Nr. 14/2017
Wahrheitspflicht / Unterschlagen von Informationen / Unterlassene Anhörung

(Sicherheitsdirektion Kanton Zug c. «Wochenzeitung»)

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Zusammenfassung

«Wochenzeitung» berichtet korrekt über die Ausschaffung einer Flüchtlingsfamilie in Zug

Am 27. Oktober 2016 kritisierte die «Wochenzeitung» unter dem Titel «Eine Ausschaffung mit allen Mitteln» die Umstände der Ausschaffung einer sechsköpfigen Familie aus Afghanistan. Die Zuger Behörden hatten drei der vier Kinder fremdplatziert sowie Vater und Mutter mit Baby in Haft gesetzt, um die Ausschaffung sicherzustellen. Die Sicherheitsdirektion des Kantons Zug reichte beim Schweizer Presserat eine Beschwerde gegen die WOZ ein. Sie bemängelte vor allem den Obertitel «Rechtsbrüche im Kanton Zug» und machte geltend, sie hätte zu den Vorwürfen angehört werden müssen.

Der Presserat teilt diese Auffassung nicht. Er sieht im Obertitel knapp keine Verletzung der Wahrheitspflicht. Zwar konzediert er, dass diese Spitzmarke stark zugespitzt ist. Es folgte jedoch der Titel «Eine Ausschaffung mit allen Mitteln», welcher darauf hinweist, dass es im Artikel um die Mittel geht, mit denen die Ausschaffung durchgesetzt wird. Der Lead präzisiert unmittelbar anschliessend, dass den Vorwurf des Rechtsbruchs Politiker und Menschenrechtsaktivisten erheben. Der Leser erfährt somit in der Gesamtheit von Titel und Lead, wer welche Behörden des Rechtsbruchs bezichtigt.

Für den Presserat ist der Vorwurf des Rechtsbruchs zweifelsfrei ein schwerer Vorwurf, der eine Anhörung zwingend notwendig macht. Wenn sich Behörden jedoch weigern, Stellung zu nehmen, können sie sich im Nachhinein nicht darauf berufen, man hätte sie zu einem bestimmten Aspekt anhören müssen. Der Presserat weist die Beschwerde deshalb ab.

Résumé

La «Wochenzeitung» rend compte correctement de l’expulsion d’une famille de réfugiés à Zoug

Le 27 octobre 2016, la «Wochenzeitung» critiquait les circonstances de l’expulsion d’une famille de six personnes vers l’Afghanistan dans un article intitulé «Eine Ausschaffung mit allen Mitteln» (une expulsion par tous les moyens). Les autorités de Zoug avaient procédé au placement extrafamilial de trois des quatre enfants et mis le père et la mère en prison avec leur bébé afin d’assurer leur expulsion. La direction de la sécurité du canton de Zoug a porté plainte contre la WOZ auprès du Conseil suisse de la presse. Elle lui reproche essentiellement le surtitre de l’article, «Rechtsbrüche im Kanton Zug» (violations de droit dans le canton de Zoug), et fait valoir qu’elle aurait dû être entendue au sujet des reproches qui lui étaient faits.

Le Conseil de la presse n’est pas de son avis. Il ne voit pas, de justesse, d’atteinte au devoir de vérité dans le surtitre. S’il concède que ce surtitre est à l’emporte-pièce, il note qu’il est suivi par le titre «Eine Ausschaffung mit allen Mitteln», qui indique que l’article traite des moyens par lesquels l’expulsion a été exécutée. Le chapeau de l’article précise immédiatement après que ce sont les politiques et les défenseurs des droits de l’homme qui reprochent aux autorités de violer le droit. Le lecteur apprend donc dans le titre et le chapeau de l’article qui accuse quelles autorités de violer le droit.

Pour le Conseil de la presse, reprocher à quelqu’un de violer le droit n’est de loin pas anodin et il faut impérativement entendre celui qui est visé. Quand les autorités se refusent toutefois à prendre position, elles ne peuvent invoquer a posteriori qu’elles auraient dû être entendues sur un aspect donné. Le Conseil de la presse rejette par conséquent la plainte.

Riassunto

WOZ: al limite del rispetto delle regole l’articolo su un caso di espulsione

Con il titolo «Un’espulsione con ogni mezzo», il 27 ottobre 2016 la «Wochenzeitung» criticava le circostanze del rinvio in Afghanistan di una famiglia di sei persone. Per eseguire la sentenza di espulsione, le autorità di Zugo avevano separato dai genitori tre dei quattro figli e gli adulti erano stati incarcerati insieme con il figlio più piccolo. A seguito della pubblicazione, la Direzione della Sicurezza del Canton Zugo ha presentato reclamo al Consiglio svizzero, criticando in particolare un occhiello del titolo («Diritto violato nel Canton Zugo») e sostenendo di non essere stata interpellata dal periodico.

Il Consiglio non è stato di questo avviso. L’occhiello, in particolare, è al limite del dovere di rispetto della verità in quanto forza, e non di poco, la realtà. Ma il titolo principale che segue («Un’espulsione con ogni mezzo») chiaramente rimanda solo ai mezzi usati per l’espulsione. E nell’introduzione redazionale dell’articolo si precisa che l’appunto circa la violazione della legge era mosso da politici e da attivisti per i diritti umani. La fonte della critica di illegalità era dunque chiaramente riconoscibile al lettore.

La violazione di una legge è certamente una critica grave – osserva il Consiglio della Stampa, e avrebbe richiesto la consultazione dell‘autorità criticata. Ma poiché la stessa autorità si rifiuta di pronunciarsi sull’insieme del caso, non può poi lamentarsi di non essere consultata su un punto preciso. Il reclamo è perciò respinto.

I. Sachverhalt

A. Am 27. Oktober 2016 erschien in der «Wochenzeitung» («WOZ») ein Artikel unter dem Titel «Eine Ausschaffung mit allen Mitteln». Der Obertitel lautet: «Rechtsbrüche im Kanton Zug». Im Lead heisst es, in Zug werde Recht gebrochen. Dies würfen Menschenrechtsaktivisten und Politiker dem Zuger Migrationsamt und der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) vor. Opfer sei eine sechsköpfige Familie aus Afghanistan. Die Autorin des Artikels, Anouk Eschelmüller, berichtet von der Inhaftierung der afghanischen Eltern – diese hatten sich gegen die Ausschaffung gewehrt – und der Fremdplatzierung dreier ihrer Kinder durch die Kesb. Die Familie solle nach Norwegen ausgeschafft werden, in das Land, in dem sie ihr erstes Gesuch um Asyl eingereicht hatte. Dieses war abgelehnt worden. Die Fremdplatzierung durch die Kesb sei fragwürdig, denn die Familie habe Verwandte in der Schweiz, die sich um die Kinder kümmern wollten. Die Zuger Behörden seien von ihren Massnahmen weiterhin überzeugt, mildere Möglichkeiten habe es nicht gegeben, behaupte das Migrationsamt. Gestützt sei das Vorgehen sowohl vom Zuger Verwaltungsgericht als auch von Sicherheitsdirektor Beat Villiger. Das Vorgehen der Zuger Behörden wird im Artikel von einem Politiker, der Schweizer Flüchtlingshilfe und Amnesty International kritisiert. Auf die Anfrage der «WOZ» hätten weder der Leiter des Zuger Migrationsamtes noch die Kesb Stellung nehmen wollen.

