Nr. 3/1996
Ablehnung des Abdrucks einer Stellungnahme in Form eines Leserbriefes

(Up Trend AG c. 'Beobachter'), vom 26. Juni 1996

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Stellungnahme

Ablehnung des Abdrucks einer Stellungnahme in Form eines Leserbriefes

Aus der „Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten“ kann keine berufsethische Pflicht zu objektiver Berichterstattung abgeleitet werden, weshalb auch eine einseitige und parteiergreifende Medienberichterstattung zulässig ist. Eine erhöhte journalistische Sorgfaltspflicht besteht jedoch dann, wenn in einem Medienbericht erhobene Vorwürfe geeignet sind, das Ansehen der Betroffenen in der Öffentlichkeit zu beeinträchtigen. Diesfalls sind die Kritisierten mit den Vorwürfen zu konfrontieren, und aus dem Medienbeitrag muss ersichtlich sein, ob die Vorwürfe bestritten werden.

Nach der Publikation eines Medienbeitrags genügt es nicht, das Gegendarstellungsrecht zu respektieren bzw. ganz oder teilweise falsche Meldungen unverzüglich zu berichtigen. Das Prinzip journalistischer Fairness verlangt generell, den durch einen Medienbeitrag in schwerwiegender Weise Betroffenen Gelegenheit zu einer Stellungnahme zu geben, was jedoch kein Recht auf Selbstdarstellung beinhaltet.

Prise de position

Refus de publier une prise de position sous forme d’une lettre de lecteur

Du point de vue de l’éthique professionnelle, aucun devoir de rendre compte de manière objective ne découle de la „Déclaration des devoirs et droits du/de la journaliste“. C’est pourquoi un compte rendu unilatéral et attaquant une partie est admissible. Du point de vue journalistique, un devoir accru de diligence existe pourtant si les reproches soulevés dans un compte rendu publié dans un média sont à même de ternir l’image de la personne concernée aux yeux du public. Dans un tel cas, il convient de confronter les personnes critiquées avec les reproches qui leur sont adressés, et le fait que ces reproches sont contestés doit ressortir du compte rendu publié.

Après une publication dans un média, il ne suffit pas de respecter le droit de réponse, le cas échéant de rectifier immédiatement des informations totalement ou en partie fausses. Le principe de la loyauté journalistique exige généralement de donner aux personnes atteintes très sérieusement par la publication la possibilité de prendre position. Ce qui n’inclut pas cependant le droit d’exposer leur propre version des faits.

Presa di posizione

Rifiuto di pubblicazione di una presa di posizione come lettera del lettore

La „Dichiarazione dei doveri e dei diritti del giornalista“ non contiene un obbligo morale di informare obiettivamente, per cui anche un articolo unilaterale o di parte è da ritenere lecito. Esiste tuttavia un obbligo di diligenza particolare quando un’accusa formulata da un organo d’informazione sia tale da recare pubblico pregiudizio a qualcuno. Nel caso, il contenuto della critica deve essere sottoposto all’interessato e se la critica non è condivisa ciò deve chiaramente risultare nel servizio.

Non basta rispettare il diritto di risposta o rettificare sollecitamente le informazioni rivelatesi in parte o del tutto false a pubblicazione avvenuta. Il principio della correttezza impone, in linea di principio e nei casi gravi, che all’interessato sia data la possibilità di esprimersi, senza per questo garantire un diritto di parola senza contraddittorio.

