Nr. 64/2012
Identifizierung

(X. c. «Das Magazin») Stellungnahme des Schweizer Presserates vom 9. November 2012

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I. Sachverhalt

A. «Das Magazin» Nr. 50/2011 vom 17. Dezember 2011 veröffentlichte einen Artikel von Anuschka Roshani mit dem Titel «Ich bin dann mal weg». Darin berichtet die Journalistin anhand von zwei Beispielen über erwachsene Kinder, die ihre Eltern verstossen. Beim zweiten Beispiel nennt der Bericht den Vornamen und den Namen der Mutter sowie die Namen der beiden Kinder den Herkunftsort das Studienfach der Tochter sowie deren Alter.

B.
Am 2. Mai 2012 beschwerte sich X. beim Schweizer Presserat über die Veröffentlichung des obengenannten Berichts. Der Artikel verletze die Ziffer 7 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (Identifizierung). Abgesehen davon dass der Bericht «faktisch falsch und tendenziös» sei, werde ihr Name, der Herkunftsort sowie die Studienrichtung erwähnt. Dies mache sie erkennbar, verletze ihre Privatsphäre und schädige ihren Ruf.

C. Am 25. Juni 2012 beantragte die durch den Rechtsdienst der Tamedia AG vertretene Redaktion «Das Magazin», auf die Beschwerde sei gestützt auf Artikel 10 Absatz 1 des Geschäftsreglements des Presserats nicht einzutreten. Die Verfasserin des Artikels bedaure, dass der Name der Beschwerdeführerin versehentlich unverändert publiziert wurde. Sie habe sich bei X. unmittelbar nach der Veröffentlichung des Artikels schriftlich entschuldigt. Weiter habe die Redaktion den Namen der Beschwerdeführerin im Archiv des «Magazin» gelöscht und in der Online-Version korrigiert. Schliesslich sei der Fall weder für die Beschwerdeführerin noch für die Beurteilung künftiger Fälle von grosser Relevanz.

Falls der Presserat trotzdem auf die Beschwerde eintrete, sei diese abzuweisen. Auch wenn der Artikel den Namen versehentlich nenne, liessen sich keine Rückschlüsse auf die Beschwerdeführerin ziehen. Denn der Name X. sei weit verbreitet. Die von der Beschwerdeführerin weiter beanstandete Angabe von Herkunftsort und Studienrichtung erlaube lediglich Dritten Rückschlüsse, die zu Familie, sozialem oder beruflichem Umfeld gehören. Im Endeffekt habe die Namensnennung Dritten ausserhalb dieses Personenkreises nicht wesentlich vereinfacht, die Beschwerdeführerin zu identifizieren.

D. Am 28. Juni 2012 teilte der Presserat den Parteien mit, die Beschwerde werde durch das Presseratspräsidium behandelt, bestehend aus dem Präsidenten Dominique von Burg, Vizepräsidentin Francesca Snider und Vizepräsident Max Trossmann. Zudem wurden die Parteien gebeten, dem Presserat – soweit noch vorhanden – eine Kopie der in der Beschwerdeantwort des «Magazin» erwähnten schriftlichen Entschuldigung zuzustellen.

E. Das Presseratspräsidium hat die vorliegende Stellungnahme per 9. November 2012 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.

II. Erwägungen

1. a)
Gemäss Artikel 10 Absatz 1 seines Geschäftsreglements tritt der Presserat nicht auf eine Beschwerde ein, wenn sich die betroffene Redaktion bei einer Angelegenheit von geringer Relevanz bereits öffentlich entschuldigt und/oder Korrekturmassnahmen ergriffen hat.

b) «Das Magazin» macht dazu geltend, sich direkt bei der Beschwerdeführerin schriftlich entschuldigt zu haben. Eine öffentliche Entschuldigung sei deshalb nicht angebracht gewesen, weil diese zu weiterer Publizität geführt hätte, was die Beschwerdeführerin ausdrücklich nicht wünsche. Zudem habe die Redaktion Korrekturmassnahmen ergriffen, indem sie den Namen der Beschwerdeführerin im Archiv des «Magazin» gelöscht und zudem in der Online-Version korrigiert habe.

Dazu stellt der Presserat fest, dass ihm die vom «Magazin» angeführte schriftliche Entschuldigung nicht vorliegt. In der Online-Version hat «Das Magazin» zudem lediglich den Vornamen der Beschwerdeführerin geändert. Alle anderen Angaben – insbesondere der Vor- und der Nachname der Mutter sind unverändert. Und in der Schweizerischen Mediendatenbank ist der Originalartikel nicht bloss als (historisches) PDF-Dokument abgelegt. Vielmehr entspricht auch die Druckversion, welche bei der Datenbankrecherche indiziert wird, der ursprünglichen Fassung. Unter diesen Umständen ist auf die Beschwerde einzutreten. Weder hat sich «Das Magazin» öffentlich für den Fehler entschuldigt, noch erscheinen die Korrekturmassnahmen genügend.

2. Ziffer 7 der «Erklärung» verpflichtet Medienschaffende, die Privatsphäre der einzelnen Person zu respektieren, sofern das öffentliche Interesse nicht das Gegenteil verlangt. Vorliegend ist unbestritten, dass eine identifizierende Berichterstattung nicht angebracht war. Durch die versehentliche Nennung des Namens ist die Beschwerdeführerin zusammen mit den weiteren Angaben (Herkunftsort, Studienrichtung und Alter) auch für Personen erkennbar, welche vom Streit mit ihrer Mutter nicht unbedingt Kenntnis haben. Die Beschwerde ist deshalb gutzuheissen.

III. Feststellungen

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen.

2. «Das Magazin» hat mit dem Artikel «Ich bin dann mal weg» vom 17. Dezember 2011 die Ziffer 7 (Identifizierung) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verletzt.