Nr. 38/2016
Identifizierung

(Kesb Kanton Basel-Stadt c. «Basler Zeitung») Stellungnahme des Schweizer Presserats vom 27. Oktober 2016

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Zusammenfassung

Die «Basler Zeitung» («BaZ») hat mit den Artikeln «Behörde verweigert einer Mutter Auskunft» und «Eine Mutter im Kampf gegen die Behörden» den Journalistenkodex verletzt. Der Schweizer Presserat heisst eine Beschwerde der Kesb Basel-Stadt gut. Er hält in seinem Entscheid fest, dass der Name einer Kesb-Mitarbeiterin nicht hätte genannt werden dürfen. Diese ist als Sozialarbeiterin tätig und hat somit keine Entscheidfunktion inne. Die Namensnennung war auch nicht durch ein überwiegendes öffentliches Interesse zu rechtfertigen.

Der Presserat hält der «BaZ» aber zugute, dass sie nach Intervention der Kesb den Namen der Mitarbeiterin in den abrufbaren Publikationen (SMD, online, E-Paper) entfernt, resp. mit dem Anfangsbuchstaben von Vor- und Nachname angemessen anonymisiert hat. Die Verletzung des Kodex wird so aber nicht rückgängig gemacht. Stossend sei zudem, dass die Kesb-Mitarbeiterin in einem Folgeartikel auf «BaZ kompakt» zuerst wiederum mit vollem Name genannt wurde.

Résumé

La «Basler Zeitung» («BaZ») a porté atteinte au code de déontologie des journalistes dans ses articles «Behörde verweigert einer Mutter Auskunft» (l’autorité refuse de renseigner une mère) et «Eine Mutter im Kampf gegen die Behörden» (une mère se bat contre les autorités). Le Conseil suisse de la presse accepte une plainte de l’autorité de protection de l’enfant et de l’adulte de Bâle-Ville. Il indique dans sa décision que le journal n’aurait pas dû citer le nom d’une collaboratrice de l’APEA. Celle-ci travaille comme assistante sociale et n’exerce donc pas de fonction décisionnelle. La divulgation de son nom n’était pas justifiée non plus par un intérêt public prépondérant.

Le Conseil de la presse retient toutefois, en faveur de la «BaZ»,  qu’elle a supprimé le nom de la collaboratrice des publications électroniques (SMD, site, e-paper) sur intervention de l’APEA, ou du moins qu’elle l’a rendue anonyme en n’utilisant plus que les initiales de son prénom et de son nom. La violation du code de déontologie des journalistes subsiste néanmoins. Le plus frappant est que la collaboratrice en question a été citée une nouvelle fois par son nom dans un article paru ultérieurement dans «BaZ kompakt».

Riassunto

Il Consiglio della stampa ha deplorato la pubblicazione, da parte della «Basler Zeitung» («BaZ») di un articolo intitolato «Negata alla madre un’informazione da parte dell’autorità» e «Una madre in lotta contro le autorità». Menzionato risultava il nome di una operatrice sociale, collaboratrice di «Kesb Basel-Stadt». Accogliendo il ricorso di Kesb, il Consiglio ha ritenuto ingiustificata la menzione del nome della persona – il cui ruolo del resto non era decisivo – dal profilo del pubblico interesse.

È vero che la «BaZ» – dopo l’intervento di «Kesb» – ha eliminato o limitato alle iniziali il nome della persona su altri siti (SMD, online, E-Paper). Questo non cancella tuttavia l’iniziale infrazione della regola deontologica, tanto più che il nome intero della persona risulta ancora pubblicato su «BaZ kompakt».

I. Sachverhalt

A. Am 7. Januar 2015 veröffentlichte die «Basler Zeitung» («BaZ») auf ihrer Frontseite einen Artikel unter dem Titel: «Behörde verweigert einer Mutter Auskunft». Auf Seite 3 folgt ein detaillierter Beitrag: «Eine Mutter im Kampf gegen die Behörden». Auf der gleichen Seite findet sich ein Interview mit Zoë Jenny mit der Überschrift: «Der Staat hat Demut vor der Familie zu haben». Am 8. Januar 2015 folgt in der «BaZ kompakt» eine Weiterverwertung des Artikels «Eine Mutter im Kampf gegen Behörden». In diesen Artikeln schildert die «BaZ» aus Sicht der Mutter einer fast volljährigen Tochter deren Bemühungen, bei der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) Informationen über den Aufenthalt ihrer Tochter zu erhalten.

