Hier kommt der erste Newsletter des Schweizer Presserats. Wir werden in unserem Newsletter jeweils über wichtige Beschwerden und Entscheide berichten und sporadisch auf relevante medienethische Debatten aus dem In- oder Ausland eingehen.
Eine Frage, die gerne hochgespielt wird: Wozu braucht es überhaupt den Presserat? «Den Presserat nehme ich überhaupt nicht ernst. Es ist eine einseitige, gewerkschaftsnahe linke Organisation, die nichts anderes macht, als alle Medien, die nicht ihrem ideologischen Vorurteil entsprechen, zu bekämpfen. Der Presserat ist überflüssig», sagte jüngst der Chef eines Onlineportals in einem Interview mit «Persönlich». Der Mann war früher einmal Chefredaktor einer grösseren Zeitung.
Dass der Mann ein Problem mit dem Presserat hat, spricht für den Presserat. Der Interviewer wollte nämlich von dem Onlineportalchef wissen, weshalb er einen Journalisten einstelle, der vom Presserat neunmal gerügt worden sei. Worauf dieser entgegnete, der Journalist – nennen wir ihn A. – sei ein vorzüglicher Lokalreporter gewesen und der Presserat eben überflüssig.
Das macht neugierig auf das Sündenregister von A. Doch so einfach ist es nicht. Tatsächlich gingen beim Presserat in den vergangenen Jahren 13 Beschwerden gegen A. ein. Drei der Beschwerden wurden allerdings abgewiesen, und auf eine wurde nicht eingetreten, weil sie offensichtlich unbegründet war. Zu den anderen neun Beschwerden: Fünf davon wurden teilweise, vier grösstenteils gutgeheissen. A. hatte also mehrmals gegen die «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verstossen, das ist richtig. Nur, was sagt das aus? Die Anzahl Beschwerden, die beim Presserat gegen ein Medium oder einen Journalisten eingehen, sind statistisch keine verlässliche Grösse. Denn jeder und jede darf jederzeit eine Beschwerde einreichen. Das ist gut und richtig so. Es birgt aber auch das Risiko, dass Medien oder JournalistInnen ins Visier genommen werden können und man sie mit Beschwerden überzieht. Deshalb verzichtet der Presserat bewusst darauf, Rankings zu veröffentlichen – weder von JournalistInnen noch von Medien, die besonders oft gerügt werden.
Trotzdem: Wenn derselbe Journalist immer wieder gerügt wird, deutet das darauf hin, dass das betreffende Medium ein Problem mit der Qualitätskontrolle hat oder hatte. Guter Journalismus entsteht in Redaktionen, die dafür sorgen, dass möglichst keine Fehler oder unfairen Anschuldigungen veröffentlicht werden. Journalismus ist Teamsport.
Da schliesst sich der Kreis zum Chef des Onlineportals. Er war während acht Jahren der Chefredaktor von Lokalreporter A. Wenn dieser just in jenem Zeitraum vom Presserat öfters gerügt wurde, betrafen die Rügen selbstredend auch den Chef. Darüber könnte er sich hinwegsetzen, wenn die Rügen ideologisch motiviert wären. Im Presserat werden aber keine politischen Inhalte diskutiert – da geht es um die Spielregeln, die das journalistische Handwerk zu einem redlichen, fairen, transparenten Geschäft machen.
Die Regeln sind in der «Erklärung» festgeschrieben. Der Berufsverband Impressum hat sie im Sommer 1972 veröffentlicht. Nach 50 Jahren haben sie immer noch keinen Staub angesetzt. Es geht darin um die «Wahrheitssuche», um «Meinungspluralismus» oder um den «Schutz der Privatsphäre». In der Präambel der «Erklärung» steht: «Journalistinnen und Journalisten, welche dieser Bezeichnung würdig sind, halten es für ihre Pflicht, die Grundsätze dieser Erklärung getreulich zu befolgen.»
Der Presserat ist heute sehr breit aufgestellt, neben Impressum und den Gewerkschaften sind der Verlegerverband, die Konferenz der ChefredaktorInnen oder auch die SRG in der Trägerstiftung dabei.
Doch was zentral ist, ist die Selbstregulierung: Nicht der Staat oder Gerichte bestimmen, was Journalismus darf – es sind JournalistInnen, die über die Arbeit anderer JournalistInnen reden, um auszuloten, was man darf und was man nicht darf. Sie reden nicht über Politik, sondern über Berufsethik. Das sind zwei fundamental unterschiedliche Dinge.
Man kann sich darum foutieren. Das wäre aber, wie wenn man beim Sport sagt, man anerkenne weder Spielregeln noch SchiedsrichterInnen.
Kann man machen, dann ist es aber kein Sport mehr, sondern eher ruchlose Rüpelei.
Susan Boos, Präsidentin des Schweizer Presserates