Nr. 14/2005
Versand eines Medienberichts per E-Mail / Zuständigkeit

(X. AG c. «K-Tipp») Stellungnahme des Presserates vom 8. April 2005

Drucken

I. Sachverhalt

A. Am 11. Februar 1998 berichtete die Konsumentenzeitschrift «K-Tipp» unter dem Titel «X.-Reise ins Abseits» über ein Verfahren vor dem Bezirksgericht Bülach. Darin sei der Geschäftsführer der X. AG für Verstösse gegen das Wettbewerbsgesetz (UWG) mit einer Busse von 8000 Franken bestraft worden. Dagegen werde der Verurteilte Berufung einlegen.

B. Am 11. März 1998 druckte «K-Tipp» eine Gegendarstellung der X. AG ab. Die Firma wies u.a. darauf hin, dass ihr Geschäftsführer entgegen dem Eindruck des Berichts vom 11. Februar 1998 in einem Anklagepunkt freigesprochen worden sei.

C. Am 7. September 2004 gelangte die anwaltlich vertretene X. AG mit einer Beschwerde an den Presserat. Nach Abdruck der Gegendarstellung zum «K-Tipp»-Artikel habe die Konsumenteninfo AG (Herausgeberin von «K-Tipp») im Dezember 1998 bestätigt, dass sämtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Administration und der Redaktionen die Weisung hätten, bei jeder (schriftlichen oder mündlichen) Auskunft zum Artikel vom 11. Februar 1998 auch die dazugehörige Gegendarstellung an Anfragende herauszugeben.

Im August 2004 habe sich ein Geschäftspartner der X. AG beim «K-Tipp» telefonisch über diese erkundigt. «Die Mitarbeiterin des ÐK-Tippð riet anlässlich dieses Telefongesprächs ausdrücklich von einer Reise mit der Beschwerdeführerin ab und stellte dem Anrufenden zur Illustration ihrer Einschätzung unverzüglich per E-Mail den diffamierenden Artikel aus dem Jahre 1998 zu. Sie unterliess es, die dazugehörige Gegendarstellung mitzuschicken und wies auch nicht darauf hin, dass eine Gegendarstellung veröffentlicht worden war.» Mit diesem Verhalten habe «K-Tipp» gegen das berufsethische Fairnessprinzip verstossen und wesentliche Informationselemente unterschlagen.

D. Gemäss Art. 9 Abs. 3 des Geschäftsreglements des Schweizer Presserates sind offensichtlich unbegründete Beschwerden durch das Presseratspräsidium zurückzuweisen. Dasselbe gilt für Beschwerden, bei denen die Zuständigkeit des Schweizer Presserates offensichtlich zu verneinen ist.

E. Das Presseratspräsidium bestehend aus dem Presseratspräsidenten Peter Studer und der Vizepräsidentin Sylvie Arsever hat die vorliegende Stellungnahme per 8. April 2005 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet. Vizepräsidentin Esther Diener-Morscher (freie Mitarbeiterin des «K-Tipp») trat bei der Behandlung in den Ausstand.

II. Erwägungen

1. Gemäss Art. 1 Abs. 4 seines Geschäftsreglements erstreckt sich die Zuständigkeit des Presserates auf den redaktionellen Teil oder damit zusammenhängende berufsethische Fragen sämtlicher öffentlicher, periodischer und / oder auf die Aktualität bezogener Medien.

2. Ausgehend vom Beschwerdegegenstand ist zu prüfen, ob bei der Herausgabe eines vor einigen Jahren veröffentlichten Medienberichts an Dritte ohne die zugehörige Gegendarstellung überhaupt ein genügender Anknüpfungspunkt zur publizistischen Tätigkeit der Redaktion der Beschwerdegegnerin zu bejahen ist.

3. Der Presserat hat in der Stellungnahme 8/2001 festgehalten, dass sich die «Erklärung» in erster Linie auf die Recherche und Veröffentlichung von Informationen zu Handen des Publikums bezieht, weshalb er sich bei der Beurteilung redaktionsinterner Vorgänge zurückhält. In der Stellungnahme 34/2001 i.S. M. c. Edipresse hat der Presserat diesen Grundsatz verdeutlicht und ausgeführt, er äussere sich ausnahmsweise dann zu redaktionsinternen Vorgängen, wenn zumindest ein unmittelbarer Bezug zu einem veröffentlichten Medienbericht besteht. In der Stellungnahme 46/2003 hat er einen derartigen Bezug verneint. Eine Redaktorin hatte ein sich auf einen zuvor veröffentlichten Medienbericht beziehendes E-Mail eines Lesers an Dritte weitergeleitet: «Die Zuständigkeit des Presserates erstreckt sich auf die Behandlung und Bearbeitung von Leserbriefen, nicht jedoch auf sämtliche interne und externe Korrespondenzen einer Reaktion. Das vom Beschwerdeführer gerügte Verhalten der Redaktorin wäre dementsprechend gegebenenfalls unter individualethischen Gesichtspunkten zu werten. Diese aber liegen ausserhalb der Berufsethik der Medienschaffenden, wie sie der Presserat versteht und in seiner Praxis anwendet.»

4. Die Beschwerdeführerin führt zur Begründung der Zuständigkeit des Presserates an, dieser habe festgehalten, dass er sich mit sämtlichen journalistisch bearbeiteten Medieninhalten befasse, unabhängig von ihrer Verbreitungsform (Stellungnahme 36/2000). Aus diesem Grund habe er sich auch mit dem vorliegenden Fall zu befassen. Die Verletzung der «Erklärung» sei diesfalls nicht durch die Verbreitung eines Medienberichtes durch eine Zeitschrift, sondern durch den Telefon- und E-Mail-Dienst des «K-Tipp» erfolgt. «Wer einen Artikel, auf den eine Gegendarstellung ergangen ist, über einen Telefon- und / oder E-Mail-Dienst auf Anfrage abgibt, ist verpflichtet, auch die zum Artikel dazugehörige Gegendarstellung mitzuliefern. Ob der Empfänger den Artikel selbstständig in einem Archiv online abruft oder über einen Telefon- und / oder E-Mail-Dienst bestellt, spielt keine Rolle.»

5. Der Presserat ist in der Stellungnahme 46/2001 zum Schluss gelangt, eine Berichtigung oder Gegendarstellung zu einem in der Printausgabe eines Mediums erschienenen Artikel sei jedenfalls dann online zu publizieren (und in geeigneter Form zu verknüpfen), wenn auch der Hauptartikel online veröffentlicht wird. Ausgehend von diesem Grundsatz ist die Forderung der Beschwerdeführerin für den Presserat nachvollziehbar, wonach eine Gegendarstellung nicht nur online, sondern auch bei Aushändigung eines Artikels per E-Mail oder per herkömmlicher Post mitzuliefern sei. Zumal dies «K-Tipp» im konkreten Fall offenbar ausdrücklich zugesichert hatte.

6. Dennoch tritt der Presserat nicht auf die Beschwerde ein, weil er andernfalls seine Zuständigkeit allzu weit ausdehnen würde. Die individuelle Abgabe eines Medienberichts an Dritte – sei es per E-Mail oder anderswie – gehört nicht zur journalistischen, publizistischen Tätigkeit, die den Gegenstand der berufsethischen Normen bildet und kann deshalb nicht mit der sich an unbestimmt viele Personen richtenden Veröffentlichung in einem journalistisch bearbeiteten Online-Archiv gleichgestellt werden. Ähnlich wie bei dem der oben erwähnten Stellungnahme 46/2003 zugrundeliegenden Sachverhalt wäre das Verhalten des «K-Tipp» allenfalls individualethisch oder rechtlich nach dem Vertrauensprinzip zu beanstanden, nicht jedoch auf der Grundlage der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten», die sich auf die Massenkommuikation und nicht auf die individuelle Kommunikation bezieht.

III. Feststellungen

1. Der Presserat tritt nicht auf die Beschwerde ein.

2. Die individuelle Abgabe eines Medienberichts an Dritte – sei es per E-Mail oder anderswie – gehört nicht zur journalistischen, publizistischen Tätigkeit, die den Gegenstand der berufsethischen Normen bildet. Sie ist deshalb nicht mit der sich an unbestimmt viele Personen richtenden Veröffentlichung in einem journalistisch bearbeiteten Online-Archiv gleichzustellen.