Nr. 28/2003
Redaktionelle Bearbeitung digitaler Bilder, Stellungnahme des Schweizer Presserates 28/2003 vom 13. Juni 2003

Drucken

I. Sachverhalt

A. Am 31. März 2002 veröffentlichte der «SonntagsBlick» Fotografien, die Djamile Rowe, die angebliche Geliebte des damaligen Botschafters Thomas Borer, auf ihrem Weg zu einem behaupteten nächtlichen Stelldichein in der Schweizer Botschaft in Berlin zeigen. Ihr Gesicht leuchtet darauf aus dem nachtdunklen Fonds eines schwarzen Autos hervor. Die Echtheit dieser Fotos wurde nach ihrer Veröffentlichung in zahlreichen Medienberichten angezweifelt. Über wissenschaftliche Analysen, welche die Echtheit der inkriminierten Fotografien möglicherweise geklärt hätten, vereinbarten die Parteien Ringier und Borer in der Folge Stillschweigen («SonntagsBlick» vom 13. Juli 2002).

B. Im Zusammenhang mit dem «Fall Borer / Ringier» entstand eine Debatte rund um die Frage der Manipulationsmöglichkeiten der digitalisierten Pressefotografie. Die Journalistin Verena Vonarburg fragte im «Tages-Anzeiger» vom 2. Mai 2002 ganz allgemein «Wer weiss noch, was echt ist?». Sie stellte fest, dass digitale Bilder leicht manipuliert werden können und dass der Nachweis einer Fälschung oft nur schwer zu erbringen ist. Ausserdem brachte ihre Recherche an den Tag, dass Divergenzen zwischen Fachleuten bestehen und die Grenzen des Erlaubten offenbar nicht überall gleich eng gesteckt werden. Ihr Kollege Christian Rentsch doppelte im nebenstehenden Kommentar nach, das Ergebnis ihrer Recherche bezeichne ein «Glaubwürdigkeitsproblem der ganzen Branche», dem sich die Ethik-Institutionen dringend widmen sollten.

C. Im Sommer 2002 beschloss das Plenum des Presserates, den «Fall Borer / Ringier» ungeachtet des zwischen den Parteien abgeschlossenen Vergleichs und des damit verbundenen Rückzugs einer beim Presserat im Frühjahr 2002 eingereichten Beschwerde von sich aus aufzugreifen. Die Fragen des Eingriffs in die Intimsphäre und des Informationshonorars auf der einen (Stellungnahme 62/2002) und diejenige des Umgangs mit leicht veränderbaren digitalen Bildern auf der anderen Seite sollten in zwei separaten Verfahren behandelt werden. Zudem beschloss das Plenum, dass sich der Presserat nicht zur Wahrheit des am 31. März 2002 von «SonntagsBlick» umstrittenen Bildes, sondern generell zum Umgang mit und zur Bearbeitung von digitalen Bildern äussern solle.

D. Das Präsidium übertrug diese Aufgabe der 1. Kammer, der Peter Studer als Präsident sowie die Mitglieder Marie-Louise Barben, Luisa Ghiringhelli Mazza, Silvana Iannetta, Philip Kübler, Katharina Lüthi und Edy Salmina angehören. Silvana Iannetta wurde per 1. Januar 2003 durch Pia Horlacher ersetzt.

E. Die 1. Kammer führte am 22. November 2002 unter dem Titel «Empfehlungen zum Umgang mit Medienfotografien im digitalen Zeitalter» ein Hearing mit den Herren Christof Ruckstuhl, Fotograf NZZ, Chris Schärer, Leiter Zeitungsrepro Tamedia AG sowie Markus Schnetzer, Picture Editor von Reuters Schweiz, durch. Die Fachleute waren gebeten, kurz eine Einschätzung der Lage abzugeben und Empfehlungen zum Umgang mit digitalen Bildern vorzulegen. Konkret sollte geklärt werden, was im Umgang mit digitalen Fotografien legitim ist, und zwar insbesondere 1) unter dem Aspekt der Wahrheit (wann entspricht ein vor der Veröffentlichung redaktionell bearbeitetes Bild nicht mehr der vom Fotografen aufgenommenen ursprünglichen Abbildung der «Realität»?) und 2) unter dem Aspekt der Urteilsbildung des Publikums (was muss dem Publikum in der Bildlegende und / oder der Byline zum Bearbeitungsvorgang mitgeteilt werden, damit es das betreffende Bild einordnen kann?).

