Nr. 45/2002
Anhörung bei schweren Vorwürfen

(Hofmann c. «SMASH») Stellungnahme des Schweizer Presserates vom 17. Oktober 2002

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I. Sachverhalt

A. Im März 2002 veröffentlichte das Tennis-Magazin «Smash» unter dem Titel «Patty Schnyder zwischen Liebe und Hass» einen Artikel von Chefredaktor Peter Rothenberger zum «Fall Patty Schnyder».

B. Am 5. März 2002 gelangte Rainer Hofmann (nachfolgend: Beschwerdeführer) mit einer ausführlichen Beschwerde an den Schweizer Presserat und rügte, «Smash» habe mit der Publikation dieses Artikels die Ziffern 1 (Wahrheitspflicht), 2 (Kommentarfreiheit), 3 (Unterschlagung von wichtigen Informationen), 4 (Lauterkeit der Recherche), 5 (Berichtigungspflicht), 7 (Respektierung der Privatsphäre) und 8 (Achtung der Menschenwürde) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verletzt.

Die Vorwürfe des Beschwerdeführers lassen sich wie folgt zusammenfassen: 1. Der Artikel bilde den Höhepunkt einer ungerechtfertigten Pressekampagne seitens der Schweizer Medien. 2. Der Schaden für Patty Schnyder, den Beschwerdeführer und dessen Unternehmen (die Wirtschaftsdetektei «timeservice») sei sehr gross. 3. Chefredaktor Rothenberger habe die journalistische Sorgfaltspflicht verletzt und Unwahrheiten verbreitet. 4. Der Beschwerdeführer sei zu den meisten Vorwürfen nicht gehört worden. 5. Herr Peter Rothenberger habe sich zum Sprachrohr einer Partei (Patty Schnyders Eltern) gemacht.

C. Mit Schreiben vom 9. und 10. März 2002 teilten Patty Schnyder und Monika Hofmann (Mutter des Beschwerdeführers) dem Presserat mit, dass sie die Beschwerde «unterstützten».

D. Im Rahmen eines mit dem Beschwerdeführer ausgehandelten aussergerichtlichen Vergleichs veröffentlichte «Smash» im April 2002 eine Gegendarstellung von Patty Schnyder. Der Beschwerdeführer hielt jedoch an der Presseratsbeschwerde fest.

E. In einer Stellungnahme vom 2. April 2002 machte «Smash»-Chefredaktor Rothenberger geltend, dass er die gegenüber dem Beschwerdeführer im beanstandeten Artikel erhobenen Vorwürfe erst nach umfangreichen Recherchen und auf der Basis nachgeprüfter Urkunden veröffentlicht habe. Ein Teil des Textes beruhe auf Aussagen der Eltern von Patty Schnyder. Diverse dabei angesprochene Aspekte habe er auch mit Rainer Hofmann sowie mit der Betroffenen selbst besprochen. Diese hätten stets das Gegenteil behauptet, was er im Artikel aber nicht erwähnt habe. Insofern seien die entsprechenden Passagen Schnyder-lastig.

F. Das Presseratspräsidium übertrug die Beschwerde der 3. Kammer zur Behandlung, der Esther Diener-Morscher als Kammerpräsidentin sowie Judith Fasel, Gina Gysin, Peter Liatowitsch, Roland Neyerlin, Daniel Suter und Max Trossmann als Mitglieder angehören. Die 3. Kammer behandelte die Beschwerde an ihren Sitzungen vom 15. August und 17. Oktober 2002.

II. Erwägungen

1. Aus der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» kann gemäss ständiger Praxis des Presserates keine Pflicht zu «objektiver» Berichterstattung abgeleitet werden (vgl. u.a. die Stellungnahmen 32/01 i.S. A. c. NZZ-Folio). Im Gegenteil ist es mit der Berufsethik vereinbar, einseitig und parteiergreifend zu berichten (Stellungnahme 12/98 i.S. M. c. «Neue Luzerner Zeitung»). Deshalb ist einer der Hauptpunkte der Beschwerde, der Vorwurf einer einseitigen, kampagnenartigen Berichterstattung, von vornherein als unbegründet zurückzuweisen. Soweit der äusserst komplexe, ins Detail gehende Sachverhalt zwischen den Parteien umstritten ist, kann sich der Presserat zudem zu zahlreichen Vorwürfen des Beschwerdeführers nicht äussern, da er im Gegensatz zu einem staatlichen Gericht weder über die finanziellen noch prozessualen Mittel verfügt, um sich in einem umfangreichen Beweisverfahren der Wahrheit anzunähern.

2. Soweit der Beschwerdeführer allerdings behauptet, die im beanstandeten Artikel enthaltene Information, er habe im Juli 1996 eine umfangreiche Schuldanerkennung zu Gunsten der Deutschen Telekom unterzeichnet, sei unwahr, ist sein Standpunkt offensichtlich unhaltbar. Der Presserat hat keinen Anlass, an der Richtigkeit der von «Smash» vorgelegten notariellen Urkundenkopie zu zweifeln.

