Nr. 20/2001
Einseitige Berichterstattung und Leserbriefauswahl

(S. & Co. c. «Blick») Stellungnahme des Presserates vom 11. Mai 200

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I. Sachverhalt

A. Mit Schreiben vom 20. März 2001 gelangten S. und 27 Mitunterzeichner an den Presserat. In ihrer Beschwerde rügten sie, die Tageszeitung «Blick» habe im Vorfeld der Abstimmung vom 4. März 2001 über die Volksinitiative «Ja zu Europa» einseitig berichtet, kritische Leserbriefe unterschlagen und damit «gegen die ethischen Begriffe des Presserates und gegen allgemein anerkannte Grundsätze korrekter Information» verstossen. Die Beschwerdeführer stiessen sich insbesondere am Abdruck einer Briefserie mit dem Titel «Cher Compatriotes», in denen sich Westschweizer Mitbürgerinnen und Mitbürger für ein Ja einsetzten, an einer Werbebeilage des Komitees «Ja zu Europa» die ca. zwei Wochen vor der Abstimmung dem «Blick» beigelegt worden sei sowie an der Serie «EU Gut oder schlecht?», in der sich der Publizist Sebastian Speich in relativ ausführlichen Texten zu Kurzargumenten von EU-Gegnern äusserte.

B. Gemäss Art. 9 Abs. 3 des Geschäftsreglements des Schweizer Presserates sind offensichtlich unbegründete Beschwerden durch das Presseratspräsidium zurückzuweisen.

C. Das Presseratspräsidium hat die vorliegende Stellungnahme per 4. Mai 2001 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.

II. Erwägungen

1. Soweit die Beschwerdeführer die aus Ihrer Sicht einseitige Berichterstattung des «Blick» im Vorfeld der Abstimmung vom 4. März 2001 rügen, ist darauf hinzuweisen, dass die Medienschaffenden gemäss ständiger Praxis des Presserates berufsethisch nicht zu einer objektiven Berichterstattung verpflichtet sind. Im Gegenteil ist es mit der Berufsethik auch vereinbar, einseitig und parteiergreifend zu berichten (vgl. die Stellungnahme vom 19. Juni 1998 i.S. M. c. «Neue Luzerner Zeitung» , Sammlung 1998S. 106ff.). Damit erweist sich die Beschwerde in diesem Punkt als von vornherein offensichtlich unbegründet, weshalb sich eine nähere Prüfung erübrigt, ob der Vorwurf der Einseitigkeit zu Recht erhoben wird.

2. Ebenso offensichtlich unbegründet ist die Beschwerde hinsichtlich des gerügten Nichtabdrucks von Leserbriefen von EU-Gegnern zu werten. Gemäss der ständigen Praxis des Presserates ist eine Redaktion unter berufsethischen Gesichtspunkten frei, über den Abdruck von Leserbriefen zu entscheiden (vgl. z.B. die Stellungnahme 16/2000 vom 16. Mai 2000 i.S. Oui à la vie c. «La Liberté» mit weiteren Verweisen). Auch eine einseitige Leserbriefauswahl ist dementsprechend mit der journalistischen Berufsethik zu vereinbaren. Immerhin hat „Blick“ zahlreiche Briefe gegen die Europa-Initative abgedruckt, wenn auch offenbar nicht diejenigen der Beschwerdeführer.

3. Von Vorneherein nicht einzutreten ist schliesslich auf die von den Beschwerdeführern gerügte Werbebeilage, ist doch hierfür nicht die Redaktion verantwortlich (vgl. zuletzt die Stellungnahme Nr. 12/2001 i.S. A. c. «Le Temps», Sammlung der Stellungnahmen 2000, S. 101ff.).

III. Feststellungen

1. Die Beschwerde wird als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen.