Nr. 3/2005
Anhörung bei schweren Vorwürfen

(Helsana Versicherungen AG c. «Saldo») Stellungnahme des Presserates vom 28. Januar 2005

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I. Sachverhalt

A. Am 18. Februar 2004 veröffentlichte die Konsumentenzeitschrift «Saldo» unter dem Titel «Leichtes Spiel für Tarifsünder» einen Artikel von Thomas Roth. Dieser berichtete darin über einen bei der Krankenkasse Helsana Versicherten, der die Kasse über überhöhte Rechnungen seines Arztes orientiert habe. Anstatt zu reagieren, habe die Helsana ihren Versicherten abblitzen lassen («Die Sachbearbeiterin liess mich wissen, um einzelne Beiträge müsse ich mich nicht kümmern – die Rechnung würde ja eh bezahlt»; «Wir sind nicht dazu da, um Rechnungen von Ärzten zu kontrollieren»). Die Helsana kommt im Artikel wie folgt zu Wort: «Helsana-Sprecher Christian Beusch will diesen Fall rasch abklären: ÐSo etwas darf einfach nicht passieren – dieses Vorgehen widerspricht ganz klar unseren Richtlinienð». Am Schluss des Berichts zieht der Autor das Fazit: «Die Tarifsünder brauchen wenig zu befürchten, solange es Kassen gibt, die aufmerksame Versicherte abwimmeln.»

B. Am 31. März 2004 veröffentlichte «Saldo» folgende «Gegendarstellung» der Helsana Versicherungen AG: «Richtig ist: Nachdem die Beschwerde des Versicherten eingegangen war, ersuchte Helsana den betroffenen Arzt schriftlich um eine Stellungnahme und um eine allfällige Korrektur der Rechnung. Der Arzt nahm anderntags mündlich und rund eine Woche später schriftlich zu seiner Rechnung Stellung. Die Prüfung durch die Helsana ergab, dass der behandelnde Arzt seine Rechnung völlig korrekt ausgestellt hatte, weshalb Helsana sie zur Zahlung freigab. Die im ÐSaldoð-Artikel zitierte Äusserung von Helsana-Sprecher Beusch (…) bezog sich nicht auf den konkreten Fall, sondern auf den von ÐSaldoð geschilderten Sachverhalt. Helsana ist ihrer gesetzlichen Pflicht zur Kontrolle der Arztrechnung somit vollumfänglich nachgekommen.»

C. Am 2. April 2004 gelangte die anwaltlich vertretene Helsana Versicherungen AG mit einer Beschwerde an den Presserat und rügte, «Saldo» habe mit der Publikation des Artikels «Leichtes Spiel für Tarifsünder» die Ziffern 3 (Unterschlagung von Informationen) und 7 (sachlich ungerechtfertigte Anschuldigungen) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verletzt. Der Autor des Artikels habe es unterlassen, den betroffenen Arzt um eine Stellungnahme zu bitten, obwohl dieser auf Grund der Umschreibung im Artikel eindeutig identifizierbar gewesen sei. Sodann habe «Saldo» auch der Helsana AG keine ausreichende Gelegenheit gegeben, sich zum konkreten Fall zu äussern. Schliesslich sei der Vorwurf unhaltbar, die Helsana AG habe ihre vom Gesetz vorgegebenen Prüfungspflichten nicht wahrgenommen und der Arzt habe eine überhöhte Rechnung gestellt.

D. Mit Stellungnahme vom 28. Mai 2004 wies René Schuhmacher die Beschwerde namens der Redaktion «Saldo» als unhaltbar zurück. Sowohl der Arzt wie die Helsana AG seien vor Redaktionsschluss vom Autor telefonisch kontaktiert worden. Der Arzt habe nicht reagiert. Nachträglich habe sich herausgestellt, dass dieser im Zeitpunkt der Recherche in den Ferien war. Mangels Stellungnahme sei er im Artikel nicht namentlich genannt worden. Die Helsana Versicherungen AG habe sich nicht zum konkreten Fall geäussert, weil ihr Sprecher während zwei Wochen in den Winterferien war. Der Beitrag habe auch keine sachlich ungerechtfertigten Anschuldigungen enthalten. Weder werde seitens der Helsana die Schilderung des mehrfach abgewimmelten Patienten bestritten, noch erweise sich der im Artikel erhobene Vorwurf als falsch, dass vom Arzt nicht erbrachte Leistungen in Rechnung gestellt worden seien.

E. Mit Schreiben vom 19. Juni 2004 gelangte auch der betroffene Arzt an den Presserat, um «die weiter grassierenden Unwahrheiten klarzustellen». Von Thomas Roth sei er nie kontaktiert worden. Ausgehend von der auf seinem Praxistelefonbeantworter gespeicherten Nachricht hätte ein einziger Telefonanruf in der Woche vom 9. bis 15. Februar 2004 genügt, um festzustellen, dass ein weiterer Anruf erst ab dem Montag 16. Februar 2004 erfolgreich sein könnte. Mangels Aktualität des Artikels wäre unter diesen Umständen eine Verschiebung auf die nächste Ausgabe möglich gewesen. Aufgrund seines schweizweit einmaligen Angebots sei er zudem sowohl in Fachkreisen wie bei seinen Patienten aufgrund des Artikels erkennbar gewesen. Schliesslich grenze die wider besseres Wissens aufrechterhaltene Behauptung von «Saldo», seine Rechnung sei nicht korrekt gewesen, an Querulantentum.

F. Am 13. August 2004 wies René Schuhmacher auch die vom Arzt erhobenen Vorwürfe als unzutreffend zurück. Gegenstand des «Saldo»-Beitrags seien nicht die Vorwürfe an den Arzt gewesen, sondern die Reaktion von Helsana auf die Reklamation eines Versicherten. Thomas Roth habe den Arzt zudem nicht nur einmal, sondern fünf- bis siebenmal telefonisch zu kontaktieren versucht. Die Praxis des Arztes habe dieselbe Nummer wie sein Privatanschluss. Der Journalist habe es für möglich gehalten, dass der Arzt seine Ferien zu Hause verbrachte.

G. Gemäss Art. 10 Abs. 7 des Geschäftsreglements des Schweizer Presserates kann das Präsidium zu Beschwerden, die in ihren Grundzügen mit vom Presserat bereits früher behandelten Fällen übereinstimmen oder sonstwie von untergeordneter Bedeutung erscheinen, abschliessend Stellung nehmen.

H. Das Presseratspräsidium bestehend aus dem Presseratspräsidenten Peter Studer und den beiden Vizepräsidentinnen Sylvie Arsever und Esther Diener-Morscher hat die vorliegende Stellungnahme per 28. Januar 2005 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.

II. Erwägungen

1. Gemäss der Richtlinie 3.8 zur «Erklärung» sind Betroffene vor der Publikation schwerer Vorwürfe anzuhören, und deren Stellungnahme ist im gleichen Medienbericht kurz und fair wiederzugeben. Die Beschwerdeführerin sieht diese Richtlinie in zweifacher Hinsicht verletzt. Sowohl der betroffene Arzt wie auch sie selber seien vor der Publikation des beanstandeten Artikels nicht korrekt angehört worden. Diese Rügen sind nachfolgend separat zu prüfen.

2. a) Der Artikel «Leichtes Spiel für Tarifsünder» erhebt gegenüber der Krankenkasse Helsana den Vorwurf, sie nehme Hinweise von Versicherten auf überhöhte Arztrechnungen nicht ernst. Angesichts ständig steigender Krankenversicherungsprämien und intensiven politischen Auseinandersetzungen über die Ausgestaltung des schweizerischen Gesundheitssystems einschliesslich der Rahmenbedingungen für Ärzte und Krankenkassen wiegt dieser Vorwurf schwer. Zwischen den Parteien ist denn auch nicht grundsätzlich umstritten, dass eine Anhörung der Helsana zu diesem Vorwurf angebracht war. Umstritten ist hingegen, ob sich «Saldo» in genügendem Masse um eine Anhörung zum konkreten Fall bemühte bzw. ob es die Krankenversicherung selber zu vertreten hat, wenn sie sich nur allgemein äussern könnte.

