Nr. 33/2014
Wahrheitspflicht / Anhörungspflicht bei schweren Vorwürfen / Fairnessgebot

(Gemeinde Oberwil c. «Basler Zeitung») Stellungnahme des Schweizer Presserats vom 22. Oktober 2014

Drucken

Zusammenfassung

Der Schweizer Presserat hat eine Beschwerde der Gemeinde Oberwil BL gegen die «Basler Zeitung» (BaZ) abgewiesen. Die Zeitung hatte über einen Zeitraum von sechs Monaten zwischen Januar und Juni 2014 kritisch über das Vergabeverfahren für einen neuen Schulkomplex in Oberwil berichtet. Der Hintergrund der Kritik: Die Gemeinde hatte einen Projektbegleitungsauftrag für den Neubau an die Firma Stokar + Partner vergeben, deren Mitinhaber Markus Stokar der Ehemann von Gemeindepräsidentin Lotti Stokar ist.

Die Gemeinde Oberwil beschwerte sich gegen die ihrer Meinung nach unfaire Berichterstattung der «BaZ». Laut Presserat gehört es zu den Aufgaben eines investigativen Journalismus, ein Thema pointiert zu recherchieren und darzustellen. In einem einzigen Fall räumte die «BaZ» der Gemeinde eine verhältnismässig kurze Frist zur Stellungnahme ein. Ansonsten wurde die Gemeinde Oberwil jedoch angehört und kam angemessen zu Wort. Nicht bestätigt sieht der Presserat auch die Vorwürfe, die «Basler Zeitung» habe unwahre Tatsachenbehauptungen wiedergegeben.

Résumé

Le Conseil suisse de la presse a rejeté une plainte de la commune d’Oberwil (BL) contre la «Basler Zeitung» (BaZ). Six mois durant, entre janvier et juin 2014, le journal avait critiqué la procédure de soumission pour un nouveau complexe scolaire à Oberwil. La raison de cette critique: la commune avait octroyé à l’entreprise Stokar et partenaire un mandat d’accompagnement du projet, soit à une entreprise dont le copropriétaire Markus Stokar est l’époux de la présidente de la commune Lotti Stokar.

La commune d’Oberwil s’est plainte contre le compte rendu incorrect à ses yeux de la «BaZ». De l’avis du Conseil de la presse, le journalisme d’investigation se doit d’enquêter de manière pointue sur un thème et de le présenter de même. Dans un seul cas, la «BaZ» n’a accordé qu’un délai relativement réduit à la commune pour prendre position, sinon la commune d’Oberwil a été auditionnée et a pu s’exprimer de façon appropriée. Le Conseil de la presse n’a pas eu confirmation du reproche selon lequel la «Basler Zeitung» aurait reproduit de fausses allégations de faits.

Riassunto

Il Consiglio svizzero della stampa ha respinto un reclamo contro il quotidiano «Basler Zeitung» (BaZ) presentato dal comune di Oberwil, cantone di Basilea Campagna. Oggetto della contestazione una serie di articoli pubblicati dal quotidiano tra gennaio e giugno 2014 sulle modalità di delibera dei lavori di costruzione di un nuovo centro scolastico a Oberwil. Retroscena della critica l’assegnazione di un compito di sorveglianza all’impresa Stokar + Partner benché il comproprietario dell’impresa fosse Markus Stokar, marito del sindaco Lotti Stokar.

Il Comune accusava il giornale di comportamento sleale. Un’inchiesta – sottolinea il Consiglio della stampa – deve essere approfondita nella ricerca e precisa nelle conclusioni. In una circostanza, è vero, il giornale ha assegnato un termine troppo breve al Comune per prendere posizione; altre volte invece lo ha interpellato e il parere delle autorità è stato correttamente citato. Non trova conferma, dall’esame fatto dal Consiglio della stampa, che il giornale abbia riportato falsamente elementi di fatto.