I. Sachverhalt

A. In seiner Ausgabe vom 25. Mai 1995 veröffentlichte „Der Schweizerische Beobachter“ einen längeren Beitrag über die Scientologen. Aufhänger des auf der Titelseite mit „Scientology; Kopfwäsche im Firmenkeller; Geheime Liste: Hier wirken Scientologen“ angekündigten Artikels war ein Bericht über eine ehemalige kaufmännische Angestellte der Firma Up Trend AG mit Sitz in Kappel am Albis ZH. In seinem Bericht schilderte der „Beobachter“-Redaktor Urs Rauber, die 37jährige KV-Angestellte Annette Bisig habe vor zwei Jahren einen Arbeitsvertrag mit der UpTrend AG unterzeichnet. Damals habe sie noch nichts davon geahnt, dass Firmeninhaber Thomas A. Elmiger und seine Frau Maria seit Jahren aktive Scientologen seien. Annette Bisig sollte in der kleinen EDV-Firma als „Assistentin des Geschäftsführers“ Kunden betreuen, einfachere Programmieraufgaben übernehmen, daneben die Buchhaltung führen und Computerkurse organisieren. Annette Bisig habe rasch herausgefunden, dass die Buchhaltung chaotisch war und verschiedene Bankkonten nicht in der Geschäftsbilanz auftauchten. Eines Tages habe sie einen Quittungsordner der Scientology über Kurse für mehrere tausend Franken gefunden, worauf das Ehepaar Elmiger, damit konfrontiert, zugegeben habe, Mitglied von Scientology zu sein.

Als sie dann später einmal mit Maria Elmiger über private und gesundheitliche Probleme gesprochen habe, sei sie bearbeitet worden, Scientology-Kurse zu besuchen, was sie jedoch abgelehnt habe. Maria Elmiger habe danach immer wieder neue Versuche unternommen, Annette Bisig für Scientology zu gewinnen, zum Bruch sei es jedoch letztlich wegen Unstimmigkeiten am Arbeitsplatz gekommen. Annette Bisig sei die Geduld ausgegangen, nachdem ihr Lohn chronisch zu spät ausbezahlt und nicht wie versprochen erhöht worden sei. Schliesslich habe sie sich geweigert, weiterzuarbeiten, bis der Lohn auf ihrem Konto eingetroffen sei. Darauf sei sie in den Firmenkeller geführt und vorübergehend von der Arbeit suspendiert worden. Dort hätte sie ein „Sündenbekenntnis“ gemäss der scientologischen Lehre aufschreiben sollen. Dieses Prozedere habe in den darauffolgenden Tagen fortgedauert. Annette Bisig habe danach unter Nervosität und Schlafstörungen gelitten, angesichts des ausgetrockneten Arbeitsmarkts gleichzeitig aber Angst gehabt, die Stelle zu verlieren. Schliesslich sei es ihr dann aber zuviel geworden. Mit Hilfe des „Beobachters“ habe sie die Kündigung geschrieben und die Firma noch im gleichen Monat verlassen.

B. Am 29. Mai 1996 legte Thomas A. Elmiger als Geschäftsführer der Up Trend AG dem „Beobachter“ eine Gegendarstellung in einer Länge von 2 1/2-A4-Seiten vor, in welcher eine ganze Reihe im Artikel enthaltene Darstellungen zurückgewiesen wurden.

C. Mit Schreiben vom 9. Juni 1996 machte RA Philippe Ruedin seitens des „Beobachters“ Thomas A. Elmiger auf die Rahmenbedingungen des Gegendarstellungsrechts aufmerksam und führte weiter aus: „Ihr Gegendarstellungsbegehren vom 31. Mai 1995 erfüllt diese gesetzlichen Anforderungen zu einem erheblichen Teil nicht. Der Text verletzt das Gebot der Knappheit, er enthält Wertungen und nicht gegendarstellungsfähige Erörterungen. Aus diesem Grund wäre der „Beobachter“ an sich berechtigt, die Gegendarstellung völlig abzulehnen. Unsere Zeitschrift möchte Ihrer Firma dennoch Gelegenheit geben, zur Kritik öffentlich Stellung zu nehmen. Sofern Sie dies wünschen, kann ich Ihnen einen fairen Vorschlag einer Gegendarstellung unterbreiten. Es bestünde auch die Möglichkeit, Ihre Stellungnahme als Leserbrief in der Rubrik „Dialog“ erscheinen zu lassen.“

D. Am 5. Juli 1995 erklärte sich die UP-Trend AG damit einverstanden, dass eine Stellungnahme auf der „Dialogseite“ abgedruckt werde und legte gleichzeitig einen neuen Textvorschlag vor.

