Nr. 2/2015
Wahrheitspflicht / Unterschlagen von Informationen / Berichtigung

(X. c. «Basler Zeitung») Stellungnahme des Schweizer Presserats vom 5. März 2015

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I. Sachverhalt

A. Am 3. März 2014 erschien in der «Basler Zeitung» (BaZ) unter dem Titel «Madörins Mickey-Mouse-Protokoll» ein Artikel von Daniel Wahl. Der Untertitel lautete: «‹Regio aktuell›-Angeklagte streiten die Aktionärsstellung ihres Minderheitsaktionärs ab». Hintergrund des Berichts ist die Anklageerhebung der Basler Staatsanwaltschaft gegen mehrere Beteiligte an der Ersteigerung des konkursiten Titels des Magazins «Regio aktuell». Dieser Titel soll mit Geldern der GTS Verlag AG ersteigert worden sein. Im Zentrum des Artikels steht Bernhard Madörin, ehemaliger Verwaltungsratspräsident der GTS Verlag AG. Dieser versuche, die Strafverfolgungsbehörden konsequent als inkompetent darzustellen. Eines seiner Unternehmen sei mit der Revision der GTS Verlag AG betraut gewesen. Geschädigt sehe sich Minderheitsaktionär Kurt Schudel, der sich nicht mit der ihm angebotenen Entschädigungszahlung abspeisen liess, sondern Anzeige erstattete. Die drei Angeklagten – darunter Madörin – hingegen würden versuchen, ihren Kopf aus der Schlinge zu ziehen, indem dem Minderheitsaktionär Kurt Schudel die Aktionärsrechte aberkannt werden sollten. Als eines der Schlüsseldokumente nennt der Artikel das sogenannte Mickey-Mouse-Protokoll, ein mittels eines Computer-Übersetzungsprogramms erstelltes Protokoll, in welchem Schudel unmissverständlich die Aktionärsstellung zuerkannt worden sei. Unter dem Titel: «Hohe Inkompetenz der Staatsanwaltschaft» sowie dem Untertitel «Treuhänder Bern-hard Madörin wirft der Staatsanwaltschaft vor, sein Strafverfahren zu verschleppen» ist dem Artikel ein umfangreiches Interview von Daniel Wahl und Aaron Agnolazza mit Madörin beigefügt. Darin kann sich Madörin zur Anklageerhebung durch die Basler Staatsanwaltschaft gegen ihn sowie zu den Vorwürfen, die er selbst gegen diese erhebt, äussern.

B. Am 5. März 2014 reichte X. beim Schweizer Presserat Beschwerde ein gegen die Berichterstattung der «BaZ» vom 3. März 2014. Er beklagt eine Verletzung des in Ziffer 1 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verankerten Wahrheitsgebots. Das Protokoll sei kein Mickey-Mouse-Protokoll, sondern gar kein Protokoll, auch keine automatische Übersetzung. Das Aktienbuch, von dem im Artikel steht, es gelte heute als verschwunden, existiere gar nicht. Die Revision sei extern und sachgerecht erfolgt. Zudem seien die Ausführungen zum Vergleichsangebot, das dem Minderheitsaktionär Kurt Schudel gemacht wurde, unzutreffend und unvollständig. Hierbei verweist er auf sein Gesuch um Gegendarstellung.

Der Beschwerdeführer beruft sich weiter auf Ziffer 3 der «Erklärung», wonach wichtige Elemente von Informationen nicht unterschlagen werden dürfen. Hierzu verweist er auf die im Februar 2013 gestartete E-Mail-Korrespondenz mit dem Rechtsvertreter der «Basler Zeitung». Unterschlagen worden seien insbesondere die drei Gutachten der Professoren Peter Böckli, Lukas Handschin und Peter Forstmoser, welche den drei Angeklagten gesetzes-konformes Verhalten attestiert hätten.

Schliesslich beklagt X. gestützt auf Ziffer 5 der «Erklärung» eine Verletzung der Pflicht zur Berichtigung. Aus dem E-Mail-Verkehr mit dem Rechtsvertreter der «Basler Zeitung» sei ersichtlich, dass er die wichtigsten Punkte mittels Gegendarstellung korrigieren wollte, was die «Basler Zeitung» jedoch nicht genehmigt habe.

C. Am 15. Mai 2014 nahm die anwaltlich vertretene «BaZ»-Redaktion Stellung. Sie beantragte, nicht auf die Beschwerde einzutreten, eventuell diese abzuweisen. Nach Art. 10 Abs. 2 seines Geschäftsreglements trete der Presserat auf Beschwerden nicht ein, wenn der Beschwerdeführer diesen missbrauchen wolle, um an Beweismittel zu gelangen, an die er auf anderem Wege nicht gelangen könnte. Eine konkrete Drohung von rechtlichen Schritten müsse genügen, um auf eine Beschwerde nicht einzutreten. Der Beschwerdeführer selbst schreibe, er plane rechtliche Schritte gegen die «BaZ». Ferner seien X.’s Ausführungen insgesamt unsubstantiiert und grösstenteils wahrheitswidrig, auch deshalb sei auf die Beschwerde nicht einzutreten. In Bezug auf ihren Eventualantrag auf Abweisung macht die «BaZ» vorab geltend, zum Vorwurf, das erwähnte Protokoll sei «kein Mickey-Mouse-Protokoll», sei festzuhalten, dass es sich bei der beanstandeten Aussage um ein Werturteil handle, dessen Wahrheit keiner Überprüfung zugänglich sei. Das Bestehen dieses Akten-stücks bestreite X. nicht, das Protokoll sei vielmehr mit E-Mail vom 26. November 2007 vom Beschwerdeführer selbst unter dem Titel «Protokoll zur GV» an die beteiligten Parteien verschickt worden. Letzteres werde zur Edition offeriert. Der Inhalt des Dokuments weise gravierende sprachliche Mängel auf, die von einer automatisierten Abschrift herrührten. Zudem bezeichneten Mitarbeiter der Strafverfolgungsbehörden das Dokument als Mickey-Mouse-Protokoll. Zum Vorwurf, es gebe kein Aktienbuch, werde auf das Protokoll der Generalversammlung der GTS Verlag AG vom 10. August 1998 verwiesen, welches die «BaZ» ebenfalls zur Edition offeriere. Dieses weise Kurt Schudel explizit als Aktionär aus. Die «BaZ» bestreitet zudem X’s Behauptungen in Bezug auf die Aussagen das Artikels zum Erwerb der Marke «Regio aktuell» beim Konkursverfahren. Die Darstellung stütze sich auf Aussagen mehrerer involvierter Personen, welche der Autor der Berichterstattung geprüft habe und zu denen der Beschwerdeführer auch angehört worden sei. Soweit X. zudem die Ausführungen zum Vergleichsangebot als unzutreffend und unvollständig bezeichne, so unterlasse es dieser auch hier, seine Beschwerde zu bezeichnen und zu begründen. Der vom Beschwerdeführer erwähnten Gegendarstellung komme kein Beweiswert zu, vielmehr diene sie einem von einer Berichterstattung Betroffenen dazu, seinen Standpunkt darzustellen. X. habe jedoch die Möglichkeit gehabt, seine Sicht der Dinge in einem Interview prominent darzulegen. In Bezug auf die geltend gemachte Verletzung von Ziffer 3 der «Erklärung» führt die Beschwerdegegnerin aus, die Gutachten der Professoren Böckli, Handschin und Forstmoser hätten im Interview mit dem Beschwerdeführer prominent Erwähnung gefunden, weshalb der Vorwurf der Unterschlagung wichtiger Elemente von Informationen zurückgewiesen werde. Bezüglich des Vorwurfs der unterbliebenen Berichtigung macht die «BaZ» geltend, X. gelänge es nicht, nachzuweisen, dass seine Beanstandungen und Ausführungen der Wahrheit entsprächen, ebenso wenig, dass der Bericht der «BaZ» materiell falsch sei. Weshalb auch keine Pflicht zur Berichtigung bestanden habe.

D. Gestützt auf die Editionsaufforderung des Presserats vom 11. Juli 2014 stellte die «BaZ» diesem die E-Mail vom 26. November 2007 von X. mit der Überschrift «Protokoll zur GV» sowie das Protokoll der Generalversammlung der GTS Verlag AG vom 10. August 1998 zu.

E. Am 18. September 2014 teilte der Presserat den Parteien mit, die Beschwerde werde vom Presseratspräsidium behandelt, bestehend aus dem Präsidenten Dominique von Burg, Vizepräsidentin Francesca Snider und Vizepräsident Max Trossmann.

F. Das Presseratspräsidium hat die vorliegende Stellungnahme per 5. März 2015 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.

II. Erwägungen

1. Die «BaZ» verlangt in ihrem Hauptantrag, der Presserat möge auf die Beschwerde nicht eintreten, wenn der Beschwerdeführer diesen missbrauchen wolle, um an Beweismittel zu gelangen, an die er auf anderem Wege nicht gelangen könnte. Eine konkrete Drohung von rechtlichen Schritten müsse genügen, um auf eine Beschwerde nicht einzutreten. X. selbst schreibe, er plane rechtliche Schritte gegen die «BaZ». Dazu ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer in sein
er Beschwerde vom 5. März 2014 ausdrücklich festhält, er beabsichtige nicht, weitere Rechtsmittel zu ergreifen. Davon ist vorliegend auszugehen. Die «BaZ» begründet zudem nicht weiter, inwiefern X. den Presserat missbrauchen wolle, um an Beweismittel zu gelangen. Auf die Beschwerde ist deshalb einzutreten.

2. Der Beschwerdeführer macht eine Verletzung des in Ziffer 1 der «Erklärung» verankerten Wahrheitsgebots geltend. Danach sind Journalistinnen und Journalisten verpflichtet, sich an die Wahrheit ohne Rücksicht auf die sich daraus für sie ergebenden Folgen zu halten und sich vom Recht der Öffentlichkeit leiten zu lassenÖffentlichkeit leiten zu lassen, die Wahrheit zu erfahren. X. hält fest, beim im Artikel erwähnten Protokoll handle es sich gar nicht um ein Protokoll. Laut «BaZ» ist das fragliche Aktenstück vom Beschwerdeführer selbst unter dem Titel «Protokoll zur GV» an die beteiligten Parteien verschickt worden. Das von ihr beigebrachte Dokument besteht in einem E-Mail von X. vom 26. November 2007 an Kurt Schudel, das den Titel «Protokoll zur GV» trägt. Dieses beginnt mit den Worten: «Der Vorsitzende nun eröffnet die Generalversammlung…» und enthält – soweit der Text in einen sinnvollen Zusammenhang gebracht werden kann – einleitend einen Hinweis auf ein Spracherkennungsprogramm, welches eingesetzt werde. Für die ordentliche Protokollierung werde auf das noch zu verfassende Beschlussprotokoll verwiesen. Unabhängig davon, wie dieses Dokument rechtlich zu qualifizieren ist, ist der «BaZ» unter dem Gesichtspunkt der Wahrheitspflicht nicht anzulasten, dass sie von einem Mickey-Mouse-Protokoll spricht, lautet die Überschrift des vom Beschwerdeführer per Mail verschickten Textes doch «Protokoll zur GV». Woher der Namenszusatz «Mickey Mouse» letztlich kommt, ist dabei irrelevant. Eine Verletzung von Ziffer 1 der «Erklärung» ist demnach nicht erstellt.

Was den Vorwurf betrifft, es gebe gar kein Aktienbuch, so verweist die «Basler Zeitung» in ihrer Beschwerdeantwort auf das Protokoll der Generalversammlung der GTS Verlag AG vom 10. August 1998. Dieses Protokoll führt Kurt Schudel als Aktionär der Aktien Nr. 181 – 200 aus. Unterzeichnet ist das Protokoll von Dr. Daniel Staehelin, Verwaltungsrat und Robert Gloor, Verwaltungsratspräsident der GTS Verlag AG. Einleitend verweist dieses Protokoll explizit auf die Eintragung im Aktienbuch. Darauf hat die «BaZ» in ihrem Artikel Bezug genommen. Auch hier liegt keine Verletzung von Ziffer 1 der «Erklärung» vor.

Der Beschwerdeführer stellt sich weiter auf den Standpunkt, die Revision sei extern und sachgerecht erfolgt, die GTS Verlag AG sei in den fraglichen Jahren von STG Coopers & Lybrand revidiert worden, später von einer Revisionsfirma mit jetzigem Sitz in Schwyz. Diese Firma sei nie im Besitz der Artax-Gruppe und auch nie in seinem eigenen Besitz gewesen. Der Artikel hingegen spricht davon, dass eines der Unternehmen des Beschwerdeführers mit der Revision der GTS Verlag AG betraut gewesen sei. Das erwähnte Protokoll vom August 1998 hält fest, als Revisionsstelle werde weiterhin STG Coopers & Lybrand tätig sein. Nicht bekannt ist, ab wann eine neue Revisionsstelle tätig wurde, noch wie deren genaue Besitzverhältnisse aussehen. Mangels Substantiierung ist auch hier keine Verletzung von Ziffer 1 der «Erklärung» erstellt. Dasselbe gilt für X.’s Ausführungen bezüglich des Vergleichsangebots an den Minderheitsaktionär. Mangels hinreichender Begründung ist deshalb der Hinweis im Artikel, geschädigt sehe sich Minderheitsaktionär Kurt Schudel, der sich nicht mit der ihm angebotenen Entschädigungszahlung abspeisen liess, sondern Anzeige erstattete, nicht zu beanstanden.

3. Hat die «BaZ» wichtige Elemente von Informationen (Ziffer 3 der «Erklärung») unterschlagen? X. macht geltend, unterschlagen worden seien insbesondere die drei Gutachten der Professoren Böckli, Handschin und Forstmoser, welche den drei Angeklagten gesetzeskonformes Verhalten attestiert hätten. Der Beschwerdeführer hatte im Interview mit ihm, das auf der gleichen Seite wie der beanstandete Bericht erschien, ausführlich Gelegen-heit, sich zu den Gutachten zu äussern. Ziffer 3 der «Erklärung» ist deshalb nicht verletzt.

4. Der Beschwerdeführer macht zudem geltend, gestützt auf Ziffer 5 der «Erklärung» sei der «BaZ» eine Verletzung der Pflicht zur Berichtigung vorzuwerfen. Aus dem E-Mail-Verkehr mit dem Rechtsvertreter der «BaZ» sei ersichtlich, dass er die wichtigsten Punkte mittels Gegendarstellung korrigieren wollte, was die «Basler Zeitung» jedoch nicht genehmigt habe. Ziffer 5 der «Erklärung» verpflichtet Medienschaffende zur Berichtigung, wenn sich der materielle Inhalt von veröffentlichten Meldungen ganz oder teilweise als falsch erweist. Hierzu sei auf die Ausführungen in Ziffer 1 der Erwägungen verwiesen. Ist die Wahrheitspflicht nicht verletzt und materiell nicht falsch berichtet worden, so gibt es auch nichts zu berichtigen. Auch hier liegt keine Verletzung der «Erklärung» vor.

III. Feststellungen

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. Die «Basler Zeitung» hat mit dem Artikel «Madörins Mickey-Mouse-Protokoll» vom 3. März 2014 Ziffer 1 (Wahrheitspflicht), Ziffer 3 (Unterschlagen von Informationen) sowie Ziffer 5 (Berichtigung) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» nicht verletzt.