Nr. 47/2015
Privatsphäre

(X. c. «Blick.ch») Stellungnahme des Schweizer Presserats vom 18. Dezember 2015

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Zusammenfassung

Das Onlineportal «Blick.ch» hatte sich einen Instagram-Post der Bachelorette Frieda Hodel genauer angesehen. Es ging um ein Foto ihres Kühlschranks samt Inhalt. Hodel wollte damit thematisieren, dass sie nach ihrer Rückkehr von Dreharbeiten in Thailand gesunde Sachen wie Früchte und Gemüse essen wolle. «Blick.ch» entdeckte aber in der Seitentüre des Kühlschranks eine Packung Vaginaltabletten. Daraus entstand ein Artikel, der über das Sexualleben von Frieda Hodel spekuliert und sich nicht nur fragt, wieso wohl Hodel dieses Medikament braucht, sondern auch zu wissen scheint warum. Der Artikel basierte auf reinen Vermutungen der Redaktion. Hodel wollte dazu keine Stellung nehmen.

Für den Presserat verletzt dieser Artikel eindeutig Frieda Hodels Intimsphäre. «Blick.ch» durfte zwar das Foto des Kühlschranks publizieren, da es sich bei Frieda Hodel um eine öffentliche Person handelt und das Foto im Zusammenhang mit ihrer Prominenz als Bachelorette stand. Aber das Portal hätte das auf den ersten Blick kaum sichtbare Medikament nicht thematisieren dürfen.

Résumé

Le portail «Blick.ch» s’est penché de près sur une photo postée sur Instagram par la Bachelorette Frieda Hodel. Il s’agissait d’une image montrant le contenu de son réfrigérateur. Frieda Hodel voulait ainsi démontrer qu’elle entendait manger des aliments sains, tels que fruits et légumes, à son retour de tournage en Thaïlande. «Blick.ch» a toutefois découvert dans la porte du réfrigérateur un paquet de tablettes vaginales. S’en est suivi un article qui spécule sur la vie sexuelle de Frieda Hodel et qui non seulement s’interroge sur les raisons pour lesquelles Frieda Hodel prend ce médicament, mais semble savoir pourquoi. L’article reposait sur de simples suppositions de la rédaction. Frieda Hodel n’a pas voulu s’exprimer sur le sujet.

Pour le Conseil de la presse, l’article viole clairement la sphère privée de Frieda Hodel. «Blick.ch» avait le droit de publier la photo du réfrigérateur, puisque Frieda Hodel est une personne publique et que la photo avait un rapport avec son personnage de Bachelorette. Mais le portail n’aurait pas dû évoquer le médicament, à peine visible à première vue.

Riassunto

Il portale «Blick.ch» riportava un’immagine Instagram della «Bachelorette» Frieda Hodel, mostrando il contenuto del frigorifero di casa al suo ritorno dalle riprese effettuate in Tailandia. La Hodel intendeva mostrare quanti buoni frutti e verdure tropicali essa era intenzionata a consumare. Nella foto della porta aperta del frigo si riconosceva tuttavia un pacchetto di prodotti di igiene intima, il che dava spunto al giornale per un discorsetto attorno alla vita sessuale della «starlett», non solo col chiedersi perché se ne servisse ma anche dando a capire di saperlo. Una pura speculazione redazionale, circa la quale Frieda Hodel non ha voluto prendere posizione. Un reclamo è stato tuttavia presentato al Consiglio della stampa.

Per l’organismo di tutela della deontologia giornalistica il pezzo del «Blick» manca di rispetto della sfera intima della persona. Era certamente lecito al giornale, visto che Frieda Hodel è un personaggio dell’attualità, mostrare il contenuto del suo frigorifero: la chiacchiera attorno al farmaco, invece, oltretutto appena riconoscibile, questo limite lo supera.


I. Sachverhalt


A.
«Blick.ch» publiziert am 10. April 2015 einen Artikel mit Foto über Frieda Hodel. Das Foto zeigt ein von Hodel selbst auf Instagram gepostetes Bild ihres offenen Kühlschranks. Darin sieht man, was Frieda Hodel eingekauft hat. Sie selbst hat folgenden Text dazu verfasst: «The first thing that i have done, when i came home today» (versehen noch mit zwei Smileys – Anm. d. Red.). «Blick.ch» hat mit einem roten Kreis die Stelle in der Kühlschranktüre markiert, wo man eine Packung Gynoflor erkennen kann. Die Bildlegende dazu: «Verräterisch: In Frieda Hodels Kühlschrank liegen nicht nur Eier, Erdbeeren und Spargeln, sondern auch eine Packung Vaginaltabletten.» In der Bildergalerie folgen dann: eine Grossaufnahme einer Packung Gynoflor und als drittes Foto ein anderes Bild des Kühlschranks von Frieda Hodel, mit einem anderen Bildausschnitt (man sieht die Türe mit den Tabletten nicht mehr). Frieda Hodel schreibt in diesem Post: «Organic Life! (Smiley – Anm. d. Red.) After 6 Week Thailand now is Shape Time» (Smiley, 3 Bizeps-Symbole – Anm. d. Red.). «Blick.ch» setzt dazu die Bildlegende: «Die Bachelorette bemerkte ihren Fauxpas wenige Stunden nach dem peinlichen Post – und ersetzte das verräterische Bild mit einem ohne Tabletten.» Dazu schreibt «Blick.ch» einen kurzen Artikel, das Ganze unter dem Titel: «Vaginal-Tabletten in Frieda Hodels Kühlschrank – Fieses Souvenir vom ‹Bachelorette›-Dreh?» Im Anrisstext steht dann die Frage: «Hat Bachelorette Frieda Hodel ein Problem mit ihrem Rösli?» Im Artikel selbst wird beschrieben, dass Hodel von Thailand zurückgekehrt sei und dann als erstes das obgenannte Foto auf Instagram gepostet habe. Man sehe auf dem Foto aber neben den gesunden Einkäufen auch die Packung Gynoflor in der Kühlschranktüre. Es wird in zwei Sätzen erklärt, was Gynoflor ist. Erneut wird die Frage gestellt: «Hat die Bachelorette etwa ein Problem mit ihrem Rösli?» Gefolgt von der Feststellung: «Offenbar ja». Im Anschluss wird bemerkt, Frieda Hodel habe sich nicht zum Bild auf Instagram äussern wollen und habe das genannte Bild innert kurzer Zeit von ihrem Instagram-Account entfernt und ein anderes gepostet, ohne Vaginaltabletten.

B. Am 17. April 2015 reicht X. Beschwerde gegen den obgenannten Artikel beim Schweizer Presserat ein. X. argumentiert, der Artikel verletze die Ziffern 7 (Privatsphäre) und 8 (Menschenwürde) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (nachfolgend «Erklärung»). Der Artikel liege nicht im öffentlichen Interesse und respektiere die Krankheit der Betroffenen nicht. Der Artikel sei darüber hinaus rufschädigend, sexistisch und enthalte Mutmassungen. Die Beschwerdeführerin hält fest, sie habe kein rundfunkrechtliches oder Gerichtsverfahren eingeleitet und beabsichtige dies zum Zeitpunkt der Beschwerde auch nicht.

C. Hans Rudolf Steiner, Chefredaktor von «Blick.ch», nimmt am 22. Juni 2015 schriftlich zu den Vorwürfen Stellung. Er beantragt, die Beschwerde von X. abzuweisen. Steiner begründet das damit, Frieda Hodel selbst habe das Foto vom Kühlschrank mit den Gynoflor-Tabletten öffentlich gemacht, und zwar auf ihrem öffentlichen Instagram-Account. Frieda Hodel sei als Bachelorette eine Person des öffentlichen Interesses. Sie habe auch schon ausführlich in den Medien über ihr Sexualleben Auskunft gegeben. «Blick» habe Frieda Hodel im Artikel nichts unterstellt und zudem einen Service-Artikel folgen lassen, der die Fakten rund um Scheidenpilzinfektionen erkläre («Vagina-Gate bei der ‹Bachelorette›: Wie gefährlich ist Scheidenpilz?» – publiziert ebenfalls am 10. April 2015 – Anm. d. Red.). Insofern könne der Bezug zur Krankheit von Frieda Hodel nicht als diskriminierend bewertet werden. Last but not least führt Steiner an, Hodel selbst habe offensichtlich keine Verletzung ihrer Privatsphäre und keine Diskriminierung ihrer Menschenwürde festgestellt. Sie selbst habe ja keine Beschwerde eingereicht. Frieda Hodel habe selbst auf Instagram ein weiteres Bild gepostet von einer Schachtel Gynoflor, versehen mit einem humorvollen Kommentar.

D. Das Präsidium des Presserats übergibt die Beschwerde zur Behandlung an die 1. Kammer mit der Präsidentin Francesca Snider und den Kammermitgliedern Pia Horlacher, Fra
ncesca Luvini, Klaus Lange, Michael Herzka, Casper Selg und David Spinnler. Klaus Lange tritt von sich aus in den Ausstand.

E. Die 1. Kammer des Presserats behandelte die Beschwerde an ihrer Sitzung vom 23. September 2015 und auf dem Korrespondenzweg.

II. Erwägungen

1.a) Die Beschwerdeführerin macht eine Verletzung der Privatsphäre von Frieda Hodel geltend. «Blick.ch» hingegen argumentiert, Frieda Hodel sei eine prominente Person, die ihr Privatleben selbst vor den Medien ausbreite. Ausserdem habe sie das Bild von ihrem Kühlschrank, welches selbstverständlich zu ihrem Privatbereich gehöre, selbst öffentlich gemacht, indem sie dieses auf der Fotoplattform Instagram ihren mehr als 4000 Abonnenten zugänglich gemacht hatte. Sie habe ihren Account damit öffentlich zugänglich gemacht. Sie hätte ihn so einstellen können, dass eine Berechtigung notwendig ist, um die Fotos anzuschauen.

Richtlinie 7.1 führt zum Schutz der Privatsphäre aus, dass jede Person – dies gilt auch für Prominente – Anspruch auf den Schutz ihres Privatlebens hat. Auch öffentliche Personen haben demnach Anspruch auf den Schutz ihres Privatlebens. In seiner Praxis hat der Presserat wiederholt festgehalten, dass Prominente und Politiker sich mehr gefallen lassen müssen als gewöhnlich lebende Zeitgenossen. Politiker und Prominente bestimmen durch ihr Verhalten in der Öffentlichkeit selber, ob und wie die Medien über ihr Privat- und Familienleben berichten dürfen, ob dieses vollständig tabu ist, oder ob sie es den Medien innerhalb gewisser Grenzen zugänglich machen. Frieda Hodel geniesst als Protagonistin der Sendung «Bachelorette» eine gewisse Bekanntheit. Die obigen Regeln betreffend Prominente sind somit auf sie anwendbar. In Bezug auf den gerügten Artikel stellen sich zwei Fragen: Durfte «Blick» das von Frieda Hodel auf ihrem Instagram-Account gepostete Foto verwenden? Und zweitens: Durfte «Blick» über das auf dem Foto abgebildete Medikament gegen Scheidenpilz berichten?

Frieda Hodel hat das Foto ihres Kühlschrankinhalts – wenn auch nur für kurze Zeit – auf Instagram veröffentlicht, und zwar auf ihrem öffentlichen, für jedermann einsehbaren Account. «Blick.ch» durfte das öffentlich gepostete Foto publizieren, da es sich bei Frieda Hodel um eine öffentliche Person handelt und das Foto in Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit als öffentliche Person steht (Fitnesstrainerin und Bachelorette – der Post deutet ja gewissermassen an: jetzt wieder gesundes Essen nach der Zeit als Bachelorette in Thailand; versehen mit: ♯Bachelorette).

b) Weiter ist zu fragen, ob «Blick.ch» das Medikament Gynoflor erwähnen durfte. Diese Frage ist unabhängig davon zu beurteilen, wie lange dieses Foto auf Instagram einzusehen war. Das Medikament nimmt auf dem Foto einen sehr kleinen Platz ein, wird jedoch durch «Blick.ch» mit einem roten Kreis speziell hervorgehoben. Ein Medikament zur Behandlung von Scheidenpilz ist eindeutig der Intimsphäre zuzuordnen, Krankheiten im Intimbereich als höchstpersönlich zu werten. Frieda Hodel hat das Medikament nicht thematisiert. «Blick» entdeckt das Medikament auf dem Foto und textet: «Hat die Bachelorette etwa ein Problem mit ihrem Rösli?». Auf diese Frage gibt «Blick.ch» gleich selbst Antwort: «Offenbar ja». Und dies, obwohl sogleich angemerkt wird, dass sich Hodel nicht dazu äussern wollte. «Blick.ch» konstruiert damit eine Geschichte, wonach Frieda Hodel offenbar an einer Krankheit leide, die die Medikation mit Gynoflor indiziert. Es gibt nicht den geringsten Beleg für dieses «Offenbar ja». Diese Gewissheit setzt sich im Titel zum nächsten Artikel fort – der Artikel, der die Leserschaft über Scheidenpilz aufklären soll. Da steht vor dem Titel «Wie gefährlich ist Scheidenpilz?»: «Vagina-Gate bei der Bachelorette». Im Titel des Artikels («Fieses Souvenir vom ‹Bachelorette›-Dreh?») wird immerhin noch das Fragezeichen gesetzt und so gekennzeichnet, dass man keine Belege hat, sondern sich bloss fragt, ob es eventuell sein könnte, dass Frieda Hodel z.B. einen Scheidenpilz aufgrund des Drehs für die «Bachelorette»-Sendung eingefangen haben könnte. Der Presserat ist klar der Meinung, dass sich keine Frau einen solchen Eingriff in die Intimsphäre gefallen lassen muss. Ziffer 7 der «Erklärung» ist somit verletzt.

2. Die Beschwerdeführerin macht weiter eine Verletzung der Menschenwürde geltend. Ziffer 8 der «Erklärung» hält fest: Journalisten respektieren die Menschenwürde und verzichten in ihrer Berichterstattung in Text, Bild und Ton auf diskriminierende Anspielungen, welche die ethnische oder nationale Zugehörigkeit, die Religion, das Geschlecht, die sexuelle Orientierung, Krankheiten sowie körperliche oder geistige Behinderung zum Gegenstand haben. Der Artikel spielt damit, dass Frieda Hodel für Dreharbeiten in Thailand war und die Leserschaft nicht weiss, was dort alles passiert ist. Der Hinweis, dass sie «offenbar» an einer Krankheit leide, wird jedoch nicht mit weiteren diskriminierenden Anspielungen versehen. Im Vordergrund steht für den Presserat primär eine Verletzung der Intimsphäre von Frieda Hodel, eine Verletzung ihrer Menschenwürde sieht er nicht kumulativ als gegeben.

III. Feststellungen

1. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen.

2. «Blick.ch» hat mit dem Artikel vom 10. April 2015 «Fieses Souvenir vom ‹Bachelorette›-Dreh?» die Ziffer 7 (Privatsphäre) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verletzt. Darüber hinausgehend wird die Beschwerde abgewiesen.