E. Am 18. Juli 1995 teilte der „Beobachter“ Thomas A. Elmiger mit, dass man nach dieser langen Zeit nicht mehr bereit sei, einen Text der Up Trend AG zu veröffentlichen, da sich der „Beobachter“ bemühe, eine aktuelle Zeitschrift zu sein. Auch der Gesetzgeber verlange, dass Betroffene rasch reagierten. Ansonsten müsse davon ausgegangen werden, dass diese kein ernstzunehmendes Interesse besitzen würden.

F. Mit Schreiben vom 27. Juli 1995 gelangte Thomas A. Elmiger an den Presserat und machte darin u.a. geltend, es wirke wenig glaubwürdig, dass der „Beobachter“ den Abdruck eines ihm am 18. Juli 1995 vorgelegten Leserbriefs mit der Begründung ablehne, das Thema sei nicht mehr aktuell, wenn
in der Nummer vom 21. Juli 1995 noch drei Leserbriefe zum gleichen Artikel veröffentlicht würden. Weiter warf er dem „Beobachter“ vor, zum Teil wider besseres Wissen einseitig berichtet und jedenfalls einseitig recherchiert zu haben. Der Artikel sei in seiner ganzen Aufmachung darauf angelegt gewesen, den darin zitierten Firmen möglichst grossen Schaden zu zufügen und deren Ruf und Glaubwürdigkeit zu zerstören.

G. Mit Schreiben vom 3. August 1995 forderte das Presseratssekretariat den Beschwerdeführer auf, näher zu begründen, welche Punkte der „Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten“ aus seiner Sicht durch den „Beobachter“ verletzt worden sei und weiter mitzuteilen, ob in Zusammenhang mit dem beanstandeten Beitrag ein Rechtsverfahren hängig ist oder ob die Firma UP Trend AG bzw. Thomas A. Elmiger ein solches noch einleiten wollten.

H. Mit Schreiben vom 5. November 1995 und vom 19. Februar 1996 antwortete Thomas A. Elmiger sinngemäss, dass er keine Veranlassung sehe, rechtliche Schritte einzuleiten. Weiter machte er geltend der „Beobachter“ habe die Ziff. 1 (Wahrheitspflicht), Ziff. 3 (Entstellung von Tatsachen), und Ziff. 5 (Berichtigungspflicht) der „Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten“ verletzt.

I. Auf Aufforderung des Presseratssekretariats hin, sich insbesondere zu den Bereichen Gegendarstellung / Berichtigungspflicht zu äussern, nahmen Urs Rauber und Philippe Ruedin mit Schreiben vom 13. März 1996 bzw. 2. April 1996 seitens des „Beobachters“ dahingehend Stellung, sie respektierten selbstverständlich das Recht angegriffener Personen, sich zu wehren und ihre Darstellung zur Geltung zu bringen. Als Reaktion auf den Artikel „Strafarbeit im Firmenkeller seien mehrere Leserbriefe erschienen, obwohl mehr als die Hälfte der Lerserbriefe einer gesteuerten Kampagne von Scientology entstammten. Neben dem Ersuchen der Firma Up Trend AG habe der „Beobachter“ Gegendarstellungsbegehren von insgesamt 12 betroffenen Firmen erhalten, welchen durch eine Klarstellung in der Nr. 14/95 Rechnung getragen worden sei. Darüber hinaus habe am 12. Juli 1995 ein Gespräch mit einer Gruppe von acht weiteren Unternehmern stattgefunden, deren Gegendarstellungsbegehren vollumfänglich hätten abgewiesen werden müssen.

Bezüglich des konkreten Beschwerdegegenstandes wurde darauf hingewiesen, dass Thomas A. Elmiger trotz grossem Entgegenkommen des „Beobachters“ (Redaktion eines möglichen Gegendarstellungstextes durch Philippe Ruedin) mehr als vier Wochen nicht reagiert habe, weshalb die Redaktion getrost davon habe ausgehen können, dass ihr Alternativangebot nicht akzeptiert worden sei. Auch Chefredaktor Josef Rennhard, den Thomas A. Elmiger mit Brief vom 28. Juli 1995 erneut kontaktiert habe, habe das Anliegen der UpTrend zurückgewiesen, da Thomas A. Elmiger mit einem einfachen Telefon Gelegenheit gehabt hätte, auf das faire Angebot der Redaktion einzugehen.

II. Erwägungen

1. Gemäss Ziff. 1 der „Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten“ haben diese ohne Rücksicht auf die sich daraus für sie ergebenden Folgen an die Wahrheit zu halten und sich vom Recht der Öffentlichkeit leiten zu lassen, die Wahrheit zu erfahren.

2. In seiner Beschwerdebegründung vom 5. November 1996 begründete Thomas A. Elmiger eine Verletzung von Ziff. 1 der „Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten“ zusammengefasst wie folgt: Von Gehirnwäsche könne bei Annette Bisig nicht die Rede sein. Urs Rauber habe gewusst, dass Annette Bisig Handlungen durchgeführt hatte, welche die Firma nicht habe akzeptieren können und irgendwie habe korrigieren müssen. Annette Bisig, die zu jenem Zeitpunkt bereits eine neue Stelle in Aussicht gehabt habe, habe beim von Maria Elmiger vorgeschlagenen Verfahren freiwillig mitgemacht. Trotzdem habe Urs Rauber wider besseres Wissen von Gehirnwäsche geschrieben. Beim Firmenkeller handle es sich um den Besprechungsraum, in dem auch Kunden empfangen würden und von diesen als durchaus angenehm empfunden werde. Die Bezeichnung „Keller“ erzeuge beim Leser dementsprechend ein unwahres Bild. Von einer geheimen Liste der Scientology-Firmen könne keine Rede sein, da viele der im „Beobachter“ genannten Firmen im „Impact Magazin der International Association of Scientologists“ mehrmals im Jahr mit grosser Auflage publiziert würden. Entgegen der Darstellung des „Beobachters“ werde die Buchhaltung nach kaufmännischen Regeln geführt. Zwar sei richtig, dass sie im Zeitpunkt des Stellenantritts von Annette Bisig nicht nachgeführt war. Dies zu tun wäre gerade die Aufgabe von Annette Bisig gewesen. Bankkonten, die nicht in der Bilanz auftauchten gebe es nicht.

3. a) Der Presserat hat in früheren Stellungnahmen (Stellungnahme i.S. CCHR Schweiz c. „CASH“, Nr. 9/94, Sammlung der Stellungnahmen des Presserates 1994, S. 85ff.; VCS c. „Weltwoche“, Nr 7/93, Sammlung der Stellungnahmen des Presserates 1993, S. 78ff.), dass er sich ausserstande sieht, den Wahrheitsgehalt einzelner Passagen in Medienberichten nachzurecherchieren. Aufgabe des Presserates ist es vielmehr, zu prüfen, ob der Autor bei der Vorbereitung und der Veröffentlichung des Medienberichts den berufsethischen Grundsätzen Rechnung getragen hat, wie sie in der „Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten“ festgehalten sind.

b) Vorliegend geht aus den dem Presserat vorgelegten Unterlagen ohnehin klar hervor, dass sich der „Beobachter“ im beanstandeten Artikel in erster Linie auf die Angaben von Annette Bisig abstützte, die vom Beschwerdeführer weitgehend bestritten werden.

c) Aus der „Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten“ kann keine Pflicht zu einer objektiven Berichterstattung abgeleitet werden, wie sie etwa der SRG in deren Konzession auferlegt wird. Auch eine einseitige und parteiergreifende Medienberichterstattung muss deshalb zulässig sein. So gehört es seit jeher geradezu zum Programm des „Beobachters“, die Öffentlichkeit auf aus seiner Sicht bestehende Missstände aufmerksam zu machen und die Sichtweise der Minderbemittelten und Unterprivilegierten in unserer Gesellschaft darzustellen. Dazu gehört fast naturgemäss, dass entsprechende Artikel den darin Kritisierten missfallen. Eine erhöhte journalistische Sorgfaltspflicht besteht nach der Praxis des Presserates allerdings dann, wenn die gegen die Kritisierten erhobenen Vorwürfe so schwerwiegend sind, dass sie geeignet sind, das Ansehen der Betroffenen in der Öffentlichkeit schwerwiegend zu beeinträchtigen. Auch diesfalls kann von einem Medium unter berufsethischen Gesichtspunkten nicht verlangt werden, dass sämtliche vom Artikel Betroffenen innerhalb des Beitrages ihre Auffassungen in aller Breite darlegen können. Der Presserat lässt es vielmehr genügen, dass die Kritisierten mit den besonders schwerwiegenden Vorwürfen konfrontiert werden und dass aus dem Beitrag hervorgeht, ob die Vorwürfe von den Betroffenen bestritten werden.

d) Im konkreten Fall hat der „Beobachter“ den Beschwerdeführer vorgängig der Veröffentlichung des Artikels mit verschiedenen darin enthaltenen Vorwürfen konfrontiert. Das entsprechende Schreiben des „Beobachters“ vom 31. März 1995 bezog sich auf die nicht gewährte versprochene Lohnerhöhung, auf die Abgabe von Scientology-Material und auf die Unterstützung von Scientology und WISE. Auf dem veröffentlichten Artikel geht denn insbesondere auch hervor, dass der Beschwerdeführer die Tragweite der Strafaktion im „Firmenkeller“, insbesondere jeden gegenüber Annette Bisig angeblich angewendeten physischen oder psychischen Zwang bestreitet.

e) Aus dem veröffentlichten Beitrag geht dagegen nicht hervor, wie sich der Beschwerdeführer zu den massiven Vorwürfen in Bezug auf die Buchhaltung (chaotische Buchhaltung, nicht in der Geschäftsbilanz auftauchende Bankkonten, Quittungsordner über Zahlungen an Scientology) Stellung nimmt. Bei Anwendung der oben da
rgelegten berufsethischen Kriterien hätte die UP Trend AG auch mit diesen Vorwürfen vorgängig der Publikation konfrontiert werden und aus dem Artikel ersichtlich werden müssen, dass die Vorwürfe von der Up Trend AG bestritten werden.

4. Ziff. 3 der „Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten“ auferlegt diesen die berufsethische Pflicht, weder Tatsachen, Dokumente und Bilder noch von andern geäusserte Meinungen zu entstellen.

5. In seiner Beschwerdebegründung vom 5. November 1996 macht Thomas A. Elmiger bezüglich einer Verletzung von Ziff. 3 der „Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten“ geltend, die Entstellung von Tatsachen durch unterschwellige Anspielungen, implizite Behauptungen, Weglassen von entlastenden Informationen bildeten für ihn den Kern der Beschwerde. Durch Behauptungen wie „Sie hatte Angst, sie schlief schlecht, war hypernervös – bis sich die kaufmännische Angestellte aus dem Würgegriff ihrer Firma befreien konnte“, „Sie ist froh, dem ‚Fangnetz‘ dieser Organisation entronnen zu sein“, „die Hausärztin schreibt sie krank ‚wegen unzumutbarer Arbeitsverhältnisse‘ “ werde beim Leser der falsche Eindruck erweckt, in der Up Trend sei das Leben für Mitarbeiter, die keine Scientologen sind, eine mittlere Hölle. Tatsache sei jedoch, dass die anderen nicht-scientologischen Mitarbeiter das gar nicht so sehen würden und dass Annette Bisig eine ganze Reihe von anderen Problemen gehabt habe, die vermutlich ihren schlechten Schlaf verursacht hätten. Herrn Rauber sei auch dies bekannt gewesen, habe aber trotzdem keine anderen Mitarbeiter befragt, obwohl er vom Ehepaar Elmiger darauf hingewiesen worden sei. Urs Rauber habe diese und andere Fakten ignoriert weil es ihm wohl hauptsächlich darum gegangen sei, über die verhassten Scientologen herzuziehen.

