Nr. 27/2006
Freiheit von Karikatur und Satire / Diskriminierung

(X. c. «Tages-Anzeiger») Stellungnahme des Presserates vom 2. Juni 2006

Drucken

I. Sachverhalt

A. Am 24. Dezember 2005 veröffentlichte der «Tages-Anzeiger» auf der Titelseite eine Weihnachtskolumne von Käthi La Roche, Pfarrerin am Zürcher Grossmünster. Der Text mit dem Titel «Himmlische Beleuchter» setzt sich ausgehend von der «Hochkonjunktur» der Engel zur Weihnnachtszeit mit der Rolle dieser «himmlischen Beleuchter» als Verkünder der Weihnachtsbotschaft auseinander. Illustriert war die Kolumne mit einer Karikatur von Schaad, die Maria und Josef mit dem Jesuskind in einem schneebedeckten Stall zeigt. Im Himmel über dem Stall sieht der Betrachter eine grosse, singende und musizierende Engelsschar. Die Bildlegende enthält folgenden Satz, der Josef in den Mund gelegt ist: «Zum Glück darf das Geflügel wieder ins Freie».

B. Am 30. Dezember 2005 gelangte X. mit einer Beschwerde gegen den «Tages-Anzeiger» an den Presserat. Mit den Worten «Zum Glück darf das Geflügel wieder ins Freie» werde der besinnliche Weihnachtstext von Pfarrerin La Roche entwertet und in sein Gegenteil verkehrt. Die Gleichsetzung von Engeln mit Hühnern stelle eine schallende Ohrfeige für jede Christin und jeden Christen dar. Die Prävention vor der Vogelgrippe werde in deplatzierter Weise zur spöttischen Verhöhnung der Engelschar missbraucht.

C. Gemäss Art. 9 Abs. 3 des Geschäftsreglements des Schweizer Presserates sind offensichtlich unbegründete Beschwerden durch das Presseratspräsidium zurückzuweisen.

D. Das Presseratspräsidium bestehend aus dem Presseratspräsidenten Peter Studer und den beiden Vizepräsidentinnen Sylvie Arsever und Esther Diener-Morscher hat die vorliegende Stellungnahme per 19. Mai 2006 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.

II. Erwägungen

1. Der Beschwerdeführer beanstandet implizit eine Verletzung von Ziffer 8 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (Diskriminierungsverbot, Respektierung der Menschenwürde). Allerdings begründet er nicht näher, inwiefern die Glaubensgemeinschaft der Christ/innen durch die beanstandete Illustrationslegende in diskriminierender Weise herabgesetzt oder wie damit Vorurteile gegen eine gesellschaftliche Minderheit verstärkt worden sein sollen. Es ist nicht Sache des Presserates, an Stelle des Beschwerdeführers, selber nach Begründungen eventueller Verletzungen von berufsethischen Normen zu suchen (Stellungnahmen 56/2003, 39/2004).

2. Der Presserat hat jüngst in zwei Stellungnahmen (12/2006 und 19/2006) daran festgehalten, dass sich die Freiheit von Satire und Karikatur auch auf religiöse Themen erstreckt. Sie ist weder an religiöse Bildverbote gebunden, noch hat sie auf besondere Empfindlichkeiten von orthodoxen Gläubigen abzustellen. Ausgehend vom Empfinden von demokratischen, aufgeschlossenen Zeitgenossen hat sie sich unter Wahrung der Verhältnismässigkeit an die weitgezogenen Schranken von Wahrheit, Diskriminierungsverbot und Respektierung der Menschenwürde zu halten. Auch wenn X. den humoristischen Bezug der Karikatur zwischen Engeln, Geflügel und Vogelgrippe als «Geschmacksverirrung» und das «Verletzen religiöser Gefühle als sakrilegverdächtig» bezeichnet, ist für den Presserat angesichts der Harmlosigkeit der satirischen Verfremdung bei der Illustration von Schaad eine Verunglimpfung christlicher Glaubensinhalte offensichtlich zu verneinen.

III. Feststellung

Die Beschwerde wird als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen.