Nr. 16/2004
Stellungnahme 16/2004 i.S. Pressefreiheit / Verbot verlegerischer Einzelweisungen

(Sommer c. AZ-Fachverlage AG) vom 26. März 2004

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I. Sachverhalt

A. Bis im Herbst 2003 gab die AZ-Fachverlage AG im Auftrag der Vereinigung Schweizerischer Sanitär- und Heizungsfachleute (VSSH) die Zeitschrift «Installateur» heraus. An seiner Sitzung vom 22. September 2003 entschied der Branchenverband, ein eigenes Medienunternehmen zu gründen und den bisherigen Verlagsvertrag zu kündigen.

B. Nach dem Beschluss zum Verlegerwechsel schickte der Chefredaktor des «Installateurs», Daniel Sommer, dem Verlag ein Editorial und ein Interview mit dem VSSH-Präsidenten («Die Zukunft selber in die Hand nehmen») für die nächste Ausgabe der Zeitschrift. Die AZ-Fachverlage AG erklärte sich erst zum Abdruck bereit, nachdem sie vorwiegend am Interview Änderungen und Kürzungen vorgenommen hatte. Dies wiederum akzeptierten der Chefredaktor Daniel Sommer und der interviewte Verbandspräsident nur unter der Voraussetzung, dass die Bearbeitung gegenüber dem Leser transparent gemacht würde. Eine solche Kennzeichnung fehlte dann jedoch bei der Publikation in der Ausgabe 10/2003 des «Installateurs».

C. Daniel Sommer legte deshalb am 27. Oktober 2003 mit Nachtrag vom 11. November 2003 beim Presserat gegen die AZ-Fachverlage AG Beschwerde ein. Er beantragte sinngemäss die Feststellung, die Beschwerdegegnerin habe mit ihrem Verhalten die Ziffern 2 (Freiheit von Information und Kommentar) und 11 (Grenzen der Befolgung von Weisungen) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verletzt. Neben der Abänderung des Editorials des Beschwerdeführers und des Interviews mit dem Präsidenten der Vereinigung Schweizerischer Sanitär- und Heizungsfachleute (VSSH) habe die Beschwerdegegnerin auch ein Editorial eines anderen Journalisten, nämlich des Chefredaktors der Fachzeitschrift «BATItech», des Westschweizer Pendants des «Installateurs», ohne Wissen des Beschwerdeführers abgedruckt. Dieses Editorial habe zudem unzutreffende Behauptungen enthalten.

D. Die Beschwerdegegnerin beantragte am 8. Dezember 2003, dass der Presserat mangels Zuständigkeit auf die Beschwerde nicht eintrete, weil die Beschwerdegegnerin als Verlag nicht der «Erklärung» unterstehe. Weder sei eine Frage der journalistischen Berufsethik betroffen, noch stehe die Presse- und Meinungsäusserungsfreiheit zur Diskussion. Die fraglichen Äusserungen seien ausserhalb des redaktionellen Teils der vom Beschwerdeführer betreuten Publikation veröffentlicht worden. Im Übrigen wäre die Beschwerde materiell abzuweisen.

E. Das Präsidium des Presserates wies die Beschwerde zur Behandlung an die erste Kammer. Diese setzt sich zusammen aus Peter Studer (Kammerpräsident), Franco Ballabio, Luisa Ghiringhelli, Pia Horlacher, Philip Kübler, Katharina Lüthi und Edy Salmina. Die Kammer behandelte die Beschwerde an ihrer Sitzung vom 26. März 2004 sowie auf dem Korrespondenzweg.

II. Erwägungen

1. a) Gemäss Art. 1 Abs. 4 seines Geschäftsreglements erstreckt sich die Zuständigkeit des Schweizer Presserates auf den redaktionellen Teil oder damit zusammenhängende berufsethische Fragen sämtlicher periodischer Medien. Dementsprechend befasst sich der Presserat grundsätzlich auch mit Branchenpublikationen wie dem «Installateur».

b) Hintergrund der vorliegenden Auseinandersetzung bildet ein wirtschaftlicher und rechtlicher Konflikt zwischen Redaktion und Verlaggeber (Verband) auf der einen und Verleger und Drucker (AZ-Fachverlage AG) auf der anderen Seite. Während sich der Presserat zum Konflikt insgesamt nicht zu äussern hat, ist seine Zuständigkeit für dessen publizistischen Aspekte durchaus zu bejahen. Geht es doch in der Beschwerde um einen verlegerischen Eingriff in den redaktionellen Inhalt eines Mediums sowie um die genügende Kennzeichnung eines Inserats. Obwohl sich der Presserat bei der Beurteilung innerer Abläufe in Medienunternehmen grundsätzlich Zurückhaltung auferlegt (vgl. dazu insbesondere die Stellungnahme 8/2001), tritt er deshalb auf die Beschwerde von Daniel Sommer ein, da ein direkter Zusammenhang zwischen internen Vorgängen und publizierten redaktionellen Inhalten offensichtlich ist.

2. a) Ziffer 2 der «Erklärung» auferlegt den Journalistinnen und Journalisten die Pflicht, die Freiheit der Information, die sich daraus ergebenden Rechte sowie die Freiheit des Kommentars und der Kritik zu verteidigen. Wesentlicher Bestandteil dieser Verteidigung der Pressefreiheit ist die Wahrung der Unabhängigkeit gegenüber Informant/innen (Richtlinie 4.3); gegenüber wirtschaftlichen und politischen Akteuren (Ziffer 9 der «Erklärung); gegenüber Inserenten und Sponsoren (Ziffer 10 der «Erklärung»), aber auch gegenüber kommerziellen Eigeninteressen des Arbeitgebers. Letzteres drückt sich u.a. in Ziffer 11 der «Erklärung der Pflichten» («Sie nehmen journalistische Weisungen nur von den hierfür als verantwortlich bezeichneten Mitgliedern ihrer Redaktion entgegen») sowie in Buchstabe c der «Erklärung der Rechte» aus («Sie dürfen jede Weisung und jede Einmischung zurückweisen, die gegen die allgemeine Linie ihres Publikationsorgans verstossen»).

b) Gemäss übereinstimmender Darstellung der Parteien hat der AZ-Fachverlag sowohl das Editorial des Beschwerdeführers wie auch das Interview mit dem Verbandspräsidenten vor der Drucklegung abgeändert. Unbestritten ist zudem, dass diese Änderungen sowohl vom Chefredaktor wie vom Interviewten nachträglich genehmigt worden sind. Der AZ-Fachverlag bestreitet zudem die Behauptung von Chefredaktor Sommer nicht, man habe sich darauf geeinigt, die durch den Verlag vorgenommenen Änderungen gegenüber der Leserschaft transparent zu machen. Sommers Version wird zudem durch die von ihm dazu eingereichten Beilagen gestützt.

c) Als Zwischenergebnis ist dementsprechend festzuhalten, dass die Beschwerdegegnerin mittels Einzelweisung Einfluss auf zwei redaktionelle Beiträge genommen und diesen Umstand zudem in vereinbarungwidriger Weise gegenüber der Leserschaft nicht transparent gemacht hat. Beides durfte sich der Beschwerdeführer im Lichte von Ziffer 11 der «Erklärung» der Rechte und Buchstabe c der «Erklärung» der Pflichten nicht gefallen lassen.

Bei der Beurteilung kann allerdings das vorangegangene journalistische Verhalten des Beschwerdeführers nicht ausser acht gelassen werden. Denn insbesondere im Interview mit dem VSSH-Präsidenten erhebt Chefredaktor Sommer schwere Vorwürfe («krasse Vertragsverletzungen und Vertrauensbrüche») gegenüber der AZ-Fachverlags AG. Dennoch erhält der Verlag das Wort dazu nicht. Ebensowenig legt der Beschwerdeführer im Editorial oder als («neutral» erscheinender) Interviewer seine eigene Interessenbindung und Verquickung mit der «neuen Verlagslösung» offen. Unter diesen Umständen war es durchaus legitim, dass der Verlag sich gegen die Angriffe zur Wehr setzte. Allerdings hätte er dazu nicht den Rotstift zum direkten Eingriff in die chefredaktionellen Texte verwenden dürfen. Stattdessen hätten ihm auch andere – die Trennung zwischen Verlag und Redaktion respektierende – Mittel zur Verfügung gestanden. Einvernehmlich mit dem Beschwerdeführer wären beispielsweise der Abdruck eines Streitgesprächs der Parteien oder einer separaten Stellungnahme des Verlags zu den wichtigsten Punkte möglich gewesen. Falls eine einvernehmliche Lösung gescheitert wäre, hätte der Verlag immer noch den Weg der Verlagsmitteilung oder des als solches gekennzeichneten Inserates wählen können. In diesem Sinne ist die Beschwerde deshalb teilweise gutzuheissen.

