Nr. 18/2013
Wahrheit; Unterschlagung von Informationen

(Maklerzentrum Schweiz AG c. «Beobachter») Stellungnahme des Schweizer Presserates vom 3. Mai 2013

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I. Sachverhalt

A. Am 9. November 2012 (Ausgabe Nr. 23/2012) veröffentlichte der «Beobachter» unter dem Titel «Nun rufen die Berater wieder an» einen Artikel von Rebecca Wyss über den Rechtsstreit zwischen einer Krankenkasse und der Basler Maklerzentrum Schweiz AG, der vor zwei Jahren vor dem Bundesgericht gelandet sei. «Dieses verbot den Maklern, wahrheitswidrig zu behaupten, sie hätten mit dem Versicherer einen Vertrag abgeschlossen.» Ähnliches habe nun eine Frau aus Winterthur erneut erlebt. Sie sei jüngst von einer Frau angerufen worden, die sich als Vertreterin ihrer Krankenkasse (Provita) ausgegeben habe. Als sie die Telefonnummer prüfte, habe festgestellt, dass der Anruf vom Maklerzentrum Schweiz ausging. Und ihr darauffolgender Anruf bei Provita habe ergeben, dass dies kein Einzelfall sei. Dies wird im Bericht von einem Leitungsmitglied des Maklerzentrums dementiert: «Wir behaupten unter keinen Umständen, mit der Provita oder einer anderen Gesellschaft, mit der wir keinen Zusammenarbeitsvertrag haben, zusammenzuarbeiten oder in ihrem Auftrag zu handeln.»

B. Am 22. November 2012 beschwerte sich die anwaltlich vertretene Maklerzentrum Schweiz AG, Basel, mit der Veröffentlichung des obengenannten Artikels habe der «Beobachter» die Ziffern 1 (Wahrheit) und 3 (Unterschlagung von Informationen) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verletzt.

Die Krankenkasse Swica habe das Maklerzentrum vor drei Jahren wegen angeblicher Verletzung des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb (UWG) eingeklagt und dabei beantragt, dem Maklerzentrum vorsorglich zu verbieten, gewisse Aussagen und Prämienvergleiche zu machen. Der Präsident des Handelsgerichts St. Gallen habe dieses Verbot daraufhin zuerst superprovisorisch und danach provisorisch ausgesprochen. Beschwerden gegen diesen provisorischen Entscheid beim Kassationsgericht des Kantons St. Gallen und beim Bundesgericht seien erfolglos geblieben. Die Swica habe ihre Behauptungen aber nie beweisen müssen, «da es zu einem Vergleich kam, von dem die Swica verlangte, dass er vertraulich bleibe». Rebecca Wyss beziehe sich in ihrem Artikel auf den fraglichen Bundesgerichtsentscheid, unterschlage aber dessen vorsorglichen Charakter. Damit liege der gleiche Sachverhalt vor, den der Presserat bereits in der Stellungnahme 6/2011 beurteilt habe.

C. Am 3. Dezember 2012 beantragte Chefredaktor Andres Büchi, namens der Redaktion «Beobachter», die Beschwerde sei abzuweisen.

Die Beschwerde kritisiere in erster Linie den Satz «Dieses (das Bundesgericht) verbot den Maklern, wahrheitswidrig zu behaupten, sie hätten mit dem Versicherer einen Vertrag abgeschlossen.» Die Formulierung schildere in journalistisch verkürzter Form, dass das Bundesgericht im erwähnten Fall einen Entscheid der Vorinstanz geschützt hat. Auch wenn das Bundesgericht den Fall nicht materiell geprüft habe, gelte zur Zeit trotzdem, dass das Maklerzentrum weiterhin nicht behaupten dürfe, es hätte mit der Krankenkasse Swica einen Vertrag abgeschlossen. Journalisten müssten nicht juristisch korrekt, sondern in der Sache zutreffend berichten. Konkret heisse es im Entscheid des Handelsgerichts St. Gallen, es sei hinreichend glaubhaft gemacht worden, dass das Maklerzentrum in mindestens sechs Fällen behauptete, es stünde mit der Swica in vertraglichen Beziehungen. Da auch das Bundesgericht diesen (vorläufigen) Entscheid gestützt habe, sei für den Durchschnittskonsumenten nur eine Botschaft wichtig. Es sei dem Maklerzentrum «verboten, wahrheitswidrig zu behaupten, sie hätten mit dem Versicherer einen Vertrag abgeschlossen». Genau so habe es der «Beobachter» formuliert.

D. Am 7. Dezember 2013 teilte der Presserat den Parteien mit, die Beschwerde werde vom Presseratspräsidium behandelt, bestehend aus dem Präsidenten Dominique von Burg, Vizepräsidentin Francesca Snider und Vizepräsident Max Trossmann.

E. Das Presseratspräsidium hat die vorliegende Stellungnahme per 3. Mai 2013 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.

II. Erwägungen

1. Der Presserat hat in der von der Beschwerdeführerin erwähnten Stellungnahme 6/2011 den «K-Tipp» gerügt, der über das identische Bundesgerichtsurteil berichtet hatte: «Der Bericht hätte zwingend auf die provisorische Natur des Urteils hinweisen müssen. Dies wäre auch bei einer Kurzmeldung – beispielsweise durch Einfügen des Worts ‹vorläufig› problemlos möglich gewesen. Durch die Unterlassung fehlte der Leserschaft eine für das Verständnis unabdingbare Information.»

2. Daran ist auch in Bezug auf den von der Beschwerdeführerin beanstandeten «Beobachter»-Bericht festzuhalten. Wer den beanstandeten Satz liest, erhält den unzutreffenden Eindruck, das Bundesgericht habe nicht bloss eine Beschwerde gegen eine vorsorgliche Massnahme abgewiesen, sondern in der Sache selber geurteilt. Da dies nicht zutrifft, hat der «Beobachter» die Ziffern 1 und 3 der «Erklärung» verletzt.

III. Feststellungen

1. Die Beschwerde wird gutgeheissen.

2. Der «Beobachter» hat mit der Veröffentlichung des Artikels «Nun rufen die Berater wieder an» vom 9. November 2012 die Ziffern 1 (Wahrheit) und 3 (Unterschlagung von Informationen) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verletzt.