Nr. 43/2001
Interviews / Veröffentlichung von Äusserungen Prominenter

(Borer-Fielding c. «Schweizer Illustrierte») Stellungnahme vom 26. Oktober 200

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I. Sachverhalt

A. Am 11. und 12. Mai 2001 wurde die renovierte und durch einen Anbau ergänzte Botschaft der Schweiz in Berlin mit einem Festakt eröffnet. Botschafter Thomas Borer und seine Frau Shawne Fielding gaben unter anderem zwei Galadinners für jeweils 200 Gäste, darunter viele Medienvertreter. Zwei Tage zuvor, am 9. Mai 2001, hatte der Botschafter an einer Medienkonferenz Fragen der rund 100 Journalistinnen und Journalisten beantwortet. Das Medieninteresse war nicht zuletzt durch eine aktuelle Kontroverse geweckt worden: Die deutsche Zeitschrift «Max» hatte Anfang Mai eine Fotoserie veröffentlicht, für die Shawne Fielding in verschiedenen Kostümen in den Räumen der Botschaft posiert hatte. Dies hatte im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten für Unmut gesorgt, und Frau Fielding hatte sich bei Bundesrat Joseph Deiss entschuldigt. Das Ehepaar Borer-Fielding erklärte auch, es wolle im Umgang mit den Medien Zurückhaltung üben. Eine Folge davon war, dass Botschafter Borer beabsichtigte, abgesehen von der Pressekonferenz vor der Botschaftseröffnung keine Einzelinterviews zu geben. An der Medienkonferenz vom 9. Mai war auch Susanne Timm von der «Schweizer Illustrierten» anwesend. Im Anschluss an die Pressekonferenz fand ein Fototermin statt, an dem das Ehepaar Borer-Fielding für die Titelseite der «Schweizer Illustrierten» fotografiert wurde.

B. Am Galadinner der Botschaft vom Freitag, dem 11. Mai, nahm Susanne Timm teil. Am späteren Abend setzte sie sich an den Tisch von Shawne Fielding und plauderte mit der Gattin des Botschafters. Am folgenden Abend schickte sie um 21.30 Uhr eine E-Mail an die private Adresse von Frau Fielding: «Wie mit Ihnen abgesprochen, übersende ich Ihnen anbei meinen Text. Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen und hoffe, es ist für einmal ein Artikel, der Ihnen auch von einer anderen Seite gerecht wird. Sollten Sie Rückfragen haben: bis 23 Uhr bin ich in der Redaktion zu erreichen.» Beigefügt war ein Interviewtext, in dem sowohl Thomas Borer als auch Shawne Fielding auf Fragen der Journalistin antworteten.

C. Shawne Fielding sah die E-Mail am frühen Sonntag, dem 13. Mai 2001, kurz nach Mitternacht. Sie antwortete per E-Mail, sie habe bisher wegen der Eröffnungsfeier vom Samstag keine Zeit gehabt, und sie bat Susanne Timm, so fair zu sein, einige Änderungen im Text anzubringen. Im Laufe des Sonntags schickten Thomas Borer und Shawne Fielding per Fax einen zweiten Ausdruck der E-Mail an die «Schweizer Illustrierte», in der sie handschriftlich diverse Änderungen am Text vorgenommen hatten.

D. Am Montag, dem 14. Mai 2001 erschien die «Schweizer Illustrierte» mit dem Ehepaar Borer-Fielding auf der Titelseite und der Schlagzeile «Thomas Borer und Shawne – Das private Interview». Im Editorial schrieb Chefredaktor Marc Walder, Shawne Fielding habe sich während des Galadinners eine Stunde Zeit genommen «für ein privates Gespräch» mit der Journalistin. Ein Foto auf der selben Seite zeigte Shawne Fielding mit Susanne Timm, und in der Legende darunter stand «Gab ihr erstes grosses Interview nach den ÐMax?-Bildern». Und im Inneren des Hefts waren rund sieben Seiten dem Botschafterpaar und seiner Residenz gewidmet. Den Auftakt machte der Titel: «Thomas Borer und seine bezaubernde Shawne verraten im exklusiven Interview: «Wir können uns vorstellen, ein Kind zu adoptieren!» Anschliessend folgte im Wesentlichen der Text, den Susanne Timm Frau Fielding gemailt hatte. Keiner der Änderungswünsche von Thomas Borer und Shawne Fielding war berücksichtigt worden.

E. Mit Fax-Schreiben vom 18. Mai 2001 an die «Schweizer Illustrierte» sprach Thomas Borer von einem «fingierten Interview». Er und seine Frau hätten nie eine Zusage zu einem Interview gegeben. Weiter schrieb Borer: «Wir waren daher mehr als erstaunt, als wir am Sonntag morgen per Zufall auf unserer E-Mail den Entwurf zu einem Interview fanden. Wir versuchten, in aller Eile noch einige Korrekturen anzubringen – auch dies vergeblich.» Darauf antwortete Marc Walder, Chefredaktor der «Schweizer Illustrierten» am 21. Mai 2001, Shawne Fielding sei informiert gewesen, dass es sich «um ein journalistisch zu verwertendes Gespräch handelte». Die Änderungswünsche seien zu spät eingetroffen, da die «Schweizer Illustrierte» am Samstag um Mitternacht Redaktionsschluss habe.

F. Am 24. Mai 2001 forderte Borer in einem weiteren Fax-Schreiben von Walder, die Zeitschrift habe an prominenter Stelle darauf hinzuweisen, dass dieses Interview «fingiert» gewesen sei und das Ehepaar nie ein «privates, exklusives Interview» gegeben habe. Es habe nie in eine Interviewsituation gegeben, er und seine Frau hätten die einzelnen Zitate nicht in dieser Form geäussert oder genehmigt. Hierauf schlug Marc Walder am 25. Mai dem Botschafter vor, in seinem Editorial darauf hinzuweisen, dass die «Schweizer Illustrierte» mit Borer und seiner Frau separat gesprochen und diese beiden Gesprächssituationen miteinander verknüpft habe.

G. Mit Schreiben vom 31. Mai 2001 verlangten Thomas Borer und Shawne Fielding von der «Schweizer Illustrierten» eine Gegendarstellung: Die Behauptung, es habe sich um ein privates Exklusivinterview gehandelt, sei falsch. Die «Schweizer Illustrierte» lehnte den Abdruck der Gegendarstellung ab.

H. Mit Eingabe vom 27. Juni 2001 führte der Anwalt von Thomas Borer und Shawne Fielding beim Presserat Beschwerde gegen die Ringier AG sowie gegen Marc Walder und Susanne Timm von der «Schweizer Illustrierten».

I. Das Präsidium des Presserats übertrug die Behandlung der Beschwerde der 3. Kammer, der Catherine Aeschbacher als Präsidentin sowie Esther Diener-Morscher, Judith Fasel, Sigmund Feigel, Roland Neyerlin, Daniel Suter und Max Trossmann als Mitglieder angehören. Die Kammer behandelte die Beschwerde an ihrer Sitzung vom 26. Oktober 2001 und auf dem Korrespondenzweg.

K. Die Beschwerdeführer stellen folgende Anträge:

1. Es sei festzustellen, dass die Pflichten 1 und 4 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verletzt worden seien.

2. Marc Walder und Susanne Timm seien darauf hinzuweisen, den Begriff Interview nur dann zu verwenden, wenn ein Gespräch zwischen den interviewten Personen und dem Journalisten bzw. der Journalistin effektiv so stattgefunden habe, wie es später wiedergegeben werde.

