Nr. 6/2001
Quellenschutz / Veröffentlichung anonymer Vorwürfe

Leutenegger c. «Tages-Anzeiger» Stellungnahme des Schweizer Presserates vom 19. Januar 2001

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I. Sachverhalt

A. Am 12. Oktober 2000 publizierte der „Tages-Anzeiger“ einen Artikel von Jean-Martin Büttner. Darin geht der Autor der Frage nach, ob Filippo Leutenegger, Chefredaktor des Schweizer Fernsehens DRS und vorher schon Moderator der Sendung Arena, von der Schweizerischen Volkspartei (SVP) übermässig beeinflusst wird. Der Titel des Artikels lautet „Immer schneller ein Anruf vom Chef