Nr. 20/2011
Wahrheitssuche / Sachlich nicht gerechtfertigte Anschuldigungen/ Berichtigungspflicht/Fairness/Lauterkeit der Recherche

(Gerichtskommission der Vereinigten Bundesversammlung c. «Weltwoche») Stellungnahme vom 5. Mai 20

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I. Sachverhalt

A. Am 10. Juni 2011 veröffentlichte Urs Paul Engeler in der «Weltwoche» (Ausgabe Nr. 23/2010) in der Rubrik «Personenkontrolle» (Titel: «Wehrli, Bremi, Leimgruber, Beyeler, Widmer-Schlumpf, Janom Steiner, Brand) eine kurze Notiz zu den anstehenden Wahlen für das neue Bundespatentgericht. Die von CVP-Nationalrat Reto Wehrli präsidierte Gerichtskommission des Parlaments setze sich «mit seltener Unbekümmertheit über gültige Bundesgesetze hinweg. Als der forsch auftretende Zürcher Tobias Bremi, Bewerber für den Posten eines Richters am künftigen Bundespatentgericht, sich erstaunt zeigte über den bescheidenen Anfangslohn von lediglich gut 202’000 Franken, gewährte ihm die Kommission reglementswidrig, aber umgehend – einen stolzen Zuschlag von jährlich 30’000 Franken. Mit dem provisorisch ausgestellten Vertrag überspringt er gleich zwei Besoldungsstufen. Dieser nicht öffentlich gemachte, illegale Bonus führt dazu, dass insbesondere die Linke am nächsten Mittwoch, dem Tag der Wahl ins neue Tribunal, Bremis Gegenkandidaten (…) den Vorzug geben will.»

B. Am 15. Juni 2010 verlangte Reto Wehrli namens der Gerichtskommission der Vereinigten Bundesversammlung von Roger Köppel, Verleger und Chefredaktor der «Weltwoche», den Abdruck einer Gegendarstellung. In seinem Schreiben führte Wehrli namentlich aus: «Die Aussage, dass sich die Gerichtskommission über Gesetzesbestimmungen hinwegsetze und illegal handle, ist falsch. Die Gerichtskommission hat für keinen der von ihr je zur Wahl vorgeschlagenen Kandidaten einen der Richterverordnung widersprechenden Anfangslohn oder Lohnzuschlag vorgesehen.»

C. Am 13. September 2010 gelangte Urs Paul Engeler per E-Mail mit 5 Fragen an das Sekretariat der Gerichtskommission. Gestützt auf das Bundesgesetz über die Öffentlichkeit der Verwaltung verlangte er Auskunft über den Lohn von Patentbundesrichter Bremi. Weiter erkundigte er sich, worauf sich der Entscheid der Gerichtskommission stütze, über welches Budget die Gerichtskommission verfüge, welches Honorar der mit einer Klage gegen ihn betraute Rechtsanwalt verrechnet habe und welches Honorar dem Anwalt für die angekündigte Presseratsbeschwerde zur Verfügung stehe.

D. Am 15. September 2010 antwortete das Sekretariat, über die individuellen Löhne einzelner Richterinnen und Richter gebe die Gerichtskommission der Öffentlichkeit keine Auskunft. Bei der Festlegung der Anfangslöhne stütze sich die Kommission auf Art. 5 Abs. 1 und Abs. 2 der Richterverordnung. Gemäss Absatz 1 dieser Bestimmung werden «die Richterinnen und Richter in der Lohnklasse 33 nach Artikel 36 der Bundespersonalverordnung eingereiht». Absatz zwei lautet: «Bei der Festlegung des Anfangslohns stellt die Gerichtskommission in erster Linie auf das Alters des Richters oder der Richterin ab. Sie berücksichtigt ausserdem angemessen die Ausbildung und die Berufs- und Lebenserfahrung des Richters oder der Richterin sowie die Lage auf dem Arbeitsmarkt. Der Anfangslohn entspricht mindestens 80 Prozent des Höchstbetrags der Beurteilungsstufe A der Lohnklasse 29 nach Artikel 36 der Bundespersonalverordnung vom 3. Juli 2001.» Das Kommissionssekretariat präzisiert dazu: «Das Maximum der Lohnklasse 33 beträgt aktuell CHF 228’973.00 Bruttojahresbesoldung, die minimale Anfangsbesoldung gemäss Absatz 2 beträgt CHF 144’332.00. Alle Richterlöhne liegen innerhalb dieser Bandbreite.»

Weiter führt das Sekretariat in seiner Antwort aus, die Kommissionen verfügten über kein eigenes Budget, Beratungen seien vertraulich und Protokolle sowie Unterlagen der parlamentarischen Kommissionen fielen nicht in den Geltungsbereich des Öffentlichkeitsgesetzes. Vielmehr werde der Zugang zu Kommissionsunterlagen durch die Parlamentsverwaltungsverordnung festgelegt. «Grundsätzlich wird in Protokolle und Unterlagen nur für die Zwecke der Wissenschaft und der Rechtsanwendung Einsicht gewährt.»

E. In der Nummer 38/2010 vom 23. September 2010 kam die «Weltwoche» wiederum in der Rubrik «Personenkontrolle» (Titel: «Bremi, Wehrli, Pelli, Vischer, Marty, Stähelin, Joder, Leutenegger, Oberholzer, Meili») auf die Angelegenheit zurück: «Anfang Juni veröffentliche die ‹Weltwoche› eine kleine Notiz zu den umstrittenen Wahlen ins neugeschaffene Bundespatentgericht. Um dem fordernden Zürcher Kandidaten Tobias Bremi (FDP), der sich in der Privatwirtschaft an höhere Saläre gewöhnt hatte, eine Anstellung zu ermöglichen, habe die Gerichtskommission des Parlaments ihm Zuschläge zugesprochen, die ausserhalb des gesetzlichen Besoldungsrahmens lägen. Diese Kritik an der Vorbereitung der Wahl, die sich auf zwei Quellen abstützte, war offenbar nicht exakt genug. Formal verletzt wurde nämlich nicht das Gesetz, hingegen die interne Richtlinie zur Festsetzung der Löhne der Richter.» Diese Ungenauigkeit habe den Präsidenten der Kommission, CVP-Nationalrat Reto Wehrli, derart «in Rage» gebracht, dass er «eine Verleumdungsklage gegen den Autor der 23 Zeilen lancierte».

Dieses «unübliche» Vorgehen sei von der mit «eminenten Juristen» bestückten Kommission «einstimmig und zornig» abgesegnet worden. Der mit der Klage beauftragte Anwalt habe der Kommission dann allerdings beschieden, dass «die vom ungeschickten Wehrli gestrickte Klage gar nicht zielführend sein kann. (…) Erstens seien gewisse Fristen verpasst worden. Zudem besitze – was jeder Amateur hätte wissen können, sollen, die Gerichtskommission gar keine eigene Rechtskörperschaft. Demnach hätte entweder die Eidgenossenschaft als solche gerichtlich vorzugehen oder Wehrli als Einzelperson. Beides war Wehrli & Co. doch zu heikel.»

F. Am 4. Oktober 2010 beschwerte sich die anwaltlich vertretene Gerichtskommission der Vereinigten Bundesversammlung beim Presserat und beanstandete, die «Weltwoche» habe im Zusammenhang mit der Veröffentlichung des Berichts vom 10. Juni 2010 die Ziffern 1 (Wahrheit), 3 (Entstellung von Tatsachen), 4 (Lauterkeit der Recherche), 5 (Berichtigung) und 7 (sachlich nicht gerechtfertigte Anschuldigungen) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» sowie das der «Erklärung» zugrunde liegende Fairnessprinzip verletzt.

Die «Weltwoche» behaupte wahrheitswidrig, die Gerichtskommission der Vereinigten Bundesversammlung setze «sich mit seltener Unbekümmertheit über gültige Bundesgesetze hinweg» und habe dem von ihr für eine hauptamtliche Richterstelle am Bundespatentgericht vorgeschlagenen Kandidaten, Tobias Bremi, «reglementswidrig» einen Zuschlag von jährlich CHF 30’000 zugesagt und ihm damit einen «nicht öffentlich gemachten, illegalen Bonus» gewährt. Diese Behauptung treffe nicht zu. Die Gerichtskommission habe nie einem von ihr zur Wahl in ein Bundesgericht vorgeschlagenen Kandidaten einen Lohnzuschlag gewährt, der den geltenden Bundesgesetzen widerspricht, reglementswidrig und illegal ist.

Der Autor der Meldung, Urs Paul Engeler, habe es in pflichtwidriger Weise unterlassen, sich über die gesetzlichen Kompetenzen bei der Wahl und Besoldung von Bundes(patent)richtern kundig zu machen. Die beanstandete Veröffentlichung erhebe sachlich nicht gerechtfertigte Anschuldigungen gegenüber den Mitgliedern der Gerichtskommission, die für diese schwer wiegen würden, werde ihnen doch ungetreue Amtsführung oder Amtsmissbrauch unterstellt. Die Kommissionssitzungen seien zudem vertraulich. Im konkreten Fall habe kein überwiegendes öffentliches Interesse an einer Indiskretion bestanden.

Die Gerichtskommission habe die «Weltwoche» mit zwei Schreiben auf die Unrichtigkeit des Beitrags aufmerksam gemacht. Weder habe die Beschwerdegegnerin dazu Stellung genommen, noch habe sie, wozu sie gestützt auf Ziffer 5 der «Erklärung» verpflichtet gewesen wäre, eine Berichtigung veröff
entlicht. Stattdessen habe sich Urs Paul Engeler imzweiten Beitrag vom 23. September 2010 bloss über die Beschwerdeführerin, den Präsidenten und einzelne Mitglieder der Kommission lustig gemacht. Damit habe die «Weltwoche» auch das Fairnessprinzip verletzt.

G. In Ihrer Beschwerdeantwort vom 13. Januar 2011 stellt die ebenfalls anwaltlich vertretene «Weltwoche» zunächst die Beschwerdelegitimation der Gerichtskommission der Vereinigten Bundesversammlung in Frage. Bei der Gerichtskommission handle es sich um einen Zusammenschluss von National- und Ständeräten ohne eigene Rechtspersönlichkeit. Es bleibe unklar, ob die Beschwerde an den Presserat tatsächlich namens und im Auftrag aller Mitglieder der Kommission oder der Eidgenossenschaft als übergeordneter Rechtskörperschaft eingereicht wurde. Deshalb sei auf die Beschwerde nicht einzutreten.

Zur Sache führt die «Weltwoche» aus, Urs Paul Engeler habe die gesetzlichen Grundlagen konsultiert und sich zudem vergeblich darum bemüht, gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz zu Informationen über die Wahl von Bundesrichter Bremi und den vereinbarten Lohn zu gelangen.

Es sei nicht bewiesen und werde bestritten, dass der Veröffentlichung eine Verletzung des Kommissionsgeheimnisses vorausgegangen sei. Jedenfalls bestehe aber ein überwiegendes öffentliches Interesse daran, die Öffentlichkeit darüber zu informieren, wenn sich eine Kommission der Vereinigten Bundesversammlung nicht an Richtlinien bzw. finanzielle Vorgaben halte und damit in nicht korrekter Weise über staatliche Mittel verfüge.

Die «Weltwoche» halte zudem nach wie vor an der Korrektheit der im Bericht vom 10. Juni 2010 enthaltenen Informationen fest, soweit diese im Folgebeitrag vom 23. September 2010 nicht präzisiert worden seien. Die Beschwerdeführerin sei nicht in der Lage, das Gegenteil zu beweisen. Es stehe Tatsachenbehauptung gegen Tatsachenbehauptung. Bezeichnenderweise wehre sich die Gerichtskommission nicht gegen den Folgebeitrag vom 23. September 2010.

Als National- und Ständeräte müssten die Mitglieder der Gerichtskommission ein beträchtliches Mass an öffentlicher Kritik und das kritische Hinterfragen ihrer Tätigkeit ertragen. Ihre Privatsphäre sei im konkreten Fall nicht berührt. Ebenso wenig enthalte der beanstandete Bericht sachlich nicht gerechtfertigte Anschuldigungen.

Schliesslich treffe es nicht zu, dass die Redaktion auf die beiden Berichtigungsbegehren nicht reagiert habe. Im Gegenteil habe sie eine publizistische Ungenauigkeit des ersten Berichts im Beitrag vom 23. September 2010 korrigiert. Die Ausführungen der Beschwerde zur Berichtigungspflicht und zur Verletzung des Fairnessprinzips seien damit haltlos.

H. Das Präsidium des Presserats wies die Beschwerde am 21. Januar 2011 seiner 1. Kammer zu, der Edy Salmina (Kammerpräsident), Luisa Ghiringhelli Mazza, Pia Horlacher, Philip Kübler, Klaus Lange, Sonja Schmidmeister und Francesca Snider (Mitglieder) angehören.

I. Die 1. Kammer behandelte die Beschwerde an ihrer Sitzung vom 5. Mai 2011 sowie auf dem Korrespondenzweg.

II. Erwägungen

1. Gemäss Art. 6 Abs. 1 ist jedermann zur Beschwerde an den Presserat berechtigt. Selbst wenn man die Legimitation der Gerichtskommission – wie dies die «Weltwoche» geltend macht – mangels eigener Rechtspersönlichkeit beziehungsweise wegen der fehlenden formellen Ermächtigung durch die Eidgenossenschaft formal verneinen würde, wären der Präsident und die Kommissionsmitglieder trotzdem je einzeln beschwerdeberechtigt. In einem nicht formstrengen Verfahren wie dem Presseratsverfahren spricht unter diesen Umständen nichts dagegen, die Beschwerde vom 4. Oktober 2010 ohne zusätzliche Abklärungen als solche der Gerichtskommission der Vereinigten Bundesversammlung zu behandeln (vergleiche unter mehreren die Stellungnahme 23/2005). Entsprechend ist auf die Beschwerde einzutreten.

2. a) Es ist nicht Aufgabe des Presserates, zu umstrittenen Tatsachenbehauptungen ein Beweisverfahren durchzuführen. Ihm fehlen im Gegensatz zu einem Gericht die dafür notwendigen prozessualen (Zwangs-)Mittel (vergleiche zuletzt die Stellungnahmen 4 und 16/2011). Der Presserat stützt sich in seinen Stellungnahmen deshalb in erster Linie auf die ihm von den Parteien eingereichten Unterlagen ab.

b) Vorliegend ist umstritten, ob, und falls ja in welchem Umfang und gestützt auf welche Grundlage einem Richterkandidaten beim Bewerbungsgespräch ein zusätzlicher «Bonus» zum Anfangslohn in Aussicht gestellt worden ist. Der Presserat hat weder Zugang zu den Protokollen der Gerichtskommission noch zu den von der «Weltwoche» für ihre Version angeführten zwei anonymen Quellen. Unter diesen Umständen ist vorab festzuhalten, dass der Presserat nicht beurteilen kann, ob dem Kandidaten Tobias Bremi anlässlich des Bewerbungsgesprächs der behauptete Lohnzuschlag versprochen wurde oder nicht.

c) Beim Vergleich des Berichts vom 10. Juni mit demjenigen vom 23. September 2010 stellt der Presserat immerhin fest, dass Urs Paul Engeler den ursprünglichen Vorwurf im zweiten Bericht deutlich abschwächt. Während er im ersten Bericht der Kommission unterstellt, sich über «gültige Bundesgesetze» hinwegzusetzen und dem Kandidaten einen «illegalen Bonus» versprochen zu haben, schreibt er im zweiten Bericht bloss noch, die Kommission habe «interne Richtlinien» verletzt. Dabei bleibt für die Leserschaft und für den Presserat unklar, welche Richtlinien damit gemeint sind. Indem sie den massiven Vorwurf des ersten Berichts im zweiten Artikel deutlich abschwächt, räumt die «Weltwoche» indirekt selber ein, dass sie den regelmässig schwer wiegenden Vorwurf der Gesetzesverletzung und der Gewährleistung eines «illegalen Bonus» nicht belegen kann. Entsprechend stellt der Presserat fest, dass die «Weltwoche» mit der Veröffentlichung dieses unbelegten Vorwurfs die Ziffer 1 der «Erklärung» (Wahrheit) und 7 (sachlich nicht gerechtfertigte Anschuldigungen) verletzt hat.

d) Vor allem aber wäre Urs Paul Engeler gestützt auf die Richtlinie 1.1 (Wahrheitssuche) bereits vor der Publikation des Berichts vom 10. Juni 2010 verpflichtet gewesen, die Beschwerdeführerin – sei es den Kommissionspräsidenten oder das Sekretariat – mit der Behauptung seiner beiden anonymen Quellen zu konfrontieren und das Ergebnis dieser Anhörung in den Bericht angemessen einzuarbeiten. Der Rückgriff auf anonyme Quellen ist berufsethisch zulässig, wenn es sich um ein für die Öffentlichkeit relevantes Thema handelt und sofern die Information ohne Zusicherung der Anonymität nicht erhältlich ist. Im Gegenzug ist es aber unabdingbar, die Information sorgfältig zu überprüfen.

3. Hat die «Weltwoche» im zweiten Bericht vom 23. September 2010 die Fehlinformation des ersten Berichts in angemessener Weise berichtigt (Ziffer 5 der «Erklärung»; Richtlinie 5.1)? Zunächst ist festzuhalten, dass die erneute Publikation zu spät erschien: Zwischen den beiden Publikationen liegt ein Zeitraum von dreieinhalb Monaten. Zum zweiten griff die korrigierte Darstellung zu kurz. Den abgeschwächten Vorwurf zu veröffentlichen reicht nicht. Denn selbst wenn man von der Sachverhaltsdarstellung der «Weltwoche» ausgeht, wonach laut deren anonymen Quellen zwar nicht die Richterverordnung, aber immerhin interne Richtlinien verletzt worden seien, hätte sie darauf hinweisen sollen, dass die Gerichtskommission jegliche Unregelmässigkeit bestreitet und behauptet, sich bei der Festsetzung des Anfangslohns von Tobias Bremi an die Vorgaben der Richterverordnung gehalten zu haben und dass sie zudem bekräftigt, «für keinen der von ihr je zur Wahl vorgeschlagenen Kandidaten einen der Richterverordnung widersprechenden Anfangslohn oder Lohnzuschlag vorgesehen zu haben».

4. Hingegen ist der «Weltwoche» keine unlautere Recherche (Ziffer 4 der «Erklärung») vorzuwerfen. Laut der Richtlinie A.1 der «Erklärung der Rechte» dürfen Medien Informationen veröffentlichen, die ihnen durch Indiskretionen bekanntgeworden sind, sofern eine Reihe von Voraussetzungen erfüllt sind: Die Informationsquelle muss dem Medium bekannt sein; das Thema muss von öffentlicher Relevanz sein; es muss gute Gründe dafür geben, dass die Information jetzt und nicht erst viel später publik werden soll; der Vorteil im publizistischen Wettbewerb genügt nicht als Rechtfertigung; es muss erwiesen sein, dass das Thema oder Dokument dauerhaft als geheim klassifiziert oder als vertraulich deklariert wird und es nicht bloss einer kurzen Sperrfrist von einigen Stunden oder Tagen unterliegt; die Indiskretion durch die Informantin oder den Informanten muss absichtlich und freiwillig erfolgt sein, die Information darf nicht durch unlautere Methoden (Bestechung, Erpressung, Wanzen, Einbruch oder Diebstahl) erworben worden sein; die Veröffentlichung darf keine äusserst wichtigen Interessen wie z.B. schützenswerte Rechte, Geheimnisse usw. tangieren.

Nach Auffassung des Presserats sind diese Voraussetzungen vorliegend erfüllt. Richterwahlen und die Höhe der Löhne von Magistraten sind von öffentlicher Relevanz. Der Presserat hat keine Veranlassung, davon auszugehen, dass die Quellen dem Journalisten nicht bekannt sind. Wie der Mitteilung des Kommissionssekretariats an Urs Paul Engeler vom 15. September 2010 zu entnehmen ist, sind Kommissionsunterlagen nicht öffentlich zugänglich. Ein Zuwarten mit der Publikation hätte die Ausgangslage nicht verändert. Und schliesslich tangiert die Veröffentlichung eines Richterlohns beziehungsweise eines angeblichen Lohnzuschlags keine besonders schützenswerten staatlichen oder privaten Interessen.

5. Auch das Fairnessprinzip wurde vorliegend nicht verletzt. Der diesbezügliche Einwand der Beschwerdeführerin stösst auf die Meinungsäusserungsfreiheit des Journalisten. Unter der Voraussetzung, dass die «Weltwoche» die veröffentlichte Falschinformation berichtigte und ihrer Leserschaft insbesondere auch über die Haltung der Gerichtskommission orientierte, war es ihr im Rahmen der Kommentarfreiheit unbenommen, das Verhalten der Beschwerdeführerin nach der ersten Publikation zu kritisieren und sich darüber lustig zu machen.

III. Feststellungen

1. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen.

2. Mit der Veröffentlichung einer Indiskretion in der Rubrik «Personenkontrolle», in der Ausgabe 38/2010 vom 10. Juni 2010 hat die «Weltwoche» die Ziffern 1 (Wahrheit/Wahrheitssuche) und 7 (sachlich nicht gerechtfertigte Anschuldigungen) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verletzt. Sie hätte den von zwei anonymen Quellen behaupteten, unbelegten Vorwurf, wonach die Gerichtskommission der Vereinigten Bundesversammlung sich über geltende Bundesgesetze hinwegsetze und einem Bewerber einer Richterstelle am Bundespatentgericht einen «illegalen Bonus» zugesichert habe, vor der Publikation sorgfältig überprüfen müssen.

3. Zudem hat die «Weltwoche» diese Falschmeldung in der Ausgabe 38/2010 vom 23. September 2010 zu spät und nur unzureichend berichtigt und deshalb auch gegen Ziffer 5 der «Erklärung» (Berichtigung) verstossen.

4. Darüber hinausgehend wird die Beschwerde abgewiesen.

5. Die «Weltwoche» hat mit der Veröffentlichung der beiden Berichte die Ziffer 4 der «Erklärung» (Lauterkeit der Recherche) und das Fairnessprinzip (Präambel der «Erklärung») nicht verletzt.