Nr. 6/1999
Lauterkeit der Recherche / Unabhängigkeit /Namensnennung

(X. c. „Blick“ / „SonntagsZeitung“) Stellungnahme des Presserates vom 10. März 1999

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Nr. 6/99: Lauterkeit der Recherche / Unabhängigkeit /Namensnennung (X. c. „Blick“ / „SonntagsZeitung“) Stellungnahme des Presserates vom 10. März 1999

I. Sachverhalt

A. Am 9. November 1998 erschien im „Blick“ ein Bericht zur sog. Basler Justizaffäre. Im Artikel wurde X. mit den Initialen genannt. Der zu diesem Zeitpunkt in Basel als Staatsanwalt tätige X. war in den vorangegangenen Tagen in Untersuchungshaft genommen worden. Laut „Blick“ wurde ihm vorgeworfen, einen Untersuchungsgefangenen mit brisanten Informationen versorgt zu haben.

B. Am 15. November 1998 berichtete die „SonntagsZeitung“ in einem von Iso Ambühl gezeichneten Artikel unter voller Namensnennung über die vorübergehende Verhaftung des Basler Staatsanwalts X., der enge Kontakte zum Milieu gepflegt habe und verdächtigt werde, die Unterwelt mit Informationen versorgt zu haben.

C. Am 23. November 1998 wandte sich Rechtsanwalt Dr. Benedikt A. Sutter im Namen X. mit einer Beschwerde an den Presserat. Die Beschwerde richtete sich gegen den „Blick“ und die „SonntagsZeitung“. Im Falle des „Blick“ rügte der Beschwerdeführer, der „Blick“-Journalist Beat Alder habe seine spezielle Position als Vetrauensperson gemäss Art. 7 des Opferhilfegesetzes (OHG) missbraucht, um vertrauliche Ermittlungsakten in seiner laufenden Berichterstattung als Journalist auszuwerten. Sowohl der „Blick“ als auch Iso Ambühl bzw. die „SonntagsZeitung“ hätten zudem durch die Nennung der Initialen bzw. des vollen Namens Ziff. 7 der „Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten“ verletzt.

D. Das Präsidium des Presserates überwies die Beschwerde an die 3. Kammer, die sich wie folgt zusammensetzt: Presseratsvizepräsident Reinhard Eyer, Catherine Aeschbacher, Luisa Ghiringhelli, Adi Kälin, Marie-Therese Larcher und Iwan Lieberherr. Adi Kälin trat wie üblich bei den die TA-Media AG betreffenden Beschwerden in den Ausstand.

E. In seiner Stellungnahme vom 15. Dezember 1998 machte Beat Alder geltend, er habe mit seinem Vorgehen Ziff. 4 der „Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten“ nicht verletzt. Journalisten, die von Leserinnen oder Lesern zu Vertrauenspersonen gemäss OHG berufen werden, dürften ihr Wissen journalistisch auswerten. Mitunter seien sie sogar dazu verpflichtet. Für die Nennung der Initialen des in Haft genommenen Basler Staatsanwalts sei er nicht verantwortlich, vielmehr sei die Nennung vom damals diensttuenden „Blick“-Chefredaktor-Stellvertreter gegen seinen ausdrücklichen Einwand angeordnet worden.

F. Mit Schreiben vom 4. Januar 1999 beantragte RA Matthias Schwaibold namens der Ringier AG, auf die Beschwerde sei mangels zureichender Begründung nicht einzutreten, eventuell sei sie abzuweisen. Die vom Beschwerdeführer erhobenen Vorwürfe seien in jeder Hinsicht unzutreffend, sei doch Beat Alder weder rechtlich noch beruflich daran gehindert gewesen, als Vertrauensperson im Sinne des OHG aufzutreten und gleichzeitig als Journalist die „Basler Justizaffäre“ weiter zu verfolgen.

G. In ihrer Stellungnahme vom 8. Januar 1999 beantragte die „SonntagsZeitung“, auf die Beschwerde sei, soweit sie Iso Ambühl betreffe, nicht einzutreten. Im übrigen sei die Beschwerde abzuweisen. Der Entscheid über die volle Namensnennung des Beschwerdeführers sei nicht von Iso Ambühl, sondern von der Redaktion in Zürich nach Rücksprache mit dem Rechtsdienst gefällt worden. Zudem habe sich die „SonntagsZeitung“ in diesem Fall an die strenge Leitlinie des Presserates hinsichtlich Namensnennung gehalten.

II. Erwägungen

1. Soweit die Beschwerdegegner Nichteintreten auf die Beschwerde beantragen, ist darauf hinzuweisen, dass der Presserat ungeachtet der Person des Beschwerdeführers keine qualifizierte Begründung von Beschwerden verlangt und in aller Regel dann auf eine Beschwerde eintritt, wenn aus der Beschwerdeschrift mit hinreichender Klarheit hervorgeht, dass eine Verletzung von berufs-ethischen Regeln geltend gemacht wird. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

2. a) Im Zusammenhang mit der von Beat Alder als Vertrauensperson im Sinne des OHG eingenommenen Funktion stellen sich unter berufsethischen Gesichtspunkten zwei Fragen: Ist die Beschaffung von Information, die dank dieser Funktion erlangt werden, unlauter im Sinne von Ziff. 4 der „Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten“? Ist die Funktion als Vertrauensperson und die journalistische Berichterstattung im gleichen Zusammenhang mit der journalistischen Pflicht zur Unabhängigkeit gemäss Ziff. 8 der „Erklärung“ vereinbar? Gemäss Ziff. 4 der „Erklärung“ dürfen sich Medienschaffende bei der Beschaffung von Informationen, Dokumenten und Bildern keiner unlauteren Methoden bedienen. Gemäss Ziff. 8 der „Erklärung“ dürfen Journalistinnen und Journalisten weder Vorteile noch Versprechungen annehmen, die geeignet sind, ihre berufliche Unabhängigkeit einzuschränken.

b) Der Beschwerdeführer führt an, Beat Alder habe seine Stellung als Vertrauensperson im Sinne des OHG dazu missbraucht, um in unlauterer Weise an journalistisch verwertbare Informationen heranzukommen. Nur dank dieser Funktion habe Alder, so der Beschwerdeführer, in vertrauliche Akten Einsicht erhalten und diese Informationen für seine Berichterstattung verwertet, obwohl er sich in seiner Funktion als Vertrauensperson jeglicher journalistischer Tätigkeit hätte enthalten müssen.

Beat Alder und die Ringier AG vertreten demgegenüber die Auffassung, dass die Stellung als Vertrauensperson im Sinne des OHG einen Journalisten nicht daran hindert, in der gleichen Angelegenheit journalistisch tätig zu sein. Die Ringier macht hinsichtlich einer allfälligen Verletzung von Ziff. 4 der „Erklärung“ geltend, in dieser Bestimmung sei weder von Interessenkonflikten noch von Einschränkungen in der Verwendung von erhaltenen Informationen die Rede. Von einer unlauteren Beschaffung von Informationen könne deshalb keine Rede sein, weil Beat Alder sich weder illegal noch sonstwie wider Treu und Glauben verhalten habe. Eine Unlauterkeit könne sich auch nicht aus der bestrittenen Doppelstellung ergeben. Ein vom Beschwerdeführer behauptetes Verbot der beruflichen Verwertung von Kenntnissen, die ein Journalist in seiner Stellung gemäss Art. 7 OHG erlangt hat, würde diesen in unzulässiger Weise an seiner Berufsausübung hindern und die Qualität der Berichterstattung beeinträchtigen. Wer als Journalist in die Lage komme, direkt Verfahrensbeteiligter zu sein, könne am besten über den Fall berichten. Beat Alder macht darüber hinaus geltend, er sei von der betroffenen Frau um Hilfe gebeten worden. Die Basler Staatsanwaltschaft habe ihn nie darüber aufgeklärt, allfälliges aus den Einvernahmeprotokollen erworbenes Wissen als vertraulich zu behandeln. Ohnehin habe er aber keine Vertraulichkeiten aus den Einvernahmeprotokollen an die Öffentlichkeit getragen. Die in seinen Artikeln enthaltenen Informationen habe er sich anderweitig beschafft.

c) Der erste Satz von Ziff. 4 der „Erklärung“ spricht eindeutig von der Beschaffung und nicht von der Veröffentlichung von Informationen. Das Opferhilfegesetz auferlegt den Verbrechensopfern keinerlei Einschränkungen in der Wahl der ihnen zustehenden Vertrauensperson, weshalb auch Journalistinnen und Journalisten diese Stellung einnehmen können. Unlauterkeit könnte im vorliegenden Zusammenhang allenfalls dann zu bejahen sein, wenn sich ein Journalist gegenüber einem Verbrechensopfer nicht als solcher zu erkennen gibt, oder wenn er die Hilflosigkeit eines Opfers dazu ausnützt, um über die Funktion als Vertrauensperson an zusätzliche Informationen zu gelangen. Aus dem dem Presserat vorliegenden Sachverhalt kann in keiner Weise abgeleitet werden, dass sich Beat Alder Informationen mit solchen Methoden oder
auf anderen unlauteren Wegen (Abhören von Telefonen, Eindringen in geschlossene Räume, etc.) beschafft hätte. Wenn aber eine Information auf lauterem Wege beschafft werden kann, kann aus Ziff. 4 der „Erklärung“ keine Pflicht zum Verzicht auf die Veröffentlichung dieser Information abgeleitet werden. Man kann weder einem Journalisten, noch einem Medium einen Vorwurf daraus machen, wenn sie Informationen veröffentlichen, zu denen sie dank privater Beziehungen gelangt sind (Stellungnahme i.S. A. c. Radio Suisse Romande, Sammlung 1989-1990, S. 17ff.).

d) Das Problem liegt dementsprechend nicht bei der Informationsbeschaffung, als vielmehr bei der möglichen Beeinträchtigung der journalistischen Unabhängigkeit. Der Presserat hat verschiedentlich zu Fragen der Unabhängigkeit Stellung genommen. In seiner Stellungnahme i.S. „abhängiger Wirtschaftsjournalismus (Stellungnahme Nr. 2/92, Sammlung 1992, S. 12ff.) hat er u. a. festgehalten, Journalistinnen und Journalisten könne nicht verboten werden, Freundschaften mit Personen des öffentlichen Lebens zu pflegen. Bei aller Freundschaft sollten die Medienschaffenden aber ähnlich wie Parlamentsmitglieder ihre Interessenbindungen bekanntgeben. „Medienschaffende, die wegen persönlichen Beziehungen (…) bei einem Thema befangen sind, sollten in den Ausstand treten. Der Ausstand ist dann gegeben, wenn eine ‚grosse Nähe‘ besteht“. In seiner Stellungnahme zur Vermischung von politischer Tätigkeit und Journalismus (Stellungnahme Nr. 7/96, Sammlung 1996, S. 88ff.) hat der Presserat darauf hingewiesen, dass es zur Wahrung der Glaubwürdigkeit der Distanznahme und der Vermeidung von Doppelfunktionen bedarf. Bereits die blosse Mitgliedschaft in einer Partei tangiert die journalistische Unabhängigkeit und kann zu Interessenkonflikten führen. Falls Medienschaffende trotzdem ein politisches Amt bekleiden, sollten sie dieses zumindest öffentlich machen, ihre Beiträge ausführlich kennzeichnen und bei „grosser Nähe“ in den Ausstand treten.

Insgesamt lässt sich die Position des Presserates in zwei Grundsätzen zusammenfassen: Nach Möglichkeit sollten Journalistinnen und Journalisten Doppelfunktionen zu vermeiden, die zu Interessenkonflikten führen können. Wo dennoch Doppelfunktionen bestehen, muss gegenüber dem Publikum zumindest Transparenz hergestellt werden. Denn nur so ist das Publikum in der Lage, Informationen und Kommentare gewichten und einordnen zu können. In seiner Stellungnahme Nr. 13/1998 i.S. Vereinbarkeit von Journalismus mit politi-schem Engagement, Sammlung 1998, S. 111ff.) hat der Presserat darauf hingewiesen, dass die Ausübung des Journalistenberufs grundsätzlich nicht mit der Ausübung einer öffentlichen Funktion oder privaten Tätigkeiten verein-bar ist, die die berufliche Tätigkeit berühren. Wenn Medienschaf-fende ausnahmsweise trotzdem solche Funktionen wahrnehmen, sind berufliche und politische Funktionen zu trennen und zu-dem dem Publikum transparent zu machen.