F. Die anwesenden Experten waren sich darin einig, dass die Möglichkeiten der digitalen Bildbearbeitung eine Gefahr für die Glaubwürdigkeit der Pressefotografie darstellen. Es wurde insbesondere festgestellt, dass sich das Berufsbild des Fotografen in den letzten Jahren stark verändert habe. Durch das vielseitige und oft auch preisgünstige Angebot von diversen Bilddatenbanken und -agenturen sei es vor allem für freischaffende, aber auch für fest angestellte Fotografen und Fotografinnen schwieriger geworden, ihre Bilder abzusetzen. Es bestehe die Gefahr, dass in diesem harten Markt Bilder geschönt, retuschiert und auch inszeniert würden, um konkurrenzfähig zu sein. Mit jeder Bildmanipulation, die aufgedeckt oder auch nur vermutet würde, nehme die Glaubwürdigkeit der Pressefotografie ab, so Chris Schärer. Die Experten sprachen sich denn auch nicht zuletzt im Interesse ihres Berufsstandes dafür aus, dass «alles getan werden müsse, um die Glaubwürdigkeit der Pressefotografie zu erhalten» und dass ein hohes Mass an Berufsethik gefordert sei. Allerdings nicht nur von den «Direktbetroffenen» (also Fotografen und Bildbearbeitern) selbst, sondern auch seitens von Redaktion, Bildredaktion und Layout.

Zu den geltenden Bestimmungen der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» sowie der zugehörigen Richtlinien meinten einige der Experten, dass sie inhaltlich genügten, sprachlich aber verständlicher formuliert werden könnten. Zudem regten die Experten einmütig die Einführung einer Aufbewahrungspflicht für digitale Originalfotos an.

G. Die 1. Kammer beriet die auf der Grundlage der gehörten Expertenmeinungen, der geltenden Bestimmungen der «Erklärung» sowie der zugehörigen Richtlinien ausgearbeitete Stellungnahme an ihrer Sitzung vom 28. März 2003 und auf dem Korrespondenzweg. Zudem unterbreitete sie die Stellungnahme im Sinne von Art. 13. Abs. 5 des Geschäftsreglements des Schweizer Presserates dem Plenum. Dieses verabschiedete den Text per 13. Juni 2003 auf dem Korrespondenzweg.

II. Erwägungen

1. Die massgebenden Formulierungen in der «Erklärung» und die zugehörigen Richtlinien lauten wie folgt:

«Ziffer 3 der Erklärung?

Sie veröffentlichen nur Informationen, Dokumente, Bilder und Töne deren Quellen ihnen bekannt sind. Sie unterschlagen keine wichtigen Elemente von Informationen und entstellen weder Tatsachen, Dokumente, Bilder und Töne noch von anderen geäusserte Meinungen. Sie bezeichnen unbestätigte Meldungen, Bild- und Tonmontagen ausdrücklich als solche.

Richtlinie 3.1: Quellenbearbeitung

Ausgangspunkt der journalistischen Sorgfaltspflichten bildet die Überprüfung der Quelle einer Information und ihrer Glaubwürdigkeit. Eine genaue Bezeichnung der Quelle eines Beitrags liegt im Interesse des Publikums, sie ist vorbehältlich eines überwiegenden Interesses an der Geheimhaltung einer Quelle unerlässlich, wenn dies zum Verständnis der Information wichtig ist.

Richtlinie 3.3: Archivdokumente

Archivdokumente sind ausdrücklich als solche zu kennzeichnen, allenfalls mit Angabe des Datums der Erstveröffentlichung.

Richtlinie 3.4: Illustrationen

Bilder oder Filmsequenzen mit Illustrationsfunktion, die ein Thema, Personen oder einen Kontext ins Bild rücken, die keinen direkten Zusammenhang mit dem Textinhalt haben (Symbolbilder), sollen als solche erkennbar sein. Sie sind klar von Bildern mit Dokumentations- und Informationsgehalt unterscheidbar zu machen, die zum Gegenstand der Berichterstattung einen direkten Bezug herstellen.

Richtlinie 3.5: Fiktive Sequenzen

Fiktive Sequenzen und gestellte Bilder, die in Fernsehberichten und Reportagen von Schauspielerinnen bzw. Schauspielern stellvertretend für die von einer Berichterstattung betroffenen realen Personen gespielt werden, sind klar als solche zu kennzeichnen.

Richtlinie 3.6: Montagen

Foto- und Videomontagen sind gerechtfertigt, soweit sie dazu dienen, einen Sachverhalt zu erklären, eine Mutmassung zu illustrieren, kritische Distanz zu wahren, oder wenn sie einen satirischen Angriff enthalten. Sie sind in jedem Fall deutlich als solche zu kennzeichnen, damit für das Publikum keine Verwechslungsgefahr besteht.»

3. Die geltende Fassung der Ziffer 3 der «Erklärung» wie zu wesentlichen Teilen auch die zugehörigen Richtlinien gehen inhaltlich auf die Stellungnahme 9/92 i.S. Manipulation des Pressefotos durch elektronische Bildverarbeitung zurück. Zu diesem Zeitpunkt waren digitale Bildaufnahme und Bildbearbeitungstechniken noch weniger weit entwickelt und verbreitet als heute.

Bereits in der genannten Stellungnahme hat der Presserat festgehalten, dass alle Arten von Bildmanipulationen bis hin zur grob missbräuchlichen auch schon mit den herkömmlichen Methoden der Bildbearbeitung im Fotolabor seit jeher möglich waren (und auch vorgenommen wurden). Die heutigen elektronischen Bearbeitungsmöglichkeiten erleichtern Manipulationen jedoch zumindest insofern, als sie geringen Aufwand verursachen. Und sie lassen das Ergebnis – vorausgesetzt der Anwender verfügt über das nötige Know-how – erst noch täuschend echt erscheinen. Auch analoge Fotografien können allerdings eingescannt und anschliessend digital bearbeitet werden. Zudem ist es möglich, von der digital veränderten Vorlage im Fotolabor (wieder) ein Negativbild herzustellen (vgl. Markus Hofmann, Wie die Bilder lügen lernen, «NZZ-Folio» April 2003). Da Manipulationen also im analogen wie auch im digitalen Bereich möglich sind, haben ethische Richtlinien generell für sämtliche Formen der Bildbearbeitung zu gelten.

4. Der durch die Erweiterung der technischen Möglichkeiten veränderte redaktionelle Umgang mit Bildern ging zudem mit einem Wandel der Lese- und Sehgewohnheiten einher. Die Bildanteile in den meisten Printprodukten haben zugenommen. Bilder nehmen längst auch in Zeitungen eine prominente Stellung ein. Die Grenzen zwischen dokumentarischer Pressefotografie auf der einen Seite und Werbe- oder Kunstfotografie auf der anderen werden zunehmend verwischt. Die Ansprüche an die Bebilderung sind gross – sowohl was ihre inhaltliche Aussagekraft als auch ihre technische Machart betrifft. Jedes publizierte Bild (also nicht nur Fotografie, sondern auch Montage und Illustration) hat einen längeren Entstehungs-, Selektions- und Bearbeitungsprozess durchlaufen, an dem verschiedene Personen mit unterschiedlichen Funktionen (und entsprechend unterschiedlichen Interessen) beteiligt waren. Damit wird die Frage der Verantwortlichkeit virulent. Dieses Problem wird noch dadurch akzentuiert, als das Internet Fotografien unabhängig von Zeit und Ort verfügbar macht. Deshalb sind an Pressebilder dieselben Massstäbe des Aussagegehalts anzulegen wie an andere journalistisch generierte und verwendete Informationen. Die Verantwortung für die Einhaltung der ethischen Richtlinien ist denn auch im Bereich Bild ebenso wenig delegierbar wie im Bereich Text. Jede Stelle, die sich im journalistischen Verarbeitungsprozess mit einem Bild befasst, hat dafür zu sorgen, dass den berufsethischen Regeln Genüge getan wird. Dies gilt von der Auftragserteilung über die Realisierung, Auswahl und Bearbeitung bis hin zur Platzierung eines Bildes im Umfeld eines Medienberichts. Die Arbeitsabläufe sind so zu gestalten, dass jede in diesen Prozess involvierte Person dieser Verantwortung gerecht werden kann.

5. Ausgehend von der in der Präambel und der Ziffer 1 der «Erklärung» verankerten Verpflichtung der Journalistinnen und Journalisten, den öffentlichen Diskurs zu sichern und sich vom Recht der Öffentlichkeit leiten zu lassen, die «Wahrheit» zu erfahren, wird nachfolgend entsprechend ihrer Relevanz aus Sicht des Publikums wie folgt zwischen drei Stufenfolgen digitaler Bildbearbeitung unterschieden: a) die unbedenkliche rein gestalterische Bildbearbeitung (Erwägung 6), b) die heikle, den Bildinhalt, nicht jedoch die Bildaussage verändernde Bearbeitung (Erwägung 7), c) die zwingend zu deklarierende, sowohl den Bildinhalt wie die Bildaussage verändernde Bildbearbeitung (Erwägung 8).

6. Der Umgang mit Fotografien in Zeitungen und Zeitschriften hat sich seit dem Aufkommen des Desktop Publishing stark verändert. Der Einsatz von Layoutprogrammen bedingt eine Digitalisierung des Bildmaterials: Herkömmlich hergestellte Fotografien werden eingescannt, damit sie am Bildschirm bearbeitet werden können. Es ist selbstverständlich, dass die eingelesenen analogen Fotografien im Interesse einer optimalen (Seiten-)Gestaltung nicht nur in Bezug auf den exakten Bildausschnitt und die Bildgrösse angepasst werden. Legitimes Bearbeitungsziel ist es auch, eine optimale Druckqualität zu erreichen. Dazu gehören die optimale Verteilung der Hell-/Dunkelwerte, eine optimale Kontrast- und Farbgestaltung sowie eine optimale Schärfeneinstellung. Vergrösserung und Entwicklung, beides Verfahren, die traditionell im Fotolabor erfolgen, werden nach dem Einlesen also sozusagen im digitalen Zeitraffer noch einmal durchlaufen. Zum Bearbeitungsalltag gehört es auch, Kratzer und andere Beschädigungen des Bildmaterials (bspw. bei Diapositiven) wegzuretouchieren. Aufgrund des technischen Fortschritts in diesem Bereich kommen heute überwiegend digitale Kameras zum Einsatz. Digitale Bilder müssen nicht erst eingescannt werden, sondern können direkt von der Kamera heruntergeladen bzw. von einem Speichermedium in ein anderes transferiert werden. Ansonsten bleiben die Bearbeitungsschritte die gleichen.

Eine Bildbearbeitung, die in erster Linie der Verbesserung der Bildqualität dient, erscheint unter dem medienethischen Gesichtspunkt einer transparenten Information des Publikums jedenfalls solange unbedenklich, als dadurch weder der Bildinhalt noch die im Zusammenhang mit der Bildlegende und dem Gesamtkontext eines Medienberichts zu verstehende Bildaussage verändert wird.

7. Abgesehen von diesen Eingriffen, die im Interesse der Gestaltung (Bildgrösse und -ausschnitt) und der Druckqualität erfolgen, lassen es die verschiedenen Bildbearbeitungsprogramme ohne weiteres zu, durch Stauchen oder Zerren auch das Bildformat (hoch oder quer) den jeweiligen Erfordernissen anzupassen. Ausserdem können Bildelemente beliebig entfernt oder hinzugefügt werden. Dabei muss es nicht zwangsläufig zu einer Veränderung des Bildinhaltes kommen, sondern es kann sich allein um quantitative Massnahmen handeln Trotzdem bewegen sich diese Eingriffe in einem journalistisch-ethischen Graubereich: Die dokumentarische Aufnahme erfährt im Interesse der Gestaltung eine Verfälschung, die zwar nicht zwangsläufig ihre Aussagekraft in Frage stellt, aber auch nicht mehr ganz der Wahrheit (im Sinne einer unverfälschten Wiedergabe des dokumentarischen Fotos) entspricht. Sie läuft so dem Vertrauen auf originale Bilder entgegen, das das Publikum hegt. Je mehr im Kontext einer Publikation der dokumentarische Charakter eines Bildes im Vordergrund steht, um so heikler sind Eingriffe und umso mehr hat das Publikum einen Anspruch auf eine authentische Bildwiedergabe. Umgekehrt ist daran zu erinnern, dass bereits die fotografische Aufnahme als solche eine Interpretation des tatsächlichen Geschehens darstellt (beispielsweise durch die Wahl des Kamerastandorts, des Ausschnitts, Schärfeneinstellung, Belichtungszeit usw.). Der Pressefotograf vermittelt das Geschehen aus seinem persönlichen Blickwinkel und gibt so immer nur eine von vielen möglichen Abbildungen der Realität wieder. Mit seinem Namen zeichnet er dafür, dass sein Bild aus seiner subjektiven Sicht «wahr» ist.

Berufsethisch ist ausgehend von Ziffer 3 der «Erklärung», wonach «keine wichtigen Elemente von Informationen» unterschlagen und «weder Tatsachen, Dokumente, Bilder und Töne noch von anderen geäusserte Meinungen entstellt werden dürfen», jeweils zu fragen, ob eine über die in Erwägung 6 angeführten Eingriffe hinausgehende Bearbeitung den Informationsgehalt eines Bildes und dessen Aussage im Gesamtkontext der Publikation in relevanter Weise verändert. Und zwar so weit, dass ohne Hinweis auf die Bearbeitung von einer Unterschlagung eines wesentlichen Informationselements oder von einer Entstellung eines Bildes die Rede sein müsste. Trifft dies zu, ist die Bildveränderung im Sinne der Richtlinien 3.6 zwingend zu deklarieren.

8. Denn die Grenze zur zwingend zu deklarierenden Bildveränderung ist spätestens dann überschritten, wenn das in einem Medienbericht veröffentlichte Bild ein Produkt stark verändernder Eingriffe ist und die Bildaussage auch aus Sicht des Publikums nicht mehr derjenigen des Originalbildes entspricht. Zu erwähnen sind hier etwa: das Verziehen von Fotografien, starke Farbveränderungen, das Hinzufügen oder Wegnehmen von wichtigen Bildelementen, die Kombination von Bildelementen aus verschiedenen Fotografien zu einem neuen usw. Entscheidend kann dabei nicht der einzelne technische Schritt als solcher sein. Massgebend ist vielmehr eine Wertung der gesamten Umstände nach den von «Erklärung» und Richtlinien vorgegebenen Relevanzkriterien (Unterschlagung wesentlicher Informationselemente; Entstellung von Tatsachen). Weil solche Eingriffe zu einer massgebenden Veränderung einer Bildaussage führen (bis hin zur Generierung eines neuen Bildes mit völlig neuem Bildinhalt, also einer klassischen «Fotomontage», siehe Richtlinie 3.6), sind sie mit dem Begriff «Montage» zu deklarieren und ist ihr Verantwortlicher zu nennen. Ebenso sind die Urheber der Originalvorlage(n) anzugeben. Der entsprechende Hinweis sollte sichtbar platziert, gut lesbar und allgemeinverständlich abgefasst sein. Das Publikum würde so beurteilen können, ob eine Fotografie das im zugehörigen Medienbericht erwähnte Ereignis dokumentiert oder ob es nur Symbolcharakter hat und also rein illustrativ verwendet wird (siehe Richtlinien 3.3 und 3.4). Dies gilt insbesondere auch dann, wenn es sich um inszenierte Fotografien handelt, die einen dokumentarischen Charakter vorgeben, ohne diesen aber wirklich zu besitzen (siehe Richtlinie 3.5).