I. Sachverhalt


A.
Die Gemeinde Oberwil hat einen Projektbegleitungsauftrag im Umfang von ca. 400 000 Franken für die Erstellung eines neuen Schulhauskomplexes an die Firma Stokar + Partner AG vergeben. Deren Mitinhaber ist Markus Stokar, der seinerseits der Ehemann der Gemeindepräsidentin Lotti Stokar ist. Darüber und über Details des Vergabeverfahrens berichtete die «Basler Zeitung» («BaZ») wiederholt kritisch. Die Journalisten Joël Hoffmann und Michel Ecklin berichteten ursprünglich in der «bz Basellandschaftliche Zeitung» («bz») vom 4. Januar 2014 unter dem Titel «Oberwils Gemeindepräsidentin ausser Kontrolle» über das Thema und die «Basler Zeitung» vom 7. Januar 2014 nahm in der Folge – unter Bezug auf den Bericht in der «bz» – das Thema ebenfalls auf unter dem Titel «Anonyme Filzvorwürfe gegen Gemeindepräsidentin». Im Zeitraum zwischen dem 10. April und dem 10. Juni 2014 berichtete die «BaZ» mehrfach über die Umstände dieser Auftragsvergabe, die Reaktionen der Gemeinde Oberwil auf entsprechende Filzvorwürfe und über die Untersuchung der Geschäftsprüfungskommission (GPK) der Gemeinde Oberwil. Auch die «bz Basellandschaftliche Zeitung» kam im selben Zeitraum, ebenso wie «Online-Reports», auf das Thema zurück. Die meisten der diesbezüglichen Artikel in der «BaZ» stammten aus der Feder des Journalisten Joël Hoffmann.

B. Gegen diese Berichterstattung reichte die anwaltlich vertretene Gemeinde Oberwil am 24. Juni 2014 Beschwerde beim Presserat gegen Joël Hoffmann, die «Basler Zeitung» und «BaZ-
online» ein. Die Beschwerdeschrift umfasst 47 Seiten mit insgesamt 50 Beilagen. Sie richtet sich gegen eine Vielzahl von Publikationen, welche teilweise in der «bz Basellandschaftlichen Zeitung», teilweise in der «Basler Zeitung» und «BaZonline» sowie teilweise in «Online-Reports» erschienen sind. Die Gemeinde Oberwil macht im Wesentlichen geltend, gegen sie und namentlich gegen die Gemeindepräsidentin Lotti Stokar laufe seit Monaten eine «öffentlich-mediale Hetzkampagne», was von der Beschwerdeführerin umfangreich, aber unabhängig von den konkreten beanstandeten Artikeln ausgeführt wird.

C. Konkret erklärt die Beschwerde, sich gegen insgesamt zwölf redaktionelle Publikationen zu richten, wovon zwei Gegendarstellungen in der «BaZ». Diesbezüglich macht die Beschwerdeführerin die folgenden Verletzungen medienethischer Normen geltend:

a) Verletzung des Fairnessprinzips und des Anhörungsgebots sowie der Pflichten bei Recherchegesprächen (Ziffern 1, 3 und 4 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» sowie zugehörige Richtlinien 1.1, 3.1, 3.8, 3.9 und 4.6). Das Fairnessprinzip sei dadurch verletzt, dass insinuiert werde, der Gemeinderat habe sich bei der Auftragsvergabe von persönlichen Interessen leiten lassen. Dem Gemeinderat wird vorgeworfen, «den Auftrag unter Umgehung (oder zumindest unter Ausreizung) der gesetzlichen Vorgaben beim öffentlichen Beschaffungswesen der Firma Stokar + Partner AG zugeschanzt zu haben». Richtlinie 3.8 verlange nicht nur die vorherige Anhörung, sondern darüber hinaus die faire Wiedergabe der Stellungnahme im gleichen Medienbericht. Zwar hätten Anhörungen stattgefunden, diese seien aber aus den Umständen zur «reinen Farce» verkommen. So sei der Umstand, dass Gemeindepräsidentin Stokar für Stokar + Partner AG in beschränktem Umfang beratend tätig gewesen sei, unfair verwendet worden; die Gemeindepräsidentin und Gemeinderat Urs Hänggi seien zwar vorab um Stellungnahme gebeten worden, welche aber nicht berücksichtigt worden sei; es werde behauptet, Gemeinderat Hänggi sei im Vorfeld einer Publikation nicht erreichbar gewesen, was unrichtig sei, weil er sich zur Thematik bereits früher prominent geäussert habe; obschon die Geschäftsprüfungskommission bereits in einem frühen Zeitpunkt der Untersuchung bekannt gegeben habe, dass sie die faktische Nähe von Lotti Stokar zur Firma Stokar + Partner als unbedenklich erachte, hätten die Berichte vom 25. April und 20. Mai 2014 weiter auf dieser personellen Nähe herumgehackt; weitere Recherchen wären zumutbar gewesen; der Beschwerdeführerin seien nur sechs Stunden eingeräumt worden, um zu weit zurückliegenden Fragen Stell
ung zu nehmen; Markus Stokar sei so dargestellt worden, als ob er sich mit illegalen Vergabeverfahren auskenne.

