Nr. 14/2006
Kommentarfreiheit / Sachlich ungerechtfertigte Anschuldigungen / Unabhängigkeit / Leserbriefe

(Suter c. «SonntagsBlick») Stellungnahme des Presserates vom 17. Februar 2006

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I. Sachverhalt

A. Im Zusammenhang mit dem Strafverfahren gegen Guido A. Zäch veröffentlichte der «SonntagsBlick» am 17. Oktober 2004 einen Bericht mit dem Titel «Schwere Vorwürfe gegen Kronzeugen» und den Obertiteln «Zäch vs. Suter» sowie «Ruth Dreifuss sorgt für Kehrtwende im Fall Zäch». Aufhänger des von Redaktor Beat Kraushaar verfassten Hauptartikels waren ein von Zäch versandtes Rundschreiben sowie vor allem ein Dementi der ehemaligen Bundesrätin Ruth Dreifuss zur Aussage von Marc F. Suter, Dreifuss habe ihm seinerzeit zur Einreichung einer Strafanzeige gegen Zäch geraten. Angekündigt wurde der Artikel auf der Titelseite mit der Schlagzeile «Wende im Fall Zäch – Dreifuss belastet Kronzeugen».

Gemäss «SonntagsBlick» erhob Zäch in seinem Rundschreiben schwere Vorwürfe gegen seinen ehemaligen Freund und Mitstreiter Suter. Dieser habe «wiederholt nicht die Wahrheit gesagt». Es sei heute nachgewiesen, «dass Staatsanwaltschaft und Strafgericht massgeblich auf Marc F. Suters falsche Behauptungen gegen mich abgestellt haben (…) Ich rechne damit, im Laufe des Jahres 2005 vollständig freigesprochen und rehabilitiert zu werden». Nach der Einschätzung von «SonntagsBlick» waren «zwei der in Zächs Rundschreiben erwähnten Aussagen von höchster Brisanz».

So sei die Behauptung von Suter, Bundesrätin Ruth Dreifuss habe ihm zur Strafanzeige «geraten», eine «krasse Falschaussage» gewesen. «SonntagsBlick» veröffentlichte dazu in einem Faksimile einen Auszug aus einer E-Mail von Dreifuss, worin sie ausführte: «Diese Aussage entspricht nicht der Realität». Suter halte hingegen daran fest: «Sie riet mir 1999, anlässlich eines Gesprächs am Filmfestival von Locarno, Strafanzeige einzureichen.» Für «SonntagsBlick» stand damit fest: «Marc F. Suter instrumentalisierte eine Bundesrätin für seine Angriffe auf Zäch».

Bestritten werde weiter auch eine Behauptung Suters zu einer ATAG-Untersuchung. Diese 1999 durchgeführte Untersuchung über mögliche finanzielle Missstände sei zum Schluss gekommen, dass Guido A. Zäch nichts vorzuwerfen sei. Anfangs 2000 habe Suter diesen Bericht zustimmend zur Kenntnis genommen, drei Monate später dann aber trotzdem Strafanzeige eingereicht. «Als Begründung für seinen Sinneswandel gab er ein Telefonat mit dem Leiter der Untersuchung an. Er habe dabei erfahren, dass dieser nach Instruktion von Guido A. Zäch (…) gearbeitet habe. Vermögensschäden habe er nicht dokumentieren dürfen.» Wie Ruth Dreifuss weise aber auch der Verantwortliche der ATAG-Untersuchung die Erklärungen Suters zurück. «Er ist bereit, dies vor Gericht zu bezeugen. Dokumente, welche ‹SonntagsBlick› vorliegen, belegen dies. Ungeachtet der Beweislage bleibt Marc F. Suter dabei, dass ‹bei der Untersuchung nicht alles mit rechten Dingen zuging›.»

In einem neben dem Artikel stehenden Kommentar mit dem Titel «Ist das, was war, noch wahr?» führte Chefredaktor Christoph Grenacher aus, das erstinstanzliche Urteil, die von einem Laiengericht ausgesprochene unbedingte Gefängnisstrafe, sei zwar hart, aber nach den damaligen Erkenntnissen kein Skandal gewesen. «Soll ich mich nun, da neue Fakten eine völlig andere Ausgangslage schaffen, auf die neuen Informationen einlassen? (…) Selbst wenn es ein Gericht war, das möglicherweise einem Justizirrtum unterlag: Wo aus falscher Faktenlage Unrecht gesprochen wird, muss die Rehabilitierung möglich sein.»

Unter dem Titel «Feinde fürs Leben» beschrieb ein weiterer Artikel die Beziehung der beiden Protagonisten Zäch und Suter. In einem Kasten («In eigener Sache») legte das Blatt ausserdem personelle Verflechtungen zwischen dem Verlagshaus Ringier und der Paraplegikerstifung von Guido A. Zäch dar.

B. Am 17. Oktober 2005 gelangte Marc F. Suter mit einer Beschwerde an den Presserat. Er rügte, die ein Jahr zuvor erschienene Berichterstattung habe das Fairnessprinzip, die Ziffern 3 (Unterschlagung von wichtigen Elementen) und 7 (Unterlassung von sachlich nicht gerechtfertigten Anschuldigungen) der «Erklärung der Rechte und Pflichten der Journalistinnen und Journalisten» sowie die Richtlinie 9.1 zur «Erklärung» (Unabhängigkeit) verletzt.

«Titel, Inhalt und Tonfall des Artikels suggerieren, dass dem Basler Strafgericht im Fall Zäch ein Justizirrtum unterlaufen und daher eine Rehabilitation Dr. Zächs dringend geboten sei. Der Beschwerdeführer wird dabei in eine schlechtes Licht gerückt, ohne dass dem Leser die Möglichkeit geboten wird, zwischen Fakten und Meinungen zu unterscheiden und die im Beitrag enthaltenen Informationen zu gewichten und einzuordnen.» So habe «SonntagsBlick» insbesondere unterschlagen, dass die Frage, ob er die Anzeige auf Anraten von Ruth Dreifuss eingereicht habe oder nicht, für das Strafverfahren völlig unerheblich sei. Die ihm in diesem Zusammenhang unterstellte Falschaussage stelle zudem eine sachlich ungerechtfertigte Anschuldigung dar. Zudem habe «SonntagsBlick» nicht erwähnt, dass beim umstrittenen Gespräch zwischen Dreifuss und Suter ein weiterer Zeuge anwesend gewesen sei, der seine Darstellung stütze. Ebenso die Ziffern 3 und 7 der «Erklärung» verletzt habe Chefredaktor Christoph Grenacher in seinem Kommentar insbesondere durch den leichtfertigen Umgang mit dem Begriff «Justizirrtum». Weiter sei es zwar begrüssenswert, wenn «SonntagsBlick» die Verbindungen des Verlagshauses Ringier mit Dr. Zäch offen lege. Indessen fehle in der Aufzählung der Druckauftrag für die Zeitschrift «Paraplegie», die mit einer Auflage von gegen eineinhalb Millionen in vier Landessprachen viermal jährlich bei Ringier gedruckt werde. Schliesslich habe «SonntagsBlick» das Fairnessprinzip dadurch verletzt, dass in der Ausgabe vom 24. Oktober 2004 nur Leserbriefe zu Gunsten der Redaktion bzw. von Dr. Zäch abgedruckt worden seien. Dies gelte ganz besonders in Bezug auf die Ablehnung des Abdrucks des Leserbriefs des Zeugen, der beim Gespräch mit Ruth Dreifuss dabei war.