3. Marc Walder und Frau Timm seien darauf hinzuweisen, dass der Begriff des «exklusiven» oder «privaten» Interviews nur benutzt werden dürfe, wenn zwischen den Parteien ein Exklusivvertrag geschlossen worden sei. Die Beschwerdeführer rügen, der Artikel verletze die Ziffern 1 (Wahrheitspflicht) und Ziffer 4 (Verbot von unlauteren Methoden bei der Informationsbeschaffung) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten». Sowohl die in Titel und Text verwendete Sprache als auch die Form des Beitrags suggerierten einen ganz anderen Sachverhalt als denjenigen, der sich zugetragen habe:

– «Thomas Borer und Shawne – Das private Interview» – «Die (Shawne Fielding) nimmt sich eine Stunde Zeit für ein privates Gespräch.» – «Das Interview, die rauschende Party und die edlen Räume der Botschaft – ab Seite 14.» – «Thomas Borer und seine bezaubernde Shawne verraten im exklusiven Interview».

Des weiteren beanstanden die Beschwerdeführer, dass fast ausschliesslich die direkte Rede mit konkreten Fragen und Antworten verwendet wurde.

In Wahrheit habe aber keine Interviewsituation (gemäss Richtlinie 4.5 zur «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten») vorgelegen, erst recht nicht eine private, exklusive Situation. Die von Susanne Timm verwendeten Gesprächsausschnitte stammten einerseits aus lockeren Gesprächen von Herrn Borer mit zahlreichen Journalisten zwischen einer Pressekonferenz und einem Fototermin, anderseits aus einem a
uf English geführten informellen Tischgespräch mit Frau Fielding am Rande eines Galadinners».

Ebenso gegen Treu und Glauben verstosse das Vorgehen der Journalistin: Obwohl ihr bekannt gewesen sei, dass Shawne Fielding auch am Samstagabend Gastgeberin eines grossen Galadinners war, habe Susanne Timm ihren Text ohne Vorankündigung um 21.30 Uhr an die private E-Mail-Adresse von Shawne Fielding gesandt, mit der Aufforderung, innerhalb von 90 Minuten zu reagieren.

Des weiteren beanstanden die Beschwerdeführer die Darstellung des Textes im E-Mail: Er sei in fortlaufender Form geschrieben, ohne Hervorhebungen und ohne den späteren Titel «Das private Interview». Das angebliche Interview wirke umso reisserischer, als darauf eine Reportage über das Heim der Eheleute Borer folge. Nur am Rande sei erwähnt, dass die veröffentlichten Innenaufnahmen auf dem Internet frei zugänglich seien.

Der Beitrag in der «Schweizer Illustrierten» habe die Leserschaft in die Irre geführt, indem er den Eindruck erwecke, die Eheleute würden sich – nur wenige Tage nach ihrer Erklärung, im Umgang mit den Medien Zurückhaltung zu üben – nicht an ihre eigenen «Versprechen» halten. Susanne Timm habe sich mit ihrem Vorgehen bei der Beschaffung der Informationen zum Artikel sowohl unlauterer Methoden bedient als auch die Pflicht zur Wahrheit missachtet.

L. In seiner Beschwerdeantwort vom 2. August 2001 verlangte der Anwalt der Beschwerdegegner die Abweisung der Beschwerde. Wohl habe Susanne Timm mit Thomas Borer und Shawne Fielding zwei zeitlich aufeinanderfolgende Gespräche geführt, doch sei dies auf Wunsch von Botschafter Borer geschehen. Als die Journalistin am Freitagabend am Tisch von Frau Fielding gesessen sei, habe sie beim Gespräch Notizen gemacht; einzelne Aussagen habe Frau Fielding ihr wörtlich diktiert. Die Beschwerdegegner bestreiten, dass nicht abgesprochen worden sei, den Text vor der Publikation im Laufe des Samstags zuzustellen: Frau Fielding habe der Journalistin sogar ihre private E-Mail-Adresse bekanntgegeben. Der zugesandte Text sei klarerweise ein Paarinterview gewesen. Frau Fielding habe sich auch von den Aussagen nicht distanziert, sondern nur ein paar nicht eben zentrale Änderungswünsche angebracht und diese an Susanne Timm zurückgemailt. Dies könne und müsse als Zustimmung zum Interview verstanden werden. Zusammen mit den späteren Änderungswünschen per Fax sei dies eine doppelte Ratifizierung. Diese Rückmeldungen seien aber erst nach Redaktionsschluss eingetroffen, weshalb sie nicht mehr berücksichtigt werden konnten. Was im übrigen die «Schweizer Illustrierte» für «privat» und «exklusiv» erkläre, könne den Beschwerdeführern egal sein. Wer sich für ein Titelbild der Zeitschrift fotografieren lasse, müsse damit rechnen und sei damit einverstanden, dass die Aufbereitung der Geschichte im Stile einer Titelgeschichte der «Schweizer Illustrierten» erfolge. Eine Frist von 90 Minuten für allfällige Änderungen sei kein Verstoss gegen die berufsethischen Pflichten der Journalisten.

M. In der Replik vom 6. September 2001 betonten die Beschwerdeführer erneut, sie hätten der «Schweizer Illustrierten» nur einen Fototermin, jedoch nie ein Interview gewährt. Der Text sei aus belanglosen Plauereien mit Thomas Borer einerseits und Shawne Fielding andererseits von der Journalistin Susanne Timm auf treuwidrige Weise als Partnerinterview konstruiert worden. Die vergeblichen Korrekturversuche des Ehepaares Borer-Fielding am zugestellten Textentwurf stellten keine Autorisierung dar. Die angeblich private E-Mail-Adresse von Shawne Fielding sei der «Schweizer Illustrierten» bereits seit mehreren Jahren bekannt gewesen.

N. In ihrer Duplik vom 12. Oktober 2001 weisen die Beschwerdegegner im Wesentlichen noch einmal darauf hin, dass Thomas Borer und Shawne Fielding zweimal den Textentwurf von Susanne Timm mit Änderungswünschen an die «Schweizer Illustrierte» zurückgemailt bzw. -gefaxt hatten. Damit hätte das Ehepaar das Paarinterview autorisiert.

II. Erwägungen

1. a) Die Beschwerdeführer sehen durch das Vorgehen der «Schweizer Illustrierten» Ziffer 1 und 4 sowie Richtlinie 4.5 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (nachstehend «Erklärung» genannt) verletzt.

b) Die genannten Pflichten lauten:

Ziffer 1: «Sie halten sich an die Wahrheit ohne Rücksicht auf die sich daraus für sie ergebenden Folgen und lassen sich vom Recht der Öffentlichkeit leiten, die Wahrheit zu erfahren.»

Ziffer 4: «Sie bedienen sich bei der Beschaffung von Informationen, Tönen, Bildern und Dokumenten keiner unlauteren Methoden. Sie bearbeiten nicht oder lassen nicht Bilder bearbeiten zum Zweck der irreführenden Verfälschung des Originals. Sie begehen kein Plagiat.»

Richtlinie 4.5 zu Ziffer 4: «Das journalistische Interview basiert auf einer Vereinbarung zwischen zwei Partnerinnen/Partnern, welche die dafür geltenden Regeln festlegen. Die Einhaltung dieser Regeln ist eine Frage der Fairness. Aus der Interview-Situation muss klar erkenntlich sein, dass die Publikation des Gesprächs beabsichtigt ist. Im Normalfall müssen Interviews autorisiert werden. Die interviewte Person darf jedoch keine grundsätzlichen Änderungen vornehmen, welche dem Gespräch eine andere Orientierung geben (Veränderung des Sinnes, Streichung oder Hinzufügung von Fragen). In solchen Fällen haben Medienschaffende das Recht, auf eine Publikation zu verzichten oder den Vorgang transparent zu machen. Wenn beide Seiten mit einer Fassung einverstanden sind. kann hinterher nicht mehr auf frühere Fassungen zurückgegriffen werden. Äusserungen von Personen der Öffentlichkeit, welche in der Öffentlichkeit gemacht worden sind, sind auch ohne Rücksprache publizierbar.