B. Am 3. März 2015 wandte sich die Kesb Basel-Stadt mit einer Beschwerde an den Schweizer Presserat und stellte den Antrag, zu prüfen, ob das Vorgehen der «BaZ» einen Verstoss gegen die Richtlinien des Presserats darstelle und gegebenenfalls die nötigen Schritte einzuleiten. Die Kesb macht geltend, im Artikel vom 7. Januar 2015 werde mehrfach der volle Name von Frau Z., einer Mitarbeiterin der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Basel-Stadt genannt. Frau Z. sei als Sozialarbeiterin der Kesb mit dem in der «BaZ» skizzierten Fall befasst gewesen. Sie habe aber nicht wie im «BaZ»-Artikel wider besseres Wissen suggeriert eine Entscheidfunktion inne. Die Aufgabe von Frau Z. habe ausschliesslich darin bestanden, abzuklären, ob bezüglich einer unmündigen jungen Frau Kindesschutzmassnahmen angezeigt und gegebenenfalls solche bei der sogenannten Spruchkammer, dem Entscheidungsgremium der Kesb, zu beantragen seien. Die Funktion von Frau Z. sei lediglich unterstützend und ausführend. Eine Namensnennung sei nicht durch ein öffentliches Interesse gerechtfertigt und stelle deshalb zivilrechtlich eine Verletzung ihrer Persönlichkeit dar. Frau Z. habe ihre Aufgabe mit grosser Sorgfalt wahrgenommen, in den Artikeln werde jedoch ein ganz anderes Bild von ihr gezeichnet. Die Kesb und die betroffenen Mitarbeitenden könnten sich gegen solche Darstellungen nicht tauglich zur Wehr setzen, in Art. 451 ZGB sei das sogenannte Kesb-Geheimnis explizit festgehalten, weshalb der Wahrheitsgehalt der Berichterstattung nicht zur Debatte stehe. Gegen die widerrechtlich erfolgte Namensnennung setze sich die Kesb jedoch zur Wehr. Erschwerend komme hinzu, dass in der «BaZ kompakt» vom folgenden Tag erneut ein Artikel zu demselben Thema mit ähnlichem Inhalt erschienen sei, wiederum mit Namensnennung von Frau Z., dies obwohl mit der Verfasserin der beiden Artikel vom Vortag unmittelbar nach deren Publikation Kontakt aufgenommen worden sei und diese zugestanden hatte, dass eine Namensnennung nicht korrekt sei.

C. In ihrer Beschwerdeantwort vom 13. Mai 2015 beantragte die anwaltlich vertretene «BaZ», auf die Beschwerde sei nicht einzutreten, bzw. diese sei abzuweisen. Im Einzelnen macht sie geltend, die Beschwerde der Kesb erfülle die im Geschäftsreglement des Presserats statuierten Formerfordernisse nicht. Sie führe insbesondere nicht aus, inwiefern die beanstandeten Berichte einzelne Bestimmungen der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (im folgenden «Erklärung») verletzt haben sollen, sondern beschränke sich auf die Darlegung der Grundlagen einer Persönlichkeitsverletzung nach Art. 28 ZGB. Sie unterlasse es, auszuführen, inwiefern diese Überlegungen im Presseratsverfahren von Bedeutung sein sollten. Auch gebe die Beschwerde nicht an, ob zum Beschwerdegegenstand ein Gerichtsverfahren hängig oder geplant sei. Wenn die Beschwerdeführerin zudem den Antrag stelle, «gegebenenfalls die entsprechenden Schritte einzuleiten», gehe sie offensichtlich irrig davon aus, dass dem Presserat neben dem Treffen von Feststellungen und dem Erlassen von Empfehlungen ein weiterer Handlungsspielraum zukomme.

Materiell weist die Beschwerdegegnerin darauf hin, dass sich die Autorin der kritisierten Artikel auf Ersuchen der Beschwerdeführerin im persönlichen Gespräch bereit erklärt habe, den Namen der betroffenen Kesb-Mitarbeiterin aus den Publikationen zu entfernen, wie dies im Übrigen auch in der Beschwerde bestätigt werde. In der Folge sei der Name in allen abrufbaren Publikationen (SMD, online, E-Paper) entfernt worden. Dies sei bereits in den Beschwerdebeilagen bezüglich der beiden Artikel vom 7. Januar 2015 sichtbar. Bei der Publikation in der Zeitung «BaZ kompakt» sei die Anonymisier
ung, so wie sie die Autorin in Aussicht gestellt hatte, schlicht übersehen worden sei. Die «BaZ» habe jedoch in der Folge dafür gesorgt, dass die Anonymisierung in allen Publikationen vorgenommen worden sei. Der Name der betreffenden Mitarbeiterin sei nicht mehr identifizierbar. Insofern erweise sich die Beanstandung der Beschwerdeführerin als unbegründet. Daher sei gestützt auf Art. 11 Abs. 1 Punkt 4 des Geschäftsreglements (Angelegenheit von geringer Relevanz und Korrekturmassnahmen) auf die Beschwerde nicht einzutreten.

