ricerca (cifra 2 / a dei Diritti). Per eliminare ogni rischio sarebbe auspicabile che l’ATS affidasse la gestione di questi testi a una impresa chiaramente distinta dalle redazioni del servizio di base. In ogni caso, la distinzione dev’essere otticamente meglio percettibile che attualmente. E’ necessario assicurarsi che i giornalisti dell’ATS, quando scelgono le notizie da pubblicare, non siano influenzati dall’opportunità di dirottarle verso il servizio a pagamento (OTS). Ai giornalisti non devono essere assegnati incarichi di acquisizione per l’OTS. Particolarmente a rischio è l’indipendenza giornalistica dell’agenzia quando un’informazione sponsorizzata è tematicamente vicina ai compiti redazionali (come nel caso del MID, Servizio di informazioni mediche). L’ATS deve rifiutare un’estensione di questi servizi in settori ove il rischio di pubblicità parassitaria è particolarmente acuto. L’ATS deve in ogni caso garantire la salvaguardia della libertà di espressione e di ricerca delle redazioni. Ai giornali, le radio e le televisioni che riproducono questi servizi si chiede di chiarire al pubblico quali non siano stati giornalisticamente verificati oppure siano oggetto di sponsoring.

I. Sachverhalt

A. Die Schweizerische Depeschenagentur (SDA) kann mit den Einnahmen, die sie für ihren Basisdienst erhält, ihre Kosten nicht decken. Die Medien (Zeitungen, Radio, Fernsehen) als ihre Hauptkunden, die zugleich Träger der SDA sind und die Mitglieder des Verwaltungrates stellen, sorgen dafür, dass die Abonnementsbeiträge günstig bleiben. Da die SDA auch die Nachrichten-versorgung der Romandie und der italienischen Schweiz sicherstellen muss, klafft erst recht eine Finanzierungslücke, denn die Abonnementseinnahmen aus den Gebieten der sprachlichen Minderheiten decken die Kosten bei weitem nicht. Im Tessin gibt es beispielsweise nur noch vier Abonnenten für einen Dienst, der rund um die Uhr Nachrichten liefert. Da es für die SDA aus staatspolitischen Gründen nicht in Frage kam, auf den französischen und italienischen Dienst zu verzichten, und da die Kunden nicht bereit waren, die vollen Kosten zu decken, musste sich die nationale Agentur nach anderen Einnahmenquellen umsehen. B. Schon lange bedient die SDA nicht nur Medien, sondern auch andere Kunden mit ihrem Basisdienst. Zudem zog sie weitere Dienstleistungen auf: Grafikdienst, Meteo, Elsa (Datenbank), Elias (elektronisches Einkaufszentrum). Eine immer grössere Bedeutung erlangten in letzter Zeit zudem Informationsdienste, die von aussen bezahlt oder gesponsert werden: der Original-Text-Service (OTS), der Carrier-Dienst für die Schweizerische Wirtschaftsförderung (wf) sowie der auf bestimmte Themenbereiche ausgerichtete Medien-Informationsdienst (MID). Diese drei Dienste können durch Inhalt und Auftritt leicht mit dem Basisdienst verwechselt werden.

C. Der Original-Text-Service (OTS) steht gegen Bezahlung allen Behörden, Dienststellen, Parteien, Organisationen und Firmen (nicht aber Privat-personen) zur Verfügung für Mitteilungen (Communiqués, Ankündigungen, Statements), die sie an die Medien richten wollen und die sie sonst per Post oder Fax schicken müssten. Die SDA funktioniert also lediglich als Carrier. Sie redigiert die Texte nicht, sondern übernimmt sie im Originalwortlaut. Allerdings kann sie Texte ablehnen (z.B. wegen Verletzung des Persönlichkeits-schutzes, des Datenschutzes, wegen unlauterem Wettbewerb oder Rassismus oder wenn später als eine Woche vor Wahlen oder Abstimmungen noch Parolen verbreitet werden). Auch dürfen die Texte keine Werbung enthalten, die ebensogut in einem Inserat plaziert werden könnten. Da die SDA mit OTS Geld verdienen will, propagiert ihre Marketingabteilung den Dienst gegenüber potentiellen Kunden. Ein an 214 Redaktionen und Sendeanstalten in allen drei Sprachregionen übermittelter Text von 500 Wörtern kostet den Kunden 1135 Franken. Übe
r OTS laufen jährlich rund 2’000 Texte (bei 170’000 SDA-Meldungen im Basisdienst).

D. Der Dienst der Wirtschaftsförderung (wf) funktioniert nach ähnlichen Prinzipien wie OTS. wf ist eine Art Pressedienst der Wirtschaftsförderung, der gegen Bezahlung über das Netz der SDA verbreitet wird. Die SDA spielt bloss die Rolle als Carrier. Die Wirtschaftsförderung wandte sich nach der Schliessung der von ihr unterstützten Nachrichtenagentur Schweizerische Politische Korrespondenz (SPK), die Ende 1993 erfolgte, der SDA zu, übernahm 5 Prozent der Aktien und trat in den Verwaltungsrat ein. Sie ist dank des wf-Dienstes mit ihren Informationen und Kommentaren jederzeit bei den Medien präsent. Jährlich werden rund 150 Artikel verbreitet. Die SDA kann mit wf ebenfalls Geld verdienen.

E. Der Medien-Informationsdienst (MID) unterscheidet sich von den beiden anderen Diensten dadurch, dass die redaktionelle Verantwortung bei der SDA liegt und die Agentur kaum Geld verdient. Der Dienst dient eher der Erhöhung der Attraktivität der SDA gegenüber mittleren und kleineren Medien. Denn über MID vermittelt die SDA Artikel zu Spezialgebieten, bei denen interessierte Dritte das Geld für die Entschädigung fachkundiger Mitarbeiter sowie für eine redaktionelle Teilzeitstelle zur Verfügung stellen. Bis jetzt existierte MID-Gesundheit und MID-Informatik. MID-Gesundheit wird gesponsert durch die Interpharma, MID-Informatik durch IBM. Während der Informatik-Vertrag ausläuft und nicht erneuert wird, hofft die SDA, künftig weitere solche Abkommen schliessen zu können (beispielsweise in den Bereichen Banken, Hotellerie, Ernährung). Im Bereich Gesundheit finden jährlich zwei Treffen mit der Interpharma statt, an denen mögliche Themen diskutiert werden. Die Autoren (zwei Ärzte, ein Biologie und ein Chemiker) sowie der Redaktor sind inhaltlich frei. In den Texten dürfen keine Produktenamen genannt werden. Jährlich werden rund 80 Artikel veröffentlicht. In einer Umfrage bei 68 SDA-Kunden erklärten sich 63 Prozent an den MID-Texten interessiert. Vor allem kleinere und mittlere Zeitungen drucken sie ab.

F. Die drei Dienste werfen verschiedene Fragen auf: Ist sichergestellt, dass Informationen, die von öffentlicher Relevanz sind, in den Basisdienst aufgenommen und nicht in den OTS abgeschoben werden, weil die SDA so Geld verdient? Können Organisationen die journalistischen Selektionskriterien unterlaufen, indem sie OTS benützen? Sind OTS und wf für die Redaktionen und erst recht für das Publikum genügend vom Basisdienst unterscheidbar? Ist trotz redaktioneller Bearbeitung garantiert, dass MID nicht zu unkritischer PR für Anliegen bestimmter Lobbies wird? Wird langfristig ein immer grösser Teil der Themen durch MID „monopolisiert »? Diese und andere Fragen, aber auch eine Initiative der Kommission für Medientransparenz, veranlassten den Presserat, die Thematik aufzugreifen. Die Verantwortung lag bei der 1. Kammer. Sie setzt sich zusammen aus Roger Blum als Präsident sowie aus Sylvie Arsever, Piergiorgio Baroni, Sandra Baumeler, Klaus Mannhart und Enrico Morresi als Mitglieder.

G. Auch die Teletext AG, die als gemeinsames Projekt der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) und des Schweizerischen Verbands der Zeitungs- und Zeitschriftenverleger (SZV) aufgezogen wurde und keine Konzessionsgelder erhielt, war von Anfang an auf zusätzliche Einnahmen angewiesen. Sie beschaffte sie sich durch Werbung und durch bezahlte Informationen. Wie bei der SDA stellt sich die Frage, ob die bezahlten Informationen von den unabhängigen und journalistisch bearbeiteten Informationen unterschieden werden können. Darum bezog der Presserat auch die Praxis der Teletext in seine Abklärungen ein.

H. Um sich ein Bild über die Situation bei SDA und Teletext zu verschaffen, führte die 1. Kammer ein Hearing durch und holte weitere Stellungnahmen ein. Im Rahmen dieser Befragungen äusserten sich:

Bernard Reist, Chefredaktor der SDA – Eva Krähenbühl, Inlandredaktorin der SDA, Mitglied der Redaktionskommission – Markus Böhni, verantwortlicher SDA-Redaktor für MID – Hildegard Jutz, Bereichsleiterin Kommunikation der Caritas (OTS) – Thomas Cueni, Direktor Interpharma (MID) – Niklaus Stuber, Programmleiter von Teletext.

II. Erwägungen

1. Nachrichtenlieferanten, die neben journalistisch ausgewählten und bearbeiteten Nachrichten auch bezahlte und gesponserte verbreiten, sollten idealiter – volle Transparenz über die Herkunft der Informationen herstellen, – zwischen journalistisch bearbeiteten und bezahlten Nachrichten klar trennen, – und die Selektions- und Recherchierfreiheit der eigenen Redaktion sichern.

Dieses Konzept leitet sich aus der „Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten » ab. Denn Quellentransparenz ist ein wichtiges Prinzip der „Erklärung ». In Ziffer 3 der Pflichten wird nämlich verlangt, dass die Medienschaffenden nur Informationen veröffentlichen, deren Quellen ihnen bekannt sind, und dass sie keine wichtigen Elemente von Informationen unterschlagen. Auch das Postulat der Trennung von journalistisch bearbeiteten Informationen und Werbung jeglicher Art stützt sich auf den berufsethischen Kodex, steht doch in Ziffer 9 der Pflichten, dass die Medien-schaffenden in ihrer beruflichen Tätigkeit als Journalistinnen und Journalisten jede Form von kommerzieller Werbung vermeiden. Schliesslich kann aus der „Erklärung der Pflichten und Rechte » auch abgeleitet werden, dass Medien-schaffende verpflichtet sind, die Freiheit der Information zu verteidigen (Ziffer 2 der Pflichten), und dass sie freien Zugang zu allen Informationsquellen und die Freiheit zur unbehinderten Ermittlung aller Tatsachen haben (Buchstabe a der Rechte).

2. Es ist unbestritten, dass die nationale Nachrichtenagentur nicht nur einen deutschsprachigen, sondern auch einen französischen und italienischen Basisdienst anbieten muss. Es ist ebenso unbestritten, dass das Abonnement einer Agentur gerade für kleine Medien nicht unerschwinglich sein sollte. Und es ist zu vermuten, dass die nationale Agentur nur noch beschränkt eine unabhängige Informationsbeschafferin und -verteilerin wäre, wenn sie hauptsächlich vom Staat finanziert würde und in seinem Dienst stünde (wie früher Havas, Reuter oder WTB, wie heute die meisten Agenturen der ehemaligen sozialistischen Länder und der Dritten Welt). Daraus ergibt sich logisch, dass die SDA zur Deckung ihrer Kosten zusätzlicher Einnahmen bedarf, die sie sich nicht bei ihren klassischen Kunden beschaffen kann.

3. Allerdings stellt sich die Frage, ob sich die SDA mit ihrer Politik der Mittelbeschaffung nicht in Abhängigkeiten begibt, die genau so gefährlich sind wie diejenigen vom Staat. Wenn sie sich die journalistische Bearbeitung von immer mehr Themenbereichen sponsern lässt, so kann dies nicht ganz ohne Beeinflussung bleiben, denn aus uneigennützigen Gründen ist kein Verband und keine Branche bereit, die Agentur mitzufinanzieren. Schon in seiner Stellungnahme zu den Sponsoring-Richtlinien des Bundesamts für Kommunikation (BAKOM) für Radio und Fernsehen hat der Presserat mit allem Nachdruck die Ansicht vertreten, dass kein Unternehmen Sendungen sponsern sollte, die den Bereich seiner eigenen Aktivitäten berühren. Auch wenn beispielsweise die Interpharma direkt keinen Einfluss auf MID nimmt und Direktor Thomas Cueni zum Ausdruck bringt, dass die Interpharma lediglich erreichen möchte, dass auch kleinere Medien immer wieder Beiträge über Gesundheitsthemen veröffentlichen, so erwartet sie wohl doch, dass die kontinuierliche Bearbeitung dieser Themen ihren Interessen entgegenkommt, zumindest das Bewusstsein der Leute für Prävention und Möglichkeiten der Krankheitsbekämpfung schärft. Und wenn der Bereich von MID ausgedehnt würde – auf Banken, Versicherungen, Tourismus, Ernährung -, so gäbe es plötzlich eine ganze Themenpalette, in der die SDA als verlängerter Arm von Lobbies betrachtet werden könnte. Dabei ist an der Integrität und am guten Willen der Beteiligten nicht zu zweifeln. SDA
-Redaktor Thomas Böhni kann darauf verweisen, dass gesundheitspolitische Themen eher im Basisdienst der SDA aufgegriffen werden und dem MID die wissenschaftlich-lebenshilfe-orientierten Themen vorbehalten sind, und dass beim einzigen Mal, als die Interpharma hinterher intervenierte, die SDA ihren gegenteiligen Standpunkt verständlich machen konnte. Von Seiten der SDA wird also betont, dass journalistische Kriterien über Thematik und Art der Veröffentlichungen entscheiden. Gleichwohl ist ein gewisses Unbehagen nicht zu beseitigen.

4. Auch dort, wo sich die SDA bloss als Carrier betätigt, sind Fragezeichen zu setzen. Die ersten Betroffenen sind Organisationen, die ein Communiqué verbreiten wollen und von der SDA den überraschenden Bescheid erhalten, das Thema sei für den Basisdienst zu unwichtig, aber es sei den Urhebern unbenommen, das Communiqué über den OTS zu verbreiten. Dies passiert vielen Organisationen; dem Presserat sind Beispiele der „Vereinigung für Verfassungsreform » und von „Reporter sans frontières » bekannt. Daran wird zweierlei deutlich: Erstens hat die SDA ihre Selektionskriterien wegen des OTS bereits verändert und versucht nun Nachrichten von minderer Wichtigkeit in den bezahlten Dienst abzuschieben. Zweitens ensteht eine Art „Zweiklassengesellschaft » der öffentlichen Akteure: Während es für grosse Unternehmen, Wirtschaftsverbände, Departemente des Bundes und selbst grössere Hilfswerke kein Problem ist, auch den OTS zu nutzen, gibt es kleinere Organisationen, die es sich finanziell schlicht nicht leisten können, ihre Mitteilungen bezahlt zu verbreiten. Damit erfährt die Öffentlichkeit mehr von den finanziell potenten als von den finanziell schwächeren Akteuren. Die zweiten Betroffenen von OTS und wf sind die Mitglieder der SDA-Redaktion, vor allem in den Ressorts Inland und Wirtschaft. Wenn sie sich beispielsweise weigern, nach einer Pressekonferenz der Grünen Partei der Schweiz zu den Alpentransversalen den Gegenstandpunkt des Eidgenössischen Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartements in ihren Bericht aufzunehmen, weil nach konstanter Praxis Berichte über Pressekonferenzen nicht zugleich die Gegen-position enthalten, es sei denn, die Gegenseite veranstalte auche eine Presse-konferenz, dann kann das Departement seinen Standpunkt einfach via OTS ins Netz einspeisen. Damit werden die Selektionskriterien der SDA-Redaktion unterlaufen. Umgekehrt treffen sich die Interessen der SDA-Marketing-abteilung (die für die SDA Geld verdienen will) und jene von Parteien, Verbänden, Behörden (die sicherstellen wollen, dass ihre Standpunkte unverfälscht zu den Medien gelangen) via OTS, und nochmals hat das journalistische Selektions- und Bearbeitungssystem das Nachsehen. Kommt dazu, dass sich die Wirtschaftsförderung und viele Nutzer des OTS darum bemühen, ihre Texte so aufzubauen, dass sie SDA-Artikeln zum Verwechseln ähnlich sind. Damit kommen die Redaktionen der Zeitungen, Radio- und Fernsehstationen sowie das Publikum als dritte und vierte Betroffene ins Spiel: Die Redaktionen laufen Gefahr, zu übersehen, dass es sich bei OTS- und wf-Meldungen um reine PR-Texte handelt, und das Publikum kann in seiner Mehrheit gar nicht zwischen OTS, SDA, AP, wf, Si oder MID unterscheiden. Die hohe Glaubwürdigkeit der SDA wird dadurch von Lobbies geschickt zum eigenen Vorteil genutzt.

5. Zwar loben Nutzer des OTS vor allem die Schnelligkeit und die Sparmöglichkeiten (an Papier und Arbeit). Hildegard Jutz von der Caritas beispielsweise stellt zwar fest, dass die von der SDA im Basisdienst verbreiteten Meldungen eher den Weg in die Medien finden als OTS-Texte. Denn eine gewisse Vorsicht lassen die Redaktionen schon walten, zumal der Hinweis, dass es sich um „Original-Texte » handelt, ja jedesmal gegeben wird. Allerdings wird selbst innerhalb der SDA-Redaktion die Kennzeichnung von OTS und wf als ungenügend betrachtet. Doch auch wenn OTS- oder wf-Texte kaum unbesehen ins Blatt kommen, erleichtert die SDA als Carrier den Nutzern des OTS und der Wirtschaftsförderung dennoch den Weg in die Medien: Die Nutzer finden einen unkomplizierteren Zugang als über den Fax und den Brief, und die Redaktionen können sich leicht verführen lassen. Dabei gibt es durchaus legitime Gründe, solche Texte tel quel zu veröffentlichen: Etwa, wenn es sich um Dokumente oder um wichtige Positionsbezüge handelt. Schwierig wird es hingegen, wenn die Nutzer Zahlen eigenwillig (oder sogar falsch) interpretieren oder Tatsachen verdrehen, ohne dass dies durch journalistische Recherchen korrigiert wird.

6. Es wäre daher zu wünschen, dass die SDA den finanziellen Profit, den ihr die Carrier-Dienste bringen, mit der nötigen Distanzierung, Transparenz der Herkunft von Nachrichten und Aufrechterhaltung der journalistischen Unabhängigkeit verknüpfen könnte. Die Carrierdienste sollten noch mehr abgegrenzt werden – in einer Tochterfirma (wie die Sport-Information), die zwar das SDA-Netz nutzt, aber mit anderem Logo und Namen auftritt (beispielsweise Swiss Carrier-Service SCS). Die Texte sollten im Sinne der Transparenz noch deutlicher als bezahlt oder gesponsert markiert werden. Und in allen Verträgen, Richtlinien und Selbstdarstellungen sollte klar festgehalten werden, dass jedes Thema journalistischer Bearbeitung offensteht, unabhängig davon, ob das gleiche Thema gerade Gegenstand einer Meldung im Carrier-Dienst ist.

7. Weniger Probleme stellt die Abgrenzung bei Teletext. Dort erscheinen Informationen in weisser Schrift auf schwarzem Hintergrund und bezahlte Dienste sowie Werbung weiss auf farbigem Hintergrund. Bezahlte Informationen unterscheiden sich zudem graphisch durch ein anderes Logo. Da allerdings Teletext noch immer ein relativ neues Medium ist, mit dem sich laufend neue Nutzerinnen und Nutzer vertraut machen, muss die Unterscheidung für das Publikum auf Anhieb erkennbar sein. Das ist nicht immer der Fall. Darum sollte an weiteren Verbesserungen gearbeitet werden.

III. Feststellungen

Aus diesen Gründen stellt der Presserat fest:

1. Die bezahlten und gesponserten Dienste der Schweizerischen Depeschenagentur (SDA) und von Teletext sind als wirtschaftliche Notwendigkeit unbestritten. Aber die Gefahr der Verletzung der „Erklärung der Pflichten und Rechte » besteht, insbesondere durch mangelnde Transparenz (Ziffer 3 der Pflichten), ungenügende Abgrenzung von Information und kommerzielle Interessen (Ziffer 9) sowie eingeschränkte Freiheiten der Information und Recherche (Ziffer 2 und Buchstabe a der Rechte).

2. Um diese Gefahr zum vorneherein zu bannen, wäre es erstrebenswert, wenn die SDA die bezahlten und gesponserten Dienste in eine spezielle Tochterfirma überführte und sie damit organisatorisch deutlicher vom Basisdienst abgrenzte. Auf alle Fälle muss die optische Abgrenzung wesentlich deutlicher als heute ausfallen.

3. In allen Verträgen und Verlautbarungen sollte die SDA sicherstellen, dass Themen, die Gegenstand von bezahlten oder gesponserten Diensten sind, immer auch Gegenstand kritischer journalistischer Recherche durch die SDA-Redaktion sein können.

4. Die SDA hat zu gewährleisten, dass die bei ihr angestellten Journalistinnen und Journalisten sich bei der Selektion der Nachrichten nicht durch die Möglichkeit beeinflussen lassen, die Meldung in den Original-Text-Service (OTS) aufzunehmen. SDA-Journalistinnen und -Journalisten dürfen nicht für den OTS akquirieren. 5. Eine erhebliche Gefahr für die Wahrung der redaktionellen Freiheit bei der SDA ergibt sich aus der Tatsache, dass die Sponsoren des Medien-Informationsdienstes (MID) von den behandelten Themen direkt betroffen sind. Es wäre daher wünschenswert, eine Ausdehnung des MID zu vermeiden, vor allem in Themenbereiche, in denen der Werbecharakter dominant würde.

6. Für die SDA-Kunden darf kein Zwang bestehen, neben dem Basisdienst auch die Zusatzdienste zu beziehen.

7. Teletext sollte die bezahlten Informationen noch deutlicher von den journalistisch bearbeiteten abgrenzen.

8. Die Redaktionen von Presse, Radio und Fernsehen sollten dem Publikum
offenlegen, welche Informationen nicht journalistisch überprüft oder gesponsert sind. Das Publikum sollte immer Klarheit erhalten über die Quelle der Information.