Nr. 39/2013
Wahrheits- und Berichtigungspflicht / Lauterkeit der Recherche / Fairness

(X. GmbH c. «K-Tipp») Stellungnahme des Schweizer Presserates vom 12. Juli 2013

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I. Sachverhalt

A. In der Ausgabe vom 14. November 2012 warnte Darko Cetojevic im «K-Tipp» vor der Website www.krankenkasse-vergleich.ch (Titel: «Die Tricks der Makler»). Das Internetportal vermittle nur Krankenkassen, von denen es für Neukunden Provisionen erhalte. «Die Konkurrenz» wird schlechtgeredet. Dies habe auch ein Versicherter aus Bilten erfahren. Dieser habe einen Antrag für die Glarner Krankenversicherung ausgefüllt. Anschliessend habe er einen Anruf von einer «Versicherungsberatung X.» aus Bern erhalten und mit dieser einen Beratungstermin vereinbart. Der X.-Makler habe dem Biltener den Offertantrag für die Glarner Krankenversicherung ausgeredet und versucht, ihm eine Versicherung der Groupe Mutuel anzudrehen. Der Biltener habe das aber nicht gewollt, da er dort schon schlechte Erfahrungen gemacht habe. Dem «K-Tipp» würden ähnliche Fälle mit der Website Krankenkasse-vergleich.ch vorliegen. Das Vorgehen sei immer dasselbe. Auf Anfrage des «K-Tipp» gebe der Betreiber der Webseite zu: «Es seien gar keine Offerten von Krankenkassen möglich gewesen, die keine Makler-Provisionen zahlen. Mittlerweile könne man aber auf dem Vergleichsportal keine Offerten von kleinen Krankenkassen mehr anfordern.» Der Artikel wurde vorgängig bereits am 12. November 2012 auf der Website des «K-Tipp» veröffentlicht.

B. Am 16. November 2012 protestierte die anwaltlich vertretene X. GmbH gegen die Veröffentlichung des obengenannten Artikels und verlangte die Veröffentlichung einer Berichtigung und Entschuldigung der Redaktion. Weder die X.GmbH noch einer ihrer Versicherungsberater sei je mit dem im Artikel erwähnten Versicherten in Kontakt getreten. Folglich sei es unwahr, dass ein X.-Makler versucht habe, dem Versicherten eine Offerte der Glarner Krankenversicherung auszureden und behauptet habe, es sei nur eine Frage der Zeit, bis die Kasse aufgekauft werde oder bankrottgehe und dass der Makler versucht habe, eine Versicherung der Groupe Mutuel anzudrehen.

C. Am 28. November 2012 veröffentlichte der «K-Tipp» unter dem Titel «Name verwechselt» eine «Berichtigung». Der im Artikel erwähnte Versicherte sei von einem anderen Krankenkassenvermittler kontaktiert worden. «Der erwähnte Mitarbeiter von X. war bei einem Angestellten der Glarner Krankenversicherung zu Besuch. Ihm riet er davon ab, sich bei der Glarner Krankenversicherung zu versichern, mit dem Argument, diese werde entweder bald aufgekauft oder gehe Konkurs.»

D. Am 18. Dezember 2012 beschwerte sich die anwaltlich vertretene X. GmbH, Ostermundigen, beim Schweizer Presserat gegen den Bericht «Die Tricks der Makler» und die Berichtigung «Name verwechselt». Mit den beanstandeten Veröffentlichungen habe der «K-Tipp» die Ziffern 1 (Wahrheit), 3 (Unterschlagung und Entstellung von Informationen), 4 (Lauterkeit der Recherche) und 5 (Berichtigung) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» sowie das dieser zugrundeliegende Fairnessprinzip verletzt.

Der «K-Tipp» sei bereits bei der Medienanfrage bei der Beschwerdeführerin mit unlauteren Recherchemethoden (Ziffer 4 der «Erklärung») vorgegangen. Redaktor Darko Cetejovic habe von zwei Fällen berichtet, bei denen ein Makler von X. angeblich nicht die verlangte Offerte der Glarner Krankenversicherung, sondern von einer anderen Krankenkasse unterbreitet und zur Begründung vorgebracht habe, die Glarner Krankenkasse stehe kurz vor der Pleite und werde bald von einer grösseren Krankenkasse übernommen. Das Gleiche habe ein Versicherter erlebt, der stattdessen eine Offerte der Groupe Mutuel erhalten habe. Der «K-Tipp»-Redaktor habe bei der Medienanfrage unterschlagen, dass die Anfragen in den beiden ersten Fällen von zwei Mitarbeitern der Glarner Krankenkasse stammten. Vielmehr habe der «K-Tipp» den falschen Eindruck erweckt, bei den beiden Mitarbeitern der Krankenkasse handle es sich um Opfer von X.

Zum gerügten Verstoss gegen die journalistische Fairness führt die Beschwerdeführerin an, ihr Geschäftsführer sei nach der Lektüre der Online-Version des Artikels erstaunt gewesen, zu lesen, ein X.-Makler habe einem Kunden eine Offerte der Groupe Mutuel andrehen wollen. Denn mit dieser Versicherung arbeite X. nicht zusammen. Abklärungen hätten danach zweifelsfrei ergeben, dass eine Verwechslung vorlag. Dies sei dem «K-Tipp» am 13. November per E-Mail und telefonisch mitgeteilt worden. Nach einigem Hin und Her habe Redaktionsleiter Ernst Meierhofer eingestanden, dass seinem Redaktor wahrscheinlich ein Fehler bei der Recherche unterlaufen sei. Gleichzeitig habe er darauf hingewiesen, das Beratungsgespräch zwischen den beiden Angestellten der Glarner Krankenkasse und dem X.-Berater sei auf Tonband aufgenommen worden und habe deshalb «geraten», den Artikel im unveränderten Zustand zu belassen. Dies verbunden mit dem Angebot, einen Leserbrief zu veröffentlichen.

Obwohl die Redaktion von den Unwahrheiten im Online-Artikel gewusst habe, sei dieser unverändert in der Printausgabe erschienen. Und auch die am 28. November 2012 abgedruckte Berichtigung sei unhaltbar, weil damit der Leserschaft fälschlicherweise der Eindruck vermittelt werde, es sei lediglich zu einer Namensverwechslung gekommen. Tatsächlich beziehe sich der Artikel aber auf einen Fall, mit dem X. überhaupt nichts zu tun habe.

E. Am 25. Januar 2013 beantragte die ebenfalls anwaltlich vertretene Redaktion «K-Tipp», die Beschwerde sei abzuweisen. Der im Artikel «Die Tricks der Makler» erwähnte Versicherte habe sich nach Erscheinen der Ausgabe bei der Redaktion gemeldet. Er habe sich getäuscht, er habe nicht mit einem Makler von X. zu tun gehabt. Gestützt auf diese Information habe der «K-Tipp» in der nächsten Nummer eine Berichtigung veröffentlicht. Der Fehler sei für die Redaktion ärgerlich gewesen. Aber sie habe bei der Recherche das getan, was eine Reaktion tun müsse. Sie habe die Aussagen des Mannes mit seinem vollen Namen der X. GmbH zur Stellungnahme unterbreitet. X. habe die Anfrage noch gleichentags beantwortet, aber zu diesem Fall nicht Stelllung genommen. Somit sei die Behauptung der Beschwerdeführerin falsch, der Artikel sei erschienen, obwohl der «K-Tipp» Kenntnis von unwahren Aussagen hatte.

Ebenso wenig wie die Wahrheitspflicht habe die Redaktion die Berichtigungspflicht verletzt. Die Berichtigung sei in der nächsten Ausgabe mit einem zutreffenden Text erschienen. Der Rechtsvertreter der X. störe sich daran, dass der «K-Tipp» nicht den von ihm vorgeschlagenen Text übernommen habe. Da es sich bei der Berichtigung um einen redaktionellen Text handle, habe die Redaktion die Berichtigung mit zwei zusätzlichen Sätzen ergänzen dürfen, welche der Klarstellung des Sachverhalts dienten.

