Ein Nachruf von Martin Künzi
Für den Presserat war der Publizist und Medienjurist Peter Studer ein Glücksfall. Das 1977 vom damaligen Journalistenverband «Schweizer Presse» (später «Schweizer Verband der Journalistinnen und Journalisten», heute «Impressum») gegründete Selbstkontrollorgan bearbeitete anfangs nur wenige Fälle pro Jahr. Zusammen mit seinem Vorgänger – dem Journalisten und Medienwissenschaftsprofessor Roger Blum – trug Peter Studer massgeblich zur Weiterentwicklung des Schweizer Presserats bei. Beide haben mich als jungen Juristen beruflich massgebend geprägt.
Roger Blum, der sein Amt 1991 antrat, sorgte mit konsequenter Öffentlichkeitsarbeit dafür, dass der Presserat das stille Kämmerlein verliess und zu einer öffentlichen Instanz wurde. Als Blum 2001 zurücktrat, galt Peter Studer weitherum als idealer Kandidat. Er war Jurist und brachte vielseitige journalistische Erfahrung unter anderem als Chefredaktor des «Tages-Anzeiger» und des Schweizer Fernsehens mit. Die Diskussionen im Stiftungsrat «Schweizer Presserat» waren damals stark verbandspolitisch geprägt. Zudem kursierten Vorurteile aus der damals schon lange zurückliegenden Tagi-Zeit. Beides führte dazu, dass Peter Studer schliesslich nur sehr knapp – mit einer Stimme Unterschied – gewählt wurde. Er liess sich dadurch aber nicht beirren und setzte die von seinem Vorgänger angefangene Arbeit mit grossem Engagement fort. In den sieben Jahren seiner Präsidentschaft zeigte er eine enorme Schaffenskraft und erreichte eine hohe Präsenz in der Öffentlichkeit. Der Presserat profitierte in dieser Zeit vom hohen Bekanntheitsgrad Studers, aber auch von seiner Dozenten- und Vortragstätigkeit als Medienrechtler. Ihm ist es massgeblich zu verdanken, dass sich der Presserat in den Nullerjahren schrittweise zu einem in der Medienbranche anerkannten Selbstkontrollorgan weiterentwickelte, das auch von einer breiten Öffentlichkeit und der Politik wahr- und ernstgenommen wird.
Eines seiner grossen Anliegen war die Verankerung des Fairnessprinzips: 2003 wurde die Pflicht zur Anhörung bei schweren Vorwürfen in Richtlinie 3.8 verankert (die Richtlinien ergänzen den eher abstrakten Journalismuskodex).
Klar war für Peter Studer zudem, dass nach der 1999 erfolgten Erweiterung der Trägerschaft des Presserats auf weitere Journalistenverbände zwingend der nächste Schritt folgen sollte: Mit dem Einbezug der Verleger und der SRG sollte die Akzeptanz des Presserats in der Medienbranche weiter erhöht werden. Studers Geduld wurde diesbezüglich mehrfach auf die Probe gestellt. Er liess sich in seinem Tatendrang jedoch auch durch wiederholte Rückschläge nicht beirren. 2008, ein Jahr nach seiner erfolgreichen Amtszeit, wurde die Erweiterung dann tatsächlich realisiert. Seither ist auch eine moderate Abdruckpflicht verankert. Medien sind verpflichtet, eine Zusammenfassung der Stellungnahmen des Presserats, die ihr Medium betreffen, zu publizieren.
Presseratsintern war Peter Studer sowohl ein Leader als auch ein ausgeprägt kollegialer Teamplayer. Es ging ihm nie um die eigene Person, sondern immer um die Sache. Beim Feinschliff der Texte der Stellungnahmen, Medienmitteilungen etc. kam jeweils der altgediente Chefredaktor zum Vorschein. Die Praxistauglichkeit der Richtlinien zur «Erklärung der Journalistinnen und Journalisten» und eine möglichst verständliche, einfache Sprache war ihm immer ein grosses Anliegen. Nach seinem Rücktritt half er, den Ratgeber «So arbeiten Journalisten fair» (erschienen 2011) zu verfassen. Anfangs Dezember 2023 ist er im Alter von 88 Jahren nach einem reicherfüllten Leben still eingeschlafen. Ich werde ihn in bester Erinnerung behalten.
Martin Künzi war von 1991 bis 2013 Sekretär des Schweizer Presserats.