Nr. 56/2006
Presserats- und Gerichtsverfahren

(X. c. «SonntagsBlick») Stellungnahme des Presserates vom 22. Dezember 2006

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I. Sachverhalt

A. Am 26. März 2005 veröffentlichte der «SonntagsBlick» unter dem Titel «Gekaufte Schönheit» einen Bericht über Schönheitsoperationen von Schweizer Prominenten. Darin war zu lesen, dass auch «TV-Moderatorin X. der Natur nachgeholfen» habe und mit ihrem Silikonbusen glücklich sei. Illustriert war der Artikel mit Fotos der darin erwähnten Prominenz. «SonntagsBlick» verwendete dazu den Ausriss eines früheren «Blick»-Artikels («So schön ist mein Busen»), der X. oben ohne zeigte.

B. In Beantwortung eines am 3. Mai 2006 an Michael Ringier gerichteten Schreibens der anwaltlich vertretenen X. räumte der Rechtsvertreter der Ringier AG am 9. Mai 2006 ein, dass der Abdruck der Illustration – verursacht durch ein «redaktionsinternes Missgeschick» – abredewidrig erfolgt sei. Die Ringier AG zeigte sich bereit, als Entschädigung einen Pauschalbetrag per Saldo aller Ansprüche zu bezahlen. Soweit X. einen darüber hinaus gehenden Schaden geltend mache, liege die Beweislast bei ihr und werde die Forderung abgewiesen.

C. Am 22. Juni 2006 beharrte X. in einem weiteren Schreiben an den Ringier-Anwalt auf vollem Ersatz; die Schadenssumme übersteige den angebotenen Pauschalbetrag um ein Mehrfaches. Da die Ringier AG zudem keine Garantie geben könne, dass die Aufnahme nicht noch einmal veröffentlicht werde, verlange sie zudem die Vernichtung sämtlicher zugehöriger Unterlagen einschliesslich der entsprechenden Bestätigung des Verlags. Weiter kündigte Sie die Einreichung einer Strafanzeige an.

D. Am 6. Juli 2006 gelangte X. an den Presserat und beanstandete, «SonntagsBlick» habe mit der obengenannten Veröffentlichung die Ziffern 3 (Entstellung von Informationen), 4 (Lauterkeit), 7 (Respektierung der Privatsphäre) und 11 (Verbot nichtjournalisicher Weisungen) sowie die Buchstaben b (Gewissensklausel) und c (Verbot verlegerischer Einzelweisungen) verletzt. Mit dem erneuten Abdruck der Oben-ohne-Aufnahme von X. habe die Ringier AG zum zweiten Mal nach dem September 2000 (damals durch die «Glückspost») eine zwischen den Parteien abgeschlossene Vereinbarung gebrochen, wonach die Oben-ohne-Fotos von X. nur nach Rücksprache mit ihrer Einwilligung veröffentlicht werden dürften.

E. Gemäss Art. 9 Abs. 3 des Geschäftsreglements des Schweizer Presserates sind offensichtlich unbegründete Beschwerden durch das Presseratspräsidium zurückzuweisen. Das gilt auch für Beschwerden, bei denen die Zuständigkeit des Schweizer Presserates offensichtlich fehlt oder auf die der Presserat gestützt auf Art. 15 des Geschäftsreglements nicht eintritt (vgl. hierzu die Stellungnahme 24/2003).

F. Das Presseratspräsidium bestehend aus dem Presseratspräsidenten Peter Studer und den beiden Vizepräsidentinnen Sylvie Arsever und Esther Diener-Morscher hat die vorliegende Stellungnahme per 22. Dezember 2006 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.

II. Erwägungen

1. Gemäss Art. 15 Abs. 2 seines Geschäftsreglements kann der Schweizer Presserat auch dann auf Beschwerden eintreten, wenn im Zusammenhang mit dem Beschwerdegegenstand bereits ein Gerichtsverfahren eingeleitet worden ist oder ein solches von der Beschwerdeführerin noch anhängig gemacht werden soll. Gemäss Abs. 3 tritt der Presserat auf eine Beschwerde nicht ein, wenn er zum Schluss gelangt, dass die manifeste Gefahr der Beeinflussung eines hängigen Gerichtsverfahrens das Interesse des Beschwerdeführers an einer Stellungnahme des Presserates eindeutig überwiegt; und wenn sich keine grundlegenden berufsethischen Fragen stellen.

2. Um möglichst umfassend zu wichtigen Fragen der Berufsethik Stellung nehmen zu können, tritt der Presserat seit geraumer Zeit nur selten unter Berufung auf Art. 15 des Geschäftsreglements nicht auf eine Beschwerde ein (Stellungnahme 26/2002). Dies meist mit der Begründung, dass die ihm vorliegenden Indizien darauf hindeuten, die Beschwerde an den Presserat diene in erster Linie der Untermauerung der juristischen Argumentation des Beschwerdeführers in einem anderen Verfahren. Ob dies im Einzelfall zu bejahen ist, ist vom Presserat auf der Grundlage der vorhandenen Indizien im Rahmen einer Abwägung der gesamten Umstände jedes Einzelfalls zu entscheiden (Stellungnahme 24/2003).

3. Zwar hat X. – zumindest soweit dem Presserat bekannt – bis anhin im Zusammenhang mit dem Beschwerdegegenstand erst ein Strafverfahren eingeleitet. Aufgrund der dem Presserat eingereichten Vorkorrespondenz erscheint es jedoch als wahrscheinlich, dass weniger die Klärung offener berufsethischer Fragen als vielmehr die rechtliche Durchsetzung der von ihr geltend gemachten Schadenersatzforderung in sechsstelliger Höhe im Zentrum ihrer Bemühungen stehen dürfte. Berufsethisch ist die nach Auffassung des Presserats wichtigste Frage ohnehin bereits geklärt. Dies nachdem von Seiten des Rechtsvertreters der Redaktion des «SonntagsBlick» unmissverständlich eingeräumt wurde, dass die erneute Publikation des Oben-ohne-Bildes der Beschwerdeführerin nicht hätte erfolgen dürfen.

4. Darüber hinaus beanstandet X., der Ringier-Konzern habe keine geeigneten Massnahmen getroffen, um eine weitere (künftige) abredewidrige Publikation des Bildes zu verhindern. Das hat aber direkt kaum etwas mit dem erforderlichen Bezug zur publizistischen Tätigkeit zu tun. Die Organisation und Bewirtschaftung eines verlags- oder redaktionsinternen Fotoarchivs ist eine redaktionsinterne Angelegenheit, zu der sich der Presserat nicht zu äussern hat (Stellungnahmen 8 und 34/2001). Dementsprechend hat er im Einzelfall gegebenenfalls zu prüfen, ob die Veröffentlichung eines Bildes aufgrund der Einwilligung des Abgebildeten oder aufgrund eines überwiegenden öffentlichen Interesses gerechtfertigt war. Hingegen hat der den Redaktionen keine Vorgaben dazu zu machen, wie sie ihr Fotoarchiv organisieren und beispielsweise die Veröffentlichung von persönlichkeitsverletzenden Bildern verhindern.

III. Feststellung

Der Presserat tritt nicht auf die Beschwerde ein.