Nr. 23/2008
Anhörung bei schweren Vorwürfen

(Schweizerische Eidgenossenschaft respektive Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit Deza c. «Die Weltwoche») Stellungnahme des Schweizer Presserates vom 22. Mai 2008

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Zusammenfassung

Resumé

Riassunto

I. Sachverhalt

A. Die «Weltwoche» brachte im Juli und August 2007 eine Serie von Artikeln, in denen sie die Schweizer Hilfe auf Sri Lanka nach dem Tsunami vom 26. Dezember 2004 kritisch behandelte. Insgesamt waren dies drei Artikel und ein Kommentar von Redaktor Philipp Gut sowie zwei Editorials. Schon der erste Artikel vom 5. Juli 2007 mit dem Titel «1000 US-Dollar für eine beschädigte Haustür in Sri Lanka» erhob den Vorwurf, die Schweizer Hilfsgelder für die Opfer des Seebebens versickerten in korrupten Projekten. Bundesrätin Micheline Calmy-Reys Entwicklungshelfer zahlten, ohne dass sie etwas zu sagen hätten. «Man weiss um Misswirtschaft und Betrug.» Die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten und die Schweizer Hilfswerke vor Ort sowie ihre Führungsleute in der Schweiz hätten von massiven Missbräuchen gewusst, aber nichts unternommen. Im Artikel vom 12. Juli («Schweizer Korruptionshelfer») kam gegenüber jenem der Vorwoche eine Reihe recherchierter Missbrauchsfälle und -vorwürfe im Detail dazu. Und neu die Einschätzung, die Schweizer Verantwortlichen seien Korruptionshelfer, liessen Korruption zu, ja deckten diese aktiv. Auf dem Titelblatt hiess der Anriss «Schweizer Tsunami-Helfer decken Korruption». Guts Kommentar war mit «Im Tsunami-Sumpf» überschrieben.

Der Kern der Kritik: Neben der Kategorie der total zerstörten Häuser habe jene der «teilweise beschädigten» Häuser dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet. Manche Srilanker hätten ihre gar nicht oder wenig beschädigten Häuser mutwillig beschädigt, um an die für teilbeschädigte Häuser ausbezahlten 1000 US-Dollar zu kommen. Andere hätten die 2500 Dollar bei Totalverlust zwei- oder gar dreimal von verschiedenen Geldgebern bezogen. Wieder andere hätten jene bestochen, die die Einteilung in die Kategorien vornahmen und die Listen der Geschädigten führten. Schweizer Projektleiter vor Ort, welche die Missbräuche an die Vorgesetzten bei Deza, Hilfswerk der Evangelischen Kirchen Schweiz (Heks) und Schweizerischem Roten Kreuz (SRK) meldeten, seien zurückgebunden, manche gar entlassen worden.

B. Am 7. Dezember 2007 legte die anwaltlich vertretene Deza Beschwerde beim Schweizer Presserat gegen die «Weltwoche» ein. Die Deza sieht Ziffer 3 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» als verletzt an, respektive die zugehörige Richtlinie 3.8, welche das Anhören bei schweren Vorwürfen vorschreibt. Und zwar im Artikel und Kommentar vom 12. Juli 2007. Darin behaupte die «Weltwoche», die Verantwortlichen der Deza, namentlich deren Chefs Direktor Walter Fust und Vizedirektor Toni Frisch hätten «die Korruption zugelassen und sogar aktiv gedeckt». Deza, Fust und Frisch seien dazu nicht angehört worden, eine Stellungnahme der Deza zu diesem Vorwurf fehle im Artikel.

Die Beschwerdeführerin umreisst zuerst die Schweizer Hilfe auf Sri Lanka. Die Deza kooperierte dabei in einem Schweizer Konsortium im Rahmen des Programms «Cash for Repair und Reconstruction» der srilankischen Regierung: mit dem Hilfswerk der Evangelischen Kirchen Schweiz, dem Schweizerischen Roten Kreuz und der Glückskette.

