Nr. 57/2012
Anhörung bei schweren Vorwürfen / Sachlich nicht gerechtfertigte Anschuldigungen

(UBS c. «Handelszeitung») Stellungnahme des Schweizer Presserats vom 12. September 2012

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Zusammenfassung

Früheres Dementi mitliefern, wenn Vorwurf nicht neu ist
Wiegen die Vorwürfe schwer, ein Kadermann der UBS habe seinen Bruder zum «Bauernopfer» gemacht und in seine Zeit als Chef der UBS Deutschland falle der Aufbau «steuerlicher Scheinkonstrukte»? Der Presserat beantwortet die Frage differenziert und heisst eine Beschwerde der UBS gegen die «Handelszeitung» teilweise gut. Der Vorwurf, jemand hege ehrgeizige Karriereambitionen, mache eine Anhörung nicht zwingend. Ebenso gelte dies, wenn ein Vorwurf nicht neu ist. Die «Handelszeitung» hätte aber vermerken müssen, dass die UBS und der Kadermitarbeiter den Vorwurf bestreiten, «steuerliche Scheinkonstrukte» aufgebaut zu haben.

Die «Handelszeitung» berichtete Anfang 2012, die Gebrüder Urs und Jürg Zeltner hätten bei der Grossbank UBS jahrelang eine erstaunlich zuvorkommende Behandlung genossen. Jetzt sei es aber zum Eklat gekommen und Urs Zeltner sei «zum Bauernopfer der ehrgeizigen Karriereambitionen seines Bruders» geworden. Weiter behauptet der Zeitungsartikel, in die Zeit von Jürg Zeltner als Chef der UBS Deutschland falle der «Aufbau von Scheinkonstrukten für Steuerhinterzieher». Die UBS beschwerte sich beim Presserat, mit diesen schweren Vorwürfen seien weder die Bank noch die betroffenen Kadermitarbeiter konfrontiert worden. Die «Handelszeitung» entgegnete, die Aussage, jemand habe ehrgeizige Karriereambitionen, sei kein schwerer Vorwurf im Sinne der Richtlinie 3.8 zur «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (Anhörungspflicht). Zudem habe der Autor des Berichts die UBS-Pressestelle vor der Publikation mehrfach kontaktiert und dabei auch erkennen lassen, dass er im Zusammenhang mit  Jürg Zeltner auch eine Strafanzeige gegen die UBS in Deutschland wieder aufgreifen würde.

Der Presserat heisst die Beschwerde teilweise gut. Der Vorwurf des «Bauernopfers» verlangt keine Anhörung. Schwer wiegt hingegen die Behauptung, Jürg Zeltner habe mitgeholfen, «steuerliche Scheinkonstrukte» aufzubauen. Zwar sei der Vorwurf nicht neu und eine Anhörung damit nicht zwingend. Die «Handelszeitung» hätte aber darauf hinweisen müssen, dass die UBS und Zeltner den Vorwurf bestreiten.

Résumé

Lorsqu’un reproche n’est pas nouveau, un démenti antérieur doit être rappelé
Lorsqu’il est dit qu’un cadre de l’UBS a sacrifié son frère comme un pion et que la mise en place d’une «construction fiscale fictive» s’est faite alors qu’il était le chef d’UBS Allemagne, s’agit-il là de reproches graves? Le Conseil de la presse apporte une réponse nuancée et n’approuve que partiellement une plainte d’UBS contre la «Handelszeitung». Le reproche selon lequel une personne a des visées professionnelles ambitieuses n’appelle pas nécessairement une prise de position de sa part. Il en va de même lorsqu’un reproche n’est pas nouveau. Néanmoins, la «Handelszeitung» aurait du indiquer que l’UBS et son cadre contestaient avoir procédé à un «montage fiscal fictif».

La «Handelszeitung» rapporte début 2012 que les frères Urs et Jürg Zeltner ont joui des années durant d’un traitement étonnamment clément de la part de la grande banque UBS. Un éclat a toutefois eu lieu maintenant et Urs Zeltner est devenu «le pion sacrifié au profit des amitions professionnelles de son frère». De plus, l’article prétend que, du temps où Jürg Zeltner était le chef d’UBS Allemagne, a eu lieu le montage d’une «construction fictive pour les fraudeurs du fisc». L’UBS saisit le Conseil de la presse car ni la banque, ni ses collaborateurs mis en cause n’ont pu prendre position sur les graves reproches formulés contre eux. La «Handelszeitung» répliquait que l’affirmation que quelqu’un a des ambitions ne constitue pas un reproche grave au sens de la directive 3.8 de la «Déclaration des devoirs et des droits du/de la journaliste (audition lors des reproches graves)». En outre, l’auteur de l’article a eu divers contacts avec le service de presse de l’UBS et fait savoir qu’il entendait, en parlant de Jürg Zeltner, rappeler la plainte pénale déposée contre l’UBS en Allemagne.

Le Conseil de la presse approuve partiellement la plainte. Le reproche du «pion sacrifié» ne demande pas une audition. Par contre l’accusation que Jürg Zeltner aurait contribué à des «montages fiscaux fictifs» est grave. Certes il n’est pas nouveau et de ce fait une nouvelle audition n’est pas indispensable. Mai la «Handelszeitung» aurait dû rappeler que l’UBS et Zeltner contestent cette affirmation.

Riassunto

Se l’addebito non è nuovo, dev’essere menzionata la smentita precedente
Sono da considerare addebiti gravi le affermazioni secondo le quali un quadro dirigente dell’UBS aveva usato suo fratello quale pedina e escogitato un meccanismo per aiutare gli evasori del fisco quando era a capo dell’UBS Germania? Accogliendo solo in parte un reclamo dell’UBS contro la «Handelszeitung» il Consiglio della stampa opera una distinzione. Accusare qualcuno di avere ambizioni smisurate, non esige il dovere di sentire l’altra parte. Lo stesso vale se un addebito non è nuovo. In tal caso tuttavia la «Handelszeitung» avrebbe dovuto precisare che la banca e il suo collaboratore avevano già contestato l’addebito di aver escogitato un meccanismo per aiutare gli evasori del fisco.

La Handelzeitung all’inizio del 2012 riferiva che i fratelli Urs e Jürg Zeltner avevano goduto per anni di una sorprendente considerazione all’interno della grande banca UBS. A seguito di un litigio Urs sarebbe diventato ora «la pedina sacrificata per le ambizioni di carriera di suo fratello». L’articolo riporta inoltre che quando Jürg Zeltner era direttore dell’UBS in Germania era stato escogitato un marchingegno per aiutare gli evasori fiscali. L’UBS ha inoltrato reclamo al Consiglio della stampa sostenendo che né la banca né i fratelli Zeltner sono stati interpellati dal giornale per prendere posizione. Il giornale si difende argomentando che accusare qualcuno di ambizioni smisurate non è un addebito grave secondo la direttiva 3.8 della «Dichiarazione dei doveri del giornalista». Inoltre l’autore dell’articolo avrebbe avuto diversi contatti con il servizio stampa della banca e lasciato intendere che in relazione a Jürg Zeltner avrebbe ripreso anche la questione della denuncia penale contro l’UBS Germania.

Consiglio della Stampa ha parzialmente accolto il reclamo. L’addebito di «ambizione smisurata» non richiede un dovere di ascolto. Grave è per contro l’accusa circa l’evasione fiscale. Tuttavia poiché non si trattava di un nuovo addebito, un nuovo confronto con l’interessato non era necessario. La «Handelszeitung» avrebbe però dovuto precisare che la banca e Jürg Zeltner contestano l’addebito.


I. Sachverhalt

A. Unter dem Titel «Grosser Bruder» und dem Untertitel «UBS. Urs und Jürg Zeltner genossen bei der Grossbank eine erstaunlich zuvorkommende Behandlung. Jetzt kam es zum Eklat» berichtete Claude Baumann am 19. Januar 2012 in der «Handelszeitung» über den Rücktritt des UBS-Managers Urs Zeltner von seinem «Posten als Chef der internationalen Vermögensverwaltung für Deutschland und Österreich».

Hinter dem Abgang stehe auch eine Familienangelegenheit. «Urs Zeltner ist der ältere Bruder von Jürg Zeltner, dem obersten Chef der UBS-Vermögensverwaltung und Mitglied der Konzernleitung. Manche Beobachter wollen wissen, dass Urs Zeltner vor Weihnachten zum Bauernopfer der ehr
geizigen Karriereambitionen seines Bruders wurde.» Doch schon vorher sei die Konstellation heikel gewesen. Die UBS habe interne Regelungen, damit es aufgrund familiärer und anderer persönlicher Beziehungen nicht zu Interessenkonflikten komme. «Doch im Fall der Brüder Zeltner machte die Grossbank offenbar Konzessionen.»

Über Jürg Zeltner schreibt die «Handelszeitung», dieser kenne den «deutschen Markt aus dem Effeff. Zwischen 2005 und 2007 führte er von Frankfurt aus die UBS Deutschland. In diese Epoche fallen einige wenig ruhmreiche Ereignisse; etwa der Aufbau von Scheinkonstrukten für Steuerhinterzieher oder die glücklose Integration von Sauberborn, einem Vermögensverwalter für Ultrareiche.» Rückblickend gesehen habe Jürg Zeltner den Chefposten in Deutschland zum richtigen Moment verlassen, bevor die deutsche Regierung den Druck auf Steuerhinterzieher intensiviert habe.

B. Am 16. Februar 2012 protestierte die UBS bei der «Handelszeitung» per E-Mail gegen den für die betroffenen Kaderangestellten und die UBS «ehr- und persönlichkeitsverletzenden» Bericht und verlangte, dass dieser im Archiv der Handelszeitung und eventuell weiteren Archiven gelöscht werde. Mit den Vorwürfen der UBS konfrontiert offerierte Chefredaktor Beat Balzli der Bank ein Interview mit Jürg Zeltner und eine entsprechende Klarstellung zum «Fall Zeltner». Die Bank lehnte den Vorschlag der «Handelszeitung» ab und bestand darauf, der Artikel sei aus allen Archiven zu löschen.

C. Am 7. März 2012 beschwerte sich die anwaltlich vertretene UBS beim Schweizer Presserat über den Artikel vom 19. Januar 2012. Mit der Veröffentlichung des Artikels «Grosser Bruder» habe die «Handelszeitung» die Ziffern 3 (Anhörung bei schweren Vorwürfen; Unterschlagung wichtiger Elemente von Informationen) und 7 (sachlich nicht gerechtfertigte Anschuldigungen) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verletzt.

Die Beschwerde richtet sich gegen die Behauptung, Urs Zeltner sei «zum Bauernopfer der ehrgeizigen Karriereambitionen seines Bruders» geworden sowie gegen den Vorwurf, in die Zeit von Jürg Zeltner als Chef von UBS Deutschland falle der «Aufbau von Scheinkonstrukten für Steuerhinterzieher». Mit diesen schweren Vorwürfen seien weder die UBS noch die betroffenen Kadermitarbeiter konfrontiert worden. Beim Vorwurf des Aufbaus von steuerlichen Scheinkonstrukten gehe es nicht an, diesen allein aus einer Strafanzeige abzuleiten. Zumal die entsprechende Strafanzeige zwischenzeitlich zurückgezogen worden sei. Ebenso ungerechtfertigt und unbelegt sei der Vorwurf, Jürg Zeltner stelle seine Karriere über das Wohl seines Bruders Urs.

Zudem beantragt die UBS, die «Handelszeitung» sei anzuhalten, dass der Medienbericht nachträglich so gelöscht wird, «dass der ursprüngliche Bericht online bzw. im Archiv nicht mehr gefunden wird».

D. Am 10. Mai 2012 beantragt die ebenfalls anwaltlich vertretene «Handelszeitung», die Beschwerde sei abzuweisen.

Die Aussage, dass jemand ehrgeizige Karriereambitionen hat, sei kein schwerer Vorwurf im Sinne der Richtlinie 3.8. Zudem habe Claude Baumann vor der Publikation des Berichts mehrfachen Kontakt mit der Pressestelle der UBS gehabt und dabei auch erkennen lassen, dass er «die Personalie Urs Zeltner nochmals aufnehmen» und dabei auch auf frühere Artikel aufbauen werde. Unter diesen Umständen habe der UBS klar sein müssen, «dass damit auch die Thematik um die Strafanzeige gegen die UBS in Deutschland wieder aufgegriffen würde».

Zum Vorwurf, sie habe sachlich nicht gerechtfertigte Anschuldigungen erhoben, wendet die «Handelszeitung» ein, sie habe davon ausgehen dürfen, dass das Strafverfahren gegen die Beschwerdeführerin noch im Gang sei. Zumal die Beschwerdeführerin bei den mehrfachen Kontakten vor der Publikation des beanstandeten Berichts nie darauf hingewiesen habe, die Strafuntersuchung sei eingestellt worden.

E. Der Presserat wies die Beschwerde der 3. Kammer zu, der Max Trossmann als Präsident, Marianne Biber, Jan Grüebler, Matthias Halbeis, Peter Liatowitsch, Markus Locher und Franca Siegfried angehören.

F. Die 3. Kammer behandelte die Beschwerde an ihrer Sitzung vom 12. September 2012 sowie auf dem Korrespondenzweg.

II. Erwägungen
1. Gemäss Artikel 16 Absatz 3 seines Geschäftsreglements kann der Presserat in seinen Stellungnahmen Feststellungen treffen und Empfehlungen erlassen. Er hat jedoch keine Sanktionsmöglichkeiten und kann den Redaktionen keine verbindlichen Weisungen erteilen. Auf das Begehren der Beschwerdeführerin, die «Handelszeitung» sei anzuhalten, den beanstandeten Bericht vom 19. Januar 2012 aus allen Archiven zu löschen, ist schon deshalb nicht einzutreten. Ohnehin ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass der Presserat in seiner Stellungnahme 29/2011 den Redaktionen unter dem Gesichtspunkt des «Rechts auf Vergessen» empfohlen hat, bei nachträglichen Veränderungen von digital archivierten Medienberichten Vermerke anzubringen anstatt das Original zu überschreiben, damit die historischen Informationen erhalten bleiben. Die von der UBS geforderte vollständige Löschung des beanstandeten Medienberichts widerspricht dieser Empfehlung.

2. a) Gemäss der Richtlinie 3.8 zur «Erklärung» sind Betroffene vor der Publikation schwerer Vorwürfe anzuhören. Deren Stellungnahme ist im gleichen Medienbericht fair wiederzugeben.

b) Zunächst ist zu prüfen, ob die beiden Vorwürfe «Bauernopfer» und «Aufbau von Scheinkonstrukten für Steuerhinterzieher» im Sinne der Richtlinie 3.8 als schwer zu bewerten sind. Gemäss der Praxis des Presserats gilt ein Vorwurf als «schwer», wenn dem Betroffenen ein illegales oder ein damit vergleichbares Verhalten unterstellt wird. Beim Vorwurf, Jürg Zeltner habe seinen Bruder Urs zum Bauernopfer seiner ehrgeizigen Karriereambitionen gemacht, ist diese Schwelle für den Presserat nicht erreicht. Hingegen impliziert der Vorwurf, Scheinkonstrukte für Steuerhinterzieher aufgebaut zu haben, ein illegales Verhalten und begründet dementsprechend die Anhörungspflicht vor der Publikation.

c) Entfällt die Anhörungspflicht jedoch, weil der Vorwurf nicht neu ist? Der von der deutschen Finanzaufsicht in den Raum gestellte Vorwurf, wonach die deutsche Tochter der UBS systematische Beihilfe zur Steuerflucht geleistet habe, wurde im Frühjahr 2010 auch von anderen Medien thematisiert (vgl. z.B. den Bericht der «Neuen Zürcher Zeitung» vom 3. April 2010, «UBS im Visier der deutschen Finanzaufsicht»). Die «Handelszeitung» selbst hat im Jahr 2010 in drei Berichten («Millionär zerrt die UBS vor den Richter» vom 10. Februar 2010, «Reges Stühlerücken bei der UBS in Deutschland» vom 14. April 2010 und «Jürg Zeltners umstrittene Familienbande» vom 7. Juli 2010) über einen deutschen Kunden berichtet, welcher der UBS vorwarf, sie habe ihm bei der Steuerhinterziehung geholfen. In disesem Zusammenhang hat die «Handelszeitung» auch die Rolle von Jürg Zeltner als damaligem Chef der UBS Deutschland thematisiert.

Insofern erscheint deshalb der Vorwurf, in die Zeit von Jürg Zeltner als Chef von UBS Deutschland falle der Aufbau von Scheinkonstrukten für Steuerhinterzieher, nicht gänzlich neu, auch wenn die früheren Formulierungen nicht identisch und weniger affirmativ sind.

Gemäss der Praxis des Presserats entfällt die Anhörungspflicht, wenn ein Medium einen Vorwurf bereits früher publiziert hat. Verzichtet die Redaktion auf die (neuerliche) Anhörung, ist sie allerdings verpflichtet, zusammen mit dem Vorwurf auch eine frühere Stellungnahme des Betroffenen mitzuliefern. Wenn die «Handelszeitung» über keine frühere Stellungnahme der UBS verfügte, hätte sie die Bank deshalb entweder trotzdem konkret mit dem Vorwurf konfro
ntieren oder zumindest durch eine entsprechende Formulierung klar machen müssen, dass die UBS und der damalige Chef von UBS Deutschland den Vorwurf nach wie vor bestreiten. Da die «Handelszeitung» weder das eine noch das andere getan hat und die Formulierung zudem darauf hindeutet, der Vorwurf sei unbestritten, ist die Beschwerde in diesem Punkt gutzuheissen.

3. Gemäss der Ziffer 7 der «Erklärung» unterlassen Journalistinnen und Journalisten «sachlich nicht gerechtfertigte Anschuldigungen». Sind die beiden von der Beschwerdeführerin unter diesem Titel als verletzt gerügten Vorwürfe sachlich gerechtfertigt oder nicht? Der Presserat kann dies gestützt auf die ihm unterbreiteten Unterlagen nicht beurteilen.

a) Beim Vorwurf, Urs Zeltner sei vor Weihnachten 2011 zum «Bauernopfer der ehrgeizigen Karriereambitionen seines Bruders» geworden, beruft sich die «Handelszeitung» auf nicht näher umschriebene «Beobachter» und macht dazu in der Beschwerdeantwort geltend, es handle sich um «diverse Angestellte der UBS», denen sie Quellenschutz zugesichert habe. Nachdem die Behandlung der beiden Brüder innerhalb der Bank bei einem Teil der UBS-Belegschaft offenbar bereits früher für Unstimmigkeit gesorgt hat, scheint es nicht abwegig, dass sich einzelne UBS-Mitarbeiter nach dem Rücktritt von Urs Zeltner von seinem damaligen Posten als Chef der internationalen Vermögensverwaltung für Deutschland und Österreich so geäussert haben, wie dies die «Handelszeitung» berichtet. Für den Presserat ist deshalb der Vorwurf der sachlich ungerechtfertigten Anschuldigung nicht erstellt.

b) Beim zweiten Vorwurf, wonach die Tätigkeit von Jürg Zeltner als Chef der UBS Deutschland in die Epoche falle, in der Scheinkonstrukte für Steuerhinterzieher aufgebaut worden seien, ist es unbestritten, dass dieser Vorwurf seit 2010 im Raum steht, seitdem die deutsche Finanzaufsicht gestützt auf die Strafanzeige eines UBS-Kunden Ermittlungen angekündigt hat. Allein gestützt auf eine von der UBS eingereichte E-Mail der Rechtsabteilung der UBS Deutschland, wonach das vom betreffenden unzufriedenen Kunden initiierte Strafverfahren nicht eröffnet und die Untersuchung der deutschen Finanzabsicht abgeschlossen sei, kann der Presserat nicht beurteilen, ob damit der Vorwurf definitiv vom Tisch ist. Ohnehin datiert die E-Mail vom 25. Januar 2012, wurde also erst eine Woche nach der Veröffentlichung des beanstandeten Artikels geschrieben. Unter diesen Umständen ist eine Verletzung von Ziffer 7 der «Erklärung» auch unter diesem Gesichtspunkt zu verneinen.

III. Feststellungen

1. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen.

2. Die «Handelszeitung» hat mit der Veröffentlichung des Artikels «Grosser Bruder» vom 19. Januar 2012 die Ziffer 3 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (Anhörung bei schweren Vorwürfen – in Bezug auf den Vorwurf des «Aufbaus von Scheinkonstrukten für Steuerhinterzieher») verletzt.

3. Darüber hinausgehend wird die Beschwerde abgewiesen.

4. Die «Handelszeitung» hat die Ziffer 7 der «Erklärung» (sachlich nicht gerechtfertigte Anschuldigungen) nicht verletzt.