Nr. 14/1999
Sachlich ungerechtfertigte Anschuldigungen / Anhörung des Betroffenen

(Tischler c. „SonntagsBlick“ / „Blick“ ) Stellungnahme des Presserates vom 25. August 1999

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I. Sachverhalt

A. Am 18. April 1999 erschien im „SonntagsBlick“ ein Bericht von Beat Kraushaar, Marcel Lätsch und Heinz Mazenauer zur Affäre rund um die Tennisspielerin Patty Schnyder. Der Titel des Artikels lautete: „So hält Harneckers Clan Patty gefangen“. Darunter waren rund um ein Foto Schnyders fünf kleinere Fotos gruppiert. Eines davon zeigt den Beschwerdeführer. In der nebenstehenden Bildlegende wird der Beschwerdeführer als „Laufbursche“ Harneckers bezeichnet. Im Haupttext wird von der Person des Beschwerdeführers gesagt: „Der Schweizer Esoterik-Journalist gilt als neuer Vertrauter von Rainer Harnecker und spielt dessen Laufjungen. Er schoss das erste Kussfoto von Patty und ihrem Heiler.“ Im weiteren wird behauptet, der Beschwerdeführer habe Schnyders Absagefax für den Federation Cup versandt und „Harnecker und sein Orangen-System in der Öffentlichkeit vehement verteidigt“. Der ganzen im Artikel angesprochenen Personengruppe, die als „Clan“ bezeichnet wird, wird unterstellt, sie wolle sich Zugriff auf Schnyders Vermögen verschaffen.

Im „Blick“ erschien am 4. Mai 1999 ein Fernsehhinweis auf den „Zischtigsclub“des gleichen Tages. In dieser Sendung nahm der Beschwerdeführer teil. Im „Blick“-Hinweis wird er als „Harnecker-Vertrauensperson“ bezeichnet.

B. Am 19. April 1999 wandte sich der Beschwerdeführer an den „SonntagsBlick“ und forderte eine Gegendarstellung. Am 25. April 1999 erschien im „SonntagsBlick“ ein Leserbrief des Beschwerdeführers, der seine Sicht der Dinge darstellte.

C. Am 27. April 1999 wandte sich der Beschwerdeführer an den Presserat. In seinen Eingaben vom 27. April sowie vom 5. und 7. Mai 1999 gibt er an, durch den Artikel im „SonntagsBlick“ verleumdet worden zu sein. Dadurch dass er in die Nähe dieses „Clans“ gerückt worden sei, werde ihm unterstellt, skrupellos zu agieren. Ziff. 7 der „Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten“ („Unterlassen von anonymen und sachlich nicht gerechtfertigten Anschuldigungen“) sei verletzt. Im weiteren führt der Beschwerdeführer an, Ziff. 5 („Berichtigung von Falschmeldungen“) sei verletzt. Auch durch den Hinweis im „Blick“ sieht der Beschwerdeführer Ziff. 7 der „Erklärung“ verletzt.

D. Das Presseratspräsidium wies den Fall der Dritten Kammer zu (bestehend aus Kammerpräsident Reinhard Eyer, Catherine Aeschbacher, Luisa Ghiringhelli, Adi Kälin, Marie-Therese Larcher sowie Iwan Lieberherr).

E. Der „SonntagsBlick“ wurde vom Presseratssekretariat mit Schreiben vom 18. Mai, 22. Juni und 13. Juli 1999 erfolglos um eine Stellungnahme gebeten.

II. Erwägungen

1. Soweit der Beschwerdeführer den Hinweis des „Blick“ auf den „Zischtigsclub“ beanstandet, ist die Beschwerde offensichtlich unbegründet. Der vom „Blick“ verwendete Ausdruck „Harnecker-Vertrauter“ kann nicht als unsachliche Anschuldigung gewertet werden. Der Beschwerdeführer trat in der Sendung „Zischtigsclub“ als Vertrauensperson von Patty Schnyder und Rainer Harnecker auf. Ein Vergleich mit den Fernsehhinweisen anderer Zeitungen zeigt, dass der Beschwerdeführer dort auch in dieser Funktion angeführt wird. Allein aus dem Umstand, dass im Hinweis des „Blick“, die Person von Patty Schnyder nicht angeführt wird, die Bezeichnung „Vertrauter von Patty Schnyder und Rainer Harnecker“ also sprachlich variiert und gekürzt wird, kann deshalb kein Verstoss gegen Ziff. 7 der „Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten“ abgeleitet werden.

2. a) Anders stellt sich die Sache in bezug auf den Artikel im „SonntagsBlick“ dar. Der Beschwerdeführer wird durch das Layout, den Titel und die Leadzeilen einem „Clan“ zugeordnet, der sich laut „SonntagsBlick“ unrechtmässig in den Besitz eines fremden Vermögens bringen will. Der Beschwerdeführer wird als „Laufbursche“ des Kopfs dieses Clans bezeichnet. Die damit gegen den Beschwerdeführer vom „SonntagsBlick“ erhobenen Vorwürfe erscheinen als äusserst gravierend.

b) Nach Ziff. 7 der „Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten“ haben Journalistinnen und Journalisten die Privatsphäre des Einzelnen zu respektieren, sofern das öffentliche Interesse nicht das Gegenteil verlangt. Anonyme und sachlich nicht gerechtfertigte Anschuldigungen sind zu unterlassen.

Die im vom Beschwerdeführer beanstandeten Text gemachten Angaben über seine Person sind zwar in der Sache richtig. Der Beschwerdeführer genoss zu einem gewissen Zeitpunkt das Vertrauen von Patty Schnyder und Rainer Harnecker. Er führte im Auftrag des Paares auch einige Aufgaben aus. Allerdings sind die im Artikel aus diesen unbestrittenen Fakten gezogenen bzw. der Leserschaft suggerierten Schlüsse unhaltbar. Es wird vom „SonntagsBlick“ an keiner Stelle belegt, dass der Beschwerdeführer Geld von Patty Schnyder erhalten oder in Aussicht gestellt bekommen hätte. Auch seine „Mittäterschaft“ oder „Gehilfenschaft“ bei der „Gefangennahme“ der Tennisspielerin wird nicht belegt. Ihn allein aufgrund seiner Nähe zu Rainer Harnecker und Patty Schnyder zum Mitglied eines Clans mit konspirativen Absichten zu machen, ist berufsethisch unzulässig. In seiner Stellungnahme i.S. „Vermeidung eines falschen Gesamteindrucks“ vom 7. November 1997 (Stellungnahme Nr. 13/97, Sammlung der Stellungnahmen 1997, S. 133ff.) hält der Presserat fest, dass „selbst wenn sämtliche Details eines Artikels richtig sind, durch einen unsachgemässen Titel und Aufbau der Eindruck sachlich ungerechtfertigter Anschuldigungen erweckt werden kann“. Dies trifft auch im vorliegenden Fall zu. Die zum Beschwerdeführer gemachten Angaben sind zwar in der Sache richtig, werden aber derart in einen unzulässigen Zusammenhang gestellt, dass Ziff. 7 der „Erklärung“ in schwerer Weise verletzt wird.

c) Gemäss Ziff. 3 der „Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten“ dürfen keine wichtigen Elemente von Informationen unterschlagen und weder Tatsachen, Dokumente und Bilder noch von anderen geäusserte Meinungen entstellt werden. Der Presserat hat aus diesen berufsethischen Regeln in langjähriger Praxis abgeleitet, dass im Falle schwerer Vorwürfe, die betroffene Person vor der Publikation angehört werden soll. „Eine erhöhte journalistische Sorgfaltspflicht besteht jedoch dann, wenn in einem Medienbericht erhobene Vorwürfe geeignet sind, das Ansehen der Betroffenen in der Öffentlichkeit zu beeinträchtigen. Diesfalls sind die Kritisierten mit den Vorwürfen zu konfrontieren, und aus dem Medienbeitrag muss ersichtlich sein, ob die Vorwürfe bestritten werden.“ (vgl. u.a. die Stellungnahmen des Presserates Nr. 3/96 i.S. „Ablehnung des Abdrucks einer Stellungnahme in Form eines Leserbriefs“, Sammlung 1996, S. 55ff.; Stellungnahme Nr. 6/96 i.S. „Kennzeichnung unbestätigter Meldungen“, Sammlung der Stellungnahmen 1996, S. 79ff., Stellungnahme Nr. 3/97 i.S. „Redaktionelle Bearbeitung von Artikeln“, Sammlung 1997, 36ff., Stellungnahme Nr. 6/97 i.S. „Einholung einer umfassenden Stellungnahme, Sammlung 1997, S. 61ff.).

Trotz der äusserst schwerwiegenden Vorwürfe wurde dem Beschwerdeführer vom „SonntagsBlick“ keine Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt. Der Abdruck seines Leserbriefs in der nachfolgenden Nummer des „SonntagsBlicks“ kann diesen Mangel ohnehin nicht beheben und war zudem auch als Reaktion auf den Protest des Beschwerdeführers nach der Publikation vom 18. April 1999 ungenügend. Nachdem die Redaktion davon Kenntnis hatte, dass die von ihr in den Raum gestellten schwerwiegenden Vorwürfe vom Beschwerdeführer bestritten wurden, wäre sie es sowohl dem Beschwerdeführer als auch ihrer Leserschaft schuldig gewesen, entweder die Vorwürfe näher zu begründen und zu belegen oder, fa
lls dies nicht möglich war, sich beim Beschwerdeführer zu entschuldigen und eine Richtigstellung zu publizieren.

III. Feststellungen

1. Die Beschwerde gegen einen Fernsehhinweis des „Blick“ zum „Zischtigsclub“ vom 4. Mai 1999 wird als offensichtlich unbegründet abgewiesen.

2. Der „SonntagsBlick“ hat gegen den Beschwerdeführer sachlich nicht gerechtfertigte Anschuldigungen erhoben und damit Ziff. 7 der „Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten“ verletzt, indem er ihn, ohne entsprechende Beweise vorlegen zu können, einem „Clan“ zuordnete, der sich angeblich in widerrechtlicher Weise Zugriff auf fremdes Vermögen habe verschaffen wollen.

3. Der „SonntagBlick“ hat Ziff. 3 der „Erklärung“ verletzt. Er hätte den Beschwerdeführer vor der Publikation mit den gegen ihn erhobenen Vorwürfe konfrontieren und ihm eine Gelegenheit zur Stellungnahme bieten müssen.

4. Angesichts der Schwere der erhobenen Vorwürfe, genügte es nicht, einen Leserbrief des Beschwerdeführers zu veröffentlichen. Der „SonntagsBlick“ wäre vielmehr gehalten gewsen, entweder die Vorwürfe näher zu begründen und zu belegen (Ziff. 3 der „Erklärung“) oder, falls dies nicht möglich war, sich beim Beschwerdeführer zu entschuldigen und eine Richtigstellung zu publizieren (Ziff. 5 der „Erklärung“).