Nr. 2/2005
Diskriminierungsverbot / Respektierung der Menschenwürde

(X. / Y. c. «Blick») Stellungnahme des Presserates vom 28. Januar 2005

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I. Sachverhalt

A. Im «Blick» vom 2. August 2004 kommentierte Pierina Hasler unter dem Titel «Voll dagegen» und «Salonfähige Rechtsextreme – ein unerträglicher Gedanke» wie folgt: «Die Wiege der alten Eidgenossenschaft – fest in der Hand von braunem Gesindel. Jedes Jahr werden es mehr und jedes Jahr reissen sie das Maul noch weiter auf. Der 1. August auf dem Rütli verkommt zum Festtag der Rechtsextremisten. Gestern war die grüne Wiese für einen halben Tag braun. Und sie führten sich auf, als ob ihnen nicht nur die Rütliwiese, sondern die Schweiz gehören würde. Das Schlimme: Die Öffentlichkeit gewöhnt sich daran. Natürlich kann man sie als Hohlköpfe abtun. Aber je mehr sie unbehelligt ihr menschenverachtendes Gedankengut verbreiten dürfen, desto salonfähiger werden sie. Für 99 Prozent der Schweizer ein unerträglicher Gedanke. Für mich auch.»

B. Am 12. August 2004 gelangte X. mit einer Beschwerde gegen den Kommentar von Pierina Hasler an den Presserat. Es könne einfach nicht sein, dass sich Journalist/innen mit Begriffen wie «braunes Gesindel» oder «Hohlköpfe» «so verwerflich gegenüber der Nationalen Jugend oder anderen Personen äussern». Für ihn sei der Artikel auch eine persönliche Beleidigung. Mit Beschwerdeergänzung vom 30. August 2004 machte X. geltend, der Kommentar von Pierina Hasler habe gegen die Richtlinie 8.1 zur «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (Respektierung der Menschenwürde) verstossen.

C. Mit Schreiben vom 27. September und Ergänzung vom 26. Oktober 2004 reichte Y. eine ähnlich lautende Beschwerde gegen den am 2. August im «Blick» erschienenen Kommentar von Pierina Hasler ein. Neben einer Verletzung der Richtlinie 8.1 zur «Erklärung» machte er zusätzlich eine solche der Richtlinie 8.2 (Diskriminierungsverbot) geltend.

D. Gemäss Art. 9 Abs. 3 des Geschäftsreglements des Schweizer Presserates sind offensichtlich unbegründete Beschwerden durch das Presseratspräsidium zurückzuweisen.

E. Das Presseratspräsidium bestehend aus dem Presseratspräsidenten Peter Studer und den beiden Vizepräsidentinnen Sylvie Arsever und Esther Diener-Morscher hat die vorliegende Stellungnahme per 28. Januar 2005 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.

II. Erwägungen

1. Gemäss der Richtlinie 8.1. zur «Erklärung» hat sich die Informationstätigkeit an der Achtung der Menschenwürde zu orientieren. «Sie ist ständig gegen das Recht der Öffentlichkeit auf Information abzuwägen. Dies gilt sowohl hinsichtlich der direkt betroffenen oder berührten Person als auch gegenüber der Öffentlichkeit.» Die Richtlinie 8.2 zur «Erklärung» lautet: «Bei Berichten über Straftaten dürfen Angaben über ethnische Zugehörigkeit, Religion, sexuelle Orientierung, Krankheiten, körperliche oder geistige Behinderung gemacht werden, sofern sie für das Verständnis notwendig sind. Die Nennung der Nationalität darf keine Diskriminierung zur Folge haben: sofern sie nicht systematisch erwähnt (und also auch bei schweizerischen Staatsangehörigen angewendet wird), gelten die gleichen restriktiven Bedingungen wie für die übrigen in dieser Richtlinie genannten Angaben. Besondere Beachtung ist dem Umstand zu schenken, dass solche Angaben bestehende Vorurteile gegen Minderheiten verstärken können.»

2. Die Beschwerdeführer sehen die Richtlinien 8.1 und 8.2 zur «Erklärung» durch die Bezeichnung von bei der 1.-August-Feier auf dem Rütli anwesenden «Rechtsextremen» als «braunes Gesindel» und «Hohlköpfe» verletzt. Sie übersehen dabei allerdings, dass die «Rechtsextremen» als gesellschaftliche Gruppierung nicht zu den durch Ziffer 8 der «Erklärung» vor Diskriminierung zu schützenden Minderheiten gehört. Ebenso wenig werden durch die Kolumne von Pierina Hasler bestimmte individualisierbare Personen verunglimpft oder in ihrem Menschsein herabgewürdigt. Weder einer der beiden Beschwerdeführer noch die von X. angeführte «Nationale Jugend» werden vom «Blick» erwähnt. Eine Verletzung der von den Beschwerdeführern angerufenen berufethischen Normen (Diskriminierungsverbot und Gebot der Respektierung der Menschenwürde) fällt unter diesen Umständen von vornherein ausser Betracht.

Entsprechend hat der Presserat bereits bei einer Beschwerde gegen die Berichterstattung des «Blick» vom 2. August 2003 über die 1.-August-Feier vom Tag zuvor festgehalten, dass eine harsche Kritik am Benehmen von politisch weit rechts Stehenden auf dem Rütli («Glatzen rissen das Maul auf», «braunes Gesindel» usw.») nicht in den Anwendungsbereich von Ziffer 8 der «Erklärung» fällt. «Dies gilt ungeachtet der vom Presserat nicht zu beurteilenden Frage, ob die im beanstandeten ÐBlickð-Artikel enthaltenen und vom Beschwerdeführer zum Teil bestrittenen Fakten sowie die politischen Wertungen vollständig zutreffen oder nicht» (Stellungnahme 48/2003).

Ergänzend ist zudem darauf hinzuweisen, dass die Wertungen «braunes Gesindel» und «Hohlköpfe» für die Leserschaft des «Blick» eindeutig als solche der Journalistin Pierina Hasler erkennbar sind. Im übrigen hat der Presserat in der Stellungnahme 44/2003 die kommentierende Bezeichnung der Gruppe der Drogenkonsumenten als «Gesindel» als noch knapp im weit zu bemessenden Rahmen der Kommentarfreiheit liegend bewertet. Die Bezeichnung einer politischen Gesinnung als «braun» ist zudem nach heutigem Sprachgebrauch je nach Verwendungskontext nicht zwingend mit dem Vorwurf einer Sympathie für das Naziregime gleichzusetzen, sondern ist darüber hinaus gleichbedeutend mit «rechtsextrem» und «rechtsaussen» im politischen Spektrum (vgl. hierzu auch den Entscheid des Bundesgerichts vom 17. Februar 1995 i.S. Mariette P.).

III. Feststellung

Die Beschwerden werden als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen.