Nr. 61/2002
Einseitige Wahlberichterstattung

(Frei/Marti c. «Basler Zeitung») Stellungnahme des Schweizer Presserates vom 5. Dezember 2002

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I. Sachverhalt

A. Ende März 2002 wurde der damalige Amtsgerichtspräsident des Richteramtes Dorneck-Thierstein, Hans-Peter Marti, vom Solothurner Kantonsrat ins kantonale Obergericht gewählt. Für seine Nachfolge präsentierten sich drei Kandidaten: Erwin Frei (parteilos, von der SP portiert), Amtsgerichtsschreiber am Richteramt Dorneck-Thierstein, Rainer Fringeli (FDP), stellvertretender Amtsgerichtsschreiber am genannten Gericht sowie Markus Christ (CVP), praktizierender Rechtsanwalt. Die Regionalredaktion der «Basler Zeitung» für das Gebiet Dorneck / Thierstein / Laufental berichtete sowohl über die Wahl von Marti ans Obergericht, als auch in mehreren Artikeln über Wahlkampf und Wahlausgang in Sachen Amtsgerichtspräsidium.

B. In der Ausgabe vom 28. März 2002 vermeldete die «Basler Zeitung» die Wahl Martis ans Obergericht. Der Artikel wurde durch ein Interview mit Marti sowie einen Kommentar mit dem Titel «Ein Thiersteiner mit Herz und Kalkül» ergänzt. Darin schilderte Redaktor Kurt Tschan die Entwicklung des «eher unscheinbaren», im Auftreten «provinziell gefärbten» Juristen Marti, der «beim Bund im Asylwesen tätig war» und nach seiner Wahl 1989 «zugänglich und volksnah» geblieben sei, sodann «unbürokratisch und speditiv» agiert und es verstanden habe, «knifflige Fälle in einen Vergleich umzuleiten». Er habe der Presse die Prozessberichterstattung und damit Transparenz ermöglicht. Kritisch hinterfragt werden könne hingegen «seine praktizierte Ausstandspraxis»: «Nicht jeden wollte er aber auch persönlich richterlich beurteilen. Dies konnte vor allem dann zum Problem werden, wenn er auf juristisch nicht ausgebildete Laienrichter zurückgriff. Dem Beobachter fiel auch auf, dass er seinen Stellvertreter, Fritz Schuhmacher, nicht so häufig einsetzte, wie er dies hätte tun können (…) Marti ist es wichtig, ihm gefällige Richterinnen und Richter, die auf präsidiales Soufflieren angewiesen sind, zu fördern, während er starke Persönlichkeiten wie Fritz Schuhmacher mit Arbeit nicht gerade überhäufte».

C. Am Wochenende des 20. / 21. April 2002 berichtete Kurt Tschan unter dem Titel «SP Dornach setzt Zeichen bei der Richterwahl» ausführlich über die Nominierung das parteilosen Kandidaten Erwin Frei durch die SP-Ortspartei Dornach. Im Schlussabschnitt gab der Berichterstatter neben zwei kritischen Voten aus der Versammlung zur Kandidatur Freis auch folgende Aussage von SP-Kantonsrat Hansjörg Staub wider: «Die FDP habe zwar Ðeinen Knaller? angekündigt», «letztlich resultiere aber nur ein ÐFrauenfurz?»: Da der stellvertretende Amtsgerichtspräsident Fritz Schuhmacher offenbar nicht zur Wahl antrete, «bleibe demnach der bisherige stellvertretende Amtsgerichtsschreiber Rainer Fringeli» im Gespräch bei der FDP.

D. Am 22. Mai 2002 veröffentlichte die «Basler Zeitung» das Ergebnis einer Befragung der drei Kandidaten zu 8 Thesen. Begleitet wurde der Bericht durch einen Kommentar Tschans mit dem Titel «Christ ist klar im Vorteil». Christ verfüge als einziger Bewerber über die Qualifikation, die hohen Ansprüchen genüge. Gegen die Wahlchancen von Frei spreche zudem seine Nähe zur SP und der Umstand, «dass er nicht im Schwarzbubenland lebt und damit den Anspruch, Ðein eigener Richter zu sein?, nicht einlöst.» Fringeli sei schliesslich «noch zu jung, um über das Stadium des Lernens und Studierens weit hinausgekommen zu sein».