b) Die Helsana macht dazu geltend, gegenüber ihrem Sprecher Christian Beusch habe Thomas Roth lediglich den im Artikel erwähnten Sachverhalt geschildert, ohne aber den Namen des Versicherten preiszugeben, obwohl Beusch mehrmals darauf bestanden habe bzw. die Unterlagen angefordert habe, um den Sachverhalt Helsana-intern abklären zu können. «Der Journalist lehnte dies mit der Begründung ab, die ihm vorliegenden Unterlagen seien eindeutig». Der Helsana-Sprecher habe deshalb nur zu einem abstrakten Sachverhalt Stellung nehmen können. Nach Erscheinen des «Saldo»-Artikels und Bekanntwerden des Namens des Versicherten habe sich herausgestellt, dass alles korrekt abgelaufen sei: «Helsana hatte umgehend den betroffenen Arzt schriftlich zur Stellungnahme und zu einer allfälligen Korrektur der Rechnung aufgefordert, wobei eine Kopie des Schreibens an den Arzt auch dem Versicherten zugestellt wurde. Der Arzt nahm anderntags mündlich und eine Woche später schriftlich Stellung zu seiner Rechnung. Die Prüfung (…) ergab, dass der A
rzt die Rechnung völlig korrekt ausgestellt hatte.»

c) «Saldo» wendet dazu ein, die Helsana habe sich deshalb nicht zum konkreten Fall geäussert, weil ihr Sprecher Christian Beusch zwei Wochen in den Winterferien war. «Die telefonischen Anfragen von Thomas Roth wurden jeweils von der Helsana an Herrn Beusch weitergeleitet. Dabei erwähnte er, dass er in den Ferien weile. Aus diesem Grund könne die Helsana nicht zum konkreten Fall Stellung nehmen. Er bat den Journalisten, ihm die Unterlagen ins Büro zu senden, damit er sich die Sache nach der Rückkehr anschauen könne. Beusch war klar, dass der ÐSaldoð-Artikel vor seiner Rückkehr aus den Ferien erscheinen wird und dass mangels konkreter Stellungnahme der Helsana zu den Schilderungen des Versicherten B. nur das allgemein gehaltene Quote von Beusch im Artikel zitiert wird.» In der Folge habe der Autor die Unterlagen nach Rücksprache mit dem Versicherten der Helsana innert Tagesfrist wunschgemäss zugestellt.

d) Ausgehend von der in diesem Punkt übereinstimmenden Darstellung der Parteien ist festzustellen, dass sich die Helsana vor Erscheinen des Artikels lediglich in allgemeiner Weise, nicht aber zum konkreten Fall geäussert hat. Dies kommt in der im Artikel enthaltenen Formulierung «Helsana-Sprecher Christian Beusch will diesen Fall rasch abklären: ÐSo etwas darf einfach nicht passieren – dieses Vorgehen widerspricht ganz klar unseren Richtlinienð» durchaus zum Ausdruck, wenn auch nicht sehr deutlich. Zumindest aus der Formulierung «will diesen Fall rasch abklären» wird für die Leserschaft aber jedenfalls klar, dass die Helsana die gegenüber ihr erhobenen konkreten Vorwürfe zum Zeitpunkt der Publikation weder bestätigen noch dementieren konnte. Ausgehend von der Sachverhaltsdarstellung der Beschwerdegegnerin, wonach sie die Unterlagen nach Rücksprache mit dem Versicherten noch am gleichen Tag entsprechend dem Wunsch von Christian Beusch an die Helsana weiterleitete – etwas anderes ist ihr aufgrund der dem Presserat vorliegenden Unterlagen nicht nachzuweisen – war sie zudem berufsethisch nicht verpflichtet, mit der Publikation des Berichts zwei Wochen zuzuwarten, bis die Helsana nach der Rückkehr ihres Sprechers aus den Ferien in der Lage wäre, sich zum konkreten Fall zu äussern. Wie die Redaktion «Saldo» zu Recht geltend macht, durfte sie von der grössten Schweizer Krankenkasse eine Stellungnahme zum konkreten Fall innert wesentlich kürzerer Frist erwarten. Im Ergebnis hat die Redaktion «Saldo» deshalb die Richtlinie 3.8 gegenüber der Helsana Versicherungen AG nicht verletzt.

3. a) Zu den Vorwürfen gegenüber dem Arzt ist dem beanstandeten Artikel zu entnehmen, ein bei der Helsana Versicherter akzeptiere die «überhöhten Rechnungen seines Arztes nicht». «Er verbrachte zwei Nächte im Schlaflabor eines Aargauer Spezialmediziners für Lungenkrankheiten. Als der Helsana-Versicherte die Rechnung studierte, wurde er stutzig: ÐDa waren gut 400 Franken aufgeführt für Leistungen, die nie erbracht wurden – so etwa für eine Blutanalyse und eine EKG-Untersuchungð (…) Ðder Arzt hat die überhöhten Rechnungen gar nicht abgestritten und auf eine Abmachung zwischen ihm und den Krankenkassen verwiesen.ð» Selbst wenn die Kritik an der Krankenkasse Helsana beim Artikel vom Thomas Roth im Zentrum stand, wiegt der gegenüber dem Arzt erhobene Vorwurf schwer, er habe überhöhte Rechnungen gestellt und Leistungen verrechnet, die nie erbracht worden seien.

b) Die Helsana und der Arzt machen geltend, der Autor des Berichts habe es unterlassen, den letzteren zu diesen Vorwürfen anzuhören, obwohl er auf Grund der Umschreibung im Artikel eindeutig identifizierbar gewesen sei. Die Ferienabwesenheit des Arztes vom 8. bis 15. Februar 2004 sei zudem aus der auf dem Telefonbeantworter gespeicherten Ansage ersichtlich und unter diesen Umständen eine Verschiebung der Publikation zumutbar gewesen.

c) In der ersten Stellungnahme vom 28. Mai 2004 entgegnete «Saldo» zu dieser Rüge, der Arzt sei für eine Stellungnahme nicht erreichbar gewesen. Erst nachträglich habe sich herausgestellt, dass der Arzt im Zeitpunkt der Recherche in den Ferien war. Mangels Stellungnahme sei er im Artikel nicht namentlich genannt worden. In der zweiten Stellungnahme vom 13. August 2004 (zum Schreiben des Artzes vom 19. Juni 2004) machte «Saldo» geltend, Thomas Roth habe den Arzt zudem nicht nur einmal, sondern fünf- bis siebenmal telefonisch zu kontaktieren versucht. Die Arztpraxis habe dieselbe Nummer wie sein Privatanschluss. Der Journalist habe es für möglich gehalten, dass der Arzt seine Ferien zu Hause verbrachte. Die im Artikel verwendete Umschreibung habe den Arzt nicht identifizierbar gemacht.

d) Unbestrittenermassen war der behandelnde Arzt aufgrund der im «Saldo»-Artikel enthaltenen Umschreibung «Schlaflabor eines Aargauer Spezialmediziners für Lungenkrankheiten» für den grössten Teil der Leserschaft nicht erkennbar. Der Presserat hat jedoch in der Stellungnahme 8/2000 (zuletzt bestätigt im Entscheid 66/2004) festgehalten, dass die Anhörung Betroffener vor der Publikation schwerer Vorwürfe selbst bei Berichterstattung ohne Namensnennung dann unabdingbar ist, wenn sie zwar nicht für den Durchschnittsleser, jedoch für ihre nähere Umgebung erkennbar sind. Dies machen die Beschwerdeführerin und der Arzt geltend. Sie argumentieren, der Arzt sei bereits aufgrund der rudimentären Umschreibung für seine zuweisenden Hausärzte, Fachkollegen der Pneumologie und Schlafmedizin, aber auch seine Patienten sowie deren Krankenkasse erkennbar gewesen. «Saldo» äussert sich dazu nicht eingehend, sondern beschränkt sich darauf, die Identifizierbarkeit pauschal zu bestreiten. Selbst wenn es für den Presserat schwierig ist, diese Frage aufgrund der ihm vorliegenden Informationen zu beurteilen, erscheint es zumindest – wie generell bei grundsätzlich anonymisierter Berichterstattung – als wahrscheinlich, dass der Arzt von seiner beruflichen Umgebung dem im «Saldo»-Artikel beschriebenen Arzt zugeordnet wurde.

