Nr. 66/2011
Zeichnung von Medienmitteilungen und Leserbriefen

(Aktion gegen Fluglärm Altenrhein c. «St. Galler Tagblatt») Stellungnahme des Schweizer Presserates vom 30. Dezember 20

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I. Sachverhalt

A. Am 9. Juli 2011 berichtete Rudolf Hirtl unter dem Titel «Nur ein laues Lüftchen aus Bern» im «St. Galler Tagblatt», der Bundesrat habe das Objektblatt des Sachplans Infrastruktur der Luftfahrt für den Airport St. Gallen-Altenrhein genehmigt. Auf die aktuelle Situation und die Entwicklung des Flughafens habe der Entscheid keine Wirkung. Dennoch sei Airport-Direktor Armin Unternährer nicht restlos glücklich. «Wir stören uns daran, dass wir weiterhin ein Korsett verpasst bekommen, das die Flugbewegungen auf 36’500 jährlich begrenzt.» Aus seiner Sicht wäre es sinnvoller, eine Lärmobergrenze zu bestimmen. Die Angst vor ausufernden Flugbewegungen bei der Öffnung des Korsetts sei unbegründet, zumal der Airport das bestehende Limit mit durchschnittlich 30’000 Bewegungen jährlich auch heute bei weitem nicht ausreize.

B. Als Reaktion auf den Bericht versandte der Schutzverband Aktion gegen Fluglärm Altenrhein (nachfolgend AgF) eine Medienmitteilung und kritisierte, es sei inkonsequent, wenn sich Armin Unternährer an der Beschränkung der Flugbewegungen störe, gleichzeitig aber geltend mache, der Airport reize das derzeitige Limit nicht aus. Die AgF sage zwar ja zu einer beschränkten Zahl von Linienflügen, denen ein gewisser volkswirtschaftlicher Nutzen zuzusprechen sei. «Privatflüge exaltierter Personen oder als Hobby» brächten hingegen der Volkswirtschaft überhaupt nichts, schadeten jedoch der Umwelt enorm und zerstörten die einmalige Lebensqualität einer ganzen Region. Unterzeichnet war die Medienmitteilung mit «AgF Aktion gegen Fluglärm Altenrhein. Pressedienst».

C. Das «St. Galler Tagblatt» druckte die mit dem Titel «Privatflüge schaden nur» ergänzte vollständige Medienmitteilung am 13. Juli 2011 mit der Zeichnung «Aktion gegen Fluglärm Altenrhein, Präsident Hein Grob, Postfach 1, 9422 Staad» als Leserbrief ab.

D. Am 2. August 2011 beschwerte sich Rolf Alther, Medienverantwortlicher, namens des AgF beim Presserat über das «nicht korrekte» Vorgehen des «St. Galler Tagblatt». «Es könnte ja durchaus sein, dass der Präsident gegen eine Medienmitteilung oder für einen anderen Text gewesen ist und einen Mehrheitsbeschluss zu vollziehen hatte. Es ist doch gerade Sinn des Pressediensts einer politischen Organisation, dass man die Namen der Verantwortlichen nicht nennen muss. Nicht zuletzt, weil sonst gegen einzelne Leute Sanktionen verhängt werden könnten.»

E.
Am 2. September 2011 wies Chefredaktor Philipp Landmark die Beschwerde namens der Redaktion «St. Galler Tagblatt» als unbegründet zurück. Der Text der AgF sei vollständig und zeitnah zum redaktionellen Artikel veröffentlicht und damit das wesentliche Anliegen des Verbandes erfüllt worden. Die Redaktion habe gemäss ihrer gängigen Praxis den vollständigen Absender, in diesem Fall den Namen des Präsidenten und denjenigen des Verbandes genant. Da der Name des Präsidenten ohnehin öffentlich bekannt sei, erscheine das Argument abwegig, sein Name habe nicht genannt werden dürfen, weil er sonst mit Sanktionen rechnen müsse. Und selbst wenn ein Präsident ausnahmsweise überstimmt werde, müsse er den Beschluss einer Organisation in der Öffentlichkeit vertreten und er werde – ohne ausdrückliche öffentliche Distanzierung – ganz selbstverständlich mit der Verbandsposition identifiziert.

F. Am 28. September 2011 teilte der Presserat den Parteien mit, die Beschwerde werde vom Presseratspräsidium behandelt, bestehend aus dem Präsidenten Dominique von Burg, Vizepräsidentin Esther Diener-Morscher und Vizepräsident Edy Salmina.

G. Das Presseratspräsidium hat die vorliegende Stellungnahme per 30. Dezember 2011 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.

II. Erwägungen

1. Gemäss der Richtlinie 3.1 zur «Erklärung» (Quellenbearbeitung) liegt «eine genaue Bezeichnung der Quelle eines Beitrags im Interesse des Publikums. Sie ist vorbehältlich eines überwiegenden Interesses an der Geheimhaltung einer Quelle unerlässlich, wenn dies zum Verständnis der Information wichtig ist.» Gemäss der Richtlinie 5.2 zur «Erklärung» sind Leserbriefe «vom Autor oder der Autorin zu zeichnen. Sie werden nur bei begründeten Ausnahmen anonym abgedruckt.» Die Zeichnung ist sowohl bei herkömmlichen Leserbriefen als auch bei Online-Kommentaren «gerade auch aus Sicht des Publikums wünschbar, welches Anspruch darauf hat, die Quelle einer Information zu kennen. Es gehört zudem zu den Qualitätsmerkmalen einer öffentlichen Debatte, dass deren Teilnehmer identifizierbar sind.» (Stellungnahme 52/2011).

2. Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Praxis des «St. Galler Tagblatt» nicht zu beanstanden, bei der Veröffentlichung von Medienmitteilungen und Leserbriefen von Organisationen sowohl deren Namen als auch die verantwortlichen Personen zu nennen. Dies gilt vorliegend umso mehr, als der Präsident des beschwerdeführenden Vereins ohnehin zumindest lokal bekannt sein dürfte und die AgF zudem keine konkreten Gründe vorbringt, sondern sich bloss auf theoretisch denkbare Konstellationen beruft, bei deren Verwirklichung im konkreten Einzelfall abzuwägen wäre, ausnahmsweise auf die Namensnennung zu verzichten.

III. Feststellungen

1. Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. Das «St. Galler Tagblatt» hat mit der Zeichnung eines Leserbriefes mit dem Namen der AgF und ihres Präsidenten die Ziffer 5 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (Leserbriefe) nicht verletzt.