E. «Amtsgerichtspräsidium: Kandidaten auf der Zielgeraden», titelte die «Basler Zeitung» am 24. Mai 2002 zu einem von den Thiersteiner Jungliberalen organisierten Podiumsgespräch mit den drei Kandidaten. Im wiederum von Kurt Tschan verfassten Bericht gab dieser folgende Einschätzung wieder: «Markus Christ (…) machte dabei den besten Eindruck. Sein härtester Widersacher bleibt Rainer Fringeli (…) Erwin Frei hat nur Aussenseiterchancen». Zum Kandidaten Frei wird u.a. ausgeführt: «Mit verschränkten Armen, tief in seinem Stuhl eingesunken und hartnäckig gestört von einer Mücke (…)» habe dieser von einem «Handicap» gesprochen, mit dem er fertig werden müsse: seinem Ostschweizer Dialekt, der verrate, dass er kein Schwarzbube sei.

F. Mit Eingabe vom 1. Juni 2002 beschwerte sich Erwin Frei beim Presserat über die Berichterstattung der «Basler Zeitung». Kurt Tschan, Chef der Lokalredaktion Laufen der «Basler Zeitung», der die Gerichtsberichterstattung seit 1998 ausnahmslos Mitarbeitern seiner Lokalredaktion überlassen habe, habe die Wahlkampfberichterstattung zur höchstspersönlichen Sache gemacht. Dies sei zwar legitim, doch dränge sich die Vermutung auf, dass sich Tschan dabei von «persönlichen Animositäten gegen das hiesige Gericht haben leiten lassen», was er aber nicht transparent gemacht habe. Sowohl mit dem abschätzigen Kommentar zur Wahl des bisherigen Amtsinhabers ans Solothurner Obergericht, wie auch mit der gegen die Kandidaten Frei und Fringeli als Mitarbeiter des Gerichts gerichteten diffamierenden und diskreditierenden Wahlkampfberichterstattung habe die «Basler Zeitung» die Grundsätze der Fairness, Wahrheitspflicht (Ziffer 1 der «Erklärung») sowie das Verbot der Unterschlagung wichtiger Informationselemente (Ziffer 3 der «Erklärung») krass verletzt. Ergänzend rügte der Beschwerdeführer, die Kandidaten seien vor der am 22. Mai veröffentlichten Umfrage zu 8 Thesen nicht darauf hingewiesen worden, dass diese von einem Kommentar begleitet würden, der «auf massive Beeinflussung der Wählerschaft» abgezielt habe. Damit habe die «Basler Zeitung» zusätzlich auch die Ziffer 4 der «Erklärung» (Unterlassung unlauterer Methoden) verletzt.

G. Am Wochenende des 1. / 2. Juni 2002 wurde Markus Christ im ersten Wahlgang mit 4482 Stimmen zum Amtsgerichtspräsidenten von Dorneck-Thierstein gewählt. Auf Rainer Fringeli entfielen 2474, auf Erwin Frei 1501 Stimmen.

H. Am 3. Juni 2002 kommentierte Kurt Tschan unter den Titel «Der Beste hat haushoch gewonnen»: «Der Souverän hat strikt zwischen Spreu und Weizen getrennt und den Karrieregelüsten von leitenden Mitarbeitern am Amtsgericht eine deutliche Abfuhr erteilt». «Erwin Frei (…) war als Anwalt gar nie tätig, obwohl er bald 55 Jahre alt wird (…) Sein freisinniger Stellvertreter Rainer Fringeli, ist noch grün hinter den Anwaltsohren». Die beiden seien «für ihren Ehrgeiz (…) heftig abgestraft worden». Ob sie, «die Ungewollten», weiterhin am Gericht tätig sein wollten, müssten sie nun selber entscheiden. «Christ beendet eine Ära der jungen und unerfahrenen Gerichtspräsidenten. Die Rechtsprechung im Schwarzbubenland wird mit ihm eindeutig reifer.»