«Saldo» war deshalb verpflichtet, auch vom Arzt eine Stellungnahme einzuholen. Ob der Autor des Berichts dabei einmal oder mehrfach versuchte, den Arzt telefonisch zu erreichen, ist aus Sicht des Presserates nicht entscheidend. Jedenfalls musste er aufgrund der Mitteilung, wonach der Arzt bis am 16. Februar 2004 ferienabwesend sei, aber von Anfang an ernsthaft damit rechnen, vor diesem Termin keine Stellungnahme zu erhalten. Der Presserat hat jüngst in der Stellungnahme 60/2004 in einem ähnlichen Fall einer Nichterreichbarkeit für eine Stellungnahme zu schweren Vorwürfen festgehalten, bei fehlender Aktualität eines Artikels sei ein Aufschub der Publikation zumutbar. Zumindest aber hätte im Artikel darauf hingewiesen werden müssen, dass der Betroffene für eine Stellungnahme nicht erreichbar war. Diese Schlüsse lassen sich ohne weiteres auf den vorliegenden Sachverhalt übertragen. Angesichts des Umstands, dass weder von Seiten von Helsana noch vom betroffenen Arzt bis zum Redaktionsschluss eine Stellungnahme zum konkreten Fall erhältlich war, wäre eine Verschiebung der Publikation angemessen gewesen. Denn es dient auch der Glaubwürdigkeit von Medienredaktionen, sich bei schwerwiegenden Vorwürfen, nicht bloss auf die Schilderung einer Person zu verlassen. Und wenn «Saldo» trotzdem sofort veröffentlichte, wäre die Redaktion zumindest verpflichtet gewesen, im Artikel darauf hinzuweisen, dass der betroffene Arzt bis Redaktionsschluss für eine Stellungnahme (wegen Ferienabwesenheit) nicht erreichbar war.

4. a) Schliesslich macht die Helsana geltend, «Saldo» habe mit der Publikation des beanstandeten Berichts sachlich nicht gerechtfertigte Anschuldigungen (Ziffer 7 der «Erklärung») erhoben. Die Vorwürfe, die Beschwerdeführerin habe ihre vom Gesetz vorgegebenen Prüfungspflichten nicht wahrgenommen und der Arzt habe eine überhöhte Rechnung gestellt, seien vollständig unhaltbar. Ein einziges Telefon an den behandelnden Arzt oder die vollständige Sachverhaltsdarstellung gegenüber der Besc
hwerdeführerin hätte ausgereicht, um die Vorwürfe zu entkräften.

b) «Saldo» bestreitet demgegenüber, dass der Artikel sachlich nicht gerechtfertigte Anschuldigungen enthielt. «Weder wurde seitens der Helsana die Schilderung des mehrfach abgewimmelten Patienten bestritten, dessen Bitte um Abklärung bei Helsana-Filialen ungehört verhallte, noch erweist sich der Vorwurf im Artikel, dass die Arzt-Rechnung nicht korrekt war, als falsch. Auch die Helsana bestreitet zu Recht nicht, dass nicht erbrachte Leistungen in Rechnung gestellt wurden. Sie erklärt ihre Zahlung mit einer Vereinbarung zwischen den Ärzten und Santésuisse, die dem Patienten nicht bekannt war.» Der Patient stelle sich dazu auf den Standpunkt, diese Vereinbarung sei für ihn nicht verbindlich. Er müsse nur jene Leistungen bezahlen, die gemäss den Normen der Krankenversicherungsgesetzgebung geschuldet sind.