3. a) Der Beschwerdeführer beanstandete schliesslich mit der Beschwerdeergänzung vom 11. November 2003, im «Installateur» 11/2003 sei ohne sein Wissen der Beitrag des Redaktors des Westschweizer «Schwesterblatts» «BATItech», Bernhard Dätwyler» mit dem Titel «Unvorstellbar» abgedruckt worden. Darin wendet sich dieser dezidiert gegen eine Beendigung der Zusammenarbeit mit der A
Z-Fachverlage AG. Daniel Sommer sah sich durch die Einfügung dieses Textes ohne sein Wissen zum zweiten Mal zensuriert.

b) Die AZ-Fachverlage AG macht hierzu geltend, beim Abdruck des Textes von Bernhard Dätwyler habe es sich um ein Inserat gehandelt, womit dieses ohnehin ausserhalb des Zuständigkeitsbereiches des Beschwerdeführers liege. Offensichtlich hat die Beschwerdegegnerin – wie aus der Beschwerdeergänzung von Daniel Sommer vom 11. November 2003 hervorgeht – diesen Standpunkt (dass es sich um ein Inserat handle) bereits bei der Besprechung des «Gut zum Druck» der Ausgabe 11/2003 vertreten. Unter diesen Umständen stellt der Presserat auf die Darstellung des Sachverhalts durch den Verlag ab, weshalb von einem unzulässigen Eingriff in den redaktionellen Teil nicht die Rede sein kann. Hingegen ist zu prüfen, ob der Text für die Leserschaft genügend klar als Inserat erkennbar war.

c) Laut der Richtlinie 10.1 zur «Erklärung» ist die Trennung zwischen redaktionellem Teil und Werbung optisch und begrifflich klar zu kennzeichnen. Zwar unterscheidet sich der Text von Bernhard Dätwyler bei näherer Betrachtung von der optischen Aufmachung her deutlich von den redaktionellen Seiten des «Installateurs». Zudem ist der grosse Titel «Unvorstellbar!» mit dem Hinweis «Editorial von Bernhard Dätwiler aus ÐBATItechð 5/03, November 2003» überschrieben. Trotzdem wäre aus Sicht der Leserschaft eine deutlichere begriffliche Kennzeichnung (z.B. als Inserat oder Verlagsmitteilung) zur Vermeidung allfälliger Missverständnisse und zur Erleichterung der Einordnung des Textes in den Gesamtzusammenhang zumindest wünschbar gewesen.

III. Feststellungen

1. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen.

2. Journalistinnen und Journalisten dürfen es sich nicht gefallen lassen, dass ein Medienunternehmen mittels Einzelweisung direkten Einfluss auf den Inhalt redaktioneller Beiträge nimmt. Sind dabei verlegerische Interessen unmittelbar betroffen, ist es allerdings legitim, sich gegen Angriffe der eigenen Redaktion zur Wehr zu setzen. Dazu stehen jedoch notfalls andere – die Trennung zwischen Verlag und Redaktion respektierende – Mittel zur Verfügung, beispielsweise der Abdruck des eigenen Standpunkts in der Form einer Verlagsmitteilung oder eines Inserats.

3. Aus Sicht der Leserschaft wäre es wünschbar gewesen, wenn das im «Installateur» 11/03 abgedruckte Editorial von Bernhard Dätwiler aus «BATItech» 5/03, November 2003, begrifflich deutlicher (z.B. als Inserat oder Verlagsmitteilung) gekennzeichnet worden wäre.