2. a) Unbestritten ist, dass das Ehepaar Borer-Fielding nicht gemeinsam und gleichzeitig mit der «Schweizer Illustrierte»-Journalistin Susanne Timm gesprochen hat. Die später verwendeten Antworten von Thomas Borer stammten aus der Pressekonferenz vom 9. Mai 2001, jene von Frau Fielding aus dem Tischgespräch am späten Abend des 11. Mai 2001.

b) Zunächst stellt sich die Frage, ob es sich bei den Gesprächen überhaupt um Interviews handelte. In der Stellungnahme 1/96 i.S. Cottier c. «Facts» (Sammlung 1996, S. 15ff.) sind die Spielregeln aufgezählt, die bei verabredeten Interviews gelten. Etwas allgemeiner ist die Richtlinie 4.5 zu Ziffer 4 der «Erklärung» gefasst.

In der journalistischen Praxis gibt es jedoch nicht nur verabredete Interviews. Häufig hängt es nicht von einer Verabredung, sondern von der Gunst des Augenblicks ab, ob Medienschaffende eine für sie wichtige Person erreichen und ihr Fragen stellen können. Kommt ein solches Gespräch zu Stande, steht noch keineswegs fest, in welcher journalistischen Form es verwertet werden kann – ob als Interview, als Lauftext mit Zitaten oder nur als Hintergrundinformation. Es ist berufsethisch durchaus zulässig und zuweilen geradezu geboten, dass Medienschaffende versuchen, Personen der Öffentlichkeit, insbesondere Amtsträgern, auch dann eine Stellungnahme zu entlocken, wenn diese ein Interview zunächst verweigert haben. Die Berufspflicht gebietet aber Medien ebenso, die verwendeten Zitate den Gesprächspartnern vorzulegen, sofern nicht aus den Umständen des Gesprächs abzuleiten ist – was insbesondere bei einfachen Rechercheinterviews zu vermuten ist – dass auf eine Autorisierung verzichtet wird. (vgl. Stellungnahme 7/2001 vom 19. Januar 2001) i.S. S./M. c. SF DRS

c) Auf den vorliegenden Fall bezogen, heisst das: Susanne Timm traf in beruflichem Auftrag sowohl Thomas Borer als auch Shawne Fielding an offiziellen Anlässen. Es wird von den Beschwerdeführern nicht behauptet, die Journalistin hätte ihren Beruf verschwiegen. Auch wenn das Botschafterpaar die Absicht hatte, keine Interviews zu geben, durfte Susanne Timm versuchen, ihnen Fragen zu stellen. Alles, was Borer und Fielding an einem offiziellen Anlass zu Medienleuten sagten, war grundsätzlich
auch journalistisch verwertbar – es sei denn, gewisse Dinge würden Medienvertretern ausdrücklich unter dem Siegel der Verschwiegenheit mitgeteilt. Die Beschwerdeführer machen jedoch nicht geltend, Frau Timm habe einen derartigen Geheimnisbruch begangen. Ebensowenig bestreiten die Beschwerdeführer, die von der «Schweizer Illustrierten» abgedruckten Aussagen gemacht zu haben. Unter der Voraussetzung, dass Frau Fielding damit einverstanden gewesen war, von der Journalistin bei Tisch für die «Schweizer Illustrierte» befragt zu werden, hätte dieses Gespräch auch in Interviewform publiziert werden dürfen. Ob dieses Einverständnis tatsächlich vorlag, wird von den Parteien kontrovers beantwortet. Da der Presserat keine Beweisverfahren durchführt, muss diese Frage offen bleiben. Die Antworten von Thomas Borer aus der Pressekonferenz hingegen durfte die Journalistin ohne Rückfrage bei Borer als Interview darstellen. Somit wäre es – vorbehältlich des umstrittenen Punktes des Einverständnisses von Frau Fielding mit der Befragung zu Tische – berufsethisch nicht zu beanstanden gewesen, die beiden Gespräche als zwei getrennte Interviews zu veröffentlichen.

