Nr. 4/1995
Registrierung von Medienschaffenden durch den Kur- und Verkehrsverein Zermatt, vom 29. Juni 1995

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Zusammenfassung

Die Annahme von Vergünstigungen ist aus berufsethischer Sicht nur dann akzeptabel, wenn sie allen Medienschaffenden ungeachtet ihrer Berichterstattung gewährt werden. Auch diesfalls sind die Medien aufgefordert, ihre Auslagen nach Möglichkeit selbst zu bezahlen. Soweit Vergünstigungen in diesem Rahmen akzeptiert werden, ist dies gegenüber der Öffentlichkeit transparent zu machen. Der Presserat fordert den Kur- und Verkehrsverein Zermatt auf, seine Praxis aufzugeben, die Gewährung von Vergünstigungen, die Einladung zu Pressekonferenzen, die Abgabe von Presseunterlagen sowie die Erteilung von Auskünften von einer positiven Berichterstattung abhängig zu machen. Der Presserat fordert weiter alle potentiell betroffenen Medienschaffenden auf, Einsicht in die Datensammlung des Kur- und Verkehrsvereins Zermatt bzw. allenfalls die Löschung der registrierten Daten zu verlangen. Journalistinnen und Journalisten, welche Kenntnis von ähnlichen Datensammlungen und Informationspraktiken erhalten oder davon direkt betroffen werden, sind berufsethisch verpflichtet, an die Medienverbände und die Öffentlichkeit zu gelangen. Betroffene Journalistinnen und Journalisten sind berufsethisch in jedem Fall verpflichtet, auf ihr Recht auf Information zu pochen.

Eine offene Informationspolitik kann nicht auf der Bevorzugung einzelner Journalistinnen und Journalisten und der Unterdrückung kritischer Berichterstattung basieren. Längerfristig liegt es sowohl im Interesse der betroffenen Tourismusveranstalter und anderer Unternehmungen als auch der Information der Öffentlichkeit, wenn solche Versuche unterbleiben, sich mittels Vergünstigungen oder Zurückhaltung von Informationen kurzfristig eine positive Presse zu verschaffen.

Résumé

L’acceptation d’avantages n’est admise du point de vue de l’éthique professionnelle que si tous les journalistes en bénéficient, indépendamment de ce qu’ils ont écrit ou diffusé. Même dans ce cas, les médias sont invités à supporter leurs frais autant que possible. Dans la mesure où des avantages sont acceptés, l’opinion publique doit en avoir connaissance.

Le Conseil de la presse demande à l’Office du tourisme de Zermatt de renoncer à sa pratique qui consiste à faire dépendre de comptes rendus positifs l’octroi d’avantages tels que l’invitation à des conférences de presse, la remise de dossiers de presse voire la fourniture d’informations. Le Conseil de la presse demande en outre à tous les journalistes potentiellement concernés d’exiger l’accès à la banque de données de l’OTZ, de même que, cas échéant, de demander la suppression des données qu’elle contient à leur sujet. Les journalistes qui ont connaissance de l’existence de tels fichiers et de telles pratiques en matière d’information ou qui en sont directement affectés sont tenus, au nom de l’éthique professionnelle, de le faire savoir à leur organisation professionnelle ainsi qu’au public. Les journalistes concernés sont tenus, dans tous les cas, par leur déontologie, à revendiquer leur droit à l’information.

Une politique d’information ouverte ne peut se fonder sur les privilèges accordés à certains journalistes ni sur la suppression d’informations et d’émissions critiques. A long terme, il est dans l’intérêt aussi bien des organismes du tourisme concernés et d’autres entreprises que de l’information du public cessent de telles tentatives d’obtenir une couverture de presse favorable à court terme par l’octroi d’avantagesou en retenant l’information.

Riassunto

Accettare un trattamento di favore è consentito dall’etica professionale solo quando esso sia garantito a tutti i giornalisti, indipendentemente dal servizio che pubblicheranno. E anche in questi casi gli organi d’informazione sono esortati a pagare le proprie spese. Se si è stati invitati, il pubblico lo deve sapere.

Il Consiglio della Stampa esorta l’Azienda di soggiorno e di turismo (Kur-und Verkehrsverein) di Zermatt a cessare di far dipendere la concessione di favori, l’invito a conferenze stampa, la consegna di documentazione o il rilascio di informazioni dal tenore „positivo“ dei servizi pubblicati. Il Consiglio della Stampa invita tutti i giornalisti che si ritengono toccati da questa prassi a chiedere in visione la scheda che li riguarda presso la bancadati dell’Azienda, eventualmente la cancellazione delle indicazioni registrate. I giornalisti che hanno notizia di schedature o di pratiche informative di questo genere, oppure ne siano toccati direttamente, sono tenuti dall’etica professionale a denunciarle alle associazioni professionali e all’opinione pubblica. In ogni caso l’etica professionale li impegna a rivendicare il loro diritto all’informazione.

Una politica d’informazione aperta non può fondarsi sulle preferenze o la discriminazione, ignorando la libertà di critica. Rinunciare a raccogliere a breve scadenza, in termini di giudizi positivi, i frutti di una politica basata sul favore o sul disfavore può essera a lunga scadenza più pagante, tanto per i promotori turistici o le aziende interessate quanto per il pubblico.

I. Sachverhalt

A. Im November 1994 erhielt der Presserat davon Kenntnis, dass in den Computern des Kur- und Verkehrsvereins von Zermatt rund 4500 Journalistinnen und Journalisten aus aller Welt registriert sind. Gemäss dem Kurdirektor Amadé Perrig hat Zermatt diese Datensammlung im Verlauf der letzten Jahre angelegt, weil die Medien und damit die Medienschaffenden für das Marketing von Zermatt immer mehr Bedeutung gewonnen haben. So habe eine Studie ergeben, dass 22% der neuen Gäste auf Grund von Presseberichten nach Zermatt kämen. Aufgrund dieses hohen Werts habe Zermatt seine Datensammlung aufgebaut, um die Medienschaffenden möglichst optimal betreuen zu können.

Heute würden dem Kurverein Zermatt jährlich 75’000 Franken für die Betreuung der Medien zur Verfügung stehen. Dieses Geld werde für Pressekonferenzen und für die Betreuung der Medienschaffenden vor Ort gebraucht. Diese richtet sich laut Kurdirektor Perrig nach der Bedeutung der einzelnen Medienschaffenden wie des Mediums, für welche diese tätig seien sowie den bisher gemachten Erfahrungen. Die Betreuung reiche von der einfachen Unterstützung bei der Beschaffung von Informationen bis hin zur Übernahme fast aller Kosten, die den Medienschaffenden in Zermatt anfallen. Dazwischen gebe es viele Abstufungen. Bei den einen übernehme man nur die Kosten für die verschiedenen Bahnbetriebe oder Tageskarten, bei anderen kämen auch die Übernachtungskosten dazu. Manchmal übernehme man auch die Kosten für Helikopterflüge oder für Bergführer. Dazu könnten Einladungen für Abendessen und auch kleinere Geschenke im Wert von 30 bis 40 Franken kommen. Die meisten Journalisten würden diese „Unterstützung“ ohne weiteres akzeptieren. Allerdings gebe es auch Journalistinnen und Journalisten sowie Medien, z.B. die „New York Times“, die alles selber bezahlten.

Bei der ersten Kontaktnahme mit einer Journalistin oder einem Journalisten würden vorerst einmal die Stammdaten in der Datensammlung registriert. Dazu gehörten Name, Adresse sowie das Medium für welcher er oder sie tätig sei. Mit der Zeit könnten weitere Daten hinzukommen, so z.B. das Fachgebiet (Tourismus, Wirtschaft, Bergsport, seine Spezialitäten), und ob er oder sie frei oder angestellt ist. Weitere Daten (Übernachtungsort, Form der Betreuung, Vorlieben, Hobbies usw.) würden dann gesammelt, wenn sich Medienschaffende in Zermatt aufhielten. Dies mit dem Ziel diese beim nächsten Mal noch besser betreuen zu können.