C. Am 28. November 2005 beantragte die anwaltlich vertretene Redaktion «SonntagsBlick», die Beschwerde sei abzuweisen. Die für den Artikel relevanten Fakten seien unbestritten. Umstritten sei einzig deren Bewertung, was aber medienethisch nicht von Belang sei. Justizkritik sei sogar dann erlaubt, «wenn sie mit Argumenten begründet wird, die ausserhalb des juristisch Massgeblichen anzusiedeln sind». Die Leser hätten klar zwischen Fakten und Meinungen unterscheiden können. «Der ‹SonntagsBlick› durfte von einer ‹Wende› sprechen, auch wenn er mit dieser Einschätzung (…) allein auf weiter Flur blieb.» Was eine am Gespräch anwesende Drittperson sage, sei für die Wiedergabe der Positionen von Frau Dreifuss und Herrn Suter ebenso wenig von Bedeutung wie der Druckauftrag für «Paraplegie» für die Unabhängigkeit der Redaktion. Ebenso wenig begründe eine einseitige Leserbriefauswahl eine Verletzung medienethischer Pflichten.

D. Der Presserat wies die Beschwerde der 1. Kammer zu, der Peter Studer (Präsident), Luisa Ghiringelli Mazza, Pia Horlacher, Philip Kübler, Katharina Lüthi, Edy Salmina und Francesca Snider (Mitglieder) angehören.

E. Die 1. Kammer behandelte die Beschwerde an ihrer Sitzung vom 17. Februar 2006 sowie auf dem Korrespondenzweg.

II. Erwägungen

1. Gemäss Art. 15 Abs. 5 seines Geschäftsreglements tritt der Presserat auf Beschwerden nicht ein, wenn die Publikation des beanstandeten Medienberichts länger als ein Jahr zurückliegt. Der Beschwerdeführer hat diese Beschwerdefrist mit der Einreichung der Beschwerde zum letztmöglichen Zeitpunkt voll genutzt, was selbstverständlich nicht zu beanstanden ist. Für den Presserat stellt sich dabei allerdings die Frage, ob bei einer Veröffentlichung einer Stellungnahme eineinhalb Jahre nach Veröffentlichung der beanstandeten Berichterstattung der von ihm angestrebte, wenigstens minimale Aktualitätsb
ezug (Stellungnahme 23/2000), immer noch gegeben ist. Er behält sich deshalb vor, die Dauer der Beschwerdefrist in nächster Zeit in Absprache mit dem für eine Reglementsänderung zuständigen Stiftungsrat der Stiftung «Schweizer Presserat» einer Prüfung zu unterziehen.

2. Aus der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» lässt sich keine Verpflichtung zu «objektiver» Berichterstattung ableiten. Auch parteiergreifender, anwaltschaftlicher Journalismus ist berufsethisch zulässig. Allerdings ist gerade anwaltschaftlicher Journalismus nur dann glaubwürdig, wenn die den kritischen Wertungen zugrunde liegenden Fakten sorgfältig recherchiert werden. Zudem hat sich auch eine parteiergreifende Berichterstattung an minimale Fairnessstandards zu halten. Die Tatsachen dürfen nicht entstellt und es dürfen keine wichtigen Elemente von Informationen unterschlagen werden. Soweit in einem Medienbericht schwere Vorwürfe gegen Personen oder Institutionen erhoben werden, sind diese vor der Veröffentlichung mit den Vorwürfen zu konfrontieren; ihre Stellungnahme muss angemessen in den Bericht einfliessen (vgl. hierzu z.B. die Stellungnahmen 32/2001, 50/2003, 1/2004).

Der Presserat hat in seiner Praxis wiederholt darauf hingewiesen, dass die berufsethischen Normen auch für Kommentare gelten. In diesem Zusammenhang hat er zudem wiederholt betont, dass «sich ein Kommentar in den Grenzen des berufsethisch Zulässigen bewegt, wenn sowohl die Wertung wie die ihr zugrundeliegenden Fakten für das Publikum erkennbar sind und wenn sich die Wertung zudem auf eine genügende Grundlage stützt» (Stellungnahmen 3/1998, 16/1999, 17/2000, 29/2001 und 12/2004).