e) Auch wenn die Vertrauensperson gemäss OHG nicht als eigentlicher Vertreter des Opfers im Strafverfahren handeln kann, stand Beat Alder als Vertrauensperson dennoch in ‚grosser Nähe‘ zum angeblichen Verbrechensopfer und war durch seine Stellung verpflichtet, dieses nach bestem Wissen und Gewissen zu unterstützen. Zwar konnte es in dieser Situation – wie dies von Beat Alder geltend gemacht wird – durchaus im Interesse der betroffenen Person liegen, bestimmte Informationen aus dem Strafverfahren zu veröffentlichen. Ebenso kann es die Interessenlage einer Partei aber gebieten, der Öffentlichkeit bestimmte Informationen nach Möglichkeit vorzuenthalten. Jedenfalls wird die Auswahl und die Gewichtung der zu veröffentlichenden Informationen nicht nach denselben Kriterien erfolgen, je nachdem, ob dafür Parteiinteressen (PR in eigener Sache) oder das Interesse der Öffentlichkeit auf umfassende Information massgebend sind. Wenn ein Journalist in einem Strafverfahren die Stellung als Vertrauensperson im Sinne des OHG innehat und gleichzeitig über diesen Fall journalistisch berichtet, ist seine Unabhängigkeit damit tendenziell beeinträchtigt und es besteht die Gefahr einer Instrumentalisierung für Parteiinteressen.

Der Presserat hat aber bereits früher darauf hingewiesen, dass verschiedene Journalismusformen mit der „Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten“ vereinbar sind (Stellungnahme Nr. 13/1998 i.S. Vereinbarkeit von Journalismus mit politi-schem Engagement, a.a.O.) Dementsprechend kann ausnahmsweise die Kumulation der Rolle als Vertrauensperson mit der journalistischen Funktion dann berufsethisch zulässig sein, wenn nur so sowohl eine angemessene Interessenwahrung für das Verbrechensopfer als auch die Information der Öffentlichkeit gewährleistet werden kann. In diesem Fall sollte das Publikum aber zumindest immer über die Doppelfunktion aufgeklärt werden.

f) Um eine unabhängige Berichterstattung sicherzustellen, wäre Beat Alder im konkreten Fall dementsprechend am besten in den Ausstand getreten. Zumindest hätte aber seine Stellung als Vertrauensperson im Sinne des OHG der Leserschaft des „Blick“ jederzeit offengelegt werden müssen. Journalistinnen und Journalisten sind in erster Linie dem Publikum verpflichtet. Ihm gilt ihre Loyalität, und diese Loyalität lässt nicht offengelegte Beziehungen zu Menschen und Institutionen, die Gegenstand der Berichterstattung sein können , nicht zu (Stellungnahme i.S. abhängiger Wirtschaftsjournalismus, a.a.O.). Zwar wird im Bericht des „Blick“ vom 9. November 1998 darauf hingewiesen, dass „die verzweifelte junge Frau ‘Blick’ um Hilfe gebeten“ hatte. Doch erfahren die Leser von „Blick“ dadurch noch nichts über die Doppelfunktion und die damit verbundene Gefahr der Beeinträchtigung der journalistischen Unabhängigkeit von Beat Alder.

3. a) Der Presserat hat sich ebenso wie zur Frage der Unabhängigkeit in zahlreichen Stellungnahmen zur Namensnennung, insbesondere auch bei Personen des öffentlichen Lebens geäussert und hat dabei immer für eine restriktive Handhabung plädiert. In Ziffer 7 der „Erklärung der Rechte und Pflichten der Journalistinnen und Journalisten“ heisst es: „Sie respektieren die Privatsphäre des einzelnen, sofern das öffentliche Interesse nicht das Gegenteil verlangt“. In seiner grundlegenden Stellungnahme zur Namensnennung bei der Gerichtsberichterstattung (Stellungnahme Nr. 7/1994, Sammlung 1994, S. 67ff.) hat der Presserat ausgeführt: „(…) Abweichend vom Grundsatz der Wahrung der Anonymität darf der Name des Betroffenen genannt werden, wenn dies durch ein überwiegendes öffentliches Interesse gerechtfertigt ist. Ein solches ist insbesondere dann gegeben, wenn der Betroffene mit einem politischen Amt oder einer staatlichen Funktion betraut ist und wenn er beschuldigt wird, damit unvereinbare Handlungen begangen zu haben“. Demgegenüber ist auch bei Politikern oder bei anderen Trägern öffentlicher Funktionen die Namensnennung unangebracht, wenn der Gegenstand der Berichterstattung allein das Privatleben betrifft (Stellungnahme i.S. „Privatleben einer Bundesrätin, Sammlung 1993-1989, S. 23ff.; Stellungnahme i.S. Privatsphäre von Personen des öffentlichen Lebens, Nr. 1/95, Sammlung 1995, S. 12ff.). Ist aber ein Zusammenhang zwischen einem Strafverfahren und der öffentlichen Funktion zu bejahen, umfasst die Informationspflicht der Medien auch die Berichterstattung über ein hängiges Strafverfahren. Die anerkannte Kritik- und Kontrollfunktion kann nicht erst bei der Hauptverhandlung oder nach dem Urteil einsetzen (Stellungnahme i.S. „Beschränkung der Pressefreiheit durch vorsorgliche Massnahmen“, Nr. 1/1994, Sammlung 1994, S. 14ff.).

Nicht näher zu äussern hatte sich der Presserat bisher zu Frage, ob die Namensnennung bei Trägern öffentlicher Funktionen ungeachtet der Bedeutung ihrer Stellung zulässig sei. Diesbezüglich kann ohne weiteres der von der „SonntagsZeitung“ postulierten und auch vom Beschwerdeführer implizit vertretenen Auffassung gefolgt werden
, dass das Interesse an einer namentlichen Nennung um so höher zu gewichten ist, je gewichtiger die Stellung des Betroffenen ist. Ebenso ist in die Interessenabwägung die Schwere der zur Diskussion stehenden Delikte einzubeziehen. Schliesslich ist auch zu berücksichtigen, wie konkret ein Verdacht erscheint.

b) Der Beschwerdeführer macht zur Namensnennung geltend, im Ermittlungsstadium sei es aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes und wegen der Unschuldsvermutung unzulässig, die Identität von Angeschuldigten publik zu machen, zumal es sich beim Beschwerdeführer um eine untergeordnete, nicht landesweit bekannte Person handle. Zudem sei die Veröffentlichung der Initialen des Beschwerdeführers im „Blick“ bereits an dem Tag erfolgt, an welchem der Beschuldigte erstmals überhaupt einvernommen worden sei. Auch im Zeitpunkt der Veröffentlichung des vollen Namens in der „SonntagsZeitung“ sei das Ermittlungsverfahren noch nicht einmal parteiöffentlich gewesen.

Beat Alder hält in seiner Stellungnahme vom 15. Dezember 1998 der Beschwerde in diesem Punkt entgegen, der Entscheid der Namensnennung sei nicht von ihm als zeichnenden Journalisten, sondern vom stellvertretenden Chefredaktor des „Blick“ ausgegangen. Er (Alder) selbst habe sich ausdrücklich dagegen ausgesprochen bzw. jede Verantwortung für die Namensnennung abgelehnt. Demgegenüber nimmt die Ringier AG in ihrer Eingabe vom 4. Januar 1999 zur Frage der Namensnennung nicht Stellung. Die „SonntagsZeitung“ schliesslich weist in ihren Ausführungen vom 8. Januar 1999 darauf hin, der Entscheid über die Namensnennung sei nicht vom Autor des beanstandeten Berichts, Iso Ambühl, sondern allein von der Redaktion in Zürich zu verantworten. Diese habe den Entscheid ihrerseits erst nach Rücksprache mit dem internen Rechtsdienst gefällt. Weiter verweist die „SonntagsZeitung“ auf die Richtlinien des Presserates zur Namensnennung und weist darauf hin, dass die Nennung des Namens des Beschwerdeführers in unmittelbarem Zusammenhang zu dessen öffentlicher Funktion hatte. Der Beschwerdeführer sei kein einfacher Polizist, sondern Mitglied der obersten Anklagebehörde gewesen. Das Vertrauen in die staatlichen Funktionäre auf hoher Ebene sei für das Funktionieren des Staates eminent wichtig. Würden Amtsinhaber auf höchster Stufe wie z.B. Staatsanwälte wegen mit ihrer Funktion „unvereinbarer Handlungen“ beschuldigt, so sei deren namentliche Nennung in jedem Fall vertretbar.

c) Im konkreten Fall war der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der beanstandeten Medienberichte unbestrittenermassen Träger einer öffentlichen Funktion. Beamte oder andere Personen, die von der Öffentlichkeit mit einem Amt betraut werden, stehen gegenüber der Öffentlichkeit als Auftraggeber in einem besonderen Verhältnis. Sie sind ihr gegenüber Rechenschaft schuldig. Eine der Hauptfunktionen der Medien ist die Kontrollfunktion, welche verhindern soll, dass staatliche Einrichtungen von einzelnen Amtsträgern missbraucht werden. Allerdings gilt auch bei Amtspersonen wie bei allen andern Menschen die Unschuldsvermutung. Zudem haben sie Anrecht auf den Schutz ihrer Privatsphäre. Das Interesse der Öffentlichkeit auf Information über mögliche Verfehlungen vom Amtsinhabern muss demnach gegen den Anspruch auf Schutz der Privatsphäre abgewogen werden. Die gegen den Beschwerdeführer erhobenen Vorwürfe stehen in einem direkten Zusammenhang mit seinem Amt als Staatsanwalt, das keine bloss untergeordnete Funktion darstellt. Der Vorwurf der Weiterleitung von heissen Informationen an Angeschuldigte stellt einen äusserst schwerwiegenden Vorwurf dar, der das gute und unabhängige Funktionieren der Justiz grundlegend in Frage stellt. Sowohl der „Blick“ als auch die „SonntagsZeitung“ hatten im Zeitpunkt der jeweiligen Veröffentlichungen genügend Informationen, die darauf hindeuteten, dass es sich nicht um blosse unüberprüfbare Gerüchte oder eindeutig haltlose Beschuldigungen handelte. Aus beiden Berichten ging zudem hervor, dass es sich um einen im Strafverfahren noch zu klärenden Verdacht handelte. Angesichts dieser Umstände kann den beiden Medien jedenfalls keine Verletzung von Ziff. 7 der „Erklärung“ vorgeworfen werden, wenn sie aufgrund der Interessenabwägung im konkreten Fall zum Schluss kamen, dass eine Namensnennung in diesem Fall zulässig sei.

d) Nachdem die Namensnennung sowohl durch den „Blick“ als auch durch die „SonntagsZeitung“ als zulässig erachtet wird, entfällt das Interesse an der Feststellung der allfälligen Verantwortung von Beat Alder bzw. Iso Ambühl. Grundsätzlich ist aber darauf hinzuweisen, dass sowohl der Autor eines Berichts als auch die Redaktion für die Einhaltung der berufsethischen Regeln verantwortlich sind, wenn auch einem Journalisten kein Vorwurf gemacht werden kann, wenn ein Name durch die Redaktion veröffentlicht wird, obwohl der Autor des Berichts auf eine Namensnennung verzichten wollte.

III. Feststellungen

1. Wenn eine Information auf lauterem Wege beschafft wird, kann aus Ziff. 4 der „Erklärung“ keine Pflicht zum Verzicht auf die Veröffentlichung dieser Information abgeleitet werden.

2. Wenn ein Journalist in einem Strafverfahren die Stellung als Vertrauensperson im Sinne des Opferhilfegesetzes innehat und gleichzeitig über diesen Fall journalistisch berichtet, ist seine Unabhängigkeit tendenziell beeinträchtigt und es besteht die Gefahr einer Instrumentalisierung für Parteiinteressen. Journalisten sollten deshalb in diesem Fall am besten in den Ausstand treten. Ist dies ausnahmsweise nicht möglich, ist gegenüber dem Publikum jederzeit Transparenz herzustellen.

3. Die volle Nennung des Namens ist zulässig, wenn gegen einen Justizbeamten in höherer Stellung schwerwiegende und konkrete strafrechtliche Vorwürfe erhoben werden, die in einem direkten Zusammenhang mit seinem Amt stehen und die gute und unabhängige Funktionieren der Justiz in Frage stellen.

4. Sowohl der Autor eines Berichts als auch die Redaktion sind für die Einhaltung der berufsethischen Regeln verantwortlich. Einem Journalisten kann jedoch kein Vorwurf gemacht werden, wenn ein Name durch die Redaktion veröffentlicht wird, obwohl der Autor des Berichts auf eine Namensnennung verzichten wollte.