Nr. 22/2015
Identifizierung

(X. c. «Blick») Stellungnahme des Schweizer Presserats vom 11. Mai 2015

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I. Sachverhalt

A. «Blick» veröffentlichte am 18. Juni 2014 einen Artikel über den Prozess gegen X. Die Seite ist mit einem grossen Foto von X. aufgemacht, der Artikel erscheint unter folgendem Titel und Lead: «Feigling! Léon J. (73) überfuhr in Worb BE Silvan (✝10) auf dem Fussgängerstreifen. Vor Gericht versteckt er sich unter einer Perücke und jammert.»

B. Am 8. Juli 2014 reichte X. beim Schweizer Presserat Beschwerde ein. Er macht geltend, die Publikation verstosse gegen Ziffer 7 (Identifizierung) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (nachfolgend «Erklärung»). Der Beschwerdeführer erachtet «die Presseveröffentlichungen der Redaktion ‹Blick› als publizistische/voyeuristische ‹öffentliche Vorführung›». Auf Nachfrage präzisierte er am 11. November 2014, die zivilrechtliche Klage befinde sich in Vorbereitung und werde in den nächsten Tagen eingereicht. Am 8. April 2015 teilte er dem Presserat mit, dass er die angekündigte Zivilklage nicht eingereicht habe, da erfahrungsgemäss mit weiteren ahndungswürdigen Veröffentlichungen im Zusammenhang mit der Beurteilung durch das bernische Obergericht zu rechnen sei.

C. Gemäss Art. 13 Abs. 1 des Geschäftsreglements behandelt das Presseratspräsidium Beschwerden, auf die der Presserat nicht eintritt.

D. Das Presseratspräsidium, bestehend aus Präsident Dominique von Burg, Vizepräsidentin Francesca Snider und Vizepräsident Max Trossmann, hat die vorliegende Stellungnahme per 11. Mai 2015 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.

II. Erwägungen

1. Gestützt auf Artikel 11 Absatz 1 seines Geschäftsreglements tritt der Presserat nicht auf eine Beschwerde ein, wenn ein Parallelverfahren (insbesondere bei Gerichten oder bei der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen UBI) eingeleitet wurde oder vorgesehen ist.

2. Der Beschwerdeführer macht eine Verletzung von Ziffer 7 der «Erklärung» (Identifizierung) geltend. Gemäss dieser Bestimmung respektieren die Medienschaffenden «die Privatsphäre der einzelnen Personen, sofern das öffentliche Interesse nicht das Gegenteil verlangt». Laut der zugehörigen Richtlinie 7.2 (Identifizierung) sollten die Medienschaffenden die beteiligten Interessen (Recht der Öffentlichkeit auf Information, Schutz der Privatsphäre) sorgfältig abwägen. Ist die Identifizierung nicht gerechtfertigt, sollen sie weder Namen noch andere Angaben nennen, «welche die Identifikation einer Person durch Dritte ermöglichen, die nicht zu Familie, sozialem oder beruflichem Umfeld des Betroffenen gehören, also ausschliesslich durch die Medien informiert werden».

Der Untertitel des im «Blick» vom 18. Juni 2014 erschienenen Artikels «Feigling!» lautet: «Léon J. (73) überfuhr in Worb BE Silvan (✝10) auf dem Fussgängerstreifen. Vor Gericht versteckt er sich unter einer Perücke und jammert.» Der Beschwerdeführer bestreitet diese Aussagen nicht, weshalb vorliegend auf sie abzustellen ist. Er wird im beanstandeten Artikel in einer Ganzkörperaufnahme mit tief ins Gesicht gezogenem Filzhut, grosser dunkler Sonnenbrille und rötlich-braunem, mittellangem Haar gezeigt. Von seinem Gesicht ist allein ein Teil der Nase, Mund und Kinnpartie sichtbar. Damit ist er für Dritte nicht identifizierbar. Dasselbe gilt für die gewählte Namensbezeichnung. Sein Nachname ist mit der Initiale abgekürzt, womit die Privatsphäre des Beschwerdeführers in genügender Weise gewahrt bleibt. Die Beschwerde ist somit offensichtlich unbegründet.

III. Feststellung

Der Presserat tritt nicht auf die Beschwerde ein.