Soweit die Beschwerdeführerin dem «K-Tipp» darüber hinaus Unlauterkeit bei der Informationsbeschaffung vorwerfe, übersehe sie, dass Redaktor Cetojevic den beruflichen Hintergrund der beiden Mitarbeiter der Glarner Krankenversicherung bei seiner Recherche noch nicht gekannt habe und dementsprechend nicht für deren Verhalten verantwortlich gemacht werden könne. Der «K-Tipp» habe der Beschwerdeführerin drei Fälle zur Stellungnahme vorgelegt und in der Folge über den von X. zunächst nicht bestrittenen dritten Fall berichtet.

Schliesslich bestreitet der «K-Tipp» auch den Vorwurf der Beschwerdeführerin, gegen das Fairnessprinzip verstossen zu haben. Weder liege Redaktionsleiter Meierhofer die in der Beschwerde erwähnte Tonbandaufnahme vor, noch habe er Hinweise darauf, dass Dritte über eine solche Aufnahme verfügten.

F. Am 29. Januar 2013 teilte der Presserat den Parteien mit, die Beschwerde werde vom Presseratspräsidium behandelt, bestehend aus dem Präsidenten Dominique von Burg, Vizepräsid
entin Francesca Snider und Vizepräsident Max Trossmann.

G. Das Presseratspräsidium hat die vorliegende Stellungnahme per 12. Juli 2013 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.

II. Erwägungen

1. a) Ziffer 1 der «Erklärung» verpflichtet die Journalistinnen und Journalisten, sich an die Wahrheit ohne Rücksicht auf die sich daraus für sie ergebenden Folgen zu halten und sich vom Recht der Öffentlichkeit leiten zu lassen, die Wahrheit zu erfahren. Die zugehörige Richtlinie 1.1 (Wahrheitssuche) konkretisiert die Wahrheitspflicht wie folgt: «Die Wahrheitssuche stellt den Ausgangspunkt der Informationstätigkeit dar. Sie setzt die Beachtung verfügbarer und zugänglicher Daten, die Achtung der Integrität von Dokumenten (Text, Ton und Bild), die Überprüfung und die allfällige Berichtigung voraus.

b) Gestützt auf die von den Parteien eingereichten Unterlagen stellt der Presserat fest, dass der «K-Tipp» der Beschwerdeführerin den im beanstandeten Artikel erwähnten Fall des Bilteners zu Unrecht zur Last legt. Insoweit hat der «K-Tipp» eine Falschmeldung veröffentlicht und war verpflichtet, diese von sich aus zu berichten.

Ist Redaktor Cetejovic für die Veröffentlichung der Falschmeldung ein Vorwurf zu machen? Hat er sich nicht genügend um die Wahrheitssuche gekümmert? Aus dem von der Beschwerdeführerin eingereichten E-Mail-Verkehr geht hervor, dass der «K-Tipp» der Beschwerdeführerin die drei Fälle bereits am 6. November 2012 per E-Mail zur Stellungnahme vorlegte. In der Antwort vom gleichen Tag bezieht sich der X.-Geschäftsführer lediglich auf die beiden anderen Fälle und nimmt nicht zum Vorwurf Stellung, wonach der Versicherungsberater im Fall des Bilteners versucht habe, dem Kunden eine Offerte der Groupe Mutuel aufzudrängen. Nachträglich macht die Beschwerdeführerin nun geltend, der Geschäftsführer sei bei der Lektüre der Online-Version des Artikels stutzig geworden, weil X. gar nicht mit der Groupe Mutuel zusammenarbeite. Bei genügender Aufmerksamkeit hätte ihm dies bereits bei der E-Mail-Anfrage des «K-Tipp» auffallen können. Da der Sachverhalt von Seiten der Beschwerdeführerin vor der Veröffentlichung des Online-Artikels nicht bestritten wurde, ist dem «K-Tipp» in Bezug auf die Wahrheitssuche kein Vorwurf zu machen, wenn er dem Irrtum des Biltener Lesers aufsass, der die Beschwerdeführerin mit einer anderen Maklergruppe verwechselte.