B. Am 10. November 2016 reichte die Sicherheitsdirektion des Kantons Zug eine Beschwerde beim Schweizer Presserat gegen den Artikel der «WOZ» ein. Dieser verletze die Wahrheitspflicht (Ziffer 1 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten», nachfolgend «Erklärung») sowie die dazu gehörende Richtlinie 1.1 (Wahrheitssuche). Weiter habe die «WOZ» Informationen unterschlagen (Ziffer 3 der «Erklärung») sowie eine Anhörung zu schweren Vorwürfen unterlassen (Richtlinie 3.8). Auch habe sie Fakten vom Kommentar nur mangelhaft getrennt (Richtlinie 2.3). Der Obertitel des Artikels «Rechtsbrüche im Kanton Zug» verstosse gegen alle genannten Bestimmungen: Beim Vorwurf des Rechtsbruchs handle es sich um einen schweren Vorwurf, welcher eine Anhörung zwingend mache. Vorliegend sei von keiner Behörde Recht verletzt worden. Das Verwaltungsgericht habe die Rechtmässigkeit der Haft beider Eltern am 16. Oktober 2016 bestätigt sowie das Vorgehen der Behörden in allen Aspekten, also auch in Bezug auf die Heimplatzierung der Kinder, als verhältnismässig und rechtmässig beurteilt. Die Urteile seien den Parteien, also auch den Betroffenen, mitgeteilt worden. Dies habe die Sicherheitsdirektion am 17. Oktober 2016 per Medienmitteilung öffentlich bekannt gegeben, es sei auch auf der Webseite nachlesbar. Eine kritische Haltung und Kommentierung sei der Zeitung unbenommen. Wenn der Obertitel als Kommentar oder Bericht über andere Meinungen zu verstehen sein sollte, müsste dies klar deklariert werden. So werde er als Fakt verstanden und die angeblichen Rechtsbrüche als Fakt hingestellt. Damit halte die «WOZ» das Gebot der Trennung von Fakten und Kommentar nicht ein.

Bezüglich des weiteren Inhalts des Artikels macht Sicherheitsdirektor Beat Villiger geltend, die Familie sei zuerst in eine andere Unterkunft in Unterägeri gebracht worden, erst dann sei der Zugriff durch die Zuger Polizei erfolgt und nicht wie im Artikel geschrieben direkt in der Durchgangsstation Steinhausen. Wenn im Artikel zudem geschrieben werde, das Migrationsamt behaupte, es habe keine mildere Massnahmen gegeben, so entspreche dies nicht der Wahrheit. Es handle sich nicht um eine Behauptung des Amts für Migration, sondern das Verwaltungsgericht habe beurteilt, dass keine mildere Massnahme möglich war. Die Formulierung, «das Verwaltungsgericht stützt das Vorgehen» suggeriere, dass dieses die als Tatsachen hingestellten Rechtsbrüche unterstütze. Damit werde dem Verwaltungsgericht ebenso Widerrechtlichkeit vorgeworfen. Falsch sei zudem, die Kesb habe ihren Schutzauftrag verletzt und die Uno-Kinderrechtskonvention gebrochen. Weder die Sicherheitsdirektion noch die Kesb oder das Zuger Migrationsamt seien zum Fall befragt worden. Der Beschwerde liegen zwei Medienmitteilungen sowie die Verfügungen der Haftrichterin vom 16. Oktober 2016 bei.

C. Im Namen der «Wochenzeitung» nahmen der stellvertretende Redaktionsleiter Kaspar Surber und Iris Schär, Mitglied der Geschäftsleitung, am 8. Februar 2017 Stellung. Die «WOZ» beantragt, die Beschwerde vollumfänglich abzuweisen. Vorab bestreitet sie eine Verletzung von Ziffer 1 der «Erklärung» sowie von Richtlinie 1.1. Sie weist darauf hin, dass der Obertitel «Rechtsbrüche im Kanton Zug» nicht faktenfrei im Raum stehe. Der unmittelbar folgende Haupttitel «Eine Ausschaffung mit allen Mitteln» mache klar, dass es um die Art und Weise der Ausschaffung gehe. Der direkt anschliessende Lead bringe den Sachverhalt auf den Punkt: Menschenrechtsaktivistinnen und Politikerinnen würden dem Zuger Migrationsamt und der Kesb unrechtmässiges Vorgehen vorwerfen. Es sei transparent gemacht, wer diese Vorwürfe erhebe und an wen sie sich konkret richteten. Über die im Artikel detailliert ausgeführten Vorwürfe verliere das Verwaltungsgericht des Kantons Zug kein Wort. Hinzu komme, dass die beiden gerichtlichen Verfügungen weder zum Zeitpunkt des Erscheinens des beanstandeten «WOZ»-Artikels noch heute rechtskräftig seien. Der Obertitel spitze auch nicht in einer Art und Weise zu, dass die Leserinnen und Leser sich getäuscht oder am Thema des Artikels vorbeigeführt sehen müssten. Der Obertitel sei eine reine Tatsachenäusserung und Fakten und Kommentar würden nicht vermischt. Der Obertitel sei durch die recherchierten und transparent dargelegten Fakten gedeckt und nicht vorverurteilend. Er führe weder in die Irre noch am Recht der Öffentlichkeit, die Wahrheit zu erfahren, vorbei. Dann wendet sich die Beschwerdegegnerin dem Vorwurf zu, sie habe Informationen unterschlagen. Sie bestreitet das sowohl für den Obertitel wie den ganzen Artikel. Auch eine korrekte Anhörung der beschuldigten Behörden habe die «WOZ» nicht unterlassen. Diese hätten eine Stellungnahme verweigert, dies werde im Artikel auch so gekennzeichnet. «Wer sich generell nicht äussert, kann sich später nicht beklagen, er oder sie sei zu einem konkreten Kritikpunkt nicht angehört worden», schreibt Surber. Ebenfalls nicht verletzt worden sei die Pflicht zur Wahrheitssuche (Richtlinie 1.1). Indem die «WOZ» nicht alle Zwischenschritte des «Umzugs» der afghanischen Familie schildere, habe sie lediglich die ihr für den Sachzusammenhang wichtigen Stationen dargestellt. Es gehöre zur journalistischen und redaktionellen Tätigkeit, aus Fakten eine Auswahl zu treffen. Und zwar so, dass die Öffentlichkeit nicht getäuscht werde. An diese Grundsätze habe sich die «WOZ» gehalten. Dass die «WOZ» schreibe, der fragliche Handzettel sei vom Zuger Migrationsamt ausgestellt worden, sei nicht in einer Weise falsch, welche die zur Diskussion stehenden berufsethischen Grundsätze verletzen würde. Der Handzettel stamme von den Sozialen Diensten Asyl und die seien eine unselbstständige Dienststelle des Amtes für Migration.

D. Das Präsidium des Presserates wies den Fall der 3. Kammer zu, der Max Trossmann (Präsident), Marianne Biber, Jan Grüebler, Matthias Halbeis, Barbara Hintermann, Seraina Kobler und Markus Locher angehören. Matthias Halbeis trat von sich aus in den Ausstand.

E. Die 3. Kammer behandelte die Beschwerde an ihrer Sitzung vom 5. April 2017 und auf dem Korrespondenzweg.

II. Erwägungen

1. a) Zu klären ist, ob die Wahrheitspflicht (Ziffer 1 der «Erklärung») verletzt wurde. Diese verlangt von Journalisten, dass sie sich an die Wahrheit halten ohne Rücksicht auf die sich daraus für sie ergebenden Folgen und dass sie sich vom Recht der Öffentlichkeit leiten lassen, die Wahrheit zu erfahren. Richtlinie 1.1 (Wahrheitssuche) präzisiert: «Die Wahrheitssuche stellt den Ausgangspunkt der Informationstätigkeit dar. Sie setzt die Beachtung verfügbarer und zugänglicher Daten, die Achtung der Integrität von Dokumenten (Text, Ton und Bild), die Überprüfung und die allfällige Berichtigung voraus». Die Sicherheitsdirektion Zug sieht mit dem Obertitel «Rechtsbrüche im Kanton Zug» die Ziffer 1 verletzt. Dieser Obertitel stehe nicht einfach faktenfrei im Raum, entgegnet die «Wochenzeitung». Ihm folge unmittelbar der Haupttitel «Eine Ausschaffung mit allen Mitteln». So werde klar, dass es um die Art und Weise der Wegweisung gehe. Und der Lead bringe den Sachverhalt auf den Punkt.