I. Mit Schreiben vom gleichen Tag reichte Erwin Frei den Kommentar von Kurt Tschan zum Wahlausgang nach und machte geltend, dieser habe damit ein weiteres Mal gegen das Fairnessprinzip und die Wahrheitspflicht verstossen.

K. Am 12. Juni 2002 gelangte Hans-Peter Marti ebenfalls mit einer Beschwerde gegen die «Basler Zeitung» an den Presserat. Er rügte, Redaktor Kurt Tschan habe mit den beiden Kommentaren vom 28. März 2002 («Ein Thiersteiner mit Herz und Kalkül»; vgl. oben unter Abschnitt B.) und vom 3. Juni 2002 («Der Beste hat haushoch gewonnen»; vgl. oben unter Abschnitt H.) insbesondere mit seinen Vorwürfen i.S. Ausstandspraxis sowie der Unerfahrenheit bzw. der mangelnden Reife der Rechtsprechung das journalistische Fairnessprinzip und die Kommentarfreiheit (einschliesslich der zugehörigen Richtlinien 2.3 – 2.5) verletzt. Im übrigen sei die Aussage falsch, er sei vor seiner Wahl zum Amtsgerichtspräsidenten im «Asylwesen» tätig gewesen. Er habe vorher beim Bundesamt für Justiz gearbeitet und keinerlei Berührung mit dem Asylwesen gehabt.

L. Am 4. Juli 2002 teilte der Presserat der «Basler Zeitung» (mit Kopie an die Beschwerdeführer) mit, das Präsidium habe beschlossen, die beiden Beschwerden gemeinsam zu behandeln.

M. In einer Stellungnahme vom 1
. August 2002 wies der stellvertretende Chefredaktor der «Basler Zeitung», Martin Hicklin, die beiden Beschwerden als unbegründet zurück. Der unbelegte Vorwurf persönlicher Animositäten auf Seiten von Kurt Tschan sei zurückzuweisen. Es gehöre zum journalistischen Pflichtstoff, die Volkswahl eines Richters zu begleiten, zu analysieren und zu kommentieren. Aus dem Umstand, dass der zugehörige Kommentar gleichzeitig mit der Synopsis der Antworten der Kandidaten zu einer Umfrage erschien, könne nicht abgeleitet werden, dass die Antworten der Kandidaten «mit unlauteren Methoden» beschafft worden seien. Die Ausführung zum Umgang Martis mit der Ausstandspflicht hinterfrage zwar dessen Praxis und mache allenfalls den Vorwurf der Eigenmächtigkeit, hingegen keineswegs denjenigen der unrechtmässigen Amtsführung. Ebenso dürfe in einem Kommentar gestützt auf das unbestrittene Faktum, dass Marti mit 31 Jahren, sein Vorgänger mit 33 und Christ nun mit 47 Jahren ins Amt gewählt wurde, der wertende Schluss gezogen werden, dass «damit sehr wohl auch ein anderer Geist sich durchsetzt, ohne dass dies heissen soll, der bisherige sei unhaltbar gewesen.» Schliesslich machte die «Basler Zeitung» sinngemäss geltend, «die offenbar falsche aber nie korrigierte Angabe», Marti sei vor der Wahl zum Amtsgerichtspräsidenten im Asylwesen tätig gewesen, sei nicht geeignet, das von Marti gezeichnete, insgesamt positive Bild zu beeinträchtigen.

M. In Schlussbemerkungen vom 18. und 23. August 2002 sowie 21. Oktober 2002 halten die Parteien an ihren Standpunkten fest.

N. Das Presseratspräsidium übertrug die Beschwerden zur Behandlung an die 3. Kammer, der Esther Diener-Morscher als Präsidentin sowie Judith Fasel, Gina Gysin, Peter Liatowitsch, Roland Neyerlin, Daniel Suter, Max Trossmann als Mitglieder angehören. Die Kammer behandelte die Beschwerden an ihren Sitzungen vom 15. August, 17. Oktober 2002 und 5. Dezember 2002.

