Nr. 51/2016
Wahrheitspflicht / Trennen von redaktionellem Teil und Werbung / Nennen von Marken und Produkten

(The Key Company GmbH c. «K-Tipp», «K-Tipp online» und «Saldo online») Stellungnahme des Schweizer Presserats vom 30. Dezember 2016

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I. Sachverhalt

A. Am 9. September 2015 veröffentlichte die Konsumentenzeitschrift «K-Tipp» in Ausgabe Nr. 14 unter dem Titel «Schlüsselanhänger für 10 Jahre und nur 28 Franken» und dem Untertitel «Neuer Service: Der K-Tipp schickt verlorene Schlüssel zurück» einen Artikel, in dem Leserinnen und Lesern des «K-Tipp» «konkurrenzlos günstige Schlüsselfundmarken» als neuer Service angeboten werden. Unter Hinweis auf ein in Ausgabe 16/2014 dargestelltes Prüfergebnis von Schlüsselmarken, bei dem nicht alle der 45 Stichproben bzw. Schlüssel zu-rückgekommen seien, stellt der «K-Tipp» seinen eigenen Service vor. Das untere Drittel der Seite besteht aus einem Bestelltalon: «So kommen Sie zur K-Tipp-Schlüsselmarke».

B. Am 1. Oktober 2015 reichte die anwaltlich vertretene The Key Company GmbH Beschwerde beim Schweizer Presserat gegen diesen Artikel ein. Der «K-Tipp» habe bisher zweimal den Service diverser Schlüsselfundmarkenanbieter getestet. Beide Male sei The Key Company GmbH in den Tests als Testsiegerin hervorgegangen. Daraufhin habe sie die Idee gehabt, eine eigene Schlüsselfundmarke mit dem Logo «K-Tipp» und dem Zusatz «Testsieger» zu produzieren. «K-Tipp» habe jedoch den Vorschlag, den Anhänger auch der Leserschaft des «K-Tipp» anzubieten, abgelehnt. Weniger als ein Jahr später habe der «K-Tipp» eine eigene Schlüsselfundmarke lanciert, ebenfalls mit Logo. Diese Schlüsselfundmarke sei in der Ausgabe Nr. 14/2015 des «K-Tipp» sowie online unter «www.ktipp.ch» und «www.saldo.ch» in einem redaktionellen Artikel als «konkurrenzlos günstig und mit einer vergleichsweise langen Laufzeit» angepriesen worden. Der Artikel berichte ausschliesslich negativ über bestehende Anbieter. Die Beschwerdeführerin sieht im Vorgehen des «K-Tipp» eine Verletzung von Richtlinie 10.1 (Trennung zwischen redaktionellem Teil und Werbung). Im Vordergrund stehe die Täuschung bzw. Irreführung der Leser. Dies widerspreche Ziffer 10 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (nachfolgend «Erklärung»), wonach Journalisten in ihrer beruflichen Tätigkeit jede Form von kommerzieller Werbung vermeiden und keinerlei Bedingungen von Seiten der Inserentinnen und Inserenten akzeptieren. Die Darstellung der Eigenwerbung erscheine als normaler redaktioneller Text. Der Leser müsse bei dem nicht als Werbung deklarierten Text davon ausgehen, dass es sich um einen redaktionellen Text handle. Er sei als Schleichwerbung einzustufen, da die Werbebotschaft als redaktionelle Aussage getarnt werde. Dies verstosse gegen Richtlinie 10.1. Weiter liege ein Verstoss gegen die Wahrheitspflicht vor. Durch die ausschliesslich schlechte Darstellung aller anderen Anbieterinnen von Schlüsselmarken und die anschliessende Werbung für das eigene Produkt schränke die Konsumenteninfo AG, Herausgeberin von «K-Tipp» und «Saldo», die Leserschaft in ihrer Entscheidungsfreiheit ein. Der Artikel erwähne die gut und sehr gut bewerteten Produkte mit keinem Wort. Der redaktionell gekennzeichnete Artikel informiere die Leserschaft unzutreffend, da der Eindruck entstehe, es gäbe keine guten Konkurrenzprodukte. Weiter erkennt The Key Company in diesem Beitrag auch einen Verstoss gegen Richtlinie 10.3 (Nennung von Marken und Produkten). Die «K-Tipp»-Schlüsselfundmarke wie auch der Werbeslogan «konkurrenzlos günstig», der anschliessend auch auf den Anzeigen zu finden sei, würden im redaktionellen Teil genannt. Damit werde die Glaubwürdigkeit des Mediums eingeschränkt und gegen Richtlinie 10.3 verstossen.

C. Am 16. November 2015 beantragte der anwaltlich vertretene «K-Tipp» in seiner Beschwerdeantwort, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten, eventuell sei sie abzuweisen. Gemäss Art. 10 Abs. 2 des Geschäftsreglements trete der Presserat auf Beschwerden nicht ein, wenn im Zusammenhang mit dem Beschwerdegegenstand bereits ein Gerichtsverfahren eingeleitet worden sei oder ein solches vom Beschwerdeführer während der Dauer des Presse-ratsverfahrens anhängig gemacht werde. Beides sei hier der Fall. The Key Company habe am 23. September 2015 beim Bezirksgericht Zürich die Anordnung von superprovisorischen Massnahmen gegen die Konsumenteninfo AG, die Anordnung vorsorglicher Massnahmen sowie eine ordentliche Klage eingeleitet. Am 2. Oktober habe die Beschwerdeführerin beim Friedensrichteramt Zürich ein Schlichtungsgesuch gestellt. Am 1. Oktober 2015 habe sie in der Beschwerde geschrieben, es sei «derzeit keine Klage hängig». Dies treffe auf den Tag genau zu. Allerdings sei während der Dauer des Presseratsverfahrens eine Klage anhängig gemacht worden, weshalb auf die Beschwerde nicht einzutreten sei. Die Beschwerde werfe auch keine berufsethischen Grundsatzfragen auf.

Materiell führt der «K-Tipp» aus, wenn The Key Company eine Verletzung von Richtlinie 10.1 sowie von Ziffer 10 der «Erklärung» rüge, übersehe sie, dass diese Bestimmungen die Unabhängigkeit der Journalisten vor Interventionen von Inserenten und Sponsoren, also von Dritten, schützen wollen. Im vorliegenden Fall gehe es um einen völlig anderen Sachverhalt: Die Beschwerdeführerin wolle dem Unternehmen Konsumenteninfo AG verbieten, in seinen Zeitschriften Artikel über seine eigenen Konsumenten-Services zu veröffentlichen. Tatsächlich schreibe der «K-Tipp» regelmässig über seine verschiedenen Dienstleistungen an die Leser, sei es die Rechtsberatung, die Geldberatung, den Rechtsschutz für Prozesse zugunsten der Konsumenten, die eigenen Ratgeber, die Reklamationsplattform sowie über Produkte, die er vertreibt, wie Schrittzähler, Konsumrätsel, Schlüsselfundmarken etc. Der Hinweis auf diese Dienstleistungen im redaktionellen Teil schmälere die Unabhängigkeit der Redaktion in keiner Weise. Für Leser sei es in jeder Hinsicht transparent, dass es sich um Dienstleistungen des «K-Tipp» handle.
Die Beschwerdeführerin behaupte eine Verletzung von Richtlinie 1.1 der «Erklärung», da alle anderen Schlüsselfundmarken schlecht dargestellt worden seien. Dies sei nicht der Fall. Der Artikel beginne mit der Schilderung der letzten Schlüsselfundstichprobe und fasse dann das Resultat zusammen («Teilweise hohe Preise, zum Teil mangelnde Qualität der Fundmarken»). Tatsache sei, dass der Beratungsdienst des «K-Tipp» fast jede Woche Reklamationen zu Schlüsselfundmarken erhalte. Aus diesem Grund habe sich der «K-Tipp» entschlossen, selbst einen solchen Service für seine Leserinnen und Leser zu eröffnen. Alle anderen Schlüsselfundservices in der Schweiz seien teurer oder verkauften weniger lange laufende Verträge. Die Beschwerdeführerin nenne denn auch keinen einzigen Satz aus dem Artikel, der unwahr sei.

Soweit die Beschwerdeführerin einen Verstoss gegen Richtlinie 10.3 rüge, so übersehe sie auch hier, dass sich diese ethischen Normen gegen die Bewerbung von Waren oder Dienstleistungen von Dritten richten, nicht aber, dass eine Redaktion eigene Produkte in ihrer Zeitschrift bewerbe. Der Vorwurf der Schleichwerbung gehe beim «K-Tipp» fehl, im beanstandeten Artikel werde klar, deutlich und transparent über den neuen Schlüsselfund-Service orientiert.

D. Gemäss Art. 13 Abs. 1 des Geschäftsreglements behandelt das Presseratspräsidium, bestehend aus Dominique von Burg, Präsident, Francesca Snider, Vizepräsidentin, und Max Trossmann, Vizepräsident, Beschwerden, auf die der Presserat nicht eintritt.

E. Das Presseratspräsidium hat die vorliegende Stellungnahme per 30. Dezember 2016 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.


II. Erwägung

Vorab zu klären ist, ob der Presserat auf die vorliegende Beschwerde eintritt. Gestützt auf Art. 11 Abs. 1 Geschäftsreglement tritt der Presserat auf Beschwerden nicht ein, wenn ein Parallelverfahren eingeleitet wurde oder vor
gesehen ist. Sofern sich berufsethische Grundsatzfra-gen stellen, kann der Schweizer Presserat auf Beschwerden eintreten, auch wenn im Zusammenhang mit dem Beschwerdegegenstand ein Gerichtsverfahren hängig ist. Die Beschwerde-führerin hatte dem Presserat auf Nachfrage am 26. Oktober 2015 mitgeteilt, dass eine Klage hängig sei, diese und die Beschwerde jedoch zwei verschiedene Anliegen beträfen, nämlich den Vertrieb und die Bewerbung von Schlüsselfundmarken mit dem Logo K-Tipp und nicht die Trennung zwischen redaktionellem Teil und Werbung wie in der Beschwerde an den Presserat. Der «K-Tipp» ist demgegenüber der Meinung, die Beschwerdeführerin beanstande im parallel hängigen Gerichtsverfahren zu weiten Teilen die gleichen Punkte wie in der Presseratsbeschwerde. Dies mag vordergründig zutreffen. Der Presserat ist jedoch der Ansicht, dass Klage und Beschwerde nicht die gleiche Frage berühren. Die zivilrechtliche Klage der Beschwerdeführerin stützt sich auf das Gesetz über den unlauteren Wettbewerb, in der Beschwerde an den Presserat geht es um die medienethisch gebotene Trennung von redaktionellem Teil und Werbung. Im vorliegenden Fall macht der «K-Tipp» insofern Werbung in eigener Sache. Er lanciert eine neue Dienstleistung und bietet diese seinen Leserinnen und Lesern an. Vor diesem Hintergrund wäre ein Eintreten auf die Beschwerde demnach legitim. Hinge-gen ist ein Eintreten aus einem anderen Grund nicht zu rechtfertigen: Die von der Beschwerdeführerin gerügten Richtlinien 10.1 und 10.3 sowie Ziffer 10 der «Erklärung» sind im vor-liegenden Fall nicht anwendbar. Diese beziehen sich auf Werbung für Produkte und Dienstleistungen Dritter und äussern sich nicht zu Eigenwerbung. Was die Rüge der Verletzung der Wahrheitspflicht angeht, so geht aus der Beschwerde nicht hervor, welche Aussagen im kritisierten Text falsch sein sollen. Der Wahrheit widersprechende Passagen sind für den Presserat nicht ersichtlich. Aus all diesen Gründen ist die Beschwerde letztlich offensichtlich unbegründet, weshalb in Anwendung von Art. 11 Abs. 1 Geschäftsreglement auf sie nicht einzutreten ist.


III. Feststellung

Der Presserat tritt auf die Beschwerde nicht ein.