Der Presserat hat die Frage, ob der Obertitel «Rechtsbrüche im Kanton Zug» Ziffer 1 der «Erklärung» (Wahrheitspflicht) verletzt, höchst kontrovers diskutiert. Die Spitzmarke ist zweifellos stark zugespitzt. Es folgt der Titel «Eine Ausschaffung mit allen Mitteln», welcher darauf hinweist, dass es im Artikel um die Mittel geht, mit denen eine Ausschaffung durchgesetzt wird. Der Lead wiederholt die Aussage der Spitzmarke, präzisiert dann jedoch sofort, dass der Vorwurf des Rechtsbruchs von Menschenrechtsaktivisten und Politikern gegenüber dem Zuger Migrationsamt und der Kesb erhoben werde. Und dass es dabei um eine sechsköpfige Familie aus Afghanistan gehe. Der Leser erfährt letztlich in der Gesamtheit von Titeln und Lead, wer gegen welche Zuger Behörden den Vorwurf des Rechtsbruchs erhebt. Der Presserat sieht deshalb die Wahrheitspflicht knapp als nicht verletzt an.

b) Die Beschwerdeführerin sieht weiter im Umstand, dass die «WOZ» nicht alle Zwischenschritte des Umzugs geschildert hat, eine Verletzung der Wahrheitspflicht. Die «WOZ» macht geltend, sie habe die für den Sachzusammenhang wichtigen Stationen dargestellt; Journalisten müssten aus Fakten eine Auswahl treffen. Für den Presserat ist die Messlatte der Journalistenkodex: Dieser verpflichtet Journalisten, die Wahrheit zu suchen, ihre Quellen zu nennen, deren Informationen kritisch zu hinterfragen und mit verhältnismässigem Aufwand zu überprüfen. Diese Pflicht bedeutet jedoch nicht, dass Journalisten in einem Beitrag jedes Detail aufgreifen müssen, welches allenfalls wichtig erscheinen könnte. Journalistische Arbeit ist das Beschaffen von Informationen, deren Überprüfung, Gewichtung und Auswahl. Vor diesem Hintergrund ist nicht zu beanstanden, dass die «WOZ» die Zwischenstation Unterägeri nicht erwähnt hat.

c) Die Sicherheitsdirektion sieht die Wahrheitspflicht auch dadurch verletzt, dass die «WOZ» schreibt, der Handzettel zum Umzug sei vom Zuger Migrationsamt ausgestellt worden, in Wirklichkeit hätten die Verantwortlichen der für die Betreuung und Unterbringung zuständigen Sozialen Dienste Asyl die Familie Ende September 2016 über den bevorstehenden Transfer aus der Durchgangsstation Steinhausen in eine andere Unterkunft in Unterägeri informiert. Die «WOZ» ist der Meinung, die Aussage, den Handzettel zum Umzug habe das Zuger Migrationsamt ausgestellt, sei nicht grundsätzlich falsch.

Die Abteilung Soziale Dienste Asyl ist innerhalb des kantonalen Sozialamtes zuständig für die Beratung, Betreuung, Unterstützung und Unterbringung von Einzelpersonen und Familien im Asyl-, Flüchtlings-, Härtefall- und Nothilfebereich des Kantons und damit Teil der Direktion des Innern. Die Sozialen Dienste Asyl gehören also nicht zum Amt für Migration in Beat Villigers Sicherheitsdirektion. Für den Presserat handelt es sich dabei um einen Fehler in einem Nebenpunkt, welcher nicht das Gewicht hat, eine Verletzung der Wahrheitspflicht zu begründen.

