Nr. 60/2003
Anonyme Anschuldigungen / Entstellung von Informationen /Sachlich nicht gerechtfertigte Anschuldigungen

(Polizeiverband Bern-Kanton c. «Blick») Stellungnahme des Schweizer Presserates vom 5. Dezember 2003

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I. Sachverhalt

A. Am 7. Mai 2003 berichtete «Blick» auf der Frontseite unter dem Titel «Polizei-Skandal – Sie stehlen Drogengeld, klauen Polizeiauto und schänden Leiche» von einer anonymen Gruppe Berner Kantonspolizisten, die sich mit einem detaillierten Dossier von «unglaublichen» Vorfällen zuerst an die Berner Polizeidirektorin Dora Andres gewandt habe. Als Frau Andres nicht reagierte, sei die anonyme Gruppe später an die Medien gelangt. Die aufgezählten Vorwürfe – Drogengelder verschwinden, ein Kilo Hasch versandet, ein Polizeiauto kommt weg – standen über der Balkenzeile «Was alles vertuscht werden soll – Wie sich die Polizei wehrt», die auf die Seiten 2 und 3 verwies. Neben der Schlagzeile war gross und farbig ein Bild des Uniformaufnähers der Kantonspolizei mit Wappen abgedruckt. Im Innern der Zeitung brachte «Blick» unter einem kurzen Einführungstext acht Fälle mit jeweils einer kurzen Stellungnahme der Polizei.

Der Einführungstext besagte, dass die Polizeidirektorin Dora Andres und der Kommandant Kurt Niederhauser die Vorfälle zwar bestätigten, aber «abwiegelten».

B. Am 8. Mai 2003 folgte, wieder auf der Frontseite und neben dem Bild des Uniformaufhängers unter dem Titel «Polizei-Ganoven», eine Fortsetzung des «Polizei-Skandals»: Die Berner Obergerichtspräsidentin wolle nun «aufräumen» und einen «Millionen-Dieb» jagen. Am 10. Mai (diesmal auf Seite 9) folgte der dritte Artikel, erneut mit dem Logo Uniformaufnäher sowie dem Schlagwort «Polizei-Ganoven» und der Schlagzeile «Weisswäsche misslungen».

C. Am 15. Juli 2003 reichte der Polizeiverband Bern-Kanton (nachfolgend: Beschwerdeführer) Beschwerde beim Presserat ein. Begründung: «Blick» habe gegen die Ziffern 1 (Wahrheitspflicht), 7 (Unterlassung anonymer und sachlich nicht gerechtfertigter Anschuldigungen) und 8 (Respektierung der Menschenwürde) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verstossen. Die Zeitung habe aufgrund eines anonymen Dossiers mit sachlich ungerechtfertigten Vorwürfen die Gesamtheit der Berner Kantonspolizei pauschal und wiederholt als Polizei-Ganoven und Kriminelle beschuldigt. Die Unschuldsvermutung sei nicht eingehalten und die Menschenwürde der einzelnen Angehörigen des Polizeikorps und des Berufsstands insgesamt verletzt. Es fehle jegliche Transparenz; weder Urheber noch Motive des Dossiers könnten überprüft werden.

D. Am 14. September 2003 beantragte die anwaltlich vertretene «Blick»-Redaktion (nachfolgend: Beschwerdegegnerin), die Beschwerde sei abzuweisen. Die beanstandeten Artikel hätten weder eine ganze Berufsgruppe noch einzelne Angehörige verunglimpft, sondern nur ungelöste Straffälle innerhalb des Polizeikorps publik gemacht, deren Existenz auch von den Oberbehörden bestätigt worden sei. Die wiederholte Benutzung eines Ausdrucks wie «Polizei-Ganoven» gelte als übliche rhetorische Vorgehensweise für eine Artikelfolge, damit der Leser sofort «assoziativ aufgeklärt» werde. Auch das Wort «Polizei-Skandal» suggeriere nicht, dass die Mehrheit der Polizeimitglieder Straftaten begangen habe, und sei somit keine ungerechtfertigte Anschuldigung. Ebensowenig werde dadurch die Unschuldsvermutung verletzt – und schon gar nicht die Menschenwürde, deren «hohes Gut» anzurufen in diesem Fall «eine Zumutung» sei.