b) Wiedergabe von unwahren Tatsachenbehauptungen beziehungsweise Weglassen von wesentlichen Tatsachen und Unterlassen der Berichtigung (Ziffern 1 und 5 der «Erklärung» sowie Richtlinien 1.1 und 5.1): Der Beschwerdegegner Joël Hoffmann habe eine Vielzahl falscher Tatsachen behauptet. Namentlich habe er Markus Stokar gelegentlich als Inhaber der Firma Stokar + Partner AG bezeichnet, deren Mitinhaber (zu 20 %) er aber lediglich sei; es sei behauptet worden, der Angebotspreis sei zu nur 30 % gewichtet worden, was dem gesetzlichen Minimum entspreche, in einem Artikel sei gar behauptet worden, eine Gewichtung des Preises unter 30 % wäre illegal gewesen; falsch werde behauptet, der Sinn der Submissionsbestimmungen liege darin, das «preiswerteste» Angebot zu berücksichtigen – richtig sei aber, dass das «wirtschaftlich günstigste» Angebot zu berücksichtigen sei; falsch sei die Behauptung, dass die Powerpoint-Präsentation im Gemeinderat höher gewichtet worden sei als die Referenzen; gravierend falsch sei ausserdem die Aussage, die Firma Stokar + Partner sei von der Beschwerdeführerin explizit zum Vergabeverfahren der dritten Ausführungsphase eingeladen worden – das entsprechende Verfahren sei aber öffentlich gewesen; falsch sei die Behauptung, die Beschwerdeführerin habe Unterlagen nicht herausgegeben und damit gegen das Öffentlichkeitsprinzip verstossen; falsch sei behauptet worden, die betroffenen Personen seien für eine Stellungnahme nicht erreichbar gewesen – sie hätten Red und Antwort gestanden, sich aber dann geweigert, mit Joël Hoffmann weiter zu kommunizieren, weil sie von ihm falsch und unvollständig wiedergegeben worden seien.
Ferner enthielten die Berichterstattungen Ungenauigkeiten, welche zwar zu den insinuierten Filzvorwürfen passten, die Tatsachen aber dennoch verzerrt wiedergäben. So sei vom Bau eines Schulhauses für 23 Millionen Franken die Rede, wo es sich doch in Tat und Wahrheit um eine komplexe Schulanlage mit Primarschule, Doppelkindergarten, Musikschule, Kon-zertaula und FEB-Einrichtungen handle; verschwiegen werde ausserdem, dass neben Stokar + Partner noch eine andere Firma am Vergabeverfahren teilnahm, welche zuvor am Gesamtleistungswettbewerb teilgenommen hatte; die Beschwerdegegner hätten unterschlagen, dass die Präsentation der Offerte Stokar + Partner Unterlagen und Informationen zum Vorgehen und zur Risikoanalyse beinhaltete; die Beschwerdegegner hätten sich über die «vage» Gegendarstellung der Beschwerdeführerin lustig gemacht, obschon diese eine viel längere Gegendarstellung unterbreitet habe; es werde behauptet, die Beschwerdeführerin habe Anfragen der Medien abgeblockt; es sei unerwähnt geblieben, dass der seitens der GPK Lotti Stokar zur Last gelegte Verstoss gegen die Ausstandspflicht nicht als schwerwiegend bezeichnet worden sei und es sei auch nicht erwähnt worden, dass nach Auffassung des Kantons bezüglich der Ausstandspflicht auch eine andere Auffassung hätte vertreten werden können.

D. In ihrer Beschwerdeantwort vom 26. September 2014 macht die «Basler Zeitung», ebenfalls anwaltlich vertreten, vorweg geltend, der Presserat habe einzig die «Basler Zeitung» als passivlegitimiert zur Stellungnahme eingeladen. Auf die Beanstandungen der Berichterstattung in der «bz Basellandschaftliche Zeitung» sei deshalb nicht einzutreten. Gemäss Art. 1 Abs. 4 des Geschäftsreglements erstrecke sich die Zuständigkeit des Presserates jeweils auf Medien und Joël Hoffmann als Person sei deshalb vorliegend nicht passivlegitimiert. In Bezug auf seine Person sei deshalb auf die Beschwerde nicht einzutreten. Die Beschwerdegegnerin macht ausserdem geltend, es gehöre selbstverständlich zur Aufgabe einer freien Presse, staatliche Akte – wozu zweifellos auch Entscheide eines Gemeinderates gehörten – kritisch zu hinterfragen und pointiert zu kommentieren.

Im Einzelnen macht die Redaktion geltend, die Zitate von Lotti Stokar und Urs Hänggi seien korrekterweise zur Autorisierung unterbreitet worden, freundlicherweise im Kontext des geplanten Artikels, an welchem Kontext sich der Journalist aber keine Änderungen gefallen lassen müsse; die GPK habe durchaus Ungereimtheiten, vor allem bei der Ausstandspflicht von Lotti Stokar, festgestellt; Markus Stokar als Inhaber der Firma Stokar + Partner AG zu bezeichnen, sei auch dann nicht falsch, wenn er einer von mehreren Inhabern sei; das Angebot Stokar + Partner, bei welcher Lotti Stokar als Konsulentin auftrete, sei um 20 000 Franken teurer gewesen als jenes des Zweitplatzierten mit gleichwertigem Angebot; die GPK habe eine Untersuchung über das Schulhaus-Bauprojekt Sägestrasse eröffnet, und zwar nicht auf öffentlichen Druck hin, sondern selbstständig aufgrund eigener Abklärung bereits im Jahr 2013; die in der Berichterstattung verbreiteten Fakten seien zutreffend, namentlich die Ausführungen über die Gewichtung der Vergabekriterien; die Behauptung, die Beschwerdegegnerin habe wahrheitswidrig über das Submissionsverfahren berichtet, sei falsch und im Übrigen unbewiesen; die Behauptung, die Gemeinde sei mit den Vorwürfen der Berichterstattung vom 12. April 2014 nicht konfrontiert wurden, sei falsch – der Journalist habe im Vorfeld mit Urs Hänggi als zuständigem Gemeinderat telefonisch Kontakt gehabt; dieser habe geäussert, er habe «keine Zeit, diese komplexen Fragen zu beantworten»; der Hinweis der «BaZ» darauf, dass die Beschwerdeführerin den Journalisten Joël Hoffmann mit einem Informationsboykott belegt habe, sei nicht zu beanstanden; bezüglich des Vorwurfs der mangelnden Anhörung widerspreche sich die Beschwerdeführerin dort, wo sie selbst keine Auskunft habe geben wollen; richtig sei, dass die «Basler Zeitung» am 16. April 2014 eine Gegendarstellung publiziert habe, mit der sich die Beschwerdeführerin aus freien Stücken einverstanden erklärt habe – es hätte ihr freigestanden, ihr angebliches Recht auf dem gerichtlichen Weg geltend zu machen; die Verletzung der Ausstandspflichten sei durch die GPK so festgehalten worden, dass die Beschwerdeführerin zu Unrecht behaupte, die Gemeindepräsidentin sei bei sämtlichen wesentlichen Geschäften ordnungsgemäss in den Ausstand getreten; über den Inhalt des GPK-Berichts habe die «BaZ» zutreffend berichtet.

In rechtlicher Hinsicht bestreitet die Beschwerdegegnerin eine Verletzung des Fairnessprinzips und des Anhörungsgebots sowie der Pflichten bei Recherchegesprächen. Die «Basler Zeitung» habe weder die Wahrheitspflicht verletzt noch habe sie es unterlassen, irgendetwas zu berichtigen, was falsch berichtet worden wäre (Ziffern 1 und 5 der «Erklärung» sowie Richtlinie 1.1 und 5.1).

E. Der Presserat wies die Beschwerde der 3. Kammer zu, der Max Trossmann (Kammerpräsident), Marianne Biber, Jan Grüebler, Matthias Halbeis, Peter Liatowitsch, Markus Locher und Franca Siegfried angehören. Die 3. Kammer behandelte die Beschwerde an ihrer Sitzung vom 22. Oktober 2014 sowie auf dem Korrespondenzweg.

II. Erwägungen

1. Vorweg ist für die vorliegende Beschwerde festzustellen, dass Umfang und Weitschweifigkeit weit über das Mass hinausgehen, mit welchem sich der Presserat üblicherweise zu befassen hat. Analog zur Bestimmung von Art. 132 Abs. 2 der Zivilprozessordnung ist es den Parteien, namentlich den anwaltlich vertretenen, zuzumuten, sich knapp und konzis zum Sachverhalt zu äussern und darzulegen, wodurch welche medienethischen Grundsätze und Bestim-mungen verletzt sein sollen. Der Presserat wird den vorliegenden Fall zum Anlass nehmen, sich mit der Frage zu befassen, ob er Eingaben dieses Umfangs (47 Seiten Beschwerde mit 50 Beilagen) künftig zur Verbesserung zurückweist.

2. Sodann ist ebenfalls vorweg zu beurteilen, gegen wen sich die vorliegende Beschwerde sinnvollerweise richtet. Die Beschwerdeschrift nennt eingangs den Journalis
ten Joël Hoffmann, die «Basler Zeitung» und «BaZonline» als Beschwerdegegner. Medienrechtliche Verfahren vor dem Presserat richten sich regelmässig gegen ein Medium, nicht gegen einzelne oder mehrere Journalisten als Verfasser der medialen Beiträge. Aus diesem Grund ist auf die Beschwerde gegen Joël Hoffmann nicht einzutreten, auch wenn sich der Unmut der Beschwerdeführerin offensichtlich zentral gegen ihn persönlich richtet. Ebenfalls unbeachtet bleiben die in der Beschwerdebegründung aufgeführten Beanstandungen gegenüber der «bz Basellandschaftliche Zeitung» und gegenüber «Online-Reports», weil die Beschwerde sich nicht gegen diese Medien richtet.

3. Im Folgenden sollen die insgesamt zehn beanstandeten Berichterstattungen in der «Basler Zeitung» respektive in «BaZonline» im Einzelnen kurz beleuchtet werden.

a) Der Artikel in der «BaZ» vom 10. April 2014 «Verdacht auf Vetternwirtschaft wird untersucht – Der Ehemann der Oberwiler Gemeindepräsidentin Lotti Stokar erhält Grossauftrag» enthält Zitate der befragten Mitglieder des Gemeinderates, eingebettet in einen den Kontext beschreibenden Artikel. Ohne dazu verpflichtet zu sein, hat der verantwortliche Journalist Hoffmann den Befragten den Entwurf eines Teils seines Artikels zugestellt und ihnen so vorweg die Möglichkeit eröffnet, die erwähnten Zitate zu überprüfen. Die Beschwerdeführer haben keines der im Entwurf enthaltenen Zitate korrigiert, hingegen Passagen des Kontextes zu ändern vorgeschlagen. Dass die Redaktion diesem Ansinnen nicht entsprochen hat, ist nicht zu beanstanden, denn es ist Sache des Journalisten und nicht der Befragten, den Artikel zu redigieren. Auf mehr als die Zitate hat sich das Angebot des Korrekturlesens nicht beziehen können (vergleiche dazu Stellungnahme 62/2013).

b) Im Artikel der «BaZ» vom 11. April 2014 und «BaZonline» «Powerpoint-Vortrag ist wichtiger als Referenzen – Fragwürdige Auftragsvergabe an Firma des Ehemanns von Gemeindepräsidentin Lotti Stokar» sowie «Oberwiler Vergabetricks» (Frontseite) wird entgegen dem Anschein, den die Beschwerdeführerin erwecken will, nicht behauptet, die Gemeinde habe während des Verfahrens die Vergaberegeln verändert oder beeinflusst, sondern es wird die Frage gestellt, warum die Kriterien in der Weise festgelegt wurden, dass der Angebotspreis nur mit 30 % und damit ungewöhnlich tief gewichtet wurde. Insgesamt scheint es der Beschwerdeführerin darum zu gehen, dass die Gewichtung der Powerpoint-Präsentation mit ebenfalls 30 % nicht nur den eigentlichen Vortrag selbst umfasste, sondern auch die damit schriftlich abgegebenen Unterlagen einschliesslich Risikoanalyse. Sie macht geltend, Hoffmann habe dies nicht begriffen, während dieser hauptsächlich festhält, dass das Ermessen der Vergebenden ungewöhnlich gross war, indem die Gewichtung für den Vergabepreis derart tief angesetzt wurde. Darüber ist hier und auch in den übrigen Beiträgen, die beanstandet werden, in keiner Weise falsch berichtet worden. Die Gemeinde hat sich nicht zur Auffälligkeit geäussert, dass Stokar + Partner den Zuschlag erhielten, obschon sie von insgesamt sechs Bewerbern preislich das zweithöchste Angebot unterbreiteten. Und damit vorerst auf dem vorletzten Platz der Bewerber lag. Äusserungen wie «Vetternwirtschaft» oder «Vergabetricks» sind zugestandenerweise happige Vorwürfe. Der Journalist formuliert hier hart an der Grenze des Zulässigen, was ihm aber unter den gegebenen Umständen deshalb nicht zum Vorwurf gemacht werden kann, weil er der Gemeinde in keinem Punkt ein illegales Verhalten vorwirft. Die Öffentlichkeit hat entgegen dem, was die Beschwerdeführerin anzunehmen scheint, ein eminentes Interesse daran, über solche Vorgänge, bei welchen sich politische Behörden zumindest dem Vorwurf der Unappetitlichkeit aussetzen, orientiert zu werden.

c) Zum Artikel der «BaZ» vom 12. April 2014 «Gemeinde nahm Imageschaden in Kauf – Oberwil hat die Firma des Ehemannes der Gemeindepräsidentin trotz Warnungen ‹explizit› eingeladen» bestreitet die Beschwerdeführerin, dass Stokar + Partner AG zur fraglichen Phase der Projektbegleitung eingeladen worden sei. Die Ausschreibung sei öffentlich gewesen und es sei jedermann offengestanden, ein Angebot zu unterbreiten. Richtig ist aber, und das hat der fragliche Artikel lediglich zugespitzt, dass sich die Beschwerdeführerin der heiklen Situation durchaus bewusst war, wenn sie in einer ersten Phase an Stokar + Partner (und eine weitere Firma) direkt vergeben hatte und in der Ausschreibung der dritten Phase festhielt, Stokar + Partner sowie die andere Firma seien «berechtigt, an dieser Submission teilzunehmen». Der Artikel berichtet darüber, dass die Ausschreibung öffentlich war (in welchem Fall es keine Einladung gab) und dass Stokar + Partner «explizit» eingeladen worden seien. Dadurch, dass der Journalist das Wort explizit in Anführungszeichen setzt, reizt er zwar die Grenzen aus, überschreitet diese aber nach Auffassung des Presserats nicht, auch wenn es exakter, vorsichtiger und korrekter hätte heissen können, Stokar + Partner seien explizit «zugelassen» worden.