Weiter werde auch die Berichterstattung überprüft, in die Datensammlung aufgenommen bzw. dort zusammengefasst und benotet. Laut Kurdirektor Perrig gibt es Noten zwischen 1 und 5. Eine 1 stehe für einen Bericht, der sowohl sehr gut verfasst sei als auch die Station in ein sehr gutes Licht rücke. Eine 5 stehe im Gegensatz dazu für einen Bericht, der nur Negatives über die Station bringe. Dazwischen gebe es alle Abstufungen. Registriert und schlecht benotet würden auch Medienschaffende, die zwar die angebotenen Dienstleistungen geniessen, in der Folge jedoch nichts publizieren. Mit den schlecht benoteten Journalistinnen und Journalisten nehme man Kontakt auf, um zu eruieren, warum sie oder er nichts oder nur negatives über Zermatt berichtet haben. Die Resultate dieser Gespräche würden ihrerseits wiederum registriert.

Die Benotung sei entscheidend dafür, ob Medienschaffende in Zukunft weiterhin oder nicht mehr betreut würden. Wenn sich eine Journalistin oder ein Journalist beim Kur- und Verkehrsverein Zermatt melde, werde zu erst einmal die Datensammlung zu Rate gezogen. Je nach den registrierten Daten falle dann die Betreuung aus, bei der laut Amadé Perrig versucht wird, die Medienschaffenden z.B. unter Berücksichtigung von deren Vorlieben (z.B. Essgewohnheiten usw.) positiv auf Zermatt einzustimmen. Medienschaffende mit Note 5 würden nicht mehr betreut. Für diese würden nicht nur die verschiedenen Annehmlichkeiten wegfallen, vielmehr erhielten sie generell keine Informationen und würden auch nicht mehr zu Pressekonferenzen eingeladen.

Grundsätzlich hätten nur ausgewählte und berechtigte Angestellte des Kur- und Verkehrsvereins Zermatt Zugang zur Datensammlung. Diese werde nicht zuletzt aus wirtschaftlichen Erwägungen und aus Konkurrenzgründen auch nicht anderen Stationen integral zur Verfügung gestellt. Dagegen werden laut Kurdirektor Perrig Einzelauskünfte sowohl an Hotels und Restaurants vor Ort, an die Air Zermatt etc. wie auch an andere Stationen erteilt. Diese Aus-künfte könnten auch die bisher mit einzelnen Medienschaffenden gemachten Erfahrungen beinhalten.

Für Amadé Perrig ist die Anlegung der Datensammlung und deren Verwendung durch die Notwendigkeit gerechtfertigt, über Informationen über Medienschaffende zu verfügen, da es viele Medienschaffenden gebe, welche die Dienstleistungen ohne Gegenleistung missbrauchen würden.

B. Nach Kenntnisnahme dieses Sachverhalts beschloss der Presserat, den Fall von sich aus aufzugreifen und der 3. Kammer, zusammengesetzt aus dem Kammerpräsidenten R. Eyer, D. Barrelet, D. Fornaciarini, A. Kälin, M.-Th. Larcher, und Ch. Schwarz, zur Behandlung zu überweisen. Weiter beschloss der Presserat, den Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten um eine Beurteilung des Sachverhalts aus datenschutzrechtlicher Sicht zu ersuchen.

C. Angesichts der Wichtigkeit der gemachten Feststellungen beschloss der Presserat zudem, den unter A. wiedergegebenen und von Amadé Perrig bestätigten Sachverhalt an seiner Jahrespressekonferenz vom 10. Februar 1995 vorab öffentlich zu machen. Der Bericht der Presserates löste ein breites Medienecho aus.

D. Mit Schreiben vom 26. April 1995 nahm der Eidg. Datenschutzbeauftragte Odilo Guntern zusammengefasst wie folgt Stellung:

Der Kur- und Verkehrsverein Zermatt unterliege als privatrechtlicher Verein dem Bundesgesetz über Datenschutz (DSG). Im vorliegenden Fall sei in Anwendung von Art. 29 DSG eine Abklärung des Datenschutzbeauftragten notwendig gewesen, um festzustellen, ob die Bearbeitung die Persönlichkeit einer grösseren Anzahl von Personen verletzen kann und ob die Datensammlung meldepflichtig ist. Die Abklärungen des Datenschutzbeauftragten bestätigten, dass der Kur- und Verkehrsverein Zermatt eine Datenbank führt, in der u.a. Daten über ca. 4500 Journalisten enthalten sind. Die Datensammlung sei in vier Bereiche gegliedert: Stammdaten, Aufenthalt, Presse, Verwaltung. Bezüglich des Inhalts der Datenbank wird der vom Presserat oben unter A. festgehaltene Sachverhalt im wesentlichen bestätigt. Entgegen dem Presserat würden sich die gespeicherten Angaben jedoch ausschliesslich auf die journalistische Arbeit während des Aufenthaltes in Zermatt und nicht auf private Vorlieben, Freizeitaktivitäten, Weltanschauungen etc. beziehen. Die vorgenommene Benotung, welche nicht systematisch für jeden Artikel erfolge, beziehe sich in erster Linie auf die Relevanz des Artikels für den Kurort und nicht auf positive oder negative Äusserungen. Beurteilt werde der Artikel und nicht der Journalist als Person.

Die ursprünglich für den Kurverein Zermatt selbst erstellte und später im Rahmen des Projektes „Kommunikationsmodellgemeinden“ weiterentwickelte Software sei bei mehreren Kurvereinen im Einsatz. Die Software sei lediglich von fünf Terminals in den Büros des Kurvereins nutzbar. Die Benutzer identifizierten sich mit User-ID und Passwort. Jeder Benutzer gebe nach einer Änderung sein Kurzzeichen ein. Die Daten würden regelmässig auf Datenträger gesichert und sicher verwahrt. Jede Person erhalte auf Anfrage Auskunft über die über sie bearbeiteten Daten. Dazu erhalte sie einen Ausdruck auf Papier aller sie betreffenden Daten. Sie könne diese gegebenenfalls berichtigen lassen oder die Bearbeitung untersagen. Dagegen würden die Daten nicht an Dritte weitergegeben. Die Aktualität und Richtigkeit der Daten sei schwierig zu gewährleisten. Alte, nicht mehr relevante Daten würden z.B. nicht systematisch gelöscht.

In seinen rechtlichen Erwägungen hält der Datenschutzbeauftragte u.a. fest, der Kurverein Zermatt habe ein privates Interesse daran, einen Nutzen aus den Informationen über die Medienschaffenden zu ziehen, mit denen er in Kontakt tritt. Zudem bestehe ein öffentliches Interesse, das Image von Zermatt in der Öffentlichkeit zu fördern. Unter Berücksichtigung der allgemeinen Bearbeitungsgrundsätze berechtigen dieses Interessen laut dem Datenschutzbeauftragten grundsätzlich eine Datenbearbeitung, wie sie vom Kur- und Verkehrsverein Zermatt durchgeführt werde.

Die Rechtmässigkeit sei auch selbst dann zu bejahen, wenn die Journalistinnen und Journalisten nicht unbedingt die Gesamtheit der sie betreffenden Daten kennen würden. Sie hätten zumindest Kenntnis von einer Bearbeitung und könnten jederzeit das Auskunftsrecht geltend machen. In der Datensammlung würden lediglich diejenigen Medienschaffenden aufgenommen, die mit dem Kur- und Verkehrsverein in Kontakt treten. Für Medien-schaffende bestehe keinerlei Verpflichtung , sich an den Kur- und Verkehrs-verein zu wenden. Im Gegensatz zu den Aussagen des Presserates habe der Datenschutzbeauftragte keine Anhaltspunkte für die Existenz einer schwarzen Liste von Medienschaffenden gefunden. Gemäss Art. 5 DSG müssten Daten von Medienschaffenden, die keinen direkten Kontakt mehr mit Zermatt haben, nach spätestens fünf Jahren gelöscht werden.

Der Datenkatalog enthalte nach den gemachten Feststellungen keine besonders schützenswerten Daten und stelle, was Inhalt und Art und Weise der Datenbearbeitung betreffe, kein Persönlichkeitsprofil i.S. von Art. 3 lit. d DSG dar, was aber nicht heisse, dass die Entstehung von Persönlichkeitsprofilen vom System her unmöglich wäre. Unter diesen Umständen und da die Daten insbesondere auch nicht an Dritte weitergegeben würden, müsse die Daten-sammlung gemäss Art. 11 Abs. 3 DSG nicht angemeldet werden. Es wäre laut dem Eidg. Datenschutzbeauftragten aber wünschbar, wenn die betroffenen Journalistinnen und Journalisten explizit über die Existenz der Daten-sammlung orientiert würden und dabei auf das Auskunftsrecht hingewiesen würden.

II. Erwägungen

1. Es ist nicht Aufgabe des Presserates, die datenschutzrechtlichen Erwägungen des Datenschutzbeauftragten zu beurteilen. Dessen ungeachtet, dass die vom Kur- und Verkehrsverein Zermatt geführte Journalistendatei aus Sicht des Eidg. Datenschutzbeauftragten keine datenschutzrechtlichen Bedenken erweckt, hat der Presserat jedoch zu prüfen, inwiefern durch die Sammlung der Daten, deren Handhabung wie auch durch die Gewährung von Vergünstigungen die journalistische Berufsethik berührt wird.

Bezüglich des von diesem festgestellten Sachverhaltes hält der Presserat daran fest, dass er entgegen den Ausführungen des Datenschutzbeauftragten nie von einer eigentlichen „Schwarzen Liste“ sondern lediglich von einer Benotung der Journalistinnen und Journalisten gesprochen hat. Weiter ist daran festzuhalten, dass entgegen dem Bericht des Eidg. Datenschutzbeauftragten die vom Kur- und Verkehrsverein Zermatt gesammelten Daten zwar nicht integral herausgegeben werden, Einzelauskünfte auf Anfrage dagegen durchaus an Dritte erteilt werden. Letzteres wurde von Kurdirektor Perrig gegenüber dem Presserat ausdrücklich bestätigt. Soweit der Eidg. Datenschutz-beauftragte schliesslich zum Schluss gelangt, die betroffenen Medien-schaffenden hätten Kenntnis von der Zermatter Journalistendatei, ist an folgendes zu erinnern: Falls das Bestehen dieser Datei nicht zufälligerweise einem Mitglied des Presserates zu Ohren gekommen wäre, hätte heute wohl keine einzige Journalistin bzw. kein einziger Journalist Kenntnis davon.

2. Aus Sicht des Presserates werden von der Art und Weise, wie Zermatt die Journalisten betreut, vor allem zwei berufsethische Aspekte tangiert:

a) Der Umgang Vergünstigungen und Geschenken;

b) Der Anspruch auf freien Zugang zu allen Informationsquellen.

3. Gemäss Ziff. 8 der „Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten“ dürfen diese weder Vorteile noch Versprechungen annehmen, welche geeignet sind, ihre berufliche Unabhängigkeit und persönliche Meinungsäusserungsfreiheit einzuschränken.

4. Der Presserat hat sich in den vergangenen Jahren mehrmals zu dieser Problematik geäussert, so in seiner Stellungnahme zu den ethischen Normen und Regeln der „Washington Post“ (vgl. Sammlung der Stellungnahmen 1989/90, S. 41ff.) sowie zuletzt ausführlich in seinen Stellungnahmen i.S. abhängiger Wirtschaftsjournalismus (vgl. Sammlung der Stellungnahmen des Presserates 1992 S. 12ff.) und zu Problemen des Reise-, Auto- und Sportjournalismus (vgl. Sammlung der Stellungnahmen des Presserates 1992 S. 50ff.).

5. In seiner Stellungnahme zu den ethischen Normen und Regeln der „Washington Post“ hielt der Presserat fest, dass Vergünstigungen, die dem Berufsstand als Ganzes zugestanden werden, keine grundsätzliche Gefährdung der Unabhängigkeit darstellen. Gastgeschenke könnten zwar nicht immer zurückgewiesen werden. Sie müssten aber dann abgelehnt werden, wenn sie geeignet sind, die berufliche Unabhängigkeit und die Meinungsäusserungsfreiheit einzuschränken. Als Kriterium für den Entscheid über die Annahme oder Ablehnung eines Geschenkes empfahl der Presserat den Medien-schaffenden, sich folgende Frage zu stellen: Würden sie es wagen, die Öffentlichkeit darüber zu informieren? Vorteile wie Einladungen, das Zurverfügungstellen von Fahrzeugen und ähnliche Leistungen, die bestimmten spezialisierten Ressorts zugestanden werden, könnten das Ansehen einer Publikation wie auch dasjenige ihrer Mitarbeiter beeinträchtigen. Wenn solche Vorteile nicht zurückgewiesen werden könnten, müssten sie innerhalb des Medienunternehmens wie auch gegenüber der Öffentlichkeit offengelegt werden. Wer Vorteile gewähre, müsse zudem dahingehend informiert werden, dass derjenige, der sie entgegennehme, damit keinerlei Verpflichtungen eingehe.

6. In seiner Stellungnahme i.S. abhängiger Wirtschaftsjournalismus forderte der Presserat die Medienschaffenden auf, ihnen von Veranstaltern individuell und exklusiv als Geschenk angebotene Leistungen (wie Reisen, Benützung eines Autos, Sportartikel, Wertpapiere, Kunstgegenstände, Schmuck, Bargeld, Schecks) abzulehnen. Dagegen erachtete es der Presserat als akzeptabel, wenn Vergünstigungen an ganze Gruppen von Journalistinnen und Journalisten gewährt werden, sofern diese nicht mit Bedingungen verknüpft sind und die Berichterstattung frei bleibt. Nach Möglichkeit sollten sich die Medien-unternehmen jedoch zumindest an den Kosten beteiligen und in der Berichterstattung sei darauf hinzuweisen, was vom Veranstalter bezahlt wurde.

Die Veranstalter von „Medienereignissen“ wurden ihrerseits vom Presserat aufgefordert, Richtlinien über die Beziehungen zu den Massenmedien zu erlassen. Darin wäre insbesondere zu stipulieren, dass auf Vorinformationen und Spezialbehandlungen für einzelne Medien verzichtet wird, dass an Pressekonferenzen keine Geschenke abgegeben werden und dass Medienschaffende auf Reisen und bei Besichtigungen das Recht haben, über den Anlass gar nicht oder sehr kritisch zu berichten.

7. In seiner Stellungnahme zu Problemen des Reise-, Auto- und Sportjournalismus hielt der Presserat insbesondere fest, die Tourismusredaktionen sollten Reisen aufgrund von Fähigkeiten und nicht als Belohnung für andere Verdienste an Redaktionsmitglieder und freie Medienschaffende vergeben. Medienschaffende, die für Tourismusredaktionen arbeiten, sollen das zur Debatte stehende touristische Angebot nach einem Kriterienkatalog der Redaktion kritisch überprüfen. Die Redaktionen sollten ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entsprechend ausbilden. Sie sollten den Veranstaltern gegenüber klar zum Ausdruck bringen, dass Einladungen nicht zu lobhudelnden Berichten verpflichten können. Kleinere Medien sollten sich zusammentun, damit sie ausgewiesene freie Touristikjournalistinnen und -journalisten beschäftigen und sich an den Reisekosten angemessen beteiligen könnten. Immer dann, wenn Medienschaffende auf Kosten der Veranstalter unterwegs waren, sollten sie darüber informieren.

8. Aus dem vom Zermatter Kurdirektor bestätigten Sachverhalt ergibt sich, dass zumindest ein Teil der Vergünstigungen, welche den Journalistinnen und Journalisten in Zermatt gewährt werden, individueller und exklusiver Natur sind. Soweit Medienschaffenden Vergünstigungen wie ein unentgeltlicher Bergführer, Gratisflüge per Helikopter, ein verlängerter Gratisaufenthalt u.ä. angeboten werden, müssen diese Angebote deshalb aus berufsethischen Erwägungen abgelehnt werden. Für kleinere Geschenke gilt nach wie vor die Faustregel, dass diese nur dann angenommen werden dürfen, wenn ihre Entgegennahme aus Sicht der Öffentlichkeit keinerlei Beeinträchtigung der Unabhängigkeit der Journalistinnen und Journalisten befürchten lässt.

9. Im übrigen hält der Presserat an seiner bisherigen Praxis fest, dass Vergünstigungen aus berufsethischer Sicht nur dann akzeptabel sind, wenn sie allen Medienschaffenden ungeachtet einer posititiven oder kritischen Berichterstattung gewährt werden. Diese Voraussetzung war nach den Ausführungen von Kurdirektor Perrig in Zermatt jedenfalls bisher nicht gegeben, da die Gewährung der Vergünstigungen, die der Verkehrsverein Zermatt den Medienschaffenden anbietet, von der guten Benotung der über Zermatt veröffentlichten Artikel und von der Wichtigkeit des Mediums abhängig gemacht wird. Medienschaffende, die negativ oder gar nicht über Zermatt berichten, erhalten keine Vergünstigungen mehr. Unter diesen Umständen, kann von einer gleichmässigen Gewährung dieser Vergünstigungen keine Rede sein, weshalb diese aus berufsethischen Erwägungen zumindest so lange abgelehnt werden müssen, als der Kur- und Verkehrsverein Zermatt an seiner heutigen Praxis festhält.

10. Der zweite vom Presserat näher zu prüfende Gesichtspunkt betrifft den Anspruch auf freien Zugang zu allen Informationsquellen. Damit die Journalistinnen und Journalisten die von ihnen übernommenen Pflichten erfüllen können, müssen sie zumindest die in der „Erklärung der Rechte der Journalistinnen und Journalisten“ aufgeführten Rechte beanspruchen können. Gemäss Buchstabe a) der „Erklärung der Rechte“ haben die Journalistinnen und Journalisten freien Zugang zu allen Informationsquellen und die Freiheit zur unbehinderten Ermittlung aller Tatsachen, die von öffentlichem Interesse sind. Nach Ziff. 2 der „Erklärung der Pflichten“ haben sie die Freiheit der Information, die sich daraus ergebenden Rechte, die Freiheit des Kommentars und der Kritik sowie die Unabhängigkeit und das Ansehen ihres Berufes zu verteidigen. Der Presserat hat deshalb zu prüfen, ob durch die Datei bzw. deren Handhabung der Zugang zu allen Informationsquellen und Tatsachen von öffentlichem Interesse beinträchtigt wird. Falls dies zu bejahen ist, ist weiter zu prüfen, welches Verhalten diesfalls die Berufsethik von den Journalistinnen und Journalisten fordert.

11. Das legitime Interesse des Kur- und Verkehrsvereins Zermatt, das Image von Zermatt in der Öffentlichkeit zu fördern, gerät spätestens dann mit der Berufsethik der Medienschaffenden diametral in Widerspruch, wenn die Datensammlung darüber hinaus dazu verwendet wird, negative und kritische Medienberichte über Zermatt nach Möglichkeit dadurch zu unterdrücken, dass missliebige Journalistinnen und Journalisten nicht mehr zu Presse-konferenzen eingeladen werden und ihnen generell jegliche Auskünfte und Informationen verweigert werden. Diesen Sachverhalt bestätigte der Kur-direktor von Zermatt nicht nur anfangs dieses Jahres gegenüber dem Presserat, sondern auch an einem öffentlichen Podiumsgespräch im Rahmen der Oberwalliser Gewerbeausstellung (OGA) in Brig im September 1994. Medienschaffende, die durch den Kur- und Verkehrsverein entsprechend behandelt werden, sind nicht in der Lage, ihrem journalistischen Auftrag nachzukommen. Der Presserat fordert den Kur- und Verkehrsverein deshalb auf, diesen Informationsboykott gegenüber missliebigen Journalistinnen und Journalisten unverzüglich aufzuheben. Betroffene Journalistinnen und Journalisten sind berufsethisch verpflichtet, auf ihr Recht auf Information zu pochen. Direkt betroffene Medienschaffende wie auch solche, die von einem entsprechenden Boykott Kenntnis erlangen, sind darüber hinaus berufsethisch verpflichtet, diesen Umstand sowohl den Medienverbänden als auch der Öffentlichkeit umgehend bekanntzugeben.

12. Aus berufsethischer Sicht sind die Medienschaffenden, wie bereits ausgeführt, berechtigt, sämtliche zugänglichen Quellen zu nutzen. Dazu gehört bei einer Reportage über einen Fremdenverkehrsort gerade auch die Einholung von Auskünften beim örtlichen Kur- und Verkehrsverein. Aus der Tatsache, dass eine Journalistin oder ein Journalist beim Kur- und Verkehrsverein Informationen einholt, kann deshalb keinesfalls ein Einverständnis mit einer sich daraus ergebenden sehr weit gehenden Registrierung abgeleitet werden.

13. Der Presserat fordert Journalistinnen und Journalisten, welche in den letzten Jahren mit dem Kur- und Verkehrsverein Zermatt in Kontakt getreten sind, auf, Einsicht in die Datensammlung bzw. allenfalls die Löschung der registrierten Daten zu verlangen. Im Sinne einer offenen Informationspolitik wäre es darüber hinaus wünschbar, wenn der Kur- und Verkehrsverein Zermatt die betroffenen Medienschaffenden nicht nur über das Bestehen eines Eintrags informieren, sondern diesen den sie betreffenden Auszug zustellen wie auch die Löschung von Daten mitteilen würde.

14. Gemäss den Abklärungen des Eidg. Datenschutzbeauftragten ist die vom Kur- und Verkehrsverein Zermatt für die Journalistendatei verwendete Software auch in anderen Tourismusstationen vorhanden. Damit muss der Presserat davon ausgehen, dass solche und ähnliche Dateien auch in anderen Tourismusstationen oder Organisationen verwendet werden. Journalistinnen und Journalisten welche Kenntnis von ähnlichen Datensammlungen und Informationspraktiken erhalten oder davon direkt betroffen werden, sind berufsethisch verpflichtet, an die Medienverbände und die Öffentlichkeit zu gelangen. Der Presserat fordert zudem auch diese Tourismusstationen und Veranstalter auf, die Medienschaffenden von sich aus über das Bestehen entsprechender Datensammlungen zu orientieren und den registrierten Journalistinnen und Journalisten den sie betreffenden Auszug zukommen zu lassen.

III. Feststellungen

Aus diesen Gründen hält der Presserat fest:

1. Vergünstigungen, wie sie Journalistinnen und Journalisten durch den Kur- und Verkehrsverein Zermatt gewährt werden, sind abzulehnen, soweit sie individueller und exklusiver Natur sind. Solche Vergünstigungen sind geeignet, die Medienschaffenden in ihrer beruflichen Unabhängigkeit und Meinungsäusserungsfreiheit einzuschränken. Kleinere Geschenke dürfen nur dann angenommen werden, wenn deren Entgegennahme aus Sicht der Öffentlichkeit keinerlei Beeinträchtigung der Unabhängigkeit der Journalistinnen und Journalisten befürchten lässt.

2. Die Annahme von weitergehenden Vergünstigungen ist aus berufsethischer Sicht nur dann akzeptabel, wenn sie allen Medienschaffenden ungeachtet ihrer Berichterstattung gewährt werden. Auch diesfalls sind die Medien aufgefordert, ihre Auslagen nach Möglichkeit selbst zu bezahlen. Soweit Vergünstigungen in diesem Rahmen akzeptiert werden, ist dies gegenüber der Öffentlichkeit transparent zu machen.

3. Der Presserat fordert den Kur- und Verkehrsverein Zermatt auf, seine Praxis aufzugeben, die Gewährung von Vergünstigungen, die Einladung zu Pressekonferenzen, die Abgabe von Presseunterlagen sowie die Erteilung von Auskünften von einer positiven Berichterstattung abhängig zu machen.

4. Der Presserat fordert alle potentiell betroffenen Medienschaffenden auf, Einsicht in die Datensammlung des Kur- und Verkehrsvereins Zermatt bzw. allenfalls die Löschung der registrierten Daten zu verlangen. Darüber hinaus wäre es wünschbar, wenn der Kur- und Verkehrsverein Zermatt sowie weitere Tourismusstationen und Veranstalter, die über eine vergleichbare Journalistendatei verfügen, die darin registrierten Journalistinnen und Journalisten informieren und ihnen den sie betreffenden Auszug zukommen lassen würden.

5. Journalistinnen und Journalisten, welche Kenntnis von ähnlichen Daten-sammlungen und Informationspraktiken erhalten oder davon direkt betroffen werden, sind berufsethisch verpflichtet, an die Medienverbände und die Öffentlichkeit zu gelangen. Betroffene Journalistinnen und Journalisten sind berufsethisch in jedem Fall verpflichtet, auf ihr Recht auf Information zu pochen.

6. Eine offene Informationspolitik kann nicht auf der Bevorzugung einzelner Journalistinnen und Journalisten und der Unterdrückung kritischer Berichterstattung basieren. Längerfristig liegt es sowohl im Interesse der betroffenen Tourismusveranstalter und anderer Unternehmungen als auch der Information der Öffentlichkeit, wenn solche Versuche unterbleiben, sich mittels Vergünstigungen oder Zurückhaltung von Informationen kurzfristig eine positive Presse zu verschaffen.