c) Auch wenn der Presserat den diesem Streit zugrundeliegenden Sachverhalt nicht abschliessend klären kann, schliesst er aufgrund der eingehenden Darstellung der Parteien immerhin Folgendes: Gemäss der diesbezüglich plausiblen Darstellung von Krankenkasse und Arzt wurden offenbar ärztliche Leistungen, die effektiv erbracht worden waren, in Absprache mit der Santésuisse unter einem anderen Titel verrechnet. Ob ein derartiges Vorgehen mit den zum Zeitpunkt der Abrechnung geltenden krankenversicherungsrechtlich massgebenden Normen vereinbar war oder nicht, vermag der Presserat nicht zu beurteilen. So oder so wird aber der im Artikel «Leichtes Spiel für Tarifsünder» erhobene Vorwurf überhöhter Rechnungsstellung mit dieser Zusatzinformation grösstenteils entkräftet. Denn es macht einen ganz wesentlichen Unterschied aus, ob die Krankenkasse eine zwar behelfsweise anders bezeichnete, aber wirtschaftlich äquivalente und medizinisch indizierte Leistung bezahlte oder ob der Arzt kassierte, ohne überhaupt eine entsprechende Gegenleistung erbracht zu haben.

Im Nachhinein ebenfalls erheblich relativiert hat sich weiter offenbar auch der vom Patienten gegenüber der Helsana erhobene Vorwurf, auf die Hinweise des Versicherten überhaupt nicht reagiert zu haben. Denn die Krankenkasse führt dazu glaubhaft aus, dass sie den betroffenen Arzt nach Eingang der Beschwerde des Versicherten umgehend um eine Stellungnahme und allfällige Korrektur der Rechnung bat.

Aus diesen Befunden lässt sich allerdings umgekehrt noch keine Verletzung von Ziffer 7 der «Erklärung» ableiten. Aufgrund der ihm zur Zeitpunkt der Publikation vorliegenden – scheinbar eindeutigen – Unterlagen und den zugehörigen Erklärungen des Versicherten durfte Thomas Roth darauf vertrauen, dass der in seinem Artikel beschriebene Sachverhalt der Wahrheit entsprach. Zumal er – wenn auch wegen Ferienabwesenheiten erfolglos – versucht hatte, diesen bei der Krankenkasse und dem betroffenen Arzt zu verifizieren. Ausgehend von den zum Zeitpunkt der Publikation verfügbaren Informationen und seiner Versuche, diese mittels Recherche zu überprüfen, hat «Saldo» deshalb im Ergebnis die Ziffer 7 der «Erklärung» nicht verletzt.

III. Feststellungen

1. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen.

2. Die Anhörung Betroffener vor der Publikation schwerer Vorwürfe ist selbst bei Berichterstattung ohne Namensnennung dann unabdingbar, wenn es wahrscheinlich erscheint, dass diese aufgrund des Medienberichts für ihre berufliche Umgebung erkennbar sind. Ist die Anhörung des Betroffenen kurzfristig nicht möglich, ist die Publikation aufzuschieben, wenn nicht gewichtige Gründe für eine sofortige Veröffentlichung vorliegen. Wird der Medienbericht trotzdem sofort veröffentlicht, ist zumindest darauf hinzuweisen, dass der Betroffene für eine Stellungnahme nicht erreichbar war. Ausgehend von diesen Grundsätzen hätte «Saldo» die Publikation besser aufgeschoben. Zumindest wäre die Redaktion aber verpflichtet gewesen, im Artikel «Leichtes Spiel für Tarifsünder» darauf hinzuweisen, dass sich der betroffene Arzt wegen Ferienabwesenheit nicht zum Vorwurf überhöhter Rechnungsstellung äussern konnte.

3. Darüber hinausgehend wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.