Nr. 10/2012
Privatsphäre / Menschenwürde

(McDonald’s Schweiz c. «Blick») Stellungnahme des Schweizer Presserates vom 28. März 2012

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Zusammenfassung

Recherche in Spitälern: Presserat präzisiert seine Richtlinie
Gemäss der den Journalistenkodex erläuternden Richtlinie 7.8 ist «für Recherchen vor Ort in Spitälern und ähnlichen Institutionen (…) die Einwilligung der Verantwortlichen einzuholen». Laut Presserat ist damit allerdings nicht gemeint, dass Medienschaffende vor jedem Gespräch an einem Spitalbett verpflichtet sind, die Einwilligung der Spitalleitung oder der Spitaladministration einzuholen. Ansprechpersonen für Medienschaffende seien vielmehr primär die behandelnden Ärzte und das Pflegepersonal. Grundsätzlich entscheiden Patientinnen und Patienten auch in einer Spitalumgebung frei darüber, ob sie Medienschaffenden Auskunft erteilen.

Ende 2011 berichtete «Blick» über eine Schiesserei im Mc Donald’s in Biel. Der Bericht schildert den Überfall aus Sicht des verantwortlichen Schichtleiters, der von drei Schüssen getroffen wurde. Eine «Blick»-Journalistin besuchte den Verletzten am Tag danach im Spital und bewog diesen dazu, sich gegenüber der Zeitung zu äussern und seine Verletzung fotografieren zu lassen. Mc Donald’s Schweiz beschwerte sich daraufhin beim Presserat, die Journalistin habe ihren Beruf nicht von Anfang an offengelegt und das noch unter Schock stehende Opfer so lange bedrängt, bis er seine Wunde habe fotografieren lassen. Dies verletze die Privatsphäre und die Menschenwürde des betroffenen Mitarbeiters. «Blick» wendete dazu ein, die Journalistin sei in Begleitung eines Fotografen erschienen und habe sich korrekt vorgestellt. Zudem sei das Gespräch durch eine Arztvisite unterbrochen worden und später sei auch noch die Ehefrau des Verletzten hinzugekommen, ohne dass jemand Einwände vorgebracht habe.

Der Presserat weist die Beschwerde ab. Einen Verletzten einen Tag nach einer mehrfachen Schussverletzung im Spital aufzusuchen und zu befragen, könne die Privatsphäre zwar unter Umständen verletzen. Im konkreten Fall sei aber nicht erwiesen, dass der Mc Donald’s-Mitarbeiter nach wie vor unter Schock stand. Aufgrund der gesamten Umstände sei vielmehr davon ausgehen, dass der Verletzte Fragen der Journalisten freiwillig beantwortet hat. Weder habe er von der üblicherweise an einem Spitalbett vorhandenen Klingel Gebrauch gemacht, noch habe er sich den Ärzten oder seiner Familie gegenüber dahingehend geäussert, er wünsche von «Blick» in Ruhe gelassen zu werden. Unter diesen Umständen sei von einer zumindest stillschweigenden Einwilligung auszugehen. Ebenso wenig sei belegt, dass die «Blick»-Journalistin die Notlage eines noch unter Schock stehenden Opfers ausgenützt und damit dessen Menschenwürde verletzt habe.

Résumé

Enquête dans les hôpitaux: le Conseil de la presse précise sa directive.

Conformément à la directive 7.8 à l’appui du Code des journalistes, il convient «pour enquêter dans des hôpitaux ou lieux similaires (…) d’obtenir l’autorisation des responsables». Selon le Conseil de la presse cela ne signifie pas qu’avant toute conversation au chevet d’un patient le journaliste est obligé d’obtenir l’autorisation de la direction ou de l’administration de l’hôpital. Les personnes à contacter en priorité par les journalistes sont les médecins traitants et le personnel soignant. Quant aux patients, ils décident librement, aussi en milieu hospitalier, s’ils entendent renseigner un journaliste.

Fin 2011, «Blick» rend compte d’une fusillade au Mc Donald’s de Bienne. Il relate l’agression sous l’angle du chef d’équipe responsable, atteint de trois balles. Le lendemain, une journaliste du «Blick» rend visite au blessé hospitalisé, l’incitant à s’exprimer et à laisser photographier sa blessure. «Mc Donald’s Suisse» saisit le Conseil de la presse alléguant que la journaliste n’avait pas d’emblée décliné sa profession et qu’elle avait tant insisté auprès d’une victime encore sous le choc que cette dernière avait fini par permettre que sa blessure soit photographiée. La sphère privée et la dignité humaine du collaborateur en cause auraient été violées. «Blick» réplique que la journaliste était venue accompagnée d’un photographe et qu’elle s’était correctement présentée. En outre, la conversation avait été interrompue par une visite médicale et plus tard l’épouse du blessé était venue se joindre à eux sans qu’aient été formulées des objections d’aucun côté.

Le Conseil de la presse rejette la plainte. Certes, visiter une personne blessée de plusieurs balles le jour suivant à l’hôpital et l’interroger peut, le cas échéant, constituer une atteinte à la sphère privée. Dans le cas précis, il n’est pas établi que le collaborateur de Mc Donald’s se trouvait encore en état de choc. En considérant l’ensemble des circonstances, on peut admettre que le blessé a librement répondu aux questions de la journaliste. Il n’a pas fait usage de la sonnette que l’on trouve à chaque lit d’hôpital, et il n’a pas davantage déclaré aux médecins ou à sa famille qu’il désirait être laissé en paix par la journaliste. Dans ces conditions il faut conclure à une autorisation à tout le moins tacite. Il n’est pas prouvé non plus que la journaliste ait exploité par sa manière de faire la situation de détresse d’une victime encore sous l’effet d’un choc et ainsi violé sa dignité humaine.

Riassunto

Inchieste in ospedali: il Consiglio della stampa precisa

Il codice professionale prescrive, alla Direttiva 7.8., che «per effettuare ricerche all’interno di ospedali o istituti analoghi occorre chiedere il consenso dei responsabili». Il Consiglio della stampa precisa tuttavia che non per ogni conversazione al capezzale di un malato i giornalisti devono chiedere un’autorizzazione alla direzione medica o all’amministrazione. Basta che ne informino i medici curanti o gli infermieri di servizio. Gli stessi pazienti possono decidere liberamente se accettare di parlare a un giornalista.

Alla fine del 2011, il «Blick» aveva riferito su una sparatoria accaduta in un Mc Donald di Bienne. Il servizio comprendeva una descrizione dell’accaduto fatta dal caporeparto, raggiunto da due colpi di pistola, degente in ospedale. Una giornalista si era recata da lui il giorno dopo e l’aveva convinto a raccontare la sua esperienza e a lasciarsi fotografare. «Mc Donald’s Schweiz» si è rivolto al Consiglio della stampa, sostenendo che la giornalista non si era presentata come tale all’inizio della conversazione e anzi aveva lungamente insistito perché il ferito, ancora sotto choc, le lasciasse fotografare le ferite riportate. Secondo il reclamante, questo modo di agire viola la sfera privata e la dignità umana della persona. La giornalista del «Blick» sostiene invece di essersi presentata correttamente, e non solo lei ma anche il fotografo che la accompagnava. Il contatto, del resto, si era dovuto interrompere per una visita medica di controllo e pure la moglie del ferito era stata sul posto senza che da nessuno fossero mosse obiezioni contro la presenza dei due reporter.

Il Consiglio della stampa ha respinto il reclamo. Indubbiamente, secondo le circostanze, visitare un ferito il giorno dopo una sparatoria per porgli delle domande potrebbe configurare una violazione della sua privacy. Nel caso specifico, però, non consta che il paziente si trovasse in stato di choc. Si può anzi ritenere che si sia prestato volentieri al colloquio, tanto che non risulta abbia richiesto l’intervento di qualcuno azionando il campanello, oppure che abbia detto ai medici o ai suoi parenti che non voleva
parlare ai giornalisti, voleva insomma essere lasciato in pace. Si può parlare in questo caso di un consenso tacito. Infine non risulta che la giornalista del «Blick» abbia approfittato di una persona indebolita dallo stato di choc e abbia pertanto violato la sua dignità come persona.  

I. Sachverhalt

A. Am 30. November 2011 berichtete der «Blick» auf Seite 5 unter dem Titel «Täter (42) nach Schüssen bei McDonald’s in Biel gefasst» und in noch grösseren Lettern «Opfer spricht im ‹Blick›» über eine Schiesserei, bei welcher ein 42-jähriger Syrer unter anderem den 30-jährigen Schichtleiter von McDonald’s mit drei Schüssen schwer verletzte. Die Journalistin Fabienne Riklin berichtet, wie sich der Überfall aus der Sicht des Schichtleiters zutrug. Namentlich berichtet der Schichtleiter (immer in Anführungszeichen zitiert), er sei gerade damit beschäftigt gewesen, den Gefrierschrank aufzufüllen, als er von seiner Kollegin gerufen wurde, es befinde sich ein Mann mit Pistole im Lokal.

Als er den Mann mit Maske und Pistole sah, habe er sofort gewusst, dass es ernst gelte und ihm «gleich angeboten, alles zu geben». Er habe sich zum Tresor begeben, wohin ihm der Eindringling gefolgt sei. «Als ich das Geld aus dem Tresor nehmen wollte, ballerte er los. Ich habe nur noch Funken aus dem Pistolenlauf gesehen.» Der Schichtleiter sei von drei Schüssen getroffen worden, die Mitarbeiterin von einem weiteren Schuss des Täters. «Ich bin zu Boden gefallen und sah nur noch, wie sich der Angreifer von mir abwandte (…) Es war alles voller Blut. Es war schrecklich.» In den folgenden Tagen werde dem Schichtleiter eine Kugel aus dem Becken operiert. Schlechter gehe es seiner Kollegin, die mit bleibenden Schäden zu rechnen habe. Der Beitrag ist mit zwei Bildern illustriert: einem kleineren, das die Spurensicherung am Tatort zeigt, sowie einem grösseren, in welchem ein Mann vom Nabel bis zum Kinn gezeigt wird (das Gesicht ist nicht erkennbar), der sein T-Shirt hochgezogen hat und so auf der linken Brustseite einen grösseren Verband sichtbar werden lässt.

B. Am 6. Dezember 2011 beschwerte sich die McDonald’s Suisse Management & Services Sàrl in Crissier beim Presserat über den obengenannten «Blick»-Artikel. Fabienne Riklin habe ohne Angabe ihres Namens und ihrer Funktion das Spital in Biel aufgesucht und sich Zutritt zum Zimmer des Mitarbeiters verschafft, der tags zuvor mit drei Schüssen verletzt worden sei. Das Interview lasse sich «anhand der Aussagen unseres Mitarbeiters wie folgt» rekonstruieren: Der Mitarbeiter, der noch unter Schock gestanden und unter starken Schmerzen gelitten habe, habe weder verstanden, wer Fabienne Riklin war noch was sie beabsichtigte. Frau Riklin habe ihn in ein Gespräch verstrickt und ihn nach dem Tatablauf gefragt. «Erst mitten im Gespräch» habe der Mitarbeiter realisiert, dass Fabienne Riklin Journalistin sei. Ausserdem habe er nicht fotografiert werden wollen, da er grosse Angst um seine Frau und seine Kinder gehabt habe. Die Journalistin habe ihn aber bedrängt, «bis er seine Wunden fotografieren liess». Der Mitarbeiter habe der Arbeitgeberin gegenüber erwähnt, seine Schmerzen seien zu gross und er sei zu müde gewesen, um sich zu widersetzen.

Erschöpft habe der Mitarbeiter dann die Medienstelle von McDonald’s orientiert, die umgehend Fabienne Riklin kontaktiert und Schlimmeres verhindert habe. So sei die Nennung des Namens des Mitarbeiters unterblieben und hätten Angaben über «geheime Details zum McDonald’s Sicherheitsdispositiv» verhindert werden können.

Mit der beanstandeten Berichterstattung habe «Blick» die Ziffern 7 (Schutz der Privatsphäre) und 8 (Respektierung der Menschenwürde) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verletzt.

Indem sie ohne Berechtigung und Ankündigung das Spitalzimmer betrat, habe Fabienne Riklin die Privatsphäre des Mitarbeiters verletzt. Sie hätte sich «bei der Spitalleitung/Kommunikationsabteilung» melden müssen. Ausserdem habe sie sich nicht von Anfang an als Journalistin zu erkennen gegeben und «ohne vorgängige Information und freiwillige Zustimmung des Opfers» Aufnahmen gemacht. Schliesslich sei der Mitarbeiter «für einen breiten Teil des Publikums erkennbar». Mit ihrer aufdringlichen Befragung habe die Journalistin zudem die Notlage des noch unter Schock stehenden Opfers ausgenützt und damit dessen Menschenwürde verletzt.