Die Beschwerdeführerin versichert sodann, sie verwahre sich keineswegs gegen eine kritische Berichterstattung. Die «Weltwoche» aber habe Vorwürfe und Anschuldigungen erhoben, welche «die Grenze zulässiger Kritik überschreiten».

Unter dem Rubrum «Behauptung von Korruption durch die DEZA und deren Vertreter» führt die Beschwerdeschrift neben den Titeln «Schweizer Tsunami-Helfer decken Korruption» und «Schweizer Korruptionshelfer» insbesondere folgende Textstellen vom 12. Juli an:

«In Sri Lanka wurde mit Spendengeldern für Tsunami-Opfer Missbrauch in Millionenhöhe getrieben. Die Verantwortlichen vertuschten den systematischen Schwindel.»

«Der Weltwoche liegen Dokumente vor, die belegen, dass die Verantwortlichen im Aussendepartement und bei den Hilfswerken (Rotes Kreuz, Heks) die Korruption zugelassen und sogar aktiv gedeckt haben.»

«Hauptverantwortlich für die Missstände ist die Deza mit Direktor Walter Fust und dem Chef der humanitären Hilfe, Toni Frisch, an der Spitze.»

Die Beschwerde wertet die Vorwürfe so: «Wer Korruption deckt, macht sich zum Mittäter.» Das sei keine harte Kritik mehr oder zulässig zugespitzt, sondern hier würden individuell strafbare Handlungen konkret unterstellt. «Fust und Frisch werden als Mittäter bei kriminellen Handlungen bezeichnet.» Das aber sei objektiv falsch und unwahr und verletze das Ehr- und Persönlichkeitsrecht der Deza und ihrer Vertreter.

Falls die «Weltwoche» geltend machen sollte, sie habe im Vorfeld des ersten Artikels vom 5. Juli 2007 der Deza per E-Mail Fragen gestellt, welche Vizedirektor Toni Frisch schriftlich und telefonisch beantwortet habe, so sei dazu Folgendes festzuhalten:

Der Fragekatalog vom 2. Juli habe den Vorwurf, das Deza decke Korruption, nicht enthalten. Diesen Vorwurf habe «Weltwoche»-Redaktor Philipp Gut auch im abendlichen Telefonat vom 3. Juli mit Frisch nicht erhoben. Die Frist von einem Tag zur Beantwortung habe den Vorgaben für seriösen Journalismus nicht genügt. Gleichwohl habe die Deza fristgerecht geantwortet.

Und weil die «Weltwoche» eine ihrer Fragen im Artikel nachträglich entscheidend veränderte, sei die Antwort der Deza bewusst falsch verwendet worden. Die schriftliche Frage der «Weltwoche» habe gelautet: «War man sich bewusst, dass die Kategorie der ‹teilweise beschädigten› Häuser Missbrauch ermöglichte?» Im Artikel aber habe es dann geheissen: «Was sagt man bei der Deza zum missbräuchlichen Bezug von Spendengeldern?» So sei aus der Frage nach einer potentiellen Missbrauchsmöglichkeit einer Kategorie die Frage nach dem als Tatsache behaupteten missbräuchlichen Bezug von Spendengeldern geworden, als ob die Deza auf diese unterstellte Tatsache geantwortet hätte. Damit habe die «Weltwoche» die Antwort der Deza verfälscht und namentlich Frisch und Fust unterstellt, vom Missbrauch zu wissen und ihn zu tolerieren.

Mindestens seit dem 3. Juli seien Gut mit Deza-Sprecher Andreas Stauffer und Toni Frisch zwei direkte Ansprechpartner bekannt gewesen. Frisch habe sogar angeboten, Gut direkt in Bern zu informieren. Diese Einladung habe der Journalist jedoch nicht befolgt.

Dies alles belege, dass es der «Weltwoche» nicht um die Sache, sondern um eine politische Kampagne im Vorfeld der nationalen Wahl vom Herbst 2007 gegangen sei.

C. Auf Anfrage des Presserats teilte die Beschwerdeführerin am 14. Dezember 2007 mit, dass sie kein Gerichtsverfahren gegen die «Weltwoche» eingeleitet habe und dies auch nicht beabsichtige.

D. Die ebenfalls anwaltlich vertretene Redaktion der «Weltwoche» bezog am 31. März 2008 Stellung. Sie beantragte, die Beschwerde abzulehnen. Die Beschwerdeantwort stützt sich dabei materiell zu wesentlichen Teilen auf die Begründung, mit der die Weltwoche Verlags AG ein Begehren um Gegendarstellung des Schweizer Konsortiums aus Deza, SRK und Heks zu den Artikeln vom 5. und 12. Juli 2007 abgelehnt hatte. (Das Konsortium hatte dann darauf verzichtet, die sehr lange Gegendarstellung gerichtlich durchzusetzen.) Hier wird aus dieser von der Beschwerdegegnerin fast integral in ihre Antwort übernommenen Begründung nur soweit geschöpft, als sie sich auf die Vorwürfe und Argumente in der Beschwerde bezieht.

Die Beschwerdegegnerin betont, ihre Artikel beruhten auf umfangreichen Recherchen, zahlreichen Dokumenten und vielen Gesprächen mit Mitarbeitern von Deza und Hilfswerken. Dabei habe sich die Missbrauchs- und Korruptionsproblematik klar herausgeschält und darauf habe sich die «Weltwoche» konzentriert; das sei ihre
Aufgabe als kritische Wochenzeitschrift. Die Beschwerdeantwort verweist speziell auf den beigelegten Offenen Brief des entlassenen SRK-Chefdelegierten in Sri Lanka und dessen Dokumentation der Misswirtschaft. Diese und andere Zeugnisse belegten, dass die Zentralen in der Schweiz von den Missständen wussten, aber wenig oder nichts dagegen unternahmen. Die von der «Weltwoche» aufgegriffene Missbrauchs- und Korruptionsproblematik sei politisch relevant, weshalb nun das Parlament die Wiederaufbauhilfe der Deza in Sri Lanka unter die Lupe genommen habe.

In Bezug auf den Begriff Korruption bestreitet die Beschwerdeantwort die zu enge Auslegung des Begriffs durch die Beschwerdeführerin. Der Durchschnittsleser der «Weltwoche» nehme die Auslegung nicht in dieser eingeschränkten Weise vor. Denn der fragliche Kommentar führe die unter dem Überbegriff «Korruption» subsumierten Verhaltensweisen explizit aus: absichtliches Zufügen von Schäden, Bestechung lokaler Beamter zwecks Einstufung in die höhere Schadenklasse «vollständig zerstörtes Haus», Bezug von Geld trotz vollständiger Finanzierung des Wiederaufbaus durch eine Drittorganisation.

Zudem werde der Deza und deren Verantwortlichen keinesfalls vorgeworfen, sie würden direkt oder indirekt bestechen und damit korrumpieren. Vielmehr ausschliesslich, dass sie, im Wissen um die Korruptionsproblematik, nicht das Erforderliche unternommen respektive Mitarbeiter angewiesen haben, diesbezüglich nichts zu unternehmen. «Die Beschwerdeführerin und ihre Funktionsträger werden damit keinesfalls als Mittäter oder Teilnehmer einer srilankischen Bestechungshandlung dargestellt.» Sie seien daher nicht im strafrechtlichen Sinne als «Korruptionshelfer» angesprochen. Deza, Walter Fust und Toni Frisch seien keine strafbaren Handlungen vorgeworfen worden noch habe man sie als Mittäter einer strafbaren Handlung dargestellt. «Die Ehre wie Persönlichkeitsrechte derselben wurden in keiner Weise verletzt.»

Zum Hauptvorwurf der Beschwerde, der mangelnden Anhörung, sagt die Beschwerdegegnerin, eine vorgängige Befragung der Betroffenen sei grundsätzlich nicht erforderlich gewesen, fehle doch ein schwerer Vorwurf. Denn im oben ausgeführten Sinn sei der Vorwurf der «Korruptionshilfe» zulässig gewesen.

Dass es in der bevorstehenden Berichterstattung um die Missbrauchs- und Korruptionsproblematik gehen werde, sei der Deza und ihren Verantwortlichen sehr wohl klar gewesen. Sowohl im Fragekatalog von «Weltwoche»-Redaktor Gut wie im nachfolgenden Telefonat mit Toni Frisch sei zur Geltung gekommen, dass der Deza und ihrer Führung eine «Mitverantwortung» an dieser Problematik angelastet werde. Deshalb hätten ja sowohl Deza wie Rotes Kreuz bereits Tage vor dem «Weltwoche»-Artikel vom 12. Juli per Medienmitteilung öffentlich bestritten, die ganze Tsunami-Hilfe in Sri Lanka zerfalle in Missbrauch und Korruption. Von nicht bekannten Vorwürfen könne nicht die Rede sein. Dem E-Mail-Verkehr zwischen «Weltwoche» und Deza sei zudem nicht zu entnehmen, dass sich Guts Telefonat mit Frisch einzig im Rahmen des Fragekatalogs bewegte.

Die Beschwerdegegnerin hält fest, die zur Beantwortung der Fragen eingeräumte Zeit sei ausreichend gewesen. Die Verfälschung der Frage zum Missbrauch von Spenden bestreitet sie; der Gehalt der Frage sei derselbe geblieben und der Antwort der Deza habe die «Weltwoche» keine andere Bedeutung gegeben.

Abschliessend bestreitet die «Weltwoche», keine ausreichende Stellungnahme eingeholt und damit das Gebot «Audiatur et altera pars» verletzt zu haben. «Der Beschwerdeführerin war der Vorwurf der ‹Korruptionshilfe› bekannt, womit diese hätte Stellung beziehen können.» Aufgrund der fehlenden Schwere des Vorwurfs (es wurde kein strafrechtlich relevantes Verhalten vorgeworfen) sei eine vorgängige Stellungnahme aber letztlich nicht erforderlich gewesen.

E. Das Präsidium des Presserats wies den Fall seiner 3. Kammer zu; ihr gehören Esther Diener-Morscher als Präsidentin an sowie Thomas Bein, Andrea Fiedler, Claudia Landolt Starck, Peter Liatowitsch, Daniel Suter und Max Trossmann.

F. Die 3. Kammer behandelte die Beschwerde an ihrer Sitzung vom 22. Mai 2008 sowie auf dem Korrespondenzweg.

II. Erwägungen

1. Bei der Beschwerde der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit gegen die «Weltwoche» geht es um eine elementare journalistische Pflicht, deren Vernachlässigung der Schweizer Presserat in den letzten Jahren immer wieder konstatieren und rügen musste: die Pflicht zur Anhörung der von schweren Vorwürfen Betroffenen (zuletzt in der Stellungnahme 10/2008). Diese Pflicht ist in der Richtlinie 3.8 zur «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» umschrieben. Die Richtlinie lautet:

«Aus dem Fairnessprinzip und dem ethischen Gebot der Anhörung beider Seiten («Audiatur et altera pars») leitet sich die Pflicht der Journalistinnen und Journalisten ab, Betroffene vor der Publikation schwerer Vorwürfe anzuhören. Deren Stellungnahme ist im gleichen Medienbericht kurz und fair wiederzugeben. Ausnahmsweise kann auf die Anhörung verzichtet werden, wenn dies durch ein überwiegendes öffentliches Interesse gerechtfertigt ist.

Der von schweren Vorwürfen betroffenen Partei muss nicht derselbe Umfang im Bericht zugestanden werden wie der Kritik. Aber die Betroffenen sollen sich zu den schweren Vorwürfen äussern können.»

2. Im vorliegenden Fall macht die beschwerdeführende Deza geltend, die «Weltwoche» habe in ihrem Artikel und Kommentar vom 12. Juli 2007 neue, schwere Vorwürfe gegen sie und die Deza-Chefs Walter Fust und Toni Frisch erhoben. Dazu sei die Deza nicht angehört worden; eine Stellungnahme von ihr fehle im Artikel. Die «Weltwoche» entgegnet, die Vorwürfe seien gegenüber jenen im Artikel vom 5. Juli weder neu gewesen noch seien sie schwer ausgefallen; eine neuerliche Anhörung habe sich erübrigt.

3. Obwohl die Deza nur die Publikation vom 12. Juli rügt, fällt für den Presserat bei seiner Beurteilung auch der erste Artikel vom 5. Juli stark ins Gewicht: Denn der enthielt schon den Vorwurf, in Sri Lanka habe es massive Missbräuche um die Tsunami-Hilfe gegeben, Deza und Hilfswerke hätten davon gewusst, aber nichts unternommen. Es fallen die Worte «korrupte Projekte», «Misswirtschaft», «Missbrauch», «Betrug». Die Deza hatte sich in Gestalt von Toni Frisch schriftlich und telefonisch äussern können und kam im Bericht zu Wort.

Am 12. Juli schob die «Weltwoche» detailliert Missbrauchsfälle und -vorwürfe nach. Und akzentuierte ihre Wertung: Die Schweizer Verantwortlichen seien Korruptionshelfer, liessen Korruption zu, ja deckten diese aktiv. Die Frage ist: Waren diese Vorwürfe so neu und soviel gravierender als jene im ersten Artikel, dass ein neues Anhören der Deza nötig wurde?

4. Zwar schreibt die Beschwerdegegnerin einmal, Ausführungen der Beschwerdeführerin zum Bericht vom 5. Juli hätten grundsätzlich keine Relevanz, richte sich die Beschwerde doch ausschliesslich gegen die Artikel vom 12. Juli. Aber auch die Beschwerdeantwort kommt in ihrer Argumentation nicht um den Auftaktartikel und die Anhörung der Deza dazu herum. Genauso wie die Beschwerde selbst den Startartikel der Serie einbezieht.

5. Materiell hat sich der Presserat zwar nicht zum Gehalt der Missbrauchsvorwürfe in der «Weltwoche» zu äussern. Immerhin scheint ihm der Missbrauch in Sri Lanka durch die Recherchen der Zeitschrift breit belegt. Bezeichnenderweise streitet denn auch keine der Einlassungen der Deza die genannten Vorfälle, Missbräuche oder Bestechungen konkret ab. Die Deza versichert hingegen, man tue alles, um Missbräuchen vorzubeugen, das Risiko zu minimieren; das Projekt sei effizient, erfolgreich, die Kontrollen streng.

6. Doch wie steht es mit dem Anwurf der «Weltwoche», Deza, Rotes Kreuz und Heks liessen Korruption zu, deckten diese aktiv? Wie schwer wiegt er? Ist er neu? Und gegen wen richtet er sich konkret?

Dazu ist zuerst der Begriff Korruption
zu klären. Sodann sind die Wertungen dieses Vorwurfs in Beschwerdeschrift wie Beschwerdeantwort gegeneinander abzuwägen. Schliesslich ist ein eigenes Urteil zu fällen.

a) Korrupt ist, wer besticht, wer bestechlich ist oder auch, wer (moralisch) verdorben ist. Korruption im engeren Sinn ist Bestechung, Bestechlichkeit. Korruption wirft die «Weltwoche» den Schweizer Tsunami-Helfern nach Einschätzung des Presserats nirgends vor. (Dagegen unterläuft der Beschwerdeführerin zwei-, dreimal, dass sie direkt vom «Weltwoche»-Vorwurf der Korruption spricht, etwa im schon zitierten Rubrum «Behauptung von Korruption durch die DEZA und deren Vertreter».) Die «Weltwoche» schreibt von Korruption zulassen, Schweizer Korruptionshelfern, von Korruption decken und Korruption aktiv decken.

Was heisst dies? Wer Korruption zulässt, der ist wohl passiv, aber Mitwisser. Wer Korruption deckt, der unternimmt nichts dagegen, muss sie aber nicht notwendigerweise billigen. Der Korruptionshelfer rutscht in eine aktivere Rolle.

Wer Korruption aktiv deckt, schaut sicher nicht nur teilnahmslos zu, wie bestochen wird, sondern eher bewusst weg, damit er nichts dagegen tun muss. Im konkreten Fall hat «Weltwoche»-Autor Gut immer im Hinterkopf, dass Mitarbeitern und Kadern vor Ort, die auf die Missstände hinwiesen, das Maul verboten wurde, einige gar entlassen wurden.

Nicht ganz einfach einzugrenzen ist, wen genau die «Weltwoche» mit welchem Vorwurf eindeckt. Um den Missbrauch wissen offensichtlich viele, wenn nicht alle Schweizer Beteiligten an der Hilfe. Um eigentliche Bestechung (Korruption) vielleicht schon weniger. Von Korruption zulassen, gar aktiv decken spricht die «Weltwoche» in Bezug auf die Verantwortlichen im Aussendepartement und bei den Hilfswerken Rotes Kreuz und Heks; von Fust und Frisch ist in dieser Passage des Artikels namentlich nicht die Rede. Sie werden dann im zugehörigen Kommentar als hauptverantwortlich für die Missstände genannt. Hier schreibt Gut auch allgemein von Misswirtschaft und Vertuschung.

b) Die Beschwerdeführerin wertet so: «Wer Korruption deckt, macht sich zum Mittäter.» Und erst recht, wenn die Weltwoche von aktiv decken schreibe. Der Deza und insbesondere Fust und Frisch würden also konkret strafbare Handlungen unterstellt, Fust und Frisch würden fälschlicherweise als Mittäter bei kriminellen Handlungen bezeichnet. Das seien sowohl neue wie auch schwere Vorwürfe gewesen, auf welche die Deza bei der Anhörung vor dem ersten Bericht gar nicht antworten konnte, weil sie ihr ja unbekannt waren.

c) Die Beschwerdegegnerin sieht das entgegengesetzt: Sie unterstreicht, Deza, Fust und Frisch würden keine strafbaren Handlungen oder Mittäterschaft bei solchen vorgeworfen. Schon gar nicht, sie hätten selbst direkt oder indirekt bestochen und damit korrumpiert. Als «Korruptionshelfer» seien sie nicht im strafrechtlichen Sinn angesprochen worden. Sondern nur in dem Sinn, dass sie, um die Korruptionsproblematik wissend, nicht das Nötige dagegen unternommen hätten respektive ihre Mitarbeiter angewiesen hätten, nichts zu tun. Somit fehle ein schwerer Vorwurf. Und neu seien diese Vorwürfe auch nicht gewesen.

d) Der Schweizer Presserat teilt die Sicht der Beschwerde nicht, wonach die «Weltwoche» Deza, Fust und Frisch als Mittäter bei Korruption hingestellt hat und ihnen damit strafbare Handlungen vorwarf. Immerhin aber wog auch der Vorwurf an die Deza-Chefs, sie liessen Korruption zu und deckten sie aktiv, schwer; dies entgegen der Einschätzung der Beschwerdegegnerin, die darin keinen schweren Vorwurf erkennt. Von daher wäre eigentlich eine neuerliche Anhörung nötig gewesen. Aber dieser Vorwurf war nicht neu. Sondern er bewegte sich grosso modo im Rahmen der Vorwürfe vom 5. Juli. Besonders der Vorwurf des Missbrauchs von Spenden war derselbe, schon am 5. Juli war von Betrug, Missbrauch, Missstand, korrupten Projekten die Rede. Und zum zentralen Missbrauchs-Vorwurf hatte Autor Philipp Gut der Deza zuvor folgende Fragen gestellt: «War man sich bewusst, dass die Kategorie der ‹teilweise beschädigten› Häuser Missbrauch ermöglichte? Welche Fälle von Missbrauch sind Ihnen bekannt?» Und Deza-Vize Frisch dazu korrekt zitiert, wie nachfolgend noch zu zeigen ist. Am 12. Juli wertete die «Weltwoche» die materiell gleichen Vorgänge nicht wie eine Woche zuvor nur als Wissen um und Wegschauen beim Missbrauch, sondern verschärft als aktives Decken von Korruption. Die neue, schärfere Wertung des materiell Gleichen aber begründete keinen neuen, schweren Vorwurf, zu dem die Deza nicht schon vor Abdruck des ersten Berichts angehört worden wäre. Eine Verletzung von Ziffer 3 respektive Richtlinie 3.8 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» ist daher nicht gegeben.