d) Der «BaZ»-Artikel vom 15. April 2014 mit dem Titel «Die Stokar-Connection – Fünf Gemeinderäte sind mit der Firma, der sie Auftrag zuschanzten, persönlich verbunden» berichtet über angebliche Netzwerke und Seilschaften zwischen der Beschwerdeführerin und Markus Stokar. Beanstandet wird, die «BaZ» habe angesichts der weit zurückreichenden Sachverhalte eine unüblich kurze Frist von sechs Stunden zur Stellungnahme eingeräumt. Ob eine Frist zur Stellungnahme angemessen und ausreichend ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab und ist im Einzelfall zu beurteilen. Vorliegend lag keine besondere Dringlichkeit vor, andererseits wurden aber keine schweren Vorwürfe erhoben. Die Beschwerdeführerin bestreitet die geschilderten Sachverhalte und Beziehungen nicht. In einer Tageszeitung mag eine solche Frist ausreichend sein, wobei es vorliegend schwierig gewesen sein könnte, Protokolle und andere Dokumente aus länger zurückliegender Zeit so schnell erhältlich zu machen. Die Gemeinde hätte sich allerdings mit genau dieser Argumentation an die Redaktion wenden und sie um Einräumung einer längeren Frist ersuchen können. Der Presserat kommt zum Schluss, dass die gewährte Frist knapp genügend war, aber einen Grenzfall darstellt. Es befremdet, dass die Gemeinde Oberwil stattdessen gegenüber dem zugestandenermassen hartnäckig am Thema verharrenden Journalisten einen Informationsboykott verhängte und damit offensichtlich die Aufgabe des investigativen Journalismus verkannt hat.

e) Gegendarstellung in der «BaZ» vom 16. April 2014: Gegendarstellungen fallen nicht in den Zuständigkeitsbereich des Presserates, wohl aber Berichtigungen. Die Gegendarstellung vom 16. April 2014 ist deshalb vom Presserat nicht zu beurteilen.

f) Der Artikel in der «BaZ» vom 17. April 2014 «Die Haarspaltereien der Gemeinde Oberwil – Der Gemeinderat lenkt den Fokus auf Details – zum Vorwurf der Vetternwirtschaft schweigt er» ist nicht zu beanstanden. Der Journalist bleibt zwar hartnäckig an der Geschichte und kritisiert die detailliert dargestellte Argumentation der Gemeinde. Er berichtet aber nichts Unwahres, während die Beschwerdeschrift sich hier mit eher kleinlichen Details befasst.

g) «BaZ»-Artikel vom 25. April 2014 «Das Sorgenkind der Geschäftsprüfer – Urs Hänggi, Gemeinderat und Bauverwalter, nimmt es mit dem Gesetz nicht so genau» und vom 26. April 2014 «Oberwils Vetternwirtschaft stösst alt Gemeindepräsident sauer auf – Lotti Stokar müsste für den Schulbau in den Ausstand treten»: Dass dem Oberwiler Gemeinderat Urs Hänggi, der zugleich in Bottmingen Bauverwalter ist, Gesetzesbruch vorgeworfen wird, ist ein schwerwiegender Vorwurf, den die Beschwerdeführerin aber nicht bestreitet. Auch die Gemeinde Bottmingen
beschränkte sich in einer Reaktion darauf, die Berichterstattung zu missbilligen. Diese ist aber medienethisch ebenso wenig zu beanstanden wie die Ausführungen darüber, dass ein alt Gemeindepräsident festhielt, Behördenmitglieder hätten früher die Finger von Aufträgen gelassen, bei welchen eine persönliche Interessenbindung eingetreten wäre.

h)
«BaZ»-Artikel vom 26. Mai 2014: «Die illegalen Praktiken der Gemeinde B», Untertitel: «Mit diversen Tricksereien vergibt Bottmingen unter der Hand lukrative Aufträge an Stokar + Partner. Diese konnten gar Einfluss auf die Höhe ihres Honorars nehmen»: Im Artikel geht es im Wesentlichen um die Gemeinde Bottmingen. Die Beschwerdeführerin macht keine weiteren Ausführungen darüber, inwiefern dieser Artikel die «Erklärung» verletzen sollte. Über die beschwerdeführende Gemeinde Oberwil wird erst am Ende berichtet und zwar im Sinne der bisherigen Berichterstattung, woran nichts auszusetzen ist.

i) Was die Gegendarstellung in der «BaZ» vom 27. Mai 2014 angeht, so ist zu wiederholen, dass Gegendarstellungen nicht in die Zuständigkeit des Presserats fallen.

k) «BaZ» vom 28. Mai 2014: «Oberwil sieht sich unschuldig – Der neue GPK-Bericht liegt vor»: Auch wenn es der «Basler Zeitung» gut angestanden hätte, zu erwähnen, dass der fragliche GPK-Bericht zum Schluss kam, Lotti Stokar habe «nicht schwerwiegend» gegen Ausstandspflichten verstossen und auch wenn der Bericht der «BaZ» angesichts des Resultats der GPK-Prüfung tendenziell als rechthaberisch erscheinen mag, ist darin noch keine Verletzung von journalistischen Pflichten zu erblicken. Immerhin hält der GPK-Bericht ausdrücklich und explizit zur Prüfung des Projekts Schulhausbau Sägestrasse fest, die GPK äussere sich «nicht zu politischen Aspekten, sondern nur dazu, ob den gesetzlichen Vorschriften bei den Vergabeverfahren Genüge getan wurde». Die GPK kam denn auch zum Schluss, alle Vergabeentscheide seien nachvollziehbar und gemäss den Vorschriften des kantonalen Beschaffungsgesetzes ergangen und kein Anbieter sei in einer der drei Projektphasen unrechtmässig bevorzugt oder benachteiligt worden. Hingegen sei nach Rechtsauffassung der GPK die Ausstandspflicht nach den Vorgaben des Gemeindegesetzes verletzt worden, diese Pflichtverletzung wiege aber nicht schwer, weil sich die Gemeindepräsidentin für den wichtigsten Entscheid, den zur Vergabe, in den Ausstand begeben habe. Die bisherige Handhabung der Ausstandspflicht wertet die GPK als nicht im Sinne des Gesetzgebers, nämlich dass bisher der Gesamtgemeinderat über den Ausstand entscheide und nicht das einzelne betroffene Behördemitglied die Verantwortung trage. Im Licht dieses Fazits ist der Artikel nicht zu beanstanden.

l) In der «BaZ» vom 10. Juni 2014 schliesslich wird unter dem Titel «Umstrittene Überwachung fehlbarer Gemeinderäte – GPK halten präventive Kontrolle bei Wiederholungstätern, wie Bottmingen, für sinnvoll» einer laufenden Überwachung von Gemeinderäten das Wort geredet, dabei aber in Bezug auf die Gemeinde Oberwil ausdrücklich erwähnt, diese habe sich bei der kritisierten Vergabe an das Gesetz gehalten. Dass im Übrigen die fragliche Vergabepraxis, wenn auch im Rahmen des Gesetzes, so doch als unschön denunziert wird, ist legitim und gehört zu den Aufgaben eines kritischen Journalismus. Der Bericht ist somit nicht zu beanstanden.

4. Zusammenfassend stossen somit die Vorwürfe der Beschwerdeführerin ins Leere. Der Presserat kann in der Berichterstattung der «Basler Zeitung» keine Verstösse gegen das Fairnessprinzip oder die Pflicht zur Anhörung erkennen. Es gehört zu den Aufgaben eines investigativen Journalismus, ein Thema pointiert zu recherchieren und darzustellen. Der Presserat hat in einem einzigen Fall eine verhältnismässig kurze Frist zur Stellungnahme festgestellt, sich aber ansonsten davon überzeugt, dass die Beschwerdeführerin angehört wurde und in angemessener Weise zu Wort kam. Die Vorwürfe der Beschwerdeführerin, die «BaZ» habe unwahre Tatsachenbehauptungen wiedergegeben, haben sich aus der Sicht des Presserates nicht bestätigt. Zum Teil will die Beschwerdeführerin dies an als kleinlich erscheinenden Details festmachen, wie zum Beispiel daran, Markus Stokar sei vereinzelt als Inhaber (statt nur als Mitinhaber) der fraglichen Firma Stokar + Partner AG bezeichnet worden oder an der Wortwahl «Schulhaus» statt «komplexe Schulanlage». Der Presserat kommt demzufolge zum Schluss, die Beschwerde sei, soweit auf diese einzutreten ist, als unbegründet abzuweisen.


III. Feststellungen

1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie eingetreten wird.

2. Die «Basler Zeitung» hat bei ihrer Berichterstattung über die Vergabepraxis der Gemeinde Oberwil im Zusammenhang mit der Auftragserteilung an Stokar + Partner AG im Zeitraum zwischen dem 10. April und 10. Juni 2014 die Ziffern 1 (Wahrheitspflicht), 3 (Anhörung bei schweren Vorwürfen) und das Fairnessgebot der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» nicht verletzt.