3. a) Nun hat aber Susanne Timm die beiden Gespräche zu einem Paarinterview montiert. Die Beschwerdeführer haben einen Textentwurf bekommen, der eindeutig als Paarinterview zu erkennen war. Weder Thomas Borer noch Shawne Fielding haben daran Anstoss genommen. Sie haben zwei Mal einige Korrekturen ihrer Aussagen vorgenommen und den Text wieder der «Schweizer Illustrierten» zurückgesandt. Auch wenn bei der stärker abgeänderten zweiten Version eine ganze Antwort gestrichen und ersetzt worden war, sind die Antworten in ihrem Grundgehalt gleich geblieben. Auch die sehr private Aussage von Shawne Fielding, sie könne sich vorstellen, ein Kind zu adoptieren, ist stehen geblieben.

b) Aus den Korrekturen von Thomas Borer und Shawne Fielding durfte die «Schweizer Illustrierte» auf ein Einverständnis der beiden schliessen, dass ein Paarinterview mit ihnen veröffentlicht werde.

Wenn Thomas Borer sich später über das «fingierte Interview» beklagte, so muss ihm entgegengehalten werden, dass er genau diese Fiktion nachträglich autorisiert hatte. Die «Schweizer Illustrierte» konnte guten Glaubens annehmen, dass ein promovierter Jurist, der seine Regierung in einer schwierigen internationalen Krise als Leiter einer Task Force erfolgreich beraten und vertreten hat, Mittel und Wege gefunden hätte, sich umgehend gegen ein «fingiertes Interview» zu wehren, sofern er dies gewollt hätte. Sogar ein juristischer Laie wäre auf die Idee gekommen, selbst in der kurzen Zeit bis Andruck oder Auslieferung des Hefts sofort Protest einzulegen und rechtliche Schritte anzudrohen, um die Publikation zu verhindern. Dies taten die Beschwerdeführer am Sonntag, den 13. Mai 2001, nicht einmal andeutungsweise.

Folglich hat die «Schweizer Illustrierte» mit ihrem Vorgehen die gegenüber den Beschwerdeführern gebotene Pflicht zur Fairness (Richtlinie 4.5 zur «Erklärung») unter dem Gesichtspunkt der Montage der Gespräche zu einem Paarinterview nicht verletzt.

4. a) Anders sieht es mit der Wahrheitspflicht gemäss Ziffer 1 der «Erklärung» im Verhältnis zur Leserschaft aus. Die Leserinnen und Leser der «Schweizer Illustrierten» vom 14. Mai 2001 mussten glauben, Thomas Borer und Shawne Fielding hätten gemeinsam ein Interview gegeben. Dies suggeriert nicht nur die Bezeichnung «privates Interview» und «exklusives Interview» (dazu siehe unten Ziffer 6), sondern auch die (im nach Berlin gesandten Entwurf fehlende) Überleitung zum Gespräch:

«Im SI-Gespräch zeigte sich das Botschafterpaar so offen wie nie, plauderte entspannt über Ehe, Kinder und unerfüllte Träume.»

Auch dass Thomas Borer und Shawne Fielding zuweilen auf die gleiche Frage antworten, erweckt den Eindruck, sie seien der Journalistin als Paar gegenübergesessen. Dies unterstreichen überdies die in den Interviewtext gestellten Bilder, welche das Ehepaar zusammen zeigen.

b) Ein längeres Interview sollte stets auch die Situation widerspiegeln, in der es entstanden ist. Es verstösst gegen die Wahrheitspflicht, wenn ein Medium verschweigt, dass das «Paarinterview» aus zwei zeitlich weit auseinanderliegenden Einzelgesprächen montiert worden ist. Dies umso mehr, falls das Interview in einer Zeitschrift erscheint, die sich mit Homestories einen Namen gemacht hat. Eine solche Zeitschrift hat gerade in diesem Bereich eine besondere Verantwortung, da ihre Leserschaft darauf vertraut, dass die Homestory-Interviews im dargestellten Rahmen entstanden sind.