3. Bei der Lektüre des «SonntagsBlick» vom 17. Oktober 2004 erhält der unbefangene Leser ausgehend vom Hinweis auf der Titelseite «Wende im Fall Zäch – Dreifuss belastet Kronzeugen», den Schlagzeilen auf Seite 2 («Schwere Vorwürfe gegen Kronzeugen», «Ruth Dreifuss sorgt für Kehrtwende im Fall Zäch»), dem Lauftext des Hauptartikels und dem sekundierenden Kommentar einen unzutreffenden Eindruck. Die Zeitung suggeriert, das vom Basler Strafgericht ausgesprochene Urteil beruhe massgeblich auf Falschaussagen Suters im Prozess. Eine Differenz zwischen Ruth Dreifuss und Marc A. Suter über Inhalt und Bedeutung eines 1999 geführten Gesprächs sowie zwischen letzterem und einem Verantwortlichen der ATAG über die Unabhängigkeit einer Überprüfung der Paraplegikerstiftung auf finanzielle Unregelmässigkeiten verändere die Ausgangslage für die Appellationsverhandlung im Strafprozess Zäch grundlegend. Das erstinstanzliche Urteil erweise sich möglicherweise als «Justizirrtum» und Zäch werde in zweiter Instanz rehabilitiert.

Zwar war und ist es dem «SonntagsBlick» unbenommen, im Zusammenhang mit dem gegen Guido A. Zäch geführten Strafverfahren für diesen Partei zu ergreifen und ein Gerichtsurteil als möglichen Justizirrtum zu bewerten. Zudem ist zumindest für den juristisch gebildeten Teil der Leserschaft bei näherer Betrachtung des Berichts ersichtlich, dass der Umstand, ob Suter seinerzeit von der damaligen Bundesrätin Ruth Dreifuss zu einer Strafanzeige ermuntert worden ist oder nicht, für den Ausgang des Strafverfahrens ebenso wenig von Bedeutung sein konnte wie die umstrittene Frage, ob die 1999 durchgeführte Untersuchung des Finanzgebarens von Zäch durch die ATAG mit der gebotenen Unabhängigkeit durchgeführt wurde. Anders sieht dies jedoch für die grosse Mehrheit der Nichtjuristen unter der Leserschaft aus. Angesichts der grossen Aufmachung dieser Nebenpunkte und des Umfangs des Artikels des «SonntagsBlick» bestand die Gefahr, dass ein erheblicher Teil der Leserinnen und Leser die «Beweisführung» von Zäch und «SonntagsBlick» zum Nennwert nahm, wonach Suter in einzelnen Punkten angeblich die Unwahrheit gesagt habe, damit generell unglaubwürdig sei, womit auch die Basis der erstinstanzlichen Verurteilung Zächs dahinfalle.

Im Ergebnis kommt der Presserat deshalb zum Schluss, dass der «SonntagsBlick» mit dem Hauptartikel von Beat Kraushaar und dem Kommentar von Chefredaktor Christoph Grenacher die Grenzen der Kommentarfreiheit überschritten und die Ziffer 3 der «Erklärung» verletzt hat. Dies weil der Leserschaft zu wenig deutlich gemacht wurde, auf welchen – mageren – Fakten die drastischen Einschätzungen («Wende im Fall Zäch», «Schwere Vorwürfe gegen Kronzeugen», «Fehlurteil») der stark dramatisierenden Berichterstattung beruhten.

4. Ziffer 7 der «Erklärung» gebietet den Journalistinnen und Journalisten, auf sachlich ungerechtfertigte Anschuldigungen zu verzichten. Wie bereits oben zur Verletzung der Kommentarfreiheit dargelegt, untermauerte der «SonntagsBlick» die These einer «Wende im Fall Zäch» zentral damit, dass Marc F. Suter als Auslöser des Strafverfahrens aufgrund von Falschaussagen nicht mehr glaubwürdig sei. Zwar erhebt der Autor den Vorwurf der Falschaussage im Gerichtsverfahren nicht direkt, sondern begnügt sich damit, aus dem Rundschreiben von Zäch zu zitieren, wonach das Basler Strafgericht massgeblich auf Falschaussagen Suters abgestellt und dass dieser wiederholt nicht die Wahrheit gesagt habe. Zwar wurde der Beschwerdeführer vor der Publikation sowohl zum Gespräch mit Ruth Dreifuss wie auch zur ATAG-Untersuchung befragt und wurde seine Stellungnahmen dazu in angemessener Weise wiedergegeben. Die generelle Anschuldigung der Falschaussagen vor Gericht blieb jedoch unbelegt und unwidersprochen.

5. Soweit der Beschwerdeführer im Einzelnen rügt, der «SonntagsBlick» hätte zwingend darauf hinweisen müssen, dass beim Gespräch zwischen ihm und Ruth Dreifuss im Sommer 1999 eine Drittperson dabei gewesen sei, die seine Darstellung des Sachverhalts bestätige bzw. auf seinen Hinweis vor der Publikation eine Stellungnahme dieser Person einholen müssen, erachtet der Presserat die Beschwerde als unbegründet.

Der Presserat hat wiederholt festgehalten, dass es nicht zu seinen Aufgaben gehört, zwischen den Parteien umstrittene Sachverhalte in einem Beweisverfahren zu klären (vgl. zuletzt die Stellungnahme 2/2006). Entsprechend muss hier offen bleiben, ob Frau Dreifuss dem Beschwerdeführer damals explizit zu einer Strafanzeige geraten hat oder ob sie im Rahmen eines informellen Gesprächs lediglich – was ebenfalls denkbar erscheint – allgemein darauf hinwies, dass allfällige finanzielle Unregelmässigkeiten bei der Paraplegikerstiftung sinnvollerweise durch die Strafjustiz und nicht durch die Stiftungsaufsicht zu untersuchen seien. Berufsethisch ist jedenfalls nicht zu beanstanden, dass der «SonntagsBlick» die Differenz der Darstellungen von Dreifuss und Suter thematisierte und dessen Berufung auf dieses Gespräch als «Instrumentalisierung» bewertete. Korrekterweise holte die Zeitung zu diesem Punkt den Standpunkt des Beschwerdeführers ein. Aus dessen Stellungnahme ging hervor, dass hinsichtlich der Interpretation dieses Gesprächs Aussage gegen Aussage stand. An dieser Differenz der Standpunkte hätte kaum Wesentliches geändert, wenn der «SonntagsBlick» vor der Publikation eine Bestätigung der Sachverhaltsdarstellung Suters durch eine Drittperson eingeholt hätte. Auch generell würde es zu weit führen, wenn Medienredaktionen vor der Publikation schwerer Vorwürfe zu umstrittenen Sachverhalten über die Anhörung der davon direkt Betroffenen hinaus in jedem Fall auch noch die Aussagen von Zeugen einholen und überprüfen müssten.

6. Gemäss der Richtlinie 9.1 zur Erklärung ist die Wahrung der Unabhängigkeit der Journalistinnen und Journalisten für die Verteidigung der Pressefreiheit unabdingbar. Marc F. Suter macht dazu geltend, die Redaktion «SonntagsBlick» habe mit dem Abdruck des Kastens «In eigener Sache» und den dort erwähnten Verbindungen bei der Leserschaft den falschen Eindruck erweckt, es bestünde keine Interessenverbindung zwischen dem Verlagshaus Ringier und der Paraplegikerstiftung. Wenn man schon personelle Verbindungen aufliste, hätte auch der «wirtschaftlich gewichtige» Druckauftrag
für die Zeitschrift «Paraplegie» erwähnt werden müssen.

Nach Auffassung des Presserates geht diese Forderung zu weit. Leistungsfähige Druckereien sind mit dem Druck einer Zeitung nicht ausgelastet und verarbeiten daher Aufträge aus den verschiedensten Bereichen für unterschiedliche Kunden. Es kommt daher häufig vor, dass Kunden eines Druckauftrages Gegenstand eines Berichts der entsprechenden Zeitung sind, ohne dass die Redaktion davon Kenntnis hat. Bei entsprechenden Medienberichten muss deshalb ein solcher Druckauftrag nicht generell erwähnt werden. Und auch wenn der Beschwerdeführer gemäss seiner Darstellung davon überzeugt ist, «dass sich der ‹SonntagsBlick› durch Dr. Zäch bzw. seine Verteidigung zur Titelgeschichte» bewegen liess, liegen über das im Artikel erwähnte Rundschreiben Zächs hinaus keine Belege für diese Annahme vor. Insbesondere ist eine derartige Beeinflussung und Beeinträchtigung der journalistischen Unabhängigkeit nicht bereits durch den Druckauftrag für «Paraplegie» indiziert, so dass die Erwähnung des Druckauftrags auch im konkreten Fall nicht zwingend war.

7. Soweit Marc F. Suter schliesslich die Einseitigkeit der Leserbriefauswahl in der Ausgabe des «SonntagsBlick» vom 24. Oktober 2004 und insbesondere den Nichtabdruck der Zuschrift der Drittperson beanstandet, die beim Gespräch mit Ruth Dreifuss dabei war, ist die Beschwerde ebenfalls abzuweisen.

Ebenso wenig wie eine einseitige parteiergreifende Berichterstattung verstösst auch eine einseitige Leserbriefauswahl a priori gegen berufsethische Regeln. Auf dem von Marc F. Suter dem Presserat eingereichten Auszug der Leserbriefseite des «SonntagsBlick» vom 24. Oktober 2004 sind zwei Leserbriefe zum Artikel «Schwere Vorwürfe gegen Kronzeugen» abgedruckt, welche dessen Stossrichtung unterstützen. Im Lichte der Empfehlung des Presserates, wonach Redaktionen gerade auch mit kritischen Stellungnahmen grosszügig umgehen sollten (vgl. z.B. die Stellungnahmen 40/2004 und 31/2005) erscheint dabei zwar insbesondere auch der unterlassene Abdruck der Leserzuschrift der beim Gespräch mit Ruth Dreifuss anwesenden Drittperson zwar als Schönheitsfehler. Eine Verpflichtung zu einem Tun ist aus dieser Empfehlung des Presserates aber nicht abzuleiten. Denn gemäss ständiger Praxis des Presserates sind die Redaktionen bei der Auswahl der Leserbriefe frei.

III. Feststellungen

1. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen

2. Der «SonntagsBlick» hat mit seiner Berichterstattung vom 17. Oktober 2004 («Wende im Fall Zäch»; «Schwere Vorwürfe gegen Kronzeugen») die Grenzen der Kommentarfreiheit überschritten und die Ziffer 3 der «Erklärung» verletzt. Der Leserschaft wurde zu wenig deutlich gemacht, auf welchen – mageren – Fakten die drastischen Einschätzungen («Wende im Fall Zäch», «Schwere Vorwürfe gegen Kronzeugen», «Justizirrtum») der stark dramatisierenden Berichterstattung im Hauptartikel und zugehörigem Kommentar beruhte.

3. Darüber hinausgehend wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. «SonntagsBlick» war weder verpflichtet, den Druckauftrag des Verlags Ringier für die Zeitschrift «Paraplegie» zu erwähnen, noch Leserbriefe abzudrucken, die die Berichterstattung vom 17. Oktober 2004 kritisierten.