c) Wäre der «K-Tipp» – wie dies die X. GmbH behauptet – hingegen verpflichtet gewesen, die Korrektur bereits in der Printausgabe des «K-Tipp» vom 14. November vorzunehmen? Der von der Beschwerdeführerin eingereichte E-Mail-Verkehr mit der Redaktion «K-Tipp» vom 13. November 2012 deutet darauf hin, dass sich der Geschäftsführer von X. noch am Erscheinungstag des Online-Artikels bei Redaktor Cetojevic meldete. Dieser gab die Angelegenheit danach an Redaktionsleiter Ernst Meierhofer weiter, der im Laufe des 13. November offenbar ein Gespräch mit dem X.-Geschäftsführer führte, dessen Inhalt zwischen den Parteien umstritten und schriftlich nicht belegt ist. Insbesondere bleibt für den Presserat unklar, ob es unter zeitlichen Gesichtspunkten überhaupt möglich gewesen wäre, den Artikel noch vor dem Druck der Printausgabe vom 14. November 2012 zu korrigieren. Falls dies zu bejahen ist, wäre der «K-Tipp» dazu verpflichtet gewesen. Da die Frage aber durch die Beschwerdeunterlagen nicht geklärt ist und der Presserat sie aus eigenem Wissen nicht beantworten kann, ist für ihn eine Verletzung der Ziffer 1 der «Erklärung» nicht erstellt.

2. Wie ist demgegenüber die am 28. November 2012 vom «K-Tipp» veröffentlichte Berichtigung zu beurteilen? Der erste Abschnitt des Texts fasst den Inhalt der Falschmeldung vom 14. November 2012 noch einmal zusammen und hält dann fest: «Dabei kam es zu einer Verwechslung. Die Redaktion bedauert das.» Der im Bericht erwähnte Biltener sei von einem anderen Krankenkassenvermittler kontaktiert worden. Für den Presserat gibt die Berichtigung damit korrekt wieder, dass dieser Fall im Artikel vom 14. November 2012 zu Unrecht der Beschwerdeführerin angelastet wird. Auch der Titel der Berichtigung «Name verwechselt» lässt sich dahingehend verstehen, der Biltener habe den Namen der Maklerfirma verwechselt.

Und soweit der «K-Tipp» zusätzlich darauf hinweist, «der erwähnte Mitarbeiter von X. war bei einem Angestellten der Glarner Krankenversicherung zu Besuch. Ihm riet er davon ab, sich bei der Glarner Krankenversicherung zu versichern, mit dem Argument, diese werde entweder bald aufgekauft oder gehe Konkurs», wird dieser Sachverhalt in der E-Mail des Geschäftsführers der X. GmbH an Redaktor Cetojevic vom 6. November 2013 nicht bestritten. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin war es in einem kurzen Berichtigungstext zudem nicht zwingend, die genauen Umstände der Offertanfrage der beiden Mitarbeiter der Glarner Krankenversicherung zu beschreiben. Zumal es offenkundig erscheint, dass ein Mitarbeiter einer Krankenversicherung eine ernstgemeinte Offertanfrage an seinen Arbeitgeber kaum via ein Internetvergleichsportal einholen würde.

3. Soweit die Beschwerdeführerin dem «K-Tipp» schliesslich eine unlautere Recherche sowie eine Verletzung des Fairnessgebots vorwirft, steht für den Presserat Aussage gegen Aussage. Weder belegen die eingereichten Unterlagen, dass der Autor des beanstandeten Artikels bereits vor der Veröffentlichung wusste, dass es sich bei den beiden weiteren Fällen um Offertanfragen von Mitarbeitern der Glarner Krankenversicherung handelte, noch ist erstellt, dass Redaktionsleiter Meierhofer über eine Tonbandaufnahme der Gespräche zwischen den Mitarbeitern der Glarner Krankenkasse und dem X.-Berater verfügte oder zumindest davon Kenntnis hatte.

III. Feststellungen

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. Der «K-Tipp» hat mit der Veröffentlichung des Artikels «Die Tricks der Makler» vom 14. November 2012 und der Berichtigung «Name verwechselt» vom 28. November 2012 die Ziffern 1 (Wahrheit), 4 (Lauterkeit der Recherche) und 5 (Berichtigung) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» sowie das ihr zugrunde liegende Fairnessprinzip nicht verletzt.