c) Die Darstellung der Gespräche mit Thomas Borer und Shawne Fielding als Paarinterview täuschte die Leserschaft und verstiess damit gegen die Wahrheitspflicht gemäss Ziffer 1 der «Erklärung». Dies war vermutlich auch Chefredaktor Marc Walder klar, sonst hätte er den Beschwerdeführern nicht angeboten, in seinem Editorial die Hintergründe der Gespräche wenigstens nachträglich transparent zu machen.

5. a) Die Beschwerdeführer rügen, dass Susanne Timm ihre Gesprächsmontage am Samstagabend, dem 12. Mai 2001, Shawne Fielding ohne Vorankündigung an ihre private Mail-Adresse zugestellt und ihr eine Frist von bloss 90 Minuten eingeräumt hatte, um den Text zu autorisieren.

b) Es gibt zwei Arten der Autorisierung: die ausdrückliche, bei der ein Interviewter sein Einverständnis zur Textversion schriftlich oder mündlich kundtut, und die stillschweigende, bei der ein Interviewpartner innert einer vereinbarten Frist auf eine Intervention verzichtet. Beide Arten setzen zwingend voraus, dass der Interviewpartner den Text zur Kenntnis genommen hat.

c) Interviews kommen – besonders im Tagesjournalismus – häufig unter Zeitdruck zustande. Eine Frist von 90 Minuten ist in der Regel eine zumutbare Zeitspanne, um ein Interview zu autorisieren. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der ungefähre Zeitpunkt der Zustellung des Entwurfs zuvor zwischen Interviewer und Interviewten vereinbart oder zumindest vom Interviewer angekündigt worden ist.

d) Im vorliegenden Fall schickte Susanne Timm die E-Mail mit dem Textentwurf am Samstagabend, dem 12. Mai 2001, um 21.30 Uhr an die private Mailbox von Shawne Fielding, mit einer Antwortfrist von 90 Minuten. Susanne Timm wusste, dass um diese Zeit das zweite Galadinner noch voll im Gange war und dass Shawne Fielding als Botschaftergattin dort eine wichtige Rolle zu spielen hatte. Ebenso war Susanne Timm klar, dass Shawne Fielding bis um 23.00 Uhr kaum in ihre private Mailbox schauen konnte – hatte die Journalistin sich doch am Vorabend auch erst um 23 Uhr zu Shawne Fielding an den Tisch gesetzt und – nach eigenen Angaben – mit ihr eine Stunde lang geplaudert.

Wenn also Susanne Timm – wie es die Berufspflicht gebot – den Text Shawne Fielding vorlegen wollte, hätte sie alles daran setzen müssen, dass die Adressatin trotz ihrer Beanspruchung als Gastgeberin den Text las. Dagegen, dass sie den Text an die private Mailbox von Shawne Fielding schickte, ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Aber Susanne Timm hätte unbedingt weitere Schritte unternehmen müssen, um Shawne Fielding – und nota bene auch den zweiten Gesprächspartner, Thomas Borer – zu informieren: die Botschaft anrufen, den Presseattaché kontaktieren, einen Fax an die Botschaft schicken etc.

Nichts von alledem hat Susanne Timm unternommen. Dies erweckt den Verdacht, dass sie – in klarer Kenntnis der Umstände – ihrer Pflicht nur zum Schein nachkommen wollte und damit rechnete, dass Shawne Fielding erst nach Redaktionsschluss reagieren konnte. Damit hat sich Susanne Timm unlauterer Methoden im Sinne von Ziffer 4 der Erklärung bedient. Zur Beschaffung von Informationen gehört auch, dafür zu sorgen, dass Gesprächspartner einen Interviewtext zur Autorisierung rechtzeitig erhalten.

