Nr. 22/2014
Entstellen von Tatsachen und Unterschlagen von Informationen / Diskriminierung

(X. c. «Beobachter») Stellungnahme des Schweizer Presserates vom 7. August 2014

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I. Sachverhalt

A. In seiner Nr. 23/2013 vom 15. November 2013 veröffentlichte der «Beobachter» unter der Rubrik «Nachlese» einen Artikel mit dem Titel «Ein Prosit auf die Religion». Im Untertitel heisst es «Religion helfe gegen den Missbrauch von Suchtmitteln, besagt eine Studie. Katholische Priester beweisen das Gegenteil». Im Artikel selbst wird vermeldet, nun sei es quasi offiziell: Komasaufen, Koksen auf dem Klo oder Kiffen auf der Wiese – all dem könnten religiöse Menschen wenig abgewinnen. Das behaupte eine aktuelle Studie, bei der 5387 Rekruten befragt wurden. Sie komme zum Schluss: Wer an Gott glaubt, konsumiert weniger Drogen. Dieses Resultat eröffne auf den ersten Blick paradiesische Perspektiven: hinfort mit dem ganzen Suchthilfeapparat von Therapeuten, Beratungs- und Forschungsstellen, die Unsummen von Steuergeldern verschlingen. Die Lösung sei so einfach wie preiswert – kniet nieder, versinket im Gebet und vor allem: Glaubet an eine höhere Macht. Eine dazu befragte Religionswissenschaftlerin zeigt sich skeptisch, denn Gemeinschaften, die nur einen bestrafenden und moralischen Gott kennen, förderten Suchtprobleme eher, als dass sie diese verhindern. Zum Thema Alkohol zitiert der Artikel einen Suchtforscher der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen. Katholische Priester seien gemäss Fallstudien besonders gefährdet. Der Grund dafür seien die von oben diktierten rigiden Moralvorstellungen. Die Bibel lade pikanterweise geradezu zum Alkoholkonsum ein, fährt der Artikel weiter, davon zeuge der schöne Psalm: «Der Wein erfreut des Menschen Herz». Illustriert wird der Artikel mit einem Bild, das zwei eine Zigarette oder einen Joint drehende Hände zeigt, das Papier dafür ist aus der Bibel herausgerissen.

B. Am 13. Dezember 2013 gelangte X. mit einer Beschwerde an den Presserat. Er sieht im Artikel «Nachlese: Ein Prosit auf die Religion» die Ziffern 3 und 8 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verletzt. Der Artikel entstelle Tatsachen und unterschlage wichtige Informationen. Nirgends in der Bibel erkenne er eine Einladung zum Alkoholkonsum. Sie berichte zwar an einigen Stellen, dass Menschen übermässig Alkohol getrunken hätten, missbillige dies jedoch und warne ausdrücklich davor. Die im Artikel erwähnte Lösung, niederzuknien, im Gebet zu versinken und an eine höhere Macht zu glauben fände sich weder bei gläubigen Menschen, noch bei Institutionen, die Hilfsangebote für Suchtkranke anbieten und dazu als zusätzliches Instrument den christlichen Glauben mit einbeziehen. Den Gläubigen werde so eine sehr einfältige Sicht unterschoben. Der Artikel verletze ausserdem religiöse Gefühle als auch die Würde gläubiger Menschen. Im optischen Aufhänger werde mit einer aus der Bibel herausgerissenen Seite eine Zigarette oder ein Joint gedreht. Christen würden die Bibel nicht als irgendein Buch betrachten, sondern als Offenbarung Gottes an die Menschen. Dieses Bild empfinde er als diskriminierend, es verletze, wie auch die erwähnten Rügen, seine religiösen Gefühle.

C. Gemäss Art. 12 Abs. 1 des Geschäftsreglements behandelt das Presseratspräsidium Beschwerden, auf die der Presserat nicht eintritt.

D. Das Presseratspräsidium hat die vorliegende Stellungnahme per 7. August 2014 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.

II. Erwägungen

1. Gemäss Artikel 10 Absatz 1 seines Geschäftsreglements tritt der Presserat nicht auf eine Beschwerde ein, wenn diese offensichtlich unbegründet erscheint.

2. Der Beschwerdeführer rügt zum einen die Aussage, die Bibel lade pikanterweise geradezu zum Alkoholkonsum ein. Er sieht darin eine Entstellung von Tatsachen, da sich in der Bibel nirgends eine solche Einladung erkennen lasse. Zudem werde vom «Beobachter» unterschlagen, dass die Bibel übermässigen Alkoholkonsum missbillige und davor warne. Für diese Aussage legt er keine Beweisstücke oder Zitate vor. Der Artikel hingegen zitiert als Beleg für diese Aussage den Psalm: «Der Wein erfreut des Menschen Herz». Aus dem zitierten Psalm den Schluss zu ziehen, die Bibel lade zu Alkoholkonsum ein, erscheint nicht a priori abwegig, wird doch Wein als etwas dargestellt, das dem Menschen zumindest gut tut. Grundsätzlich ist festzuhalten, dass der Artikel unter der Rubrik «Nachlese» erschienen ist und einen humoristischen Kontrapunkt zur Studie setzt, welche gestützt auf die Rekrutenbefragung zum Schluss gekommen ist, wer an Gott glaube, konsumiere weniger Drogen. Dies zeigt sich bereits im Titel «Ein Prosit auf die Religion».

Zum anderen rügt der Beschwerdeführer, der Artikel pauschalisiere und unterstelle Gläubigen eine sehr einfältige Sicht, indem er den Glauben an eine höhere Macht und das Gebet als Lösung gegen Suchtprobleme darstelle. Dass die dargestellte Lösung «Kniet nieder, versinket im Gebet und vor allem: Glaubet an eine höhere Macht» vor dem erwähnten Hintergrund nicht ganz ernst gemeint sein kann, versteht sich von selbst. Der Vorwurf, der Artikel verstosse gegen Ziffer 3 der «Erklärung» ist somit offensichtlich unbegründet.

Der Beschwerdeführer empfindet das abgedruckte Bild, auf dem mit einer aus der Bibel herausgerissenen Seite eine Zigarette oder ein Joint gedreht wird, als diskriminierend, da die Bibel nicht irgendein Buch sei. Dies wird im Artikel auch nicht behauptet, vielmehr stellt die Illustration gleichsam augenzwinkernd die in der Studie gemachte Verbindung von Religion und Drogenkonsum dar. Nicht ersichtlich ist, inwiefern darin eine diskriminierende Anspielung gegen Christen liegen soll. Auch Ziffer 8 der «Erklärung» ist somit offensichtlich nicht verletzt.

III. Feststellung

Der Presserat tritt nicht auf die Beschwerde ein.