O. An ihrer Sitzung vom 17. Oktober 2002 lehnte die 3. Kammer Anträge der Beschwerdeführer ab, eine mündliche Parteiverhandlung durchzuführen sowie diverse Urkunden zu edieren.

II. Erwägungen

1. a) Der Presserat hat wiederholt darauf hingewiesen (vgl. zuletzt die Stellungnahmen 45/2002 i.S. Hofmann c. «Smash», 32/02 i.S. Inselspitalstiftung c. «Puls-Tip»), dass er nicht in der Lage ist, einen zwischen den Parteien umstrittenen Sachverhalt in einem umfangreichen Beweisverfahren zu klären. Soweit die Differenzen in den Standpunkten der Parteien auf unterschiedlichen Sachverhaltsbehauptungen beruhen, muss der Presserat deshalb die Frage offen lassen, welche Faktendarstellung sachlich zutrifft.

b) Hinsichtlich der abgewiesenen Anträge der Beschwerdeführer auf Durchführung einer mündlichen Parteiverhandlung sowie der Edition von Urkunden ist zusätzlich auf Folgendes hinzuweisen: Zwar sieht Art. 14 Abs. 4 des Geschäftsreglements des Schweizer Presserates explizit vor, dass die zuständige Kammer die Parteien in Ergänzung zum Schriftenwechsel zu einer mündlichen Anhörung einladen kann. Der Presserat hat in der Stellungnahme 8/2001 i.S. FSJ/SLJ c. «Bilan» darauf hingewiesen, dass die Durchführung einer solchen Parteiverhandlung angesichts seiner knappen finanziellen und personellen Ressourcen nur ausnahmsweise in Frage kommen kann. Zudem kann der Presserat im Gegensatz zu Gerichten die Parteien und allfällige Zeugen nicht vorladen und die Edition von Urkunden nicht verbindlich anordnen, sondern lediglich einladen und auffordern. Dies kann im Einzelfall dazu führen, dass das Ergebnis einer solchen Demarche letztlich ein Stück weit von der Disponibilität und dem guten Willen der Betroffenen abhängt. Auch deshalb beschränkt sich der Presserat in der Regel ausgehend vom beanstandeten Medienbericht auf die Würdigung der schriftlich eingereichten Standpunkte der Parteien und der von diesen unaufgefordert eingereichten, sich in ihren Händen befindlichen Urkunden. Vorliegend ist die 3. Kammer in ihrer Beratung zum Schluss gekommen, dass eine mündliche Anhörung insbesondere auch kaum geeignet gewesen wäre, den Vorwurf der Befangenheit zu klären (vgl. dazu auch die nachfolgende Erwägung 2).

2. a) Die Beschwerdeführer sehen die Richtlinie 2.4 zur «Erklärung» dadurch verletzt, dass die Unabhängigkeit von Redaktor Tschan im Zusammenhang mit der beanstandeten Berichterstattung durch eine persönliche Betroffenheit stark beeinträchtigt gewesen sei, ohne dass dies gegenüber der Leserschaft offengelegt worden wäre. Der Presserat hat in diesem Zusammenhang in seiner Stellungnahme 51/01 i.S. H. c. «Uster und Züri Oberland Nachrichten» darauf hingewiesen, dass Journalistinnen und Journalisten ihre berufliche Funktion nicht dazu ausnützen dürfen, um eine private Auseinandersetzung öffentlich auszutragen.

b) Zur Begründung dieser Rüge führt der Beschwerdeführer Frei in seiner Eingabe vom 1. Juni 2002 an: «Die Vermutung drängt sich geradezu auf, dass sich der Beschwerdegegner bei seiner Berichterstattung von persönlichen Animositäten gegen das hiesige Gericht und seine Repräsentanten leiten liess (…)». «Aus der Darstellung der gesamten Wahlberichterstattung des Beschwerdegegners wird deutlich, dass es ihm nicht um eine sachbezogene Kritik an den zur Wahl stehenden Personen, sondern um eine gezielte und verletzende Diffamierung und Diskreditierung der am Gericht Dorneck-Thierstein tätigen Kandidaten, aber letztlich auch um eine Herabwürdigung der Tätigkeit des hiesigen Gerichts als Ganzes geht. Es drängt sich auf, die Gründe dafür in persönlichen Animositäten des Beschwerdegegners zu vermuten, die er aber in Verletzung der journalistischen Verpflichtung zur Wahrheit nicht offenlegt.»

c) Beschwerdeführer Marti führt in seiner Eingabe vom 12. Juni 2002 aus, «ebenso verheimlicht Redaktor Tschan in seinem journalistischen Beitrag, dass das Motiv seiner Angriffe in persönlichem Vergeltungsdrang zu finden ist. Letzteres wird zumindest klar ersichtlich aus seiner Berichterstattung in den letzten Wochen, wo sich zeigt, dass Kurt Tschan aus persönlicher Betroffenheit eine eigentliche Abrechnung mit dem Gericht Dorneck-Thierstein und dessen Exponenten durchführt.»

d) Die «Basler Zeitung» wies den Vorwurf der «persönlichen Animositäten» in ihrer Stellungnahme vom 1. August 2002 als nicht weiter belegt und unbegründet zurück.

e) In seinen Schlussbemerkungen vom 18. August 2002 machte Beschwerdeführer Marti dazu geltend: «Die BaZ macht es sich sehr einfach und weist wider besseres Wissen die entsprechenden Vorwürfe als Ðunbelegt? bzw. Ðnicht weiter belegt? zurück. Das fällt natürlich umso leichter, wenn der Beschwerdegegnerin bekannt ist, dass der Beschwerdeführer die Hintergründe aus rechtlichen Gründen nicht darlegen und damit auch nicht belegen darf (was übrigens sehr einfach wäre).»

f) Auch wenn dies von den Beschwerdeführern nicht explizit ausgesprochen wird, stützen sie den Befangenheitsvorwurf offensichtlich auf – aus seiner Sicht negative – Erfahrungen in eigener Sache, die Redaktor Tschan offenbar beim Amtsgericht Dorneck-Thierstein gemacht hat. Wegen des Amtsgeheimnisses sind die Beschwerdeführer aber nicht in der Lage, Fakten auf den Tisch zu legen. Daran würde auch die Durchführung einer mündlichen Parteiverhandlung nichts ändern. Ohne Kenntnis der entsprechenden Fakten kann der Presserat aber nicht beurteilen, ob Redaktor Tschan aufgrund einer starken eigenen persönlichen Betroffenheit daran gehindert war, sich unbefangen mit dem Gegenstand der Berichterstattung auseinanderzusetzen und deshalb hätte in den Ausstand treten müssen. Allein aus einer parteiergreifenden, pointiert kommentierenden Berichterstattung kann eine solche Befangenheit noch nicht abgeleitet werden. Unter diesen Umständen ist die Rüge der Beschwerdeführer als unbegründet zurückzuweisen.

3. a) Beschwerdeführer Frei sieht weiter das Lauterkeitsgebot gemäss Ziffer 4 der «Erklärung» («Sie bedienen sich bei der Beschaffung von Informationen, Tönen, Bildern und Dok
umenten keiner unlauteren Methoden …)» wie folgt verletzt: Die «Basler Zeitung» habe den Kandidaten bei der Anfrage zur Beantwortung der schliesslich am 22. Mai 2002 veröffentlichten Umfrage zu acht Thesen in unlauterer Weise verschwiegen, dass der Zeitungsbericht von einem Kommentar begleitet würde, der «auf massive Beeinflussung der Wählerschaft» abgezielt habe.