6. a) Die Beschwerdeführer beanstanden die Bezeichnungen «exklusives Interview» und «privates Interview».

b) Wenn die Bezeichnung «Exklusiv-Interview» eine Berechtigung haben s
oll, setzt das die Vereinbarung voraus, dass eine bestimmte Person zur Zeit nur dem betreffenden Medium ein Interview gewähren soll. Eine solche Vereinbarung gab es zwischen dem Ehepaar Borer-Fielding und der «Schweizer Illustrierten» nicht. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass es der Zeitschrift möglicherweise als einzigem Medium gelungen war, das Botschafterpaar zu zitierfähigen Antworten zu bewegen. Die Bezeichnung «exklusives Interview» verletzt deshalb – wenn auch nicht gravierend – die Wahrheitspflicht im Sinne von Ziffer 1 der «Erklärung».

c) Die Bezeichnung «privates Interview» sagt nicht mehr, als dass mit dem Gesprächspartner auch über private Angelegenheiten gesprochen wurde. Dies war im Fall von Thomas Borer und Shawne Fielding unbestreitbar der Fall. Damit ist die Bezeichnung nicht zu beanstanden.

7. a) Schliesslich rügen die Beschwerdeführer, das Interview wirke umso reisserischer, als es mit Innenaufnahmen der Botschaft zu einer Homestory kombiniert worden sei. Dabei sei nur ungenügend darauf hingewiesen worden, dass die Bilder aus dem Internet geholt worden seien.

b) Dazu ist nur zu bemerken: Wer Innenaufnahmen seiner Privaträume im Internet ausstellt, darf sich nicht wundern, die Bilder in Magazinen wiederzufinden. Die Bildvermerke der «Schweizer Illustrierten» genügten den branchenüblichen Gepflogenheiten. Die Beschwerdeführer behaupten im Übrigen nicht, dass der Abdruck ihr Urheberrecht verletzt habe.

III. Feststellungen

1. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen.

2. Die «Schweizer Illustrierte» hat gegenüber der Leserschaft die Wahrheitspflicht im Sinne von Ziffer 1 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verletzt, indem sie zwei zu verschiedenen Zeitpunkten geführte Gespräche zu einem Paarinterview montiert hatte, ohne dies transparent zu machen. Ebenfalls gegen die Wahrheitspflicht verstiess die Bezeichnung «exklusives Interview», da eine derartige Exklusivität – was nur den expliziten Ausschluss aller Konkurrenzmedien bedeuten kann – nie vereinbart worden war.

3. Die «Schweizer Illustrierte» hat sich unlauterer Methoden im Sinne von Ziffer 4 der «Erklärung» bedient, indem Susanne Timm nicht sicherstellte, dass ihr Text auch rechtzeitig autorisiert werden konnte. Sofern zuvor zwischen Interviewer und Interviewtem der Zeitpunkt vereinbart wurde, wann ein Interview zum Gegenlesen zugestellt werden soll, ist eine Zeitspanne von 90 Minuten für die Autorisierung in der Regel aber ausreichend.

4. Äusserungen, die Prominente gegenüber Medienschaffenden an einem offiziellen Anlass machen, sind – vorbehältlich der Vereinbarung einer Verschwiegenheitspflicht – grundsätzlich journalistisch verwertbar. Die Veröffentlichung eines Tischgesprächs mit Prominenten als gestaltetes Interview ist aber nur dann zulässig, wenn sich die Betroffenen damit einverstanden erklärt haben. Ein längeres Interview sollte zudem stets auch die Situation widerspiegeln, in der es entstanden ist.

5. In den weiteren Punkten wird die Beschwerde abgewiesen. Die Redaktion der «Schweizer Illustrierten» durfte aufgrund des ausgebliebenen Protests der Beschwerdeführer guten Glaubens insbesondere davon ausgehen, dass sich diese nachträglich mit der Veröffentlichung eines Paarinterviews einverstanden erklärt hatten.