3. Umgekehrt geht jedoch aus den dem Presserat vorliegenden Unterlagen, insbesondere aus der Beschwerdeantwort von «Smash» vom 2. April 2002 hervor, dass Chefredaktor Rothenberger bei der Erarbeitung seines Artikels nicht durchwegs die erforderliche journalistische Sorgfalt angewendet und jedenfalls bei zwei – im Gesamtkontext des Artikels allerdings eher nebensächlichen – Informationen die Ziffer 1 der «Erklärung» (Wahrheitspflicht) verletzt hat:

a) So erwähnte der beanstandete «Smash»-Artikel, Rainer Hofmann sei an der Hauptver-handlung vom 6. Februar 2002 im gegen ihn geführten deutschen Strafverfahren nicht erschienen. In der Beschwerdeantwort räumte «Smash» dann jedoch ein, diese Aussage sei nachweislich falsch. Tatsächlich sei Rainer Hofmann an dieser Verhandlung erschiernen, wenn auch nur für kurze Zeit.

b) Weiter räumte Chefredaktor Rothenberger ein, eine Aussage der Mutter des Beschwerdeführers falsch wiedergeben zu haben. Danach habe Monika Hofmann die Wirtschaftsdetektei «timeservice» zwar gegründet. Inhaber sei jetzt aber Rainer Hofmann.

4. Die genannten für den Presserat ohne weiteres feststellbaren Unrichtigkeiten erscheinen für die Hauptaussagen des Artikels nicht zentral. Zudem hat «Smash» in der April-Ausgabe eine ausführliche Gegendarstellung von Patty Schnyder veröffentlicht. Deshalb erschiene es un-verhältnismässig, von der Redaktion darüber hinaus eine zusätzliche Berichtigung zu verlangen (vgl. Stellungnahme 28/00 i.S. K. c. NZZ). Eine Verletzung der Berichtigungspflicht (Ziffer 5 der «Erklärung») ist deshalb zu verneinen.

5. a) Gemäss ständiger Praxis des Presserates (vgl. zuletzt die Stellungnahme 29/02 i.S. SPO c. «St. Galler Tagblatt») sind Journalistinnen und Journalisten gestützt auf das der «Erklärung» zugrundeliegende Fairnessprinzip verpflichtet, die Betroffenen anzuhören und ihre Stellungnahme im gleichen Beitrag zumindest kurz wiederzugeben, bevor sie schwere Vorwürfe veröffentlichen.

b) Chefredaktor Rothenberger gesteht in seiner Beschwerdeantwort vom 2. April 2002 ein, dass die Aussagen der Seiten 21 und 22 im Smash-Artikel vom März 2002 ausschliesslich auf der Darstellung der Eltern von Patty Schnyder beruhen. Er habe diese Aussagen zwar mit dem Beschwerdeführer Hofmann und der betroffenen Patty Schnyder selbst besprochen. Diese hätten stets das Gegenteil behauptet. Im Artikel wird dies allerdings mit keinem Wort erwähnt. Zudem macht Beschwerdeführer geltend, dass er und Patty Schnyder von Chefredaktor Rothenberger gerade zu diesen Punkten nicht umfassend befragt worden seien. Gestützt auf das Fairnessprinzip wäre «Smash» demgegenüber verpflichtet gewesen, den Beschwerdeführer und Patty Schnyder nicht nur umfassend anzuhören, sondern auch deren Auffassung zu sämtlichen schweren Vorwürfen oder wenigstens ein globales Dementi kurz wiederzugeben.

6. a) Laut der Richtlinie 3.1 zur «Erklärung» bildet die Überprüfung der Quelle den Aus-gangspunkt der journalistischen Tätigkeit. Eine möglichst genaue Bezeichnung der Quelle einer Information liegt zudem im Interesse des Publikums.

b) Für die Leserschaft ist aus dem angefochtenen Beitrag nur zum Teil ersichtlich – soweit im Artikel wiedergegebene Aussagen z.B. der früheren Ehefrau des Beschwerdeführers ausdrücklich zugeordnet werden – auf welche Quellen sich vor allem die Ausführungen zu Rainer Hofmanns früherem Leben stützen. Das konstituiert zwar noch keine Verletzung der «Erklärung»; doch wäre eine genauere Quellenangabe aus Sicht der Leserschaft zumindest empfehlenswert gewesen.

7. Ebensowenig hat «Smash» Ziffer 8 der «Erklärung» verletzt. Der Artikel hat nicht mit diskriminierenden Anspielungen operiert (ethnische Zugehörigkeit, sexuelle Orientierun
g, Krankheiten). Er thematisierte lediglich Fragen, die das Verhältnis von Patty Schnyder und Rainer Hofmann sowie das dazugehörige Umfeld betreffen und die von den (Schweizer) Medien zuvor bereits seit Monaten en detail ausgebreitet worden waren. Beschwerdeführer Hofmann begründet zudem auch nicht näher, inwiefern seine Menschenwürde und diejenige von Patty Schnyder vorliegend verletzt worden sein soll.

III. Feststellungen

1. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen.

2. «Smash» hat die journalistische Wahrheitspflicht durch die Wiedergabe von zwei im Ge-samtkontext des Artikels allerdings eher nebensächlichen Falschinformationen verletzt. Die Redaktion von «Smash» verletzte zudem das journalistische Fairnessprinzip, indem sie Rainer Hofmann und Patty Schnyder offenbar nicht umfassend zu den sie betreffenden schweren Vorwürfen angehört hatte. Zudem ist deren Stellungnahme im angefochtenen Beitrag nicht hinsichtlich aller wesentlichen Vorwürfe oder wenigstens in einem globalen Dementi wiedergegeben.

3. Darüber hinausgehend wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen, soweit überhaupt darauf eingetreten werden kann.