Nr. 16/2001
Wahlberichterstattung / Leserbriefe

(F. c. «Basler Zeitung») Stellungnahme des Presserates vom 1. März 200

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I. Sachverhalt

A. Mit Schreiben vom 5. Oktober 2000 gelangte F. (nachfolgend: Beschwerdeführer) an den Schweizer Presserat. In seiner Beschwerde rüge er, die «Basler Zeitung» (nachfolgend: BaZ) habe im Zeitraum zwischen dem 16. Oktober 1999 und dem 20. Mai 2000 sowie ab dem 3. Oktober 2000 in ihrer Wahlberichterstattung die SVP privilegiert und bevorzugt Leserbriefe abgedruckt, die der SVP und deren Umfeld zuzurechnen seien. Die BaZ habe damit gegen das Gebot der Rechtsgleichheit verstossen, und mit «ihrer tendenziösen, unobjektiven und übervorteilenden Berichterstattung» eine unvollständige Information des Basler Souveräns bewirkt oder zumindest in Kauf genommen sowie in der Stadt Basel die «Verbreitung einer autoritären, nationalistischen und rassistischen Geisteshaltung» gefördert.

B. Auf Aufforderung des Presseratskretariat hin reichte der Beschwerdeführer am 19. Oktober 2000 eine ergänzende Beschwerdebegründung ein. Darin machte er geltend, die BaZ habe mit ihrer einseitigen Berichterstattung und Leserbriefauswahl insbesondere die Ziffern 1 (Wahrheitspflicht) und 2 (Freiheit der Information und der Kritik) verletzt.

C. Das Presseratspräsidium wies den Fall der 3. Kammer zu, der Catherine Aeschbacher als Präsidentin sowie Esther Diener-Morscher, Judith Fasel, Sigmund Feigel, Roland Neyerlin, Daniel Suter und Max Trossmann als Mitglieder angehören.

D. Mit Schreiben vom 5. Dezember 2000 beantragte Chefredaktor Hans-Peter Platz namens der BaZ, auf die Beschwerde sei mangels genügender Begründung nicht einzutreten. Eventuell sei sie vollumfänglich abzuweisen.

E. In einer «Replik» vom 7. Dezember 2000 an den Presserat hielt der Beschwerdeführer an seinen Vorwürfen fest.

F. Die 3. Kammer behandelte die Beschwerde an ihrer Sitzung vom 1. März 2001 sowie auf dem Korrespondenzweg.

II. Erwägungen

1. Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung der Rechtsgleichheit, mithin von Art. 8 der Bundesverfassung geltend macht, kann der Presserat auf die Beschwerde nicht eintreten. Gemäss ständiger Presserat hat sich der Presserat ausschliesslich zur Interpretation des berufsethischen Kodex, nicht dagegen zur Auslegung von Rechtsnormen zu äussern (vgl. zuletzt die Stellungnahme 19/2000 vom 7. Juni 2000 i.S. Kantonale Ethikkommission Zürich c. «Das Magazin).

2. Im Zusammenhang mit der vom Beschwerdeführer geltend gemachten Verletzung der Ziffern 1 und 2 der «Erklärung» ist von vornherein darauf hinzuweisen, dass die Medienschaffenden gemäss ständiger Praxis des Presserates berufsethisch nicht zu einer objektiven Berichterstattung verpflichtet sind. Im Gegenteil ist es mit der Berufsethik auch vereinbar, einseitig und parteiergreifend zu berichten (vgl. die Stellungnahme vom 19. Juni 1998 i.S. M. c. «Neue Luzerner Zeitung» , Sammlung 1998S. 106ff.) Immerhin hält aber die Richtlinie 2.2 zur «Erklärung» fest: Der Meinungspluralismus trägt zur Verteidigung der Informationsfreiheit bei: Er ist notwendig, wenn sich ein Medium in einer Monopolsituation befindet.»

3. Nach Prüfung der vom Beschwerdeführer eingereichten Unterlagen kommt der Presserat zum Schluss, dass der von diesem erhobene Vorwurf einer angeblichen Privilegierung der SVP (zwischen dem 16.10.99 und dem 20.5.200 sowie ab dem 3.10.2000) sich in keiner Art und Weise erhärtet hat. Gegen diese blosse Behauptung spricht insbesondere auch eine medienwissenschaftliche Untersuchung (Roger Blum, Wahlen in Basel: Lob für die BaZ, Tadel für „Radio Basilisk“, „Basler Zeitung“ vom 13. Oktober 2000), selbst wenn sich diese nicht auf den gesamten Beschwerdezeitraum bezieht. Die Untersuchung kam zum Ergebnis, dass im Untersuchungszeitraum – d.h. bei der Wahlberichterstattung im Vorfeld der Eidgenössischen Wahlen von 1999 – bei den Eigenleistungen der BaZ eher die CVP dominierte und insgesamt über die SP am meisten berichtet wurde.

4. Hinsichtlich der Rüge des Beschwerdeführers, wonach die BaZ beim Abdruck von Leserbriefen einseitig solche bevorteilt habe, die der SVP oder deren Umfeld zuzurechnen seien, ist vorab auf die Praxis des Presserates i.S. Abdruck von Leserbriefen hinzuweisen. Danach ist eine Redaktion unter berufsethischen Gesichtspunkten frei, über den Abdruck von Leserbriefen zu entscheiden (vgl. z.B. die Stellungnahme 16/2000 vom 16. Mai 2000 i.S. Oui à la vie c. «La Liberté» mit weiteren Verweisen). Dementsprechend war die Redaktion der BaZ von vornherein in keinem Fall verpflichtet, einen oder mehrere der zahlreichen Leserbriefe des Beschwerdeführers zu veröffentlichen, weshalb von einer Verletzung von berufsethischen Pflichten nicht die Rede sein kann. Darüber hinaus ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer seine Behauptung einer einseitigen Auswahl von Leserbriefen durch die BaZ ohnehin nicht hat belegen können.

5. Auch wenn keine berufsethische Pflicht zum Abdruck einzelner Leserbriefe besteht, ist es aber insbesondere einem Medium, das sich in einer lokalen Monopolsituation oder zumindest einer Vormachtstellung befindet, im Sinne der Richtlinie 2.2 zur «Erklärung» und im Lichte des berufsethischen Fairnessprinzips aber zumindest zu empfehlen, beim Umgang mit Leserbriefen besonders grosszügig zu sein, damit der Zugang zum öffentlichen Diskurs für alle möglich bleibt. Diesbezüglich ist festzuhalten, dass die BaZ gemäss übereinstimmenden Angaben der Parteien, im Zeitraum von Oktober 1999 bis Mai 2000 einige Leserbriefe des Beschwerdeführers abgedruckt hat. Gegegebenenfalls hätte es zu einer Befriedung der Parteien beitragen können, wenn die BaZ auch danach den einen oder anderen Leserbrief des Beschwerdeführers – allenfalls nach redaktioneller Bearbeitung – abgedruckt hätte.

III. Feststellungen

1. Die Beschwerde wird abgewiesen, da der Nachweis der behaupteten angeblichen Privilegierung der SVP in der Wahlberichterstattung und der Leserbriefauswahl nicht erbracht werden konnte.

2. Medien, die sich in einer lokalen Monopol- oder Quasimonopolsituation befinden, sollten sich im Umgang mit Leserreaktionen und Leserbriefen besonders grosszügig zeigen, damit der Zugang zum öffentlichen Diskurs für alle möglich bleibt.