Im Artikel werde weiter ein Kausalzusammenhang zwischen angeblichen Zahlungen an Scientology und dem Verzug bei den Lohnzahlungen impliziert. In Tat und Wahrheit seien in der Zeit der Anstellung von Annette Bisig keine Zahlungen an Scientology oder an damit verwandte Organisationen erfolgt. Grund des Verzugs mit den Lohnzahlungen seien vorübergehende Liquiditätsprobleme gewesen, welche durch den Zahlungsverzug eines Grosskunden verursacht worden seien. Zwar seien nicht sämtliche im Artikel enthaltenen Fakten falsch. Es werde aber unterschlagen, dass die früheren Beiträge an Scientology aus dem privaten Geld der Familie Elmiger bezahlt worden sei. Dass Urs Rauber schliesslich die Mitgliedschaftskarte von 1990 abbildete, obwohl er gewusst habe, dass sie die Mitgliedschaft nicht mehr erneuert hätten, zeige, dass es sich hier um eine bewusste Irreführung handle.

6. a) Soweit der Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt von Ziff. 3 der „Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten“ beanstandet, der Artikel enthalte eine einseitige Darstellung der Fakten aus der Sicht von Annette Bisig, kann auf die Ausführungen unter Ziff. 3 dieser Erwägungen verweisen werden.

b) Soweit der Beschwerdeführer darüber hinaus behauptetet, Urs Rauber habe die Leserschaft mit dem Artikel bewusst irreführen wollen, vermag er diesen massiven Vorwurf mit den von ihm vorgebrachten Argumenten und Belegen in keiner Weise zu substantiieren. Dementsprechend kann der Presserat auf den Vorwurf der Irreführung nicht näher eintreten. 7. Gemäss Ziff. 5 der „Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten“ haben diese jede von ihnen veröffentlichte Meldung zu berichtigen, deren materieller Inhalt sich ganz oder teilweise als falsch erweist.

8. In seiner Beschwerdebegründung vom 5. November rügt Thomas A. Elmiger, dass sich der „Beobachter“ im wesentlichen darauf beschränkt habe, den gesetzlichen Pflichten genüge zu tun. Mit einem „juristischen Trick der billigsten Sorte“ habe man versucht um eine peinliche Richtigstellung herumzukommen. Der „Beobachter“ habe noch zwei Nummern nach Ablehnung des Vorschlags des Beschwerdeführers Leserbriefe zum umstrittenen Artikel abgedruckt, wodurch zweifelsfrei klar werde, dass er einfach nicht wollte und froh war, durch ein mögliches formaljuristisches Schlupfloch der Pflicht zu entkommen.

9. Die berufsethische Berichtigungspflicht ist vorliegend insofern nicht unmittelbar berührt, als bezüglich der vom Beschwerdeführer als unwahr gerügten Fakten der „Beobachter“ offenbar an seiner Darstellung festhält. Die nach erfolgter Publikation nach wie vor gültigen berufsethischen Pflichten können sich allerdings nach Auffassung des Presserates nicht darin erschöpfen, das den gesetzlichen Erfordernissen des Gegendarstellungsrechts genüge getan und offensichtlich ganz oder teilweise falsche Meldungen zu berichtigt werden. Aus dem der „Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten“ zugrunde liegenden Prinzip der Fairness (vgl. Stellungnahme i.S. Ständerat Anton Cottier c. Facts, Nr. 1 / 1996 vom 20. Januar 1996) ist eine berufsethische Pflicht abzuleiten, wonach den durch einen Medienbeitrag in schwerwiegender Weise Betroffenen in angemessener Weise Gelegenheit zu geben ist, sich nach der Publikation zu den veröffentlichten Vorwürfen zu äussern, bzw. ihre Sicht der Dinge entgegenzustellen. Dies kann allerdings keineswegs bedeuten, dass diesen ein Recht auf umfassende Selbstdarstellung einzuräumen wäre.

10. Das Verhalten des „Beobachters“ nach der Publikation des beanstandeten Artikels ist nach Auffassung des Presserates mindestens unter drei Aspekten positiv zu würdigen. Erstens hat er sich sehr hilfsbereit verhalten, als der Beschwerdeführer eine viel zu ausführliche Gegendarstellung einreichte, indem sich Philippe Ruedin bereit erklärte, selber einen Vorschlag für eine rechtskonforme Gegendarstellung zu redigieren. Zweitens hat die „Beobachter“-Redaktion den Reaktionen auf den Artikel breiten Raum auf der Leserbriefseite eingeräumt, obwohl diese nach ihrer Auffassung mehrheitlich einer gesteuerten Kampagne seitens von Scientology entstammten. Drittens hat der „Beobachter“ Gespräche mit vom Artikel betroffenen Firmen geführt und als deren Ergebnis in der Nummer 14/95 eine Klarstellung veröffentlicht.

11. Am Verhalten des „Beobachters“ nach der Publikation nicht ganz zu überzeugen vermag einig die schlussendliche Ablehnung des Abdrucks der Stellungnahme des Beschwerdeführers auf der Leserbriefseite. Auch wenn zu berücksichtigen ist, dass aus Sicht der Leserschaft Reaktionen auf veröffentlichte Beiträge möglichst rasch nach der Erstpublikation erscheinen sollten und dass dem Beschwerdeführer ein nicht unerhebliches Versäumnis anzulasten ist, erscheint es dem Presserat widersprüchlich, wenn die Veröffentlichung der Stellungnahme des Beschwerdeführers am 18. Juli 1996 sinngemäss mit dem Argument abgelehnt wird, für eine Veröffentlichung sei es nun zu spät, wenn gleichzeitig in den „Beobachter“ausgaben vom 21. Juli 1995 (Nr. 15/95) und vom 4. August 1995 (16/95) noch Leserbriefe zum gleichen Artikel veröffentlicht wurden.

III. Feststellungen

Aus diesen Gründen stellt der Presserat fest:

1. Aus den Ziff. 1 und 3 der „Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten“ kann keine berufsethische Pflicht zu objektiver Berichterstattung abgeleitet werden. Es ist zulässig, aus Sicht der Medienschaffenden bestehende Missstände zu kritisieren, wie auch den Standpunkt von Minderbemittelten und Unterprivilegierten zu vertreten. Eine erhöhte journalistische – namentlich eine Konfrontation der Kritisierten mit den unterstellten Vorwürfen – ist jedoch gefordert, wenn vom Medienbericht direkt Betroffene so schwerwiegend kritisiert werden, dass deren Ansehen in der Öffentlichkeit stark beeinträchtigt werden kann. Zudem hat aus dem Beitrag hervorzugehen, ob die Vorwürfe von den Betroffenen bestritten werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn den Betroffenen schwerwiegende Unregelmässigkeiten in finanziellen Angelegenheiten vorgeworfen werden.

2. Die berufsethischen Pflichten von Journalistinnen und Journalisten nach der Publikation eines Medienbeitrags erschöpfen sich nicht darin, den gesetzlichen Erfordernissen des Gegendarstellungsrechts genüge zu tun bzw. ganz oder teilweise falsche Meldungen unverzüglich zu berichtigen. Aus dem der „Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten“ zugrunde liegende Prinzip der Fairness ergibt sich die berufsethische Pflicht, den durch einen Medienbeitrag in schwerwiegender Weise Betroffenen Gelegenheit zu geben, sich nach der Publikation zu den veröffentlichten Vorwürfen in angemessener Weise zu äussern, was jedoch kein Recht auf Selbstdarstellung beinhaltet.

3. Aus berufsethischer Sicht erscheint es widersprüchlich, den Abdruck eines Leserbriefs mit dem Argument abzulehnen, seit dem Abdruck des Bezugsartikels sei zu viel Zeit vergangen, wenn gleichzeitig noch in zwei Folgeausgaben der betreffenden Publikation Leserbriefe zum Thema veröffentlicht werden.