Zur beanstandeten anonymen Information argumentiert die Beschwerdegegnerin, dass eine solche durchaus publiziert werden dürfe, wenn sie dem Leser als solche klar dargestellt und überdies gleichzeitig von dritter, nicht anonymer Seite bestätigt werde. Das sei hier eindeutig der Fall gewesen. Es habe sich nicht um «frei erfundene, haltlose Geschichten» gehandelt, sondern um «substantiierte Vorbringen», darum komme es auf den Ursprung der Information gar nicht an bzw. werde «deren Mangel (die Anonymität) geheilt». Ausserdem sei die Information nicht unüberprüfbar gewesen, wie die drei offiziellen Stellungnahmen der «Oberbehörden» (Regierungsrätin, Polizeikommandant und Obergerichtspräsidentin) bewiesen hätten.

E. Am 10. Oktober 2003 teilte der Presserat den Parteien mit, dass die Beschwerde der 1. Kammer bestehend aus Marie Louise Barben, Luisa Ghiringhelli-Mazza, Pia Horlacher, Katharina Lüthi, Philip Kübler et Edy Salmina (ohne Presseratspräsident Peter Studer) übertragen werde.

F. Die 1. Kammer behandelte den Fall an ihrer Sitzung vom 5. Dezember 2003 sowie auf dem Korrespondenzweg.

II. Erwägungen

1. Der Polizeiverband Bern-Kanton beanstandet die Veröffentlichung anonymer Anschuldigungen (nachfolgend Erwägung 2), die Verletzung der Unschuldsvermutung und der Menschenwürde (nachfolgend Erwägung 3) sowie die Veröffentlichung sachlich nicht gerechtfertigter Anschuldigungen durch die aus ihrer Sicht diffamierende Darstellung (insbesondere durch Titel, Balken und Uniform-Logo; nachfolgend Erwägungen 4-7).

2. a) In der Stellungnahme 20/2002 i.S. UDC Valais c. «Le Nouvelliste» hat der Presserat ausgeführt, beim Eingang einer anonymen Information seien für eine Medienredaktion zwei Verhaltensweisen möglich. Entweder verzichte sie aufgrund der Anonymität der Information auf deren Veröffentlichung, oder sie versuche, den Inhalt mittels geeigneter Recherchemethoden zu verifizieren. Es genüge jedoch nicht, die Recherche darauf zu beschränken, den Betroffenen mit dem Vorwurf zu konfrontieren und dessen Dementi zusammen mit dem Hinweis auf den anonymen Charakter der Information zu publizieren. In der Stellungnahme 34/2003 i.S. X. c. «Blick» hat der Presserat weiter festgehalten, dass von einer Veröffentlichung anonymer Anschuldigungen im Sinne von Ziffer 7 der «Erklärung» erst dann die Rede sein kann, wenn eine Redaktion für sie nicht überprüfbare Vorwürfe eines unbekannten Dritten publiziert.

b) Der Beschwerdeführer leitet aus diesen Grundsätzen ab, dass die in einem nachträglich den Medien zustellten Schreiben an die kantonale Polizeidirektion enthaltenen Vorwürfe von vornherein nicht hätten veröffentlicht werden dürfen. «Blick» hält dem entgegen, die anonymen Vorwürfe seien keineswegs unüberprüfbar gewesen. Vielmehr hätten die zuständige Regierungsrätin, der Polizeikommandant und die Obergerichtspräsidentin, die inhaltliche Richtigkeit der Information vor deren Publikation bestätigt.

c) Aus Sicht des Presserates sind Vorwürfe des Amtsmissbrauchs gerade bei einer Institution wie der Polizei mit ihren besonderen Machtbefugnissen (Ausübung des staatlichen Gewaltmonopols) von vorrangigem öffentlichem Interesse. Erhält eine Medienredaktion Kenntnis von derartigen Vorwürfen, liegt es deshalb grundsätzlich im Interesse des Publikums, dass die Vorwürfe journalistisch überprüft werden – selbst wenn die Vorwürfe von einer anonymen Quelle stammen und sofern sie nicht von vornherein haltlos erscheinen. Das berufsethische Gebot der Veröffentlichung anonymer Anschuldigungen schliesst dementsprechend die journalistische Bearbeitung von Themen keineswegs aus, wenn eine Redaktion davon aufgrund eines anonymen Hinweises oder einer anonymen Quelle erfährt. Berufsethisch verpönt wäre es vorliegend hingegen gewesen, wenn «Blick» die Vorwürfe der anonymen Gruppe von Polizisten ohne vorgängige Recherche und Abklärung bei den betroffenen Behörden veröffentlicht hätte. Nachdem «Blick» jeden einzelnen angeblichen Missbrauchsfall der Berner Polizeidirektion und dem Polizeikommandanten einzeln vorgelegt und deren (vorläufige) Stellungnahme für die Leserschaft klar ersichtlich wiedergegeben hat, kann von einer unzulässigen Veröffentlichung anonymer Anschuldigungen nicht die Rede sein.

3. a) Gemäss der Richtlinie 7.5 zur «Erklärung» ist bei der Gerichtsberichterstattung der Unschuldsvermutung Rechnung zu tragen. Der Polizeiverband Bern-Kanton argumentiert, dass dies bereits im Vorfeld eines Verfahrens und gegenüber einer ganze
n Personengruppe zu gelten habe.

Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden. Zum einen bezieht sich die Richtlinie 7.5 (im Zusammenhang mit der Richtlinie 7.6 i.S. Namensnennung) offensichtlich auf eine individualisierende, identifizierende Berichterstattung. Zum anderen stellt der Begriff «Gerichtsberichterstattung» eindeutig auf ein bereits hängiges Gerichtsverfahren oder auf ähnliche Verwaltungs- und Untersuchungsverfahren ab. Angesichts der generellen Geltung der in Ziffer 7 der «Erklärung» enthaltenen und aus dieser Bestimmung abgeleiteten Grundsätze des Persönlichkeitsschutzes in der Medienberichterstattung ist es unnötig, die Richtlinie 7.5 ausdehnend zu interpretieren. Gemäss der Praxis des Presserates wird der Unschuldsvermutung Genüge getan, wenn ein Artikel darauf hinweist, dass eine Verurteilung noch nicht oder noch nicht rechtskräftig erfolgt ist. Vorliegend hat «Blick» in keinem der aufgelisteten angeblichen Missbrauchsfälle zu Unrecht behauptet, dass die Fehlbaren bereits rechtskräftig verurteilt worden seien, sondern im Gegenteil gerügt, dass die «skandalösen Vorfälle» «vertuscht» und «heruntergespielt» würden.

b) Offensichtlich unbegründet ist auch die Rüge der Verletzung der Menschenwürde. Laut der Richtlinie 8.1 zur «Erklärung» hat sich die Informationstätigkeit an der Achtung der Menschenwürde zu orientieren. «Sie ist ständig gegen das Recht der Öffentlichkeit auf Information abzuwägen.» Menschen dürfen durch Medienberichte nicht verunglimpft und in unnötiger, sachlich unbegründeter Weise in ihrem Menschsein herabgesetzt werden.

Die Beschwerdeführer sieht die Menschenwürde der einzelnen Polizistinnen und Polizisten durch die «diffamierenden» Titelzeilen verletzt, mit denen sie generell als Kriminelle dargestellt würden. Dieser Auffassung steht entgegen, dass «Blick» nicht generell sämtliche Polizistinnen und Polizisten kritisiert, sondern in erster Linie die angebliche Vertuschung einer Reihe von einzelnen Fällen von angeblichem Amtsmissbrauch durch einzelne Polizisten (vgl. dazu die nachfolgenden Erwägungen 4-7). Die beschuldigten individuellen Täter oder gar die kantonalbernischen Polizistinnen und Polizistinnen insgesamt werden nicht in ihrem Menschsein verunglimpft.

4. a) Ziffer 1 der «Erklärung» auferlegt den Journalistinnen und Journalisten die Pflicht, sich an die «Wahrheit» zu halten und sich vom Recht der Öffentlichkeit leiten zu lassen, die «Wahrheit« zu erfahren. Die Richtlinie 1.1 erläutert dazu, dass die Wahrheitssuche den Ausgangspunkt der Informationstätigkeit darstellt. «Sie setzt die Beachtung verfügbarer und zugänglicher Daten, die Achtung der Integrität von Dokumenten (Text, Ton, Bild), die Überprüfung und allfällige Berichtigung voraus.» Laut Ziffer 7 der «Erklärung» sind zudem sachlich nicht gerechtfertigte Anschuldigungen zu unterlassen.

b) Der Polizeiverband Bern-Kanton sieht die Wahrheitspflicht bzw. die Pflicht zur Wahrheitssuche und das Gebot der Unterlassung sachlich nicht gerechtfertigter Anschuldigungen in erster Linie durch die Schlagzeilen «Polizei-Skandal – Sie stehlen Drogengeld, klauen Polizeiauto und schänden Leiche» («Blick» vom 7. Mai 2003); «Polizei-Ganoven» und «Polizei-Ganoven: Weisswäsche misslungen» («Blick» vom 8. und 10. Mai 2003) sowie «Was alles vertuscht werden sollte» («Blick» vom 7. Mai 2003) verletzt.

Diese Rügen beziehen sich auf einzelne Schlagzeilen; sie sind nachfolgend (Erwägungen 5-7) je separat zu prüfen. Der Presserat hat aus der Wahrheitspflicht und dem Verbot sachlich ungerechtfertigter Anschuldigungen abgeleitet, dass auf Vorwürfen Dritter beruhende Thesen nicht zu Tatsachen zugespitzt werden dürfen, dies gilt insbesondere auch für Titelschlagzeilen (vgl. die Stellungnahmen 27/2002 i.S. Rorbas c. «SonntagsBlick», 32/2000 i.S. «Il Diavolo» c. «La Regione», 4/1998 i.S. Scientology-Kirche Zürich c. «Tages-Anzeiger»).

5. a) Nach Auffassung des Polizeiverbands Bern-Kanton werden die Berner Kantonspolizist/innen durch die Schlagzeile «Polizei-Skandal – Sie stehlen Drogengeld, klauen Polizeiauto und schänden Leiche » («Blick» vom 7. Mai 2003) pauschal als Diebe von Drogengeld und eines Polizeiautos sowie als Leichenschänder dargestellt. Die Beschreibung erfolge in der Mehrzahl obwohl es sich – wenn überhaupt – jeweils um einzelne Vorfälle handelte. Der Titel stelle zudem als Tatsache dar, dass die Täter Polizisten waren. Erst im Text werde vom «Verschwinden» von Drogengeldern gesprochen und die Stellungnahme der Polizei sogar erst auf den Folgeseiten wiedergegeben.

b) Die «Blick»-Redaktion hält dem Vorwurf der nicht wahrheitsgetreuen Aufmachung entgegen, dass «der Leser aller hier zu beurteilenden Artikel niemals den geringsten Zweifel» haben könne, dass es sich dabei um eine Häufung von Einzelfällen handle und keineswegs das «kantonalbernische Polizeikorps als Ansammlung korrupter und verbrecherischer Missetäter» erscheine. Wortlaut und Botschaft eines Artikels dürften nicht «in sinnloser Weise überinterpretiert werden».

c) Unabhängig vom Inhalt ist der Artikel vom 7. Mai 2003 allerdings so aufgemacht, dass er nicht nur keine «Überinterpretation», sondern im Gegenteil eine nur sehr enge Interpretation zulässt. Den Lesenden springen auf der Frontseite zuerst die Schlagzeilen und Balken ins Auge: «Polizei-Skandal – Sie stehlen Drogengeld, klauen Polizeiauto und schänden Leiche» sowie «Was alles vertuscht werden sollte» – bevor dann eine gewisse Relativierung im Lauftext stattfindet: «Bei der Berner Kantonspolizei verschwinden Drogengelder, versandet ein Kilo Hasch, ein ganzes Polizeiauto kommt weg – und der Brandermittler Ðobduziertð eine Leiche mit seinem Sackmesser».

