Nr. 9/2005
Wahrheitssuche / Anhörung bei schweren Vorwürfen / Meinungsumfragen

(Schweizerische Post c. «K-Tipp») Stellungnahme des Presserates vom 4. Februar 2005

Drucken

I. Sachverhalt

A. Die Konsumentenzeitschrift «K-Tipp» legte der Ausgabe vom 28. Januar 2004 einen Fragebogen bei. Sie wollte von ihren Leser/innen erfahren: «Wie beurteilen Sie die Dienstleistungen der Post?» Der Bogen enthielt Fragen zu den Poststellen, zur Brief- und Paketpost, zur Expresspost, zu Postfinance und zu den Postautos.

B. Am 10. März 2004 präsentierte «K-Tipp» die Umfrageergebnisse mit der Front-Schlagzeile «Post: Zu hohe Tarife, mieser Service; Grosse K-Tipp-Leserumfrage: Über 3300 Antworten stellen der Post ein schlechtes Zeugnis aus. Erfreulich: Lob gibt’s fürs Personal». Der Titel zum Artikel von Marco Diener lautete: «Das Personal ist in Ordnung, aber die Chefs…» Die konkreten Umfrageresultate wurden mittels Kreisdiagrammen dargestellt. Im Textteil wurden einerseits die Ergebnisse nochmals dargelegt, es wurden aber auch verschiedene Kommentare aus Begleitbriefen zitiert. Dazu hiess es unter anderem, die «heftig kritisierten» Post-Chefs bekämen schlechte Noten. Eine Stellungnahme der Post wurde zu drei Themen abgedruckt: zum Verkauf von Kiosk- und Papeterieartikeln, zu den Preisen von Paket- und Expresspost sowie zum Zuschlag auf touristischen Postautostrecken. Ausserdem habe «K-Tipp» der Post «weitere detaillierte Fragen zu Missständen» gestellt, «welche die Leser heftig angeprangert hatten. Doch die Post zog es vor, diese heiklen Fragen nicht zu beantworten.»

C. Am 14. Oktober 2004 gelangte die Schweizerische Post mit einer Beschwerde gegen «K-Tipp» an den Presserat. Die Post rügte, die Zeitschrift habe im Artikel vom 10. März 2004 zu Unrecht behauptet, A- und B-Post hätten in den letzten zehn Jahren ständig aufgeschlagen, was die Leserinnen und Leser massiv ärgere. Mehrfach verletzt habe die Publikation zudem die Ziffer 3 der «Erklärung» (Unterschlagung von wichtigen Informationen) sowie die zugehörigen Richtlinien 3.8 (Anhörung bei schweren Vorwürfen) und 3.7 (Meinungsumfragen). «K-Tipp» habe nicht alle Vorwürfe zur Stellungnahme unterbreitet und es zudem unterlassen, die Antworten der Post im Bericht kurz und fair wiederzugeben. Weiter habe der Autor von «heiklen Fragen zu Missständen» geschrieben, ohne die angeblichen Missstände und die «heiklen» Fragen konkret zu nennen. Auch seien die Angaben zur Umfrage unvollständig gewesen. Mit der Vermischung von Fakten (Umfrageergebnissen) und Kommentar (Meinungsäusserungen aus Begleitbriefen) habe der «K-Tipp» schliesslich Ziffer 2 der «Erklärung» verletzt.

D. Mit Schreiben vom 26. November 2004 wies die Redaktion «K-Tipp» die Beschwerde als unbegründet zurück. Die Post habe in den letzten acht Jahren mindestens drei Mal erheblich aufgeschlagen, auch dazu habe sich die Leserschaft geäussert. Ebenso seien der Post alle relevanten Vorwürfe zur Stellungnahme unterbreitet worden. Indem die Post neun von zehn Fragen nicht beantwortete, habe sie zudem implizit dargetan, dass sie es vorziehe, zur überwiegenden Zahl der Fragen nicht Stellung nehmen zu wollen. Weiter habe die Beschwerdeführerin keinen Anspruch darauf, dass «K-Tipp» eine von ihr bzw. dem UVEK in Auftrag gegebene Umfrage eines Meinungsforschungsinstituts publiziere, die zudem nicht generell über die Zufriedenheit der Postkunden Auskunft gebe. Die wenigen Antworten, welche die Post gegeben habe, seien im Artikel berücksichtigt worden. Die Post sei mit den schweren Vorwürfen konfrontiert worden, habe aber auf viele Fragen gar keine Antwort gegeben. «K-Tipp» habe bereit im Titel darauf hingewiesen, dass es sich um eine Leserumfrage handelte. Und schliesslich sei auch das Gebot der Trennung von Fakten und Kommentar nicht verletzt worden.

E. Der Presserat wies die Beschwerde der 1. Kammer zu, der Peter Studer (Kammerpräsident), Luisa Ghiringelli Mazza, Pia Horlacher, Philip Kübler, Katharina Lüthi und Edy Salmina (Mitglieder) angehören. Die 1. Kammer behandelte die Beschwerde an ihrer Sitzung vom 4. Februar 2005 sowie auf dem Korrespondenzweg.

II. Erwägungen

1. Aus der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» kann keine Verpflichtung zu «objektiver» Berichterstattung abgeleitet werden. Auch parteiergreifender anwaltschaftlicher Journalismus ist berufsethisch zulässig. Die Leserschaft eines Konsumentenmagazins erwartet einen solchen und wird diese Erwartungshaltung regelmässig in die Gewichtung der gelesenen Informationen einbeziehen. Allerdings ist gerade anwaltschaftlicher Journalismus nur dann glaubwürdig, wenn die den kritischen Wertungen zugrundeliegenden Fakten sorgfältig und möglichst umfassend recherchiert werden. Zudem hat sich auch eine parteiergreifende Berichterstattung an minimale Fairnessstandards zu halten. Soweit in einem Medienbericht schwere Vorwürfe gegen Personen oder Institutionen erhoben werden, sind diese vor der Veröffentlichung mit den Vorwürfen zu konfrontieren; ihre Stellungnahme muss in den Bericht einfliessen (vgl. u.a. die Stellungnahmen 32/2002, 17 und 27/2000).

2. a) Gemäss der Richtlinie 1.1 stellt die Wahrheitssuche den Ausgangspunkt der Informationstätigkeit dar. «Sie setzt die Beachtung verfügbarer und zugänglicher Daten, die Achtung der Integrität von Dokumenten (Text, Ton und Bild), die Überprüfung und die allfällige Berichtigung voraus.»

b) Die Post sieht die Ziffer 1 der «Erklärung» (Wahrheitspflicht) und die zugehörige Richtlinie 1.1 durch die Veröffentlichung der «tatsachenwidrigen» Behauptung verletzt, A- und B-Post hätten in den letzten zehn Jahren ständig aufgeschlagen, was die Leserinnen und Leser massiv ärgere. Tatsache sei jedoch zum einen, dass die A- und B-Brieftarife innerhalb der letzten zehn Jahre lediglich einmal, und zwar im Jahr 1996 erhöht worden seien. Zum anderen seien die Leserinnen und Leser zu den Aufschlägen in den letzten 10 Jahren gar nicht befragt worden. Ihnen sei lediglich die Frage gestellt worden, wie sie Preise und Tempo der A-Post beurteilten. Im vorangegangenen E-Mail-Verkehr habe die Post den Autor des Artikels mehrfach darauf hingewiesen, dass die Post die Preise für A- und B-Post-Standardbriefe letztmals 1996 angehoben habe.

c) «K-Tipp» entgegnet zu diesem Vorwurf: «Die Post hat bei den A/B-Briefen in den letzten acht Jahren mindestens dreimal aufgeschlagen (1996, 2001 ab 100g, 2004). Die Aufschläge sind erheblich (25 bis 83 Prozent). Die Post schreibt, die Leserschaft des ÐK-Tippð sei gar nicht über die Aufschläge befragt worden. Dies trifft nicht zu: Indem die Leser die heutigen Preise der A- und B-Post beurteilten, gaben sie auch eine Meinung zu den Aufschlägen der letzten Jahre ab.»

d) Aus den von der Beschwerdeführerin eingereichten Unterlagen ergibt sich folgendes Bild über die Tarifentwicklung seit 1994: Der Preis des A-Post-Briefs bis 100 Gramm erhöhte sich zuerst von 80 auf 90 Rappen (1996) und per 1.1.2004 schliesslich auf einen Franken, derjenige der B-Post-Briefe bis 100 Gramm von 60 auf 70 (1996) und per 1.1.2004 auf 85 Rappen. Bei den Briefen über 100 Gramm (bis 250 Gramm) erfolgten die entsprechenden Tarifanpassungen 1996 und 2001 (per 1.1.2004 blieben diese Preise unverändert). Zusammenfassend lässt sich deshalb festhalten, dass für beide Briefkategorien in den letzten Jahren je zwei Erhöhungen erfolgten, weshalb die Bezeichnung «ständige Aufschläge», selbst wenn diese auch wertende Elemente enthält, der Leserschaft, die diese Entwicklungen kaum im Kopf haben dürfte, kaum einen zutreffenden Eindruck vermittelt. Hinzu kommt, dass aus der Formulierung «Die ständigen Aufschläge ärgern die Leser und die Leserinnen massiv» nicht ersichtlich ist, dass es sich hier um eine von «K-Tipp» gezogene Schlussfolgerung handelt, dass wenn die Mehrheit der Umfrageteilnehmer/innen die Portokosten als überhöht beurteilten, sich diese logischerweise auch über die Erhöhungen der letzten 10 Jahre ärgern würden. Die entsprechenden Fragen der Um
frage lauteten: Wie beurteilen sie die Briefpost? Preis der A-Post; Preis der B-Post usw. Als Antwort konnten die Befragten unter den Möglichkeiten «gut», «befriedigend» und «schlecht» auswählen. Die von «K-Tipp» behauptete massive Verärgerung der «K-Tipp»-Leserschaft über ständige Preiserhöhungen ist damit – zumindest aufgrund der dem Presserat zur Verfügung gestellten Unterlagen – weder durch das Umfrageergebnis noch durch weitere Quellen belegt. Im Ergebnis hat die Redaktion «K-Tipp» deshalb die Ziffer 1 der «Erklärung» verletzt.

3. a) Gemäss der Richtlinie 3.8 zur «Erklärung» sind Journalistinnen und Journalisten verpflichtet, Betroffene vor der Publikation schwerer Vorwürfe anzuhören. «Deren Stellungnahme ist im gleichen Medienbericht kurz und fair wiederzugeben. Ausnahmsweise kann auf die Anhörung verzichtet werden, wenn dies durch ein überwiegendes öffentliches Interesse gerechtfertigt ist. Der von schweren Vorwürfen betroffenen Partei muss nicht derselbe Umfang im Bericht zugestanden werden wie der Kritik. Aber die Betroffenen sollen sich zu den schweren Vorwürfen äussern können.»

b) Wie aus den Akten ersichtlich wird, hat der Autor frühzeitig, bereits im Dezember 2003 und mehrfach mit der Post Kontakt aufgenommen und ihr Fragen im Zusammenhang mit den Tariferhöhungen per 1. Januar 2005 und zur Leserumfrage betreffend der Qualität der Postdienstleistungen unterbreitetet:

– Am 18. Dezember 2003 bat Marco Diener die Mediensprecherin der Post, Liselotte Spengler, per E-Mail um Beantwortung von vier Fragen zur Preiserhöhung bei der A- und B-Post per 1. Januar 2004, zur Preisentwicklung in den letzten 10 Jahren sowie zur Kennzeichnung der A-Post-Briefe. Am 23. Dezember 2003 sandte die Mediensprecherin dem Journalisten die Antworten zu den gestellten Fragen und verwies zudem auf eine Medienmitteilung vom 1. Dezember 2003 in der die Post über die wichtigsten Änderungen orientiert hatte.

– Am 15. Januar 2004 sandte Marco Diener eine weitere E-Mail mit 11 Fragen an Liselotte Spengler. Die Fragen standen im Zusammenhang mit einem von «K-Tipp» durchgeführten Test zur Zuverlässigkeit der A-Post. In ihrer eingehenden Antwort vom 19. Januar 2004 verwies die Mediensprecherin insbesondere auf die laufenden Messungen durch das unabhängige Marktforschungsinstitut IHA-GfK. Diese würden der Post im europäischen Vergleich seit Jahren einen Spitzenplatz in Sachen Laufzeitqualität bescheinigen.

– Am 24. Februar 2004 unterbreitete Marco Diener – wiederum per E-Mail – dem Post-Mediensprecher Richard Pfister eine Zusammenfassung der – für die Post überwiegend negativen – Ergebnisse der «K-Tipp-Umfrage» und unterbreitete dazu 10 Fragen. Richard Pfister nahm dazu am 27. Februar 2004 bloss allgemein Stellung ohne auf sämtliche Fragen einzugehen. Er verwies dabei insbesondere auf eine Medienmitteilung der Post vom 30. Januar 2004 sowie eine Mitteilung des UVEK vom gleichen Tag. Danach habe eine aktuelle Umfrage des Instituts Demoscope gezeigt, dass die Kundschaft mit dem Service des Poststellennetzes und seiner Alternativformen insgesamt sehr zufrieden sei.

c) Im Zusammenhang mit der Richtlinie 3.8 zur «Erklärung» beanstandet die Schweizerische Post einerseits, «K-Tipp» habe einen Teil der im Artikel vom 10. März enthaltenen schweren Vorwürfe vor der Publikation nicht zur Stellungnahme unterbreitet. Andererseits habe die Zeitschrift nicht alle relevanten Antworten der Post kurz und fair wiedergegeben:

Nicht unterbreitet worden seien folgende schweren Vorwürfe:

– «Zu hohe Tarife, mieser Service».

– «Auch sie (die Postangestellten) äussern sich vorwiegend negativ über ihr Unternehmen. Sie schreiben, der ständige Dienstleistungsabbau sei auch für sie demotivierend, und sie beklagen Ðdie laufende Demontage der Postð.»

– «Schlechte Noten gibt’s hingegen für die Chefs. Sie, die ständig Preise erhöhen, Poststellen schliessen und Briefkästen abschrauben lassen, werden heftig kritisiert. ÐDie Manager vermitteln dem Kunden immer mehr das Gefühl, er sei im Grund genommen nur ein Störfaktorð, heisst es in einem weiteren Begleitbrief eines Lesers.»

Von «K-Tipp» zu Unrecht nicht wiedergegeben worden seien zudem die wichtigen Hinweise auf die Demoscope-Studie als auch auf die IHA-GfK-Studie. Die Post sieht schliesslich eine Unterschlagung wesentlicher Informationselemente (Ziffer 3 der «Erklärung) und des Fairnessprinzips in der Formulierung, man habe der Post «weitere detaillierte Fragen zu Missständen» gestellt, «welche die Leser heftig angeprangert» hätten. «Doch die Post zog es vor, diese heiklen Fragen nicht zu beantworten.»

Diese Beanstandungen sind nachfolgend einzeln zu prüfen.

4. a) Die Schlagzeile «Zu hohe Tarife, mieser Service» fasst gewissermassen die Quintessenz der vom «K-Tipp» auf der Grundlage seiner Leserumfrage gegenüber der Post erhobenen Vorwürfe zusammen. Der Vorwurf eines ungenügenden Preis-Leistungs-Verhältnisses wiegt auch für ein dem Service public verpflichtetes Unternehmen schwer. Dieser Hauptvorwurf hätte deshalb unbedingt im Zentrum der Anhörung der Post stehen sollen.

Zwar hat der Autor in seiner Anfrage vom 24. Februar 2004 das Ergebnis der Leserumfrage grob zusammengefasst. Weder in dieser Zusammenfassung noch in den zugehörigen Fragen wurde der Vorwurf eines angeblich schlechten Preis-Leistungs-Verhältnisses von «K-Tipp» jedoch deutlich hervorgehoben. Zudem machte die dazugehörige allgemein gehaltenene Antwort von Pressesprecher Richard Pfister zumindest deutlich, dass die Post diese Kritik nicht teilt und im Gegenteil auf eigene (repräsentative) Meinungsumfragen verwies, die ihr eine hohe Kundenzufriedenheit bescheinigt hätten. Aufgrund der entsprechenden Hinweise und Unterlagen wäre die Zeitschrift fairerweise zumindest verpflichtet gewesen, dem Hauptvorwurf des schlechten Preis-Leistungs-Verhältnisses zumindest dieses Gegenargument der Post entgegenzustellen. Diese Pflicht, die von schweren Vorwürfen Betroffenen mit ihren besten (bekannten) Argumenten zumindest kurz zu Wort kommen zu lassen, gilt ungeachtet des hier nicht relevanten Einwands der Beschwerdegegnerin, die Post habe einen grossen Teil der ihr unterbreiteten Fragen nicht (direkt) beantwortet. Die Richtlinie 3.8 wurde deshalb in diesem Punkt verletzt.

b) Darüber hinaus erscheinen auch die aus Briefen von Postangestellten stammenden Vorwürfe des laufenden Dienstleistungsabbaus und insbesondere der «Demontage» als derart schwer, dass auch hierzu eine spezifische Anhörung und kurze Wiedergabe der Stellungnahme der Post unabdingbar gewesen wäre. «K-Tipp» hat dies offensichtlich unterlassen, weshalb die Richtlinie 3.8 auch in diesem Punkt verletzt wurde.

c) Nicht zwingend erforderlich war eine Anhörung hingegen bei der Wiedergabe der für die Leserschaft erkennbar stark emotional gefärbten pauschalen Rundumkritik an den «Post-Chefs». Denn auch ohne Befragung dürfte hier für alle Lesenden klar sein, dass die Betroffenen den Anwurf, den Kunden nur noch als «Störfaktor» zu behandeln, so oder so von sich weisen.

d) Zwingend wäre es demgegenüber wiederum gewesen – wie bereits oben unter Ziffer 3a der Erwägungen ausgeführt – die Hinweise der Post auf eigene – nach ihrer Auffassung der Leserumfrage von «K-Tipp» widersprechende – Erhebungen wiederzugeben. Dabei war die Zeitschrift, wie sie in der Beschwerdeantwort zu Recht geltend macht, zwar nicht explizit verpflichtet, gerade die Ergebnisse der beiden Umfragen von Demoscope und IHA-GfK zu veröffentlichen. Die Redaktion hätte aber zumindest kurz darauf hinweisen müssen, dass gemäss Darstellung der Post eigene repräsentative Meinungsumfragen und Untersuchungen ein anderes (positiveres) Bild vermittelt hätten.

e) Der von «K-Tipp» darüber hinaus erhobene Vorwurf, man habe der Post weitere detaillierte Fragen zu Missständen gestellt, welche die Leser heftig angeprangert hätten, doch die Post habe es vorgezogen, diese heiklen Fragen nicht zu beantworten, lässt sich so
wohl unter dem Gesichtspunkt der Anhörungspflicht wie generell unter demjenigen der Unterschlagung wichtiger Informationselemente wie auch der Fairnesspflicht betrachten. Letztlich bezwecken diese Normen allesamt, einerseits der Leserschaft ein Minimum an relevanter Information zu vermitteln, anderseits für den oder die von dieser Information direkt Betroffenen ein Minimum an Fairness zu gewährleisten.

Der Vorwurf der Nichtbeantwortung von Fragen zu «Missständen, welche die Leser heftig angeprangert hatten» wiegt schon deshalb schwer, weil die Leserschaft bei einer derart pauschalen Formulierung nicht erfährt, um welche angeblich gewichtigen Missstände und heiklen Fragen es geht. Dementsprechend wäre es unabdingbar gewesen, den Vorwurf inhaltlich zumindest mit den wichtigsten nicht beantworteten Fragen und Missständen zu konkretisieren. Zudem wird aus der Formulierung «heftig angeprangert» nicht klar, ob sich diese Wertung bloss auf die drei Antwortkategorien der Umfrage «gut», «befriedigend» und «schlecht» oder auf einzelne ergänzende Leseräusserungen bezieht. Falls letzteres zutreffen sollte, ginge die Formulierung «die Leser» im Sinne einer Gesamtheit offensichtlich zu weit. Ebenso gilt dies aber – zumindest ausgehend von der Darstellung der Umfrageergebnisse – auch für die drei Kategorien «gut», «befriedigend» und «schlecht». Denn gemäss der grafischen Darstellung von «K-Tipp» ergab sich bei keinem Thema ein einheitliches Bild einer Missstände heftig anprangernden Leserschaft. Und auch wenn «K-Tipp» ohne weiteres kritisieren darf, dass die Post jeweils nicht zu sämtlichen unterbreiteten Fragen eingehend Stellung nahm, hätte die Zeitschrift fairerweise zumindest gleichzeitig darauf hinweisen können, dass sich die Beschwerdeführerin immerhin mehrfach und zum Teil eingehend zu Anfragen des «K-Tipps» geäussert hat. Und zwar nicht bloss mit den drei schliesslich abgedruckten Statements zu Einzelfragen: «dass die Kundschaft Süssigkeiten, Bücher und Plüschtiere Ðrege kauftð.»; «dass die ÐPaketpreise im europäischen Vergleich nach wie vor tiefð und Ðdie Expresspreise marktüblichð seien; sowie «dass dieser Zuschlag (für touristische Postautostrecken) nötig sei, weil die Post auf rund 25 Strecken keine Abgeltungen von der öffentlichen Hand erhalte».

4. a) Die Richtlinie 3.7 zur «Erklärung» (Meinungsumfragen) gebietet den Medienschaffenden, «dem Publikum bei der Veröffentlichung von Meinungsumfragen immer alle Informationen zugänglich zu machen, die für das Verständnis der Umfrage nützlich sind: Mindestens die Zahl der befragten Personen, Repräsentativität, mögliche Fehlerquote, Erhebungsgebiet, Zeitraum der Befragung, Auftraggeberin / Auftraggeber. Aus dem Text sollten auch die konkreten Fragen inhaltlich korrekt hervorgehen.»

b) Bei Betrachtung der Darstellung des Umfrageergebnisses im «K-Tipp» vom 10. März 2004 stellt der Presserat fest, dass ein grosser Teil, wenn auch nicht alle der für repräsentative Meinungsumfragen gemäss der Richtlinie 3.7 verlangten Mindestangaben im «K-Tipp»-Artikel enthalten sind. So ergibt sich bereits aus der Bezeichnung «Leserumfrage», dass die gesamte Leserschaft das «K-Tipp» potentiell an der Umfrage teilnehmen konnte, womit das Erhebungsgebiet bezeichnet ist. «K-Tipp» gab zudem an, dass 3300 Leserinnen und Leser an der Umfrage teilgenommen hätten. Ebenso sind die gestellten Fragen zwar nicht alle im Originalwortlaut, aber doch zumindest inhaltlich korrekt wiedergegeben und ist auch der «K-Tipp» als Auftraggeber offensichtlich. Zwar äussert sich der Artikel darüber hinaus nicht zu Repräsentativität und möglicher Fehlerquote der Umfrage. Nach Auffassung des Presserates würde es jedoch zu weit führen, bei jeder der im journalistischen Alltag sehr häufig durchgeführten «Meinungsumfragen» die in der Richtlinie 3.7 postulierten Mindestangaben zu verlangen. Denn meistens – wie auch bei der Leserumfrage des «K-Tipp» – ist bei derartigen Umfragen für das Publikum von vornherein klar, dass die Umfrageergebnisse statistisch kaum repräsentativ sind.

Auch wenn damit vorliegend eine Verletzung der Richtlinie 3.7 zu verneinen ist, wäre es dem «K-Tipp» gerade auch als Konsumentenzeitschrift trotzdem gut angestanden, auf die fehlende Repräsentativität der Umfrage hinzuweisen. Ebenso wäre es aus Sicht der Leserinnen und Leser wünschbar gewesen – auch wenn die entsprechenden Angaben bereits im Impressum enthalten sind – wenn die Zahl der 3300 Umfrageteilnehmer im Artikel selber in Relation zur Gesamtzahl der Abonnent/innen und der Leserschaft gestellt worden wäre. Schliesslich wäre auch ein Hinweis auf den Zeitpunkt der Durchführung Umfrage (anfangs 2004) dem Verständnis dienlich gewesen.

5. a) Laut der Richtlinie 2.3 zur «Erklärung» haben Journalistinnen und Journalisten darauf zu achten, dass das Publikum zwischen Fakten und kommentierenden, kritisierenden Einschätzungen unterscheiden kann. Die Post sieht diese Richtlinie verletzt, weil «K-Tipp» die Ergebnisse seiner Leserumfrage mit einzelnen Meinungsäusserungen aus Leser-Begleitbriefen vermischt habe. Für die Lesenden sei damit nicht mehr klar, was Fakten und was Meinungsäusserung sei. Zudem der Titel «Das Personal ist in Ordnung, aber die Chefs…» vorgegaukelt, in der Leserumfrage seien auch die Kader beurteilt worden.

b) Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin kommt der Presserat bei Betrachtung des Artikels vom 10. März 2004 zu folgenden Schlüssen: Aus den Titeln, dem Lauftext und der ausführlichen grafischen Darstellung der Umfrageergebnisse ist mit genügender Klarheit ersichtlich, dass der «K-Tipp» eine Leserumfrage zur Beurteilung der Post-Dienstleistungen durchgeführt hat und welche Resultate diese Umfrage ergeben hat. Soweit der «K-Tipp» über die Umfrageergebnisse hinaus einzelne Stimmen und Meinungsäusserungen wiedergibt, werden diese mit Formulierungen wie «schreibt ein Leser», «ein anderer fragt», «heisst es in einem Begleitbrief eines Lesers» usw. erkennbar als kommentierende Wertungen gekennzeichnet. Allein bei Betrachtung des Titels «Das Personal ist in Ordnung, aber die Chefs…» könnte zwar allenfalls der unzutreffende Eindruck entstehend, auch die «Chefs» seien in der Umfrage beurteilt worden. Bei einer Gesamtbetrachtung des Artikels, insbesondere aber aufgrund der Darstellung der Umfrage-Resultate wird aber klar, dass dies offensichtlich nicht der Fall war. Aus diesen Gründen ist eine Verletzung der Richtlinie 2.3 zu verneinen.

III. Feststellungen

1. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen.

2. Mit dem Abdruck des durch die zur Verfügung stehenden Quellen nicht belegten und zudem der Leserschaft kaum einen zutreffenden Eindruck vermittelnden Aussage «Die ständigen Aufschläge (der A- und B-Post in den letzten zehn Jahren) ärgern die Leserinnen und Leser massiv» hat der «K-Tipp» die Ziffer 1 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (Wahrheitspflicht) verletzt.

3. «K-Tipp» wäre zudem verpflichtet gewesen, die Post explizit mit dem Hauptvorwurf des schlechten Preis-Leistungs-Verhältnisses («Zu hohe Tarife – mieser Service») sowie den Vorwürfen des «ständigen Dienstleistungsabbaus» und der «Demontage» zu konfrontieren. Zudem hätte die Zeitschrift darauf hinweisen müssen, dass eigene Meinungsumfragen und Untersuchungen der Post nach deren Einschätzung eine hohe Kundenzufriedenheit ergeben habe. Schliesslich hätte «K-Tipp» den generellen Vorwurf, die Post habe sich geweigert, zu heiklen Fragen nach weiteren Missständen Stellung zu nehmen, näher konkretisieren müssen. Mit diesen Unterlassungen hat die Redaktion «K-Tipp» die Ziffer 3 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (Unterschlagung wichtiger Informationselemente) und insbesondere die zugehörige Richtlinie 3.8 (Anhörung bei schweren Vorwürfen) verletzt.

4. Aus der Richtlinie 3.7 zur «Erklärung» (Meinungsumfragen) kann nicht abgeleitet werden, da
ss jeder redaktionelle Beitrag zu journalistischen Meinungsumfrage sämtliche für wissenschaftliche Meinungsumfragen postulierten Mindestangaben enthalten muss. Dennoch wäre es dem «K-Tipp» gut angestanden, wenn er auf die fehlende Repräsentativität seiner Leserumfrage hingewiesen hätte. Ebenso wäre es aus Sicht der Leserinnen und Leser wünschbar gewesen, Angaben über das Verhältnis zwischen Umfrageteilnehmer/innen und den potentiell Befragten zu erhalten.

5. Darüber hinausgehend wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.