Allerdings hätte die «Weltwoche» gut daran getan, sie wäre auch ohne absolute Pflicht zur erneuten Anhörung noch einmal an die Deza gelangt. Der Einbezug einer direkten Stellungnahme der Deza hätte die faktenreiche Story vom 12. Juli 2007 nur stärker und weniger angreifbar gemacht. Zwar kommt die Sicht der Deza gleich im ersten Abschnitt zum Ausdruck. Das Magazin referierte und zitierte recht ausführlich aus einem Text, den Deza und Glückskette nach Erscheinen des ersten Artikels zur Verteidigung der Sri Lanka-Hilfe ins Internet gestellt hatten, dies durchaus mit Kernaussagen der Angeschossenen. Zitat: «Sie (Deza/Glückskette) nennen den Weltwoche-Artikel eine ‹völlig verzerrte Darstellung› und betonen die Qualität ihrer Hilfstätigkeit. ‹Registrierung und Kontrolle› der Geldempfänger seien ‹streng›. Eine ‹unabhängige Begleitexpertise› habe das Programm untersucht. Kernaussage der gemeinsamen PR-Anstrengung ist der Satz: ‹Potenziellen Missbräuchen wurde nachgegangen und notwendige Korrekturen wurden vorgenommen.›» Trotz dieser Passage hätte der Artikel glaubwürdiger gewirkt, hätte die Redaktion die Deza eingeladen, erneut direkt und auch zur verschärften Wertung «Korruption gedeckt» Stellung zu beziehen.

7. Die Beschwerde macht ausserdem geltend, die Zeit zur Beantwortung der «Weltwoche»-Fragen sei zu knapp gewesen. Der Presserat findet, ein Tag Zeit zur Beantwortung sei wohl knapp, aber genügend gewesen. Die sieben Fragen Philipp Guts waren kurz, fachkundig und zeugten von einem kritischen Fokus.

Zudem moniert die Beschwerdeführerin, die Zeitschrift habe die Frage zum Missbrauch im Artikel manipulativ so verändert, dass aus der Stellungnahme der Deza der Eindruck entstand, die Deza, Frisch und Fust wüssten um und tolerierten den Missbrauch. (Auf «Was sagt man bei der Deza zum missbräuchlichen Bezug von Spendengeldern?» folgt im Artikel der korrekte O-Ton Frisch.)

Im Mail Guts hiessen die beiden Fragesätze: «War man sich bewusst, dass die Kategorie der ‹teilweise beschädigten› Häuser Missbrauch ermöglichte? Welche Fälle von Missbrauch sind Ihnen bekannt?» Der Presserat liest das so, dass der Fragende davon ausgeht, dass Missbrauch getrieben wurde. Und er jetzt vom Deza wissen will, was es dazu sagt. «Ermöglichte» kann durchaus als Imperfekt aufgefasst werden.

Die Beschwerdeschrift zitiert nur den ersten Fragesatz bis «ermöglichte», interpretiert ihn als Konjunktiv und beklagt, mit der veränderten Frage habe sich die Deza-Antwort nicht mehr auf die potenzielle Missbrauchsmöglichkeit einer Kategorie bezogen, sondern so, als wäre der Missbrauch Tatsache.

Der Presserat hält das für Spiegelfechterei. Er kommt zum Schluss, dass die «Weltwoche» die beiden Fragesätze aus dem Mail zulässig zur Frage «Was sagt man bei der Deza zum missbräuchlichen Bezug von Spendengeldern?» zusammenzog, zumal sie den Satz dann ohne An- und Abführung brachte. Eine Verfälschung der Deza-Antwort kann der Presserat nicht erkennen.

III. Feststellungen

1. Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. Die «Weltwoche» hat mit dem Artikel «Schweizer Korruptionshelfer» und dem Kommentar «Im Tsunami-Sumpf» vom 12. Juli 2007 die Ziffer 3 respekti
ve die Richtlinie 3.8 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» nicht verletzt.

Zusammenfassung

Resumé

Riassunto