C. Am 19. Januar 2012 wies die anwaltlich vertretene «Blick»-Redaktion die Beschwerde als unbegründet zurück. Die Beschwerdeführerin schildere den Vorgang unzutreffend. Frau Riklin sei in Begleitung eines Fotografen aufgetreten und habe sich nicht nur vorgestellt, sondern auch ihre «Blick»-Visitenkarte übergeben. Das Gespräch habe ziemlich lange gedauert und sei durch eine Arztvisite unterbrochen und nach dieser fortgesetzt worden. Im Verlauf des Gesprächs seien die Ehefrau und weitere Angehörige eingetroffen. Fabienne Riklin habe sich mit der Ehefrau unter anderem auch allein vor der Tür des Spitalzimmers unterhalten. Falls der Besuch der Journalistin den interviewten Mitarbeiter störte, hätte er sowohl die Ärzte als auch die Familienangehörigen bitten können, dem ein Ende zu setzten. Das sei aber nicht geschehen. «Blick» habe in Absprache mit dem Interviewten weder Name, Wohnort noch Staatsangehörigkeit genannt. Ebenso wenig sei er aufgrund des veröffentlichten Bildes erkennbar. Ganz abwegig sei es schliesslich, im Vorgehen der Journalistin eine Verletzung der Menschenwürde zu sehen.

D.
Der Presserat wies die Beschwerde der 3. Kammer zu, der Max Trossmann (Kammerpräsident), Marianne Biber, Jan Grüebler, Matthias Halbeis, Peter Liatowitsch, und Markus Locher angehören. Franca Siegfried, Redaktorin im Newsroom der «Blick»-Gruppe, trat gestützt auf Artikel 14 Absatz 2 des Geschäftsreglements des Presserats von sich aus in den Ausstand.

E. Die 3. Kammer behandelte die Beschwerde an ihrer Sitzung vom 28. März 2012 sowie auf dem Korrespondenzweg.

II. Erwägungen

1. Für den Presserat ist bei der Prüfung der Beschwerde zwischen dem veröffentlichten Bericht und der vorausgehenden Recherche zu unterscheiden:

Ein Schichtleiter von McDonalds gehört nicht zu den öffentlichen Personen, bei welchen eine Namensnennung oder identifizierende Berichterstattung gerechtfertigt wäre. Wenn «Blick» vorliegend nicht identifizierend berichten darf, ist gestützt auf die Richtlinie 7.2 zur «Erklärung» (Identifizierung) zu prüfen, ob der beanstandete «Blick»-Artikel Informationen enthält, die den Schichtleiter für Dritte erkennbar machen, «die nicht zu Familie, sozialem oder beruflichen Umfeld des Betroffenen gehören, also ausschliesslich durch die Medien informiert werden». Dies ist offensichtlich zu verneinen. Auch das publizierte Bild lässt keinerlei Rückschlüsse auf die Person des angeschossenen Schichtleiters zu. Aus Sicht des Presserats ist der veröffentlichte Bericht deshalb als solcher nicht zu beanstanden.

2. a) Näher zu prüfen ist hingegen, ob das Vorgehen der Journalistin bei der Recherche berufsethisch korrekt war. Vorab ist allerdings daran zu erinnern, dass der Presserat bei seiner Beurteilung auf die Darstellung der Parteien und die von ihnen eingereichten Unterlagen abstellt und bei umstrittenen Sachverhalten kein Beweisverfahren durchführt. Das von der Beschwerdeführerin behauptete Verhalten der Journalistin bei ihrem Spitalbesuch ist durch die eingereichten Unterlagen nicht belegt. Deshalb hat der Presserat grundsätzlich von der Sachverhaltsdarstellung der Beschwerdegegner auszugehen.