2. Weiter stellt sich für den Presserat die Frage, ob die Richtlinie 2.3 (Trennung von Fakten und Kommentar) verletzt wurde. Diese verlangt von Journalisten, darauf zu achten, dass das Publikum zwischen Fakten und kommentierenden, kritisierenden Einschätzungen unterscheiden kann. Die Beschwerdeführerin führt dazu aus, die kritische Haltung und Kommentierung sei einer Zeitung unbenommen. Sie wertet jedoch den Obertitel «Rechtsbrüche im Kanton Zug» als Kommentar, der über einem Meinungsartikel zu stehen hätte. Die «WOZ» hingegen macht geltend, der Obertitel sei eine reine Tatsachenäusserung.
Für den Presserat enthält der Obertitel keine Einschätzungen, die Teil eines Kommentars wären, sondern er gibt die von Dritten geäusserten Vorwürfe wieder. Diese werden im Artikel thematisiert. Es handelt sich um eine Tatsachenbehauptung. Der Presserat sieht deshalb Richtlinie 2.3 als nicht verletzt an.

3. a) Ziffer 3 der «Erklärung» verlangt von Journalisten, dass sie keine wichtigen Elemente von Informationen unterschlagen und weder Tatsachen, Dokumente, Bilder und Töne noch von anderen geäusserte Meinungen entstellen. Die Beschwerdeführerin sieht eine Verletzung von Ziffer 3 darin begründet, dass die «Wochenzeitung» unterschlagen habe, dass das Verwaltungsgericht die Rechtmässigkeit der Haft beider Eltern am 16. Oktober 2016 bestätigt sowie das Vorgehen der Behörden in allen Aspekten, also auch in Bezug auf die Heimplatzierung der Kinder als verhältnismässig und rechtmässig beurteilt habe. Dies habe die Sicherheitsdirektion mit Medienmitteilung am 17. Oktober bekannt gegeben. Die «WOZ»-Autorin aber erwähne erst in der dritten Spalte kurz in einem Satz, dass das Verwaltungsgericht die Sache beurteilt habe. Ihre Formulierung «stützt das Vorgehen» suggeriere, dass das unabhängige Gericht die als Tatsachen hingestellten Rechtsbrüche unterstütze, damit werde dem Verwaltungsgericht ebenso Widerrechtlichkeit vorgeworfen. Der Presserat kann diese Argumentation nicht nachvollziehen. Wie die Beschwerdeführerin richtig bemerkt, hat die «WOZ» die Verfügungen des Verwaltungsgerichts erwähnt. Es entspricht einer ganz und gar üblichen Wortwahl, wenn in der Berichterstattung über den Entscheid eines Gerichts geschrieben wird, die übergeordnete Instanz stütze das Vorgehen der unteren Instanz. Für den Durchschnittsleser ist klar, dass damit ausgedrückt wird, die übergeordnete Instanz erachte das Vorgehen für rechtmässig. Eine Verletzung von Ziffer 3 liegt somit nicht vor. Dasselbe gilt für die Nichterwähnung der Zwischenunterkunft Unterägeri.

b) Ein weiterer, in der «Wochenzeitung» erhobener Vorwurf lautete, die Inhaftierung stehe juristisch auf wackligen Beinen. Dies kritisierte der Leiter der Rechtsabteilung der Schweizer Flüchtlingshilfe. Der Umstand, dass sich jemand im Dublin-Verfahren befinde, reiche laut Bundesgericht nicht für eine Inhaftierung aus. Vielmehr brauche es konkrete Anzeichen, dass die Betroffenen untertauchen wollten. Diese seien bei Familie B. nicht auszumachen. Die Beschwerdeführerin sieht darin eine Verletzung von Ziffer 1 der «Erklärung», von Richtlinie 1.1 sowie Ziffer 3 (Unterschlagen von Informationen) und Ziffer 7 (sachlich nicht gerechtfertigte Anschuldigung). Das Verwaltungsgericht habe die Rechtmässigkeit der Haft beider Eltern bestätigt. Der Befragte habe offenbar keine Kenntnis des Falles gehabt, sonst hätte er leicht feststellen können, dass es sich um eine andere rechtliche Sachlage handelte. Das Verwaltungsgericht habe sich mit dem Bundesgerichtsurteil auseinandergesetzt und aufgezeigt, dass es sich um eine andere Sachlage handelte. Im vorliegenden Fall sei mit der Widersetzung gegen die behördliche Anordnung ein gesetzlich vorgesehener Tatbestand für die Haft erfüllt. Dass die Gefahr des Untertauchens bestand, sei in den Urteilen nachzulesen. Die Familie sei schon einmal untergetaucht (in Norwegen), habe sich geweigert, die Schweiz zu verlassen und habe Familienstrukturen in der Schweiz. Diese bekannte Tatsache habe die «WOZ» unterschlagen und sie habe die falsche Behauptung, es seien keine konkreten Anzeichen für ein Untertauchen auszumachen, wider besseres Wissen stehen lassen.
Zwar handelt es sich bei der Kritik durch den Leiter Rechtsabteilung der Schweizer Flüchtlingshilfe um die Einschätzung eines Dritten, was für den Leser erkennbar war. Diesem stehen jedoch die Gründe der Zuger Behörden gegenüber, welche sie dazu veranlassten, eine Ausschaffungshaft anzuordnen und die Kinder in einem Heim unterzubringen. Es wäre wünschenswert gewesen, die «Wochenzeitung» hätte dieser Kritik die Haltung der Zuger Behörden entgegengesetzt. Der Fall war auf der Homepage der Sicherheitsdirektion dokumentiert. So wären beide Parteien mit ihrem besten Argument zu Wort gekommen. Im Ergebnis wiegt diese Unterlassung jedoch nicht so schwer, dass sie eine Verletzung von Ziffer 1, 3 oder 7 der «Erklärung» begründen würde.

4. Richtlinie 3.8 verlangt von Journalistinnen und Journalisten, Betroffene vor der Publikation schwerer Vorwürfe anzuhören. Deren Stellungnahme ist im gleichen Medienbericht kurz und fair wiederzugeben. Die Sicherheitsdirektion macht geltend, die «WOZ» habe Informationen dadurch unterschlagen, dass niemand der angeschuldigten Behörden – Sicherheitsdirektion, Amt für Migration, Kesb – zum Vorwurf des Rechtsbruchs Stellung habe nehmen können. Die «WOZ» habe die Kesb und das Amt für Migration zum Fall angefragt, aber nicht zum Vorwurf des Rechtsbruchs. Die Behörde erinnert daran, dass sie an das Amtsgeheimnis und an den Persönlichkeitsschutz gebunden ist und Aussenstehenden und der Öffentlichkeit keine persönlichen Details zu Einzelfällen preisgeben darf. Dass in diesem Fall Kinder involviert seien, mache den Fall umso sensibler. Die «WOZ» führt dazu aus, dass sie bei den Verantwortlichen der Kesb und dem Amt für Migration sehr gerne eine Stellungnahme zur Frage der Rechtsbrüche eingeholt hätte. Doch hätten beide eine Stellungnahme verweigert, was im Beitrag direkt erwähnt werde. Wer sich generell nicht äussere, könne sich später nicht beklagen, er oder sie sei zu einem konkreten Kritikpunkt nicht angehört worden. Die «WOZ» habe aber deren möglichen Standpunkt angemessen zum Ausdruck gebracht, indem sie im Hinblick auf die Kesb ausdrücklich auf folgendes hingewiesen habe: «Auch die Zuger Kesb, die beauftragt wäre, im Interesse der Kinder zu handeln, ist sich keiner Schuld bewusst. Fremdplatzierung, Kontaktsperre, Dolmetscher: Das alles sei im Sinn des Kindeswohls geschehen.» Dies unmittelbar vor der Aussage: «Gestützt wurde das Vorgehen der Behörden sowohl vom Zuger Verwaltungsgericht als auch von Sicherheitsdirektor Beat Villiger». Im Zusammenhang mit dem Amt für Migration sei zusätzlich festgehalten: «Die Haftentscheide seien richterlich abgesegnet».

