Nr. 19/2008
Wahrheitssuche; Meinungspluralismus

(X. c. «K-Tipp») Stellungnahme des Presserates vom 23. Mai 2008

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I. Sachverhalt

A. Am 6. September 2007 veröffentlichte die Konsumentenzeitschrift «K-Tipp» einen Artikel von Ernst Meierhofer mit dem Titel «Verbotene Tonbandaufnahmen». Darin kritisierte der Autor die Geschäftspraktiken zweier Firmen, die Schlüsselfundmarken am Telefon verkaufen und dabei die Gespräche ohne Einwilligung der Kunden aufnehmen würden. Dies sei verboten und strafbar. Derartige illegale Aufnahmen seien zudem rechtlich nicht als Beweismittel zugelassen. Keine der beiden Firmen habe zu den Vorwürfen Stellung genommen.

B. Am 27. September 2007 gelangte die anwaltlich vertretene X., eine der beiden im Artikel kritisierten Firmen, mit einer Beschwerde an den Presserat. Die Veröffentlichung der Behauptung, ohne vorgängige Information des Kunden sei die Aufnahme eines am Telefon geführten Verkaufsgesprächs illegal, verstosse gegen die Ziffern 1 (Wahrheit) und 2 (Meinungspluralismus) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten». Bei Berücksichtigung ohne weiteres zugänglicher Quellen wie beispielsweise dem Bundesblatt und der Website der Fédération Romande des Consommateurs hätte der Autor merken müssen, dass die Aufnahme von Verkaufsgesprächen zu Beweiszwecken unter die von Art. 179quinquies des Strafgesetzbuches (StGB) vorgesehenen, strafbefreiten Ausnahmen falle. Zumindest hätte der «K-Tipp» jedenfalls deutlich deklarieren müssen, dass es sich bei der im Artikel wiedergegebenen Rechtsauffassung um eine persönliche Wertung des Autors handle und dass es auch abweichende Auffassungen gebe.

C. Am 12. November 2007 wies René Schuhmacher die Beschwerde namens der Redaktion «K-Tipp» als unbegründet zurück. Art. 179quinquies StGB verbiete, Telefonverkaufsgespräche, bei denen der (potentielle) Kunde vom Unternehmen angerufen werde, ohne vorgängige Information und Einwilligung des Angerufenen aufzunehmen. Die Beschwerdeführerin habe zudem die ihr eingeräumte Gelegenheit nicht bzw. verspätet wahrgenommen, zum Sachverhalt wie auch zur Rechtslage Stellung zu nehmen.

D. Gemäss Art. 10 Abs. 7 des Geschäftsreglements des Schweizer Presserates kann das Präsidium zu Beschwerden, die in ihren Grundzügen mit vom Presserat bereits früher behandelten Fällen übereinstimmen oder von untergeordneter Bedeutung erscheinen, abschliessend Stellung nehmen.

E. Am 16. November 2007 teilte der Presserat den Parteien mit, die Beschwerde werde vom Presseratspräsidium, bestehend aus dem Präsidenten Peter Studer und der Vizepräsidentin Sylvie Arsever, behandelt. Vizepräsidentin Esther Diener-Morscher, freie Mitarbeiterin des «K-Tipp», trat in den Ausstand.

F. Am 11. Januar 2008 orientierte der Presserat die Parteien, infolge des Rücktritts von Presseratspräsident Peter Studer und Vizepräsidentin Sylvie Arsever werde die Beschwerde durch den neuen Präsidenten Dominique von Burg und den neuen Vizepräsidenten Edy Salmina behandelt.

G. Das Presseratspräsidium hat die vorliegende Stellungnahme per 23. Mai 2008 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.

II. Erwägungen

1. a) Soweit die Beschwerdeführerin beanstandet, die im beanstandeten Medienbericht behauptete Rechtslage in Bezug auf die Aufnahme von Verkaufsgesprächen zu Beweissicherungszwecken sei falsch, ist vorab darauf hinzuweisen, dass die Auslegung von Rechtsnormen nicht zu den Aufgaben des Presserats gehört (vgl. z.B. die Stellungnahmen 16 und 37/2001). Entsprechend bleibt es letztlich der Würdigung des Straf- oder Zivilrichters vorbehalten, ob die Aufnahme eines Telefongesprächs im Geschäftsverkehr im Einzelfall ohne vorgängige Information des Gesprächspartners zulässig ist.

b) Ausgehend von den durch die Parteien hierzu eingereichten Dokumenten ist aber festzustellen, dass sich der «K-Tipp» immerhin auf eine ausführliche Analyse des Eidgenössischen Datenschutzbeautragten berufen kann, die sich ihrerseits auf ein Gutachten des Bundesamts für Justiz stützt (vgl. hierzu Stephan C. Brunner, Medialex 3/2004, S. 128ff.; zum gleichen Schluss kommen auch von Ins/Wyder, Basler Kommentar zum Strafrecht, 2. A. 2007, N7 zu Art. 179quinquies StGB). Demgegenüber weist die Beschwerdeführerin auf die entsprechenden Ausführungen in der Botschaft zur Revision des Strafgesetzbuches (BBl 2001, S. 2509) sowie auf einen Positionsbezug der Fédération Romande des Consommateurs vom 2. Mai 2006 hin. Wie sich aus den Ausführungen des Datenschutzbeauftragten ergibt, war die entsprechende Gesetzesrevision im Parlament allerdings stark umstritten und wurde insbesondere auch der Wortlaut der Ausnahmebestimmung zur Aufnahme von Telefongesprächen im Geschäftsverkehr in der parlamentarischen Debatte noch abgeändert. Entsprechend können deshalb die Ausführungen der Botschaft nur noch in eingeschränktem Masse für die Auslegung der Norm herangezogen werden. Zudem legt «K-Tipp» eine schriftliche Erklärung der Fédération Romande des Consommateurs vom 23. Oktober 2007 vor, wonach sich diese der Rechtsauffassung des Datenschutzbeauftragten anschliesst. Unter diesen Umständen erscheint die vom «K-Tipp» vertretene Rechtsauffassung zumindest vertretbar und jedenfalls ist für den Presserat der Nachweis nicht erbracht, dass die Konsumentenzeitschrift hier die Ziffer 1 der «Erklärung» verletzt hätte.

2. Zudem ergibt sich aus der dem Presserat eingereichten Korrespondenz, dass der «K-Tipp» der Beschwerdeführerin am 14. August 2007 die von ihr im beanstandeten Artikel erhobenen Vorwürfe mit einer Frist von einer Woche schriftlich zur Stellungnahme unterbreitet hat. Insbesondere fragte die Redaktion die X. damals ausdrücklich, ob diese den Rechtsstandpunkt des «K-Tipp» bezüglich der Aufnahme von Telefonverkaufsgesprächen bestreite. Die Beschwerdeführerin antwortete erst am 6. September 2007, weshalb ihre Stellungnahme nicht mehr im Artikel berücksichtigt werden konnte. Entsprechend wies der Artikel darauf hin, dass keine der beiden kritisierten Firmen zu den gegenüber ihr erhobenen Vorwürfen Stellung genommen habe.

Unter diesen Umständen erscheint auch der von der Beschwerdeführerin erhobene Vorwurf der einseitigen Darstellung und Unterschlagung anderweitiger Rechtsauffassungen (Ziffer 2 der «Erklärung») unbegründet. Insbesondere ist es dem «K-Tipp» auch nicht anzulasten, dass seine Anfrage verspätet beantwortet wurde, weil die bei der Beschwerdeführerin firmenintern verantwortliche Person in den Ferien war. Zumal die X. nicht behauptet, sie hätte diese Abwesenheit dem «K-Tipp» kommuniziert und um einen Aufschub gebeten.

III. Feststellungen

1. Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. Der «K-Tipp» hat mit der Veröffentlichung des Artikels «Verbotene Tonbandaufnahmen» vom 6. September 2007 die Ziffern 1 (Wahrheit) und 2 (Meinungspluralismus) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» nicht verletzt.