D. Am 20. Mai 2016 teilte der Presserat den Parteien mit, die Beschwerde werde vom Presseratspräsidium behandelt, bestehend aus dem Präsidenten Dominique von Burg, Vizepräsidentin Francesca Snider und Vizepräsident Max Trossmann. Das Präsidium beantragte dem Plenum des Presserats per 10. Juni 2016 auf dem Korrespondenzweg, die Beschwerde abzuweisen.

E. Innerhalb der reglementarischen Frist von 10 Tagen beantragten fünf Mitglieder des Presserats die Behandlung der Beschwerde durch das Plenum.

F. Das Plenum des Presserats behandelte die Beschwerde an seiner Sitzung vom 27. Oktober 2016 und auf dem Korrespondenzweg.

II. Erwägungen

1. Vorab zu klären ist die Frage, ob auf die Beschwerde einzutreten ist. Entgegen der Ansicht der «BaZ» erfüllt die Beschwerde durchaus die im Geschäftsreglement des Presserats statuierten Formerfordernisse. Auch wenn sie nicht ausführt, welche Bestimmungen der «Erklärung» die beanstandeten Berichte verletzt haben sollen, so geht aus der Beschwerde doch eindeutig hervor, dass es der Kesb um die Namensnennung einer ihrer Mitarbeiterinnen geht. Dies genügt gemäss langjähriger Praxis des Presserats, um auf eine Beschwerde einzutreten. Bei einer allenfalls unzulässigen Identifizierung handelt es sich zudem keineswegs um eine Angelegenheit von geringer Relevanz (Argument der «BaZ»), die ein Nichteintreten gestützt auf Art. 11 Abs. 4 des Geschäftsreglements des Presserats rechtfertigen würde. Auch unter diesem Aspekt ist somit auf die Beschwerde einzutreten.

2. a) In den drei relevanten Artikeln war die Mitarbeiterin der Kesb mit Vor- und Nachnamen genannt worden. Gestützt auf die Intervention der Generalsekretärin des Departements für Wirtschaft, Soziales und Umwelt des Kantons Basel-Stadt vom 7. Januar 2015 erklärte sich die Autorin der Beiträge zu Korrekturmassnahmen bereit. In der Folge hat die «BaZ» laut eigenen Angaben den Namen der Mitarbeiterin in den abrufbaren Publikationen entfernt. Entgegen den Ausführungen der «BaZ» ist dies jedoch bei den beiden Artikeln vom 7. Januar 2015 nicht bereits in den Beschwerdebeilagen sichtbar. Trotz der mündlichen Zusicherung der «BaZ» erschien tags darauf in der Zeitung «BaZ kompakt» ein weiterer Artikel mit voller Namensnennung. Die «BaZ» macht ein Versehen geltend, sie habe dann jedoch dafür gesorgt, dass die Anonymisierung überall vorgenommen wurde. Die Kesb-Mitarbeiterin sei seither nicht mehr identifizierbar.

b) Gestützt auf Richtlinie 7.2 (Identifizierung) ist eine Namensnennung u.a. dann zulässig, wenn die betroffene Person ein politisches Amt beziehungsweise eine staatliche oder gesellschaftlich leitende Funktion wahrnimmt und der Medienbericht damit in Zusammenhang steht. Die namentlich genannte Mitarbeiterin der Kesb ist als Sozialarbeiterin tätig und hat damit unbestritten keine Entscheidfunktion inne. Die Namensnennung war auch nicht anderweitig durch ein überwiegendes öffentliches Interesse gerechtfertigt (Richtlinie 7.2, Lemma 5), weshalb sie im vorliegenden Fall unzulässig war. Der «BaZ» ist zugute zu halten, dass sie nach Intervention der Kesb den Namen der Mitarbeiterin in den abrufbaren Publikationen entfernt hat, deren Name figurierte in den Artikeln nunmehr mit den Anfangsbuchstaben von deren Vor- und Nachname. Damit wird jedoch die Verletzung von Richtlinie 7.2 nicht rückgängig gemacht. Stossend ist zudem, dass die Kesb-Mitarbeiterin im Folgeartikel auf «BaZ kompakt» zuerst wiederum mit vollem Namen genannt wurde.

III. Feststellungen

1. Die Beschwerde wird gutgeheissen.

2. Die «Basler Zeitung» hat mit der Veröffentlichung des Namens einer Mitarbeiterin der Kesb Basel-Stadt im Artikel «Eine Mutter im Kampf gegen die Behörden» vom 7. Januar 2016 Ziffer 7 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verletzt.