b) Die «Basler Zeitung» wies diese «Interpretation» des Beschwerdeführers Frei als «absurd» zurück. Es sei durchaus üblich, dass zu einem «grossen Auftritt Kandidierender auch ein Kommentar gestellt wird.» «Hätte man den Kommentar später veröffentlicht, hätte der Vorwurf erhoben werden können, die Lesenden könnten nicht mehr nachprüfen, was die Kandidierenden im Einzelnen gesagt hatten.»

c) Der Presserat hat in der Stellungnahme 2/99 i.S. C. c. «Facts» darauf hingewiesen, dass Journalistinnen und Journalisten ihre Gesprächspartner bei Rechercheinterviews darüber informieren sollten, worum es sachlich konkret geht. Sie seien aber nicht verpflichtet, sämtliche Einzelheiten vorab bekannt zu geben. «Weiter kann nicht von Belang sein, in welcher journalistischen Form das Befragungsergebnis veröffentlicht wird.» Gemäss der Stellungnahme 7/01 i.S. S. / M. c. «Facts» «gehört es allerdings zur beruflichen Fairness, den Verwendungszweck eines Gesprächs nicht absichtlich zu verschleiern, die Befragten irrezuführen oder sie in einem Irrglauben zu lassen.»

d) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist vorab festzustellen, dass der Beschwerdeführer Frei vorliegend nicht bestreitet, über den primären Verwendungszweck der Umfrage, nämlich die Leserschaft der «Basler Zeitung» über die Haltung der drei Kandidaten zu 8 Thesen zu orientieren, vorgängig orientiert worden zu sein. Soweit er darüber hinaus geltend macht, die Zeitung wäre verpflichtet gewesen, ihn von Anfang an darüber aufzuklären, dass die Präsentation des Umfrageergebnisses von einen ihn und den Kandidaten Fringeli kritisierenden Kommentar begleitet sein würde, kann ihm nicht gefolgt werden. Dem Beschwerdeführer musste von Anfang an klar sein, dass über seine Kandidatur für ein öffentliches Amt nicht nur «objektiv» und neutral berichtet würde, sondern dass er im Rahmen des Wahlkampfes unter Umständen auch pointierter Kritik ausgesetzt sein könnte. Unter diesen Umständen kann von einer irreführenden Verschleierung des Verwendungszwecks der Umfrage offensichtlich keine Rede sein.

4. a) Der Beschwerdeführer Marti sieht eine Verletzung der Fairnesspflicht u.a. darin, dass gegen ihn falsche und ehrenrührige Behauptungen ohne Nennung des konkreten Hintergrundes erhoben worden seien. So habe Redaktor Tschan im Kommentar vom 28. März 2002 wahrheitswidrig behauptet, er sei vor der Wahl 1989 «beim Bund im Asylwesen» tätig gewesen.

b) Die «Basler Zeitung» führte dazu an, diese Angabe sei von Marti selber nie richtig gestellt worden, obwohl sie mehrfach veröffentlicht worden sei. Marti wandte dazu in seinen Schlussbemerkungen ein, die «Basler Zeitung» habe zur Stützung ihrer Behauptung dem Presserat bezeichnenderweise keinen Bericht eingereicht. In Wirklichkeit sei diese, Redaktor Tschan offensichtlich bewusste, Falschinformation am 28. März 2002 zum ersten und letzten Mal veröffentlicht worden.

c) Der Presserat verzichtet auch hinsichtlich dieser Teilkontroverse darauf, dem Sachverhalt näher auf den Grund zu gehen. Denn ungeachtet der umstrittenen Frage, ob die «Basler Zeitung» die offenbar unrichtige Aussage ein- oder mehrmals veröffentlicht hat, würde es zu weit gehen, daraus eine Verletzung des Fairnessprinzips oder der journalistischen «Wahrheitspflicht» abzuleiten. Denn entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers erscheint dieses sachlich unrichtige Detail nicht geeignet, ihn in einem schlechten Licht erscheinen zu lassen. Eine Tätigkeit «im Asylwesen» ist weder ehrenrührig, noch ist damit in Vergleich zu einer Tätigkeit für das Bundesamt für Justiz aus Sicht der Leserschaft eine Abwertung der juristischen Qualifikation verbunden. Aus Sicht der Leserschaft kann es deshalb bei der Würdigung der Verdienste Martis in seiner Funktion als Amtsrichter keine wesentliche Rolle spielen, ob er vorher «im Asylwesen» oder beim Bundesamt für Justiz tätig gewesen ist.

5. a) Hinsichtlich dem Hauptpunkt der Beschwerde, wonach die «Basler Zeitung» mit den «diffamierenden» und «diskreditierenden» (Beschwerdeführer Frei) Kommentaren Tschans das Fairnessprinzip, die Kommentarfreiheit, die Wahrheitspflicht sowie das Verbot der Unterschlagung wichtiger Informationselemente verletzt habe, ist vorab auf Folgendes hinzuweisen: Gemäss ständiger Praxis des Presserates kann aus der «Erklärung» keine Pflicht zu «objektiver» Berichterstattung abgeleitet werden (vgl. zuletzt die Stellungnahme 45/02 i.S. Hofmann c. «Smash» mit weiteren Hinweisen). Im Gegenteil ist es mit der Berufsethik vereinbar, einseitig und parteiergreifend zu berichten (Stellungnahme 12/98 i.S. M. c. «Neue Luzerner Zeitung»). Gerade in der demokratischen Auseinandersetzung rund um einen Wahlkampf im Zusammenhang mit einer Volkswahl für ein öffentliches Amt ist der Kommentarfreiheit ein grösstmöglicher Spielraum offen zu lassen. Deshalb erscheint hier auch eine harsche, einseitige Kritik an den Kandidatinnen und Kandidaten zulässig, da sich diese im Zusammenhang mit ihrer Kandidatur bewusst in die Öffentlichkeit begeben haben. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Kritik für das Publikum als Werturteil erkennbar ist, und zudem weder wichtige Elemente von Informationen unterschlägt, noch die betroffene Person in unfairer Weise herabsetzt (ähnlich zur Kulturkritik bereits die Stellungnahme 44/01 i.S. H. c. «Basler Zeitung»). Nachfolgend ist für die wichtigsten der in den verschiedenen Medienberichten enthaltenen Werturteile je kurz separat zu prüfen, ob die «Basler Zeitung» den Voraussetzungen ihrer teilweise harten Kritik Rechnung getragen hat.

b) Im Kommentar vom 28. März 2002 zur Wahl Martis ans Obergericht erscheinen die eher beschreibenden, als solche ohne weiteres erkennbaren Werturteile, wie der «eher unscheinbare», im Auftreten «provinziell wirkende» Jurist Marti, der «zugänglich und volksnah» geblieben sei, von vornherein unproblematisch, weil sie kaum geeignet sind, den Beschwerdeführer Marti in einem besonders negativen Licht erscheinen zu lassen. Zudem dürfen auch Äusserlichkeiten von Personen des öffentlichen Lebens kritisch beschrieben werden, wenn diese ohnehin für jedermann sichtbar sind (Stellungnahme 2/99 i.S. C. c. «Facts»).

Heikel erscheinen demgegenüber der dem Amtsgerichtspräsidenten Marti unterstellte Umgang mit den Ausstandsregeln und sein angeblicher Einfluss auf die Laienrichter («Nicht jeden wollte er aber auch persönlich richterlich beurteilen …» und «Marti ist es wichtig, ihm gefällige Richterinnen und Richter, die auf präsidiales Soufflieren angewiesen sind, zu fördern …»). Damit die Leserschaft sich dazu eine eigene Meinung hätte bilden können, hätten die faktischen Grundlagen im Kommentar in konkreter und nachvollziehbarer Weise genannt werden müssen. Zudem wäre es angesichts des bei einem Richter schwer wiegenden, implizit erhobenen Vorwurfs, sich im Zusammenhang mit den Ausstandsregeln und der rechtmässigen Besetzung des Gerichts zumindest fragwürdig, wenn nicht gar ungesetzlich verhalten zu haben, zwingend gewesen, Marti dazu vorgängig anzuhören und seine Stellungnahme kurz zu referieren. In diesem Punkt ist deshalb eine Verletzung der Ziffern 3 und 7 der «Erklärung» festzustellen.

c) Hingegen bewegen sich die vom relativ jugendlichen Alter des Kandidaten Fringeli und von der nur geringen Berufspraxis des Beschwerdeführers Frei sowie seiner geografischen Herkunft ausgehende Kritik der «Basler Zeitung» (Berichte und Kommentare vom 20./21. April; 22. Mai, 24. Mai sowie die Kommentierung des Wahlausgangs) im Rahmen des berufsethisch Zulässigen. Unabhängig davon, ob sie die vom Kommentator zugrunde gelegten Kriterien für
massgeblich halten oder nicht, ist für die Leserinnen und Leser der «Basler Zeitung» jedenfalls nachvollziehbar, weshalb Redaktor Tschan dem Kandidaten Christ gegenüber seinen Mitkonkurrenten den Vorzug gab. Die zu den beiden gescheiterten Kandidaten veröffentlichten Werturteile erscheinen zwar zum Teil als hart. Die Kritik richtet sich aber durchwegs nicht gegen die Personen, sondern gegen die nach Auffassung des Kommentators für das Amt ungenügende Berufserfahrung. Eine unfaire Herabsetzung der beiden Kandidaten ist deshalb zu verneinen.

d) Schliesslich werden die Grenzen der Kommentarfreiheit ebensowenig überschritten, wenn der Kommentator aufgrund des offenbar unbestrittenen Faktums, dass die beiden Vorgänger des neu gewählten Amtsgerichtspräsidenten das Amt im Gegensatz zu diesem relativ jung übernommen hatten, den ohne weiteres als seine persönliche Meinung erkennbaren Schluss zieht, dass damit eine «Ära der jungen und unerfahrenen Gerichtspräsidenten beendet» und die Rechtsprechung nun «reifer» werde. Eine derartige Meinungsäusserung muss selbst dann zulässig sein, wenn ihr ein erheblicher oder gar überwiegender Teil der Leserschaft widersprechen sollte.

III. Feststellungen

1. Die Beschwerde von Erwin Frei wird abgewiesen.

2. Die Beschwerde von Hanspeter Marti wird insoweit teilweise gutgeheissen, als die «Basler Zeitung» verpflichtet gewesen wäre, die geäusserte Kritik an seiner Ausstandspraxis und der Auswahl von Laienrichtern durch die Nennung von konkreten Fakten für die Leserschaft nachvollziehbar zu machen. Zudem hätte der Betroffene zu diesem schweren Vorwurf angehört und seine Stellungnahme von der «Basler Zeitung» zumindest kurz wiedergegeben werden müssen.

3. Darüber hinausgehend wird die Beschwerde von Hanspeter Marti abgewiesen.

4. Wer für ein durch eine Volkswahl zu besetzendes öffentliches Amt kandidiert, nimmt damit in Kauf, dass über die Kandidatur nicht nur «objektiv» und neutral berichtet, sondern dazu unter Umständen auch pointierte Kritik geäussert wird. Medienschaffende handeln deshalb nicht unlauter, wenn sie im Rahmen eines Wahlkampfes Kandidatinnen und Kandidaten befragen, ohne diese ausdrücklich darauf aufmerksam zu machen, dass sich die Redaktion die kritische Kommentierung der Kandidaturen und Antworten vorbehält.

5. Im Zusammenhang mit der demokratischen Auseinandersetzung rund um einen Wahlkampf für ein öffentliches Amt ist der Kommentarfreiheit ein grösstmöglicher Spielraum offen zu lassen. Auch eine harsche, einseitige Kritik an Kandidatinnen und Kandidaten ist zulässig, sofern die Kritik für das Publikum als Werturteil erkennbar ist, und zudem weder wichtige Elemente von Informationen unterschlägt, noch die betroffene Person in unfairer Weise herabsetzt.