Nr. 7/2006
Einseitige Berichterstattung / Unterschlagung wichtiger Elemente von Informationen

(X. c. «Neue Luzerner Zeitung») Stellungnahme des Presserates vom 10. Februar 2006

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I. Sachverhalt

A. Am 9. April 2005 gelangte X. mit einer Beschwerde gegen die Berichterstattung der «Neuen Luzerner Zeitung» (NLZ) zum «Fahrtenmodell Kriens» an den Presserat. Die NLZ habe in einer Medienkampagne ihre monopolistische Stellung in unethischer Weise ausgenützt und mit ihrer einseitigen Bevorzugung der Abstimmungsgegner wesentliche Elemente von Informationen unterschlagen und Tatsachen entstellt (Ziffer 3 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten»).

B. Der Presserat forderte den Beschwerdeführer auf, näher zu begründen, gegen welche der eingereichten einzelnen Medienberichte zum Krienser Fahrtenmodell er – über den Vorwurf der generellen Bevorzugung der Abstimmungsgegner hinaus – explizit Beschwerde erhebe. Er möge die Passagen nennen, die nach seiner Auffassung gegen welche Punkte der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» bzw. der zugehörigen Richtlinien verstossen hätten.

C. In einer Beschwerdeergänzung vom 14. April 2005 hielt X. am Vorwurf der «Unausgewogenheit in der Gesamtheit von Vorschau, Berichterstattung und Kommentierung zum ‹Fahrtenmodell Kriens›» fest und legte in einer insgesamt 13 Artikel umfassenden tabellarischen Ansicht dar, inwiefern insbesondere zu Beginn der Berichterstattung vor allem die Gegner der Vorlage zu Wort gekommen seien. Mit ihrer einseitigen Auswahl, Interpretation und Kommentierung von Informationen habe die NLZ das Fairnessprinzip sowie die Ziffern 1 (Wahrheitspflicht) und 3 (Unterschlagung wichtiger Informationen) der «Erklärung» verletzt. Im weiteren beanstandete der Beschwerdeführer in erster Linie den am 10. Februar 2005 erschienenen Leitartikel von Inge Staub mit dem Titel «Das Fahrtenmodell ist zu kompliziert».

D. Gemäss Art. 9 Abs. 3 des Geschäftsreglements des Schweizer Presserates sind offensichtlich unbegründete Beschwerden durch das Presseratspräsidium zurückzuweisen.

E. Das Presseratspräsidium bestehend aus dem Presseratspräsidenten Peter Studer und den beiden Vizepräsidentinnen Sylvie Arsever und Esther Diener-Morscher hat die vorliegende Stellungnahme per 10. Februar 2006 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.

II. Erwägungen

1. a) Gemäss konstanter Praxis des Presserates kann aus der «Erklärung» keine Pflicht zu objektiver Berichterstattung abgeleitet werden. Vielmehr sind berufsethisch auch einseitige und fragmentarische Standpunkte zulässig (vgl. hierzu z.B. die Stellungnahmen 32/2001, 50/2003, 1/2004). Immerhin hält aber die Richtlinie 2.2 zur «Erklärung» fest: «Der Meinungspluralismus trägt zur Verteidigung der Informationsfreiheit bei. Er ist notwendig, wenn sich ein Medium in einer Monopolsituation befindet.» Aus dieser Bestimmung kann aber auch bei Medien mit einer regionalen Vormachtstellung keine Verpflichtung zu «objektiver», ausgewogener Berichterstattung abgeleitet werden. Vielmehr genügt es, dass in einer kontroversen Angelegenheit die verschiedenen Auffassungen zu Wort kommen, wenn auch nicht zwingend in gleichem Umfang. (Stellungnahme des Presserates 31/2001).

b) Der Beschwerdeführer hat dem Presserat insgesamt 13 Artikel der NLZ zum Thema «Fahrtenmodell Kriens» eingereicht, die im Zeitraum vom 2. September 2004 bis am 22. Februar 2005 veröffentlicht worden sind. Während in einer ersten Phase der Berichterstattung Einsprachen gegen das Modell sowie die Lancierung und das Zustandekommen eines Referendums im Vordergrund standen, konzentrierte sich die NLZ in einer zweiten Phase auf die Ende Februar 2005 stattfindende Volksabstimmung. Aus Sicht eines aussentehenden Betrachters kamen dabei sowohl die den Standpunkt des Einwohnergemeinderates stützenden Befürworter wie die Gegner der Vorlage mehrfach zu Wort (4. November 2004: «Gemeinderat verteidigt Fahrtenmodell»; 28. Dezember 2004: «Fahrtenmodell spaltet die FDP»; 8. Januar 2005: «Unsere Gegner manipulieren Briefe»: 21. Januar 2005: «Leichtes Spiel fürs Pro-Komitee»: 3. Februar 2005: «Antrieb oder Bremse für die Wirtschaft?»). Das insbesondere auch von einer Zeitung mit regionaler Vormachtstellung wie der NLZ zu fordernde Minimum an Meinungspluralismus ist damit bei weitem erfüllt und die Beschwerde in diesem Punkt offensichtlich unbegründet.

2. Ebenso gilt dies für den vom Beschwerdeführer beanstandeten Abstimmungskommentar vom 10. Februar 2005 von Inge Staub. Die Beanstandungen von X. erschöpfen sich nach Auffassung des Presserates im Ergebnis darin, die von seiner Haltung abweichende Argumentation der Journalistin als unwahr und unvollständig zu qualifizieren. Der Presserat hat in seinen Stellungnahmen immer wieder darauf hingewiesen, dass es nicht zu seinen Aufgaben gehört, zwischen den Parteien umstrittene Sachverhaltsdarstellungen zu klären. Ebenso wenig könne er beurteilen, welcher Standpunkt in einer Sachfrage «richtige» sei. Unter medienethischen Gesichtspunkten ergibt die Betrachtung des beanstandeten Kommentars «Das Fahrtenmodell ist zu kompliziert», dass die Journalistin einleitend die Standpunkte von Befürwortern und Gegnern der Abstimmungsvorlage zusammenfasst und danach die aus ihrer Sicht gegen das Fahrtenmodell sprechenden Aspekte in einer für die Leserschaft verständlichen Weise erörtert. Daran ist nichts auszusetzen.

III. Feststellung

Die Beschwerde wird als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.