Beim Vorwurf des Rechtsbruchs handelt es sich zweifelsohne um einen schweren Vorwurf, zu dem sowohl die Kesb als auch das Amt für Migration hätten angehört werden müssen. Wenn sich diese jedoch weigern, eine Stellungnahme abzugeben, können sie sich im Nachhinein nicht darauf berufen, sie hätten zu einem bestimmten Aspekt angehört werden müssen. Denn dies könnte im Journalismus schnell einmal eine kritische Berichterstattung verhindern, die journalistische Freiheit wäre beschnitten. Gestützt auf die Praxis des Presserats zu Richtlinie 3.8 sind Vorwürfe präzise zu benennen. Der schwere Vorwurf ist jedoch nicht zwingend bereits beim ersten Kontaktversuch auszusprechen. Die Rechtmässigkeit des Vorgehens der beiden Zuger Behörden stand gestützt auf mehrere Medienberichte seit dem 17. Oktober 2016 zur Diskussion. Auch vor diesem Hintergrund ist der «WOZ» nicht vorzuwerfen, dass sie die beiden Behörden nicht explizit mit dem Vorwurf des Rechtsbruchs konfrontiert hat. Richtlinie 3.8 ist somit nicht verletzt. Daran ändert auch nichts, dass die Behörden an das Amtsgeheimnis und den Persönlichkeitsschutz gebunden sind.

5. Die Beschwerdeführerin bemängelt zudem eine Verletzung von Ziffer 7 der «Erklärung». Die Autorin erhebe an mehreren Stellen sachlich ungerechtfertigte Anschuldigungen: mit der Wahl der Spitzmarke («Rechtsbrüche im Kanton Zug»), der Kritik an der Inhaftierung der Eltern bzw. der Fremdplatzierung der Kinder sowie der Einschätzung der politischen Arbeit des CVP-Politikers Beat Villigers. Bezüglich der ersten drei Vorwürfe verweisen wir auf das in Erwägung 1 bis 4 Ausgeführte. Eine Verletzung von Ziffer 7 liegt hinsichtlich dieser drei Punkte nicht vor. Zur politischen Arbeit Villigers führt der Artikel aus, der CVP-Politiker sei für die niedrige Erfolgsquote seiner Geschäfte im Kantonsrat und seine Vorliebe für reiche Zuzüger bekannt. Die Reichen dürften kommen, die Armen würden ausgeschafft. Die Beschwerdeführerin macht geltend, die angeblich niedrige Erfolgsquote sei eine falsche Behauptung, die klar überprüfbar und widerlegbar sei. «Vorliebe für reiche Zuzüger» sei eine Unterstellung ohne Recht auf Anhörung. Regierungsrat Villiger sei von der «WOZ»-Journalistin nie kontaktiert worden und habe dazu nicht Stellung nehmen können. Die «WOZ» hält dazu fest, die Zuger Regierung unter der Federführung von Regierungsrat Beat Villiger habe das kantonale Einführungsgesetz zum Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer und zum Asylgesetz betreffend Nachweis von Deutschkenntnissen für den Erhalt der Niederlassungsbewilligung zugunsten fiskalisch interessanter Zuzüger aufweichen wollen und sei damit Anfang Februar 2016 gescheitert. Die Formulierungen im «WOZ»-Artikel bewegten sich eng im sachlichen Kontext, vermittelten kein falsches Bild und seien durch die zugrundeliegenden Tatsachen vollkommen abgedeckt.

Für den Presserat handelt es sich beim Vorwurf einer niedrigen Erfolgsquote zum einen um keinen schweren Vorwurf, welcher eine Anhörung Villigers zwingend nötig machen würde. Zum anderen macht die «WOZ» eine kommentierende Einschätzung der politischen Arbeit des Regierungsrats. Dass sie dabei das Scheitern einer Vorlage, welche schweizweit Aufmerksamkeit erzeugt hat, besonders gewichtet, kann ihr dabei nicht zum Vorwurf gemacht werden. Eine Verletzung von Ziffer 7 ist jedenfalls nicht ersichtlich.

III. Feststellungen

1. Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. Die «Wochenzeitung» hat mit dem Artikel «Eine Ausschaffung mit allen Mitteln» Ziffer 1 (Wahrheitspflicht), 3 (Unterschlagen von Informationen, Anhören bei schweren Vorwürfen) und Ziffer 7 (sachlich nicht gerechtfertigte Anschuldigungen) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» nicht verletzt.