Die aktive Plural-Konstruktion der Schlagzeile suggeriert also durchaus, im Gegensatz zur Passiv-Konstruktion im einführenden Text, dass hier, verbunden mit der Schlagzeile «Polizei-skandal», Polizisten am Werk sind, die solche Dinge regelmässig, wenn nicht sogar gewohnheitsmässig tun. Und zwar haben das nicht einzelne in der Vergangenheit getan, sondern sie tun es immer noch, nämlich jetzt, in der Gegenwart. Eine Vergangenheitsform – sie stahlen, klauten usw. – hätte den pauschalen Eindruck von kontinuierlichem kriminellem Verhalten bereits etwas eingeschränkt; ein Singular hätte die Einschränkung verdeutlicht. Angesichts des anonymen Charakters der Vorwürfe, die von den Polizeiverantwortlichen zwar nicht generell dementiert, aber auch nicht klar und vollumfänglich bestätigt wurden, hätte der Titel jedenfalls nicht derart affirmativ und generalisierend formuliert werden dürfen.

6. a) Laut der Argumentation des Polizeiverbands Bern-Kanton rücken die beiden Titel «Polizei-Ganoven» und «Polizei-Ganoven: Weisswäsche misslungen» vom 8. und 10. Mai 2003 die Polizistinnen und Polizisten der Berner Kantonspolizei insbesondere durch die Verbindung der beiden Wörter «Polizei» und «Ganoven» zu Unrecht pauschal in ein schlechtes Licht.

b) Die «Blick»-Redaktion kontert, der blosse Ausdruck «Polizei-Ganoven» im Titel einer Boulevard-Zeitung sei kein unzulässiger Angriff auf die Gesamtheit aller kantonalbernischen Polizisten. «Man darf die Leser des ÐBlickð nicht einfach als grundsätzlich dumm hinstellen. Sie können Einzelfälle als solche erkennen und werten.»

c) Auch wenn der Beschwerdeführer als Interessenvertreter verständlicherweise keine Freude an der Kurzformel «Polizei-Ganoven» haben kann, ist diese nach Auffassung des Presserates im Lichte der für die Kommentarfreiheit aufgestellten Grundsätze (vgl. z.B. die Stellungnahmen 43/2002 i.S. P. c. «Landbote», 30/2001 i.S. B. c. NZZ und 44/2001 i.S. H. c. «Basler Zeitung» zulässig. Denn für die Leserschaft ist nicht nur das hinter der Kurzformel stehende Werturteil des «Blick», wonach es innerhalb des Polizeikorps in Einzelfällen auch «Ganoven» gebe, sondern auch die diesem Werturteil zugrundeliegende Faktenreihe erkennbar.

Durch die von «Blick» veröffentl
ichten Fakten nicht mehr gestützt wird hingegen der Zusatz «Weisswäsche misslungen». Dieser Teil der Schlagzeile konnte bei der Leserschaft den durch den Lauftext nicht belegten Eindruck erwecken, das Polizeikommando habe in seinen Stellungnahmen versucht, die von den acht Einzelfällen betroffenen Polizistinnen und Polizisten von vornherein von sämtlichen Vorwürfen «reinzuwaschen». Von einer «Weisswäsche» kann aber keine Rede sein, wenn die Verantwortlichen die erhobenen Vorwürfe im Grundsatz weitgehend bestätigen, nur teilweise dementieren und vor allem relativieren.

7. a) Schliesslich rügt der Polizeiverband Bern-Kanton, die am 7. Mai 2003 veröffentlichte Balkenzeile «Was alles vertuscht werden sollte» sei sachlich falsch. In den meisten Fällen sei eine offizielle Untersuchung eingeleitet bzw. seien interne Sanktionsmassnahmen ergriffen worden. Zudem seien die durch die kantonale Strafprozessordnung festgelegten Voraussetzungen für eine Medieninformation nicht gegeben gewesen. Somit könne keine Rede davon sein, dass Informationen aktiv versteckt wurden. Bei den Fällen, in denen eine Untersuchung eingeleitet wurde, wäre eine Information der Medien während der Voruntersuchung sogar unzulässig und bei den intern geregelten Fällen nicht angezeigt gewesen.

b) Die «Blick»-Redaktion entgegnet, mit der Balkenzeile auf der Titelseite vom 7. Mai 2003 werde auf den grossen Artikel auf den Seiten 2 und 3 verwiesen. «Der ist – unbeanstandet – überschrieben mit ÐLesen Sie, was alles geheim bleiben sollteð (…) Der beanstandete Balken hat überhaupt keine weitergehende Bedeutung als die, den Leser zum Weiterlesen zu animieren und er hat vor allem (…) keinerlei Bezug zu einzelnen Polizisten oder dem Gesamtkorps.»

c) Der von «Blick» gestützt auf das Dossier der anonymen Gruppe von Polizisten und der darauffolgenden Recherchen erhobene Vorwurf der Vertuschung richtet sich wie die Hauptschlagzeile vom 7. Mai 2003, «Polizei-skandal», offensichtlich in erster Linie gegen das nach Auffassung der Zeitung unhaltbare Informationsgebaren der zuständigen Regierungsrätin und des Polizeikommandanten. Ebenso wie der Beschwerdeführer (rückblickend) nach wie vor geltend macht, eine vorgängige Orientierung der Öffentlichkeit durch die kantonalen Behörden wäre in den von «Blick» publik gemachten Fällen nicht opportun oder sogar nicht zulässig gewesen, war und ist es der Beschwerdegegnerin unbenommen, zu einer diametral entgegengesetzten Wertung zu gelangen. Das Blatt darf die unterlassene Orientierung der Öffentlichkeit durch die Behörden als «Skandal» und «Vertuschung» (im Sinne von ungerechtfertigter Geheimhaltung) kritisieren, sofern sie ihrer Leserschaft auch die dieser scharfen Kritik zugrundeliegenden Fakten liefert.

III. Feststellungen

1. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen.

2. «Blick» hat die Ziffern 1 und 7 der «Erklärung» durch den dominanten Gesamttitel «Polizei-Skandal – Sie stehlen Drogengeld, klauen Polizeiauto und schänden Leiche» in der Ausgabe vom 7. Mai 2003 verletzt. Die allzu affirmative und generalisierende Wortverbindung im Präsens trug dem Kontext der Vorwürfe und der teilweisen Relativierung durch die verantwortlichen Behörden ungenügend Rechnung.

3. «Blick» hat die Ziffern 1 und 7 der «Erklärung» durch den Titel-Zusatz «Weisswäsche misslungen» in der Ausgabe vom 10. Mai 2003 verletzt, da diese Zuspitzung der Tatsache ungenügend Rechnung trug, dass die verantwortlichen Behörden offensichtlich keineswegs versucht haben, die betroffenen Polizistinnen und Polizisten vollständig von allen Vorwürfen «reinzuwaschen».

4. Darüber hinausgehend wird die Beschwerde abgewiesen. «Blick» durfte von anonymen Informationen ausgehen, da er sie nachher genügend verifizierte. Er hat die Menschenwürde der kantonalbernischen Polizistinnen und Polizisten nicht verletzt. Und er durfte drastische Vokabeln wie «Polizei-Skandal», «Vertuschung» und «Polizei-Ganoven» in einzelnen Passagen verwenden.