9. Ob und in welchem Masse ein Bild im redaktionellen Bearbeitungsprozess verändert worden ist, lässt sich am einfachsten feststellen, wenn das veröffentlichte Bild mit dem Original verglichen werden kann. Im Falle der analogen Fotografie kann dabei in der Regel ohne weiteres auf das Negativ zurückgegriffen werden, da die Fotografen dieses meist in einem persönlichen Bildarchiv aufbewahren. Bei der digitalen Fotografie stellt sich hingegen das Problem, dass der ursprüngliche Datensatz nur solange vorhanden ist, als nicht ausserhalb der Kamera auf ihn zugegriffen wurde. Bereits ein einmaliges Öffnen und Schliessen einer digitalen Fotografie ausserhalb der Kamera durch ein Bildbearbeitungsprogramm verändert gemäss der Darstellung der Experten im Hearing die Angaben in der Dateiinformation, ohne dass danach noch festgestellt werden kann, ob zwischen dem Öffnen und Schliessen eine Veränderung vorgenommen wurde oder nicht. Die Experten haben deshalb vorgeschlagen, eine Aufbewahrungspflicht für digital aufgenommene Originalbilder zu schaffen. Ferner empfahlen sie den Fotografen, ihre digitalen Aufnahmen mit digitalen Wasserzeichen zu versehen. Damit könne der Urheber eines Bildes jederzeit festgestellt werden, auch wenn das Bild von jemand anderem für eine Fotomontage missbraucht worden sei. Durch den Vergleich mit dem Original lasse sich die Montage beweisen.

Manipulationen im Sinne von nachträglich kaum rekonstruierbaren Veränderungen am Original können offenbar weder im Bereich der analogen noch der digitalen Fotografie gänzlich ausgeschlossen werden (gemäss dem von Hofmann a.a.O. zitierten Bildgutachter Anders Uschold soll die nachträgliche Herstellung eines analogen «Originals» aus einem zuvor digital bearbeiteten Bild bei entsprechendem «know-how» technisch grundsätzlich ebenso möglich sein wie die nachträgliche Änderung der mit einem digitalen Foto gespeicherten Daten, etwa Datum, Zeit und technische Rahmenbedingungen der Originalaufnahme). Im Sinne einer Gutglaubensvermutung darf der Betrachter in der Regel aber davon ausgehen, dass ein von einem Fotografen aufbewahrtes Original nicht manipuliert ist. Deshalb erscheint – entsprechend der Aufbewahrung analoger Negative – die systematische Aufbewahrung digitaler Originale durchaus geeignet, die Glaubwürdigkeit der Pressefotografie zu stärken. Entsprechend empfiehlt der Presserat den Fotografinnen und Fotografen ausdrücklich, in ihrem eigenen Interesse digitale Originalfotos zu speichern, damit eine Überprüfung der Quelle jederzeit möglich bleibt.

III. Feststellungen

1. Die in erster Linie durch das Ziel von optimaler Gestaltung und Druckqualität des veröffentlichten Bildmaterials motivierte Bildbearbeitung ist solange unbedenklich, als dadurch weder der Bildinhalt noch die im Zusammenhang mit der Bildlegende und dem Gesamtkontext eines Medienberichts zu verstehende Bildaussage verändert wird.

2. Bildbearbeitungen sind zwingend als «Montage» zu deklarieren, wenn das bearbeitete Bild den Informationsgehalt des ursprünglichen Originals und die Bildaussage im Gesamtkontext eines Medienberichts wesentlich verändert oder entstellt.

3. Pressefotografen sollten die Originale von digital aufgenommenen Fotografien aufbewahren, damit das unveränderte Original vor oder nach der Veröffentlichung bei Bedarf zur Überprüfung und zum Vergleich mit der bearbeiteten Version herangezogen werden kann.