b) Die Richtlinie 7.8 (Notsituationen, Krankheit, Krieg und Konflikte) hält fest: «Für Recherchen vor Ort in Spitälern und ähnlichen Institutionen ist
die Einwilligung der Verantwortlichen einzuholen.» Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ist damit allerdings nicht gemeint, dass Medienschaffende vor jedem Gespräch an einem Spitalbett verpflichtet sind, die Einwilligung der Spitalleitung und/oder der Spitaladministration einzuholen. Als verantwortlich sind primär die behandelnden Ärzte und das Pflegepersonal zu betrachten. Patientinnen und Patienten können zudem auch in einer Spitalumgebung grundsätzlich frei darüber entscheiden, ob sie einem Medienschaffenden eine Auskunft erteilen wollen. Vorliegend wäre es allerdings angezeigt gewesen, dass die Journalistin vor dem Gespräch mit dem Patienten den behandelnden Arzt und/oder das Pflegepersonal orientiert hätte.

Obwohl die «Blick»-Journalistin dies soweit ersichtlich unterlassen hat – die Beschwerdeantwort führt dazu lediglich aus, weder die Spitalleitung noch die Kommunikationsabteilung sei Ansprechpartner für Journalisten, die mit einem Opfer direkt reden wollen und können – wäre es nach Auffassung des Presserates unverhältnismässig, daraus im konkreten Fall eine Verletzung der «Erklärung» abzuleiten.

Einen Verletzten einen Tag nach einer mehrfachen Schussverletzung im Spital aufzusuchen und zu befragen kann zwar, je nach den Umständen, einen erheblichen Eingriff in die Privatsphäre dieser Person bedeuten (so zum Beispiel das Eindringen in das Zimmer einer unter Schock stehenden oder komatösen Person und deren Abbildung).

Vorliegend ist aber nicht erwiesen, dass der verletzte Mitarbeiter der Beschwerdeführerin nach wie vor unter Schock stand. Vielmehr ist aufgrund der gesamten Umstände davon ausgehen, dass er sich als erwachsene und urteilsfähige Person – ob ursprünglich widerwillig oder nicht – dem Interview von Fabienne Riklin gestellt und Auskunft erteilt hat. Weder hat er von der üblicherweise an einem Spitalbett vorhandenen Klingel Gebrauch gemacht, noch hat er sich den Ärzten oder seiner Familie gegenüber dahingehend geäussert, er wünsche, von Frau Riklin und vom anwesenden Fotografen in Ruhe gelassen zu werden. Gerade in der Spitalumgebung wäre es ein leichtes, sich auf diese Art zu widersetzen, sind doch Pflegepersonal und Ärzte regelmässig darauf bedacht, den Patienten nicht zu viel zuzumuten. Es ist unter diesen Umständen somit sowohl von der zumindest stillschweigenden Einwilligung des Patienten zum Interview und zur fotografischen Aufnahme als auch von der konkludenten Zustimmung der behandelnden Ärzte auszugehen, die laut «Blick» anlässlich der Arztvisite keinerlei Vorbehalte äusserten.

3. Nicht belegt ist nach dem Ausgeführten schliesslich die Behauptung der Beschwerdeführerin, wonach die «Blick»-Journalistin mit ihrem Vorgehen die Notlage des noch unter Schock stehenden Opfers ausgenützt und damit dessen Menschenwürde verletzt habe. Die Beschwerdegegnerin bemerkt dazu zutreffend, dass zunehmend Verletzungen der Menschenwürde bei Sachverhalten geltend gemacht würden, wo von solchen keine Rede sein könne. Tatsächlich legt der Presserat bei der Prüfung einer Verletzung der Menschenwürde und/oder des Diskriminierungsverbots einen hohen Massstab an. Danach muss eine abwertende Äusserung gegen eine Gruppe oder ein Individuum eine Mindestintensität erreichen, um als herabwürdigend oder diskriminierend zu gelten. Eine Recherche verletzt dann die Menschenwürde, wenn das Vorgehen eines Journalisten in einer Notlage als besonders stossend erscheint. Davon kann vorliegend offensichtlich nicht die Rede sein.


III. Feststellungen

1. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

2. Der «Blick» hat mit der Veröffentlichung des Berichts «Täter (42) nach Schüssen bei McDonald’s in Biel gefasst» in der Ausgabe vom 30. November 2011 die Ziffern 7 (Privatsphäre) und 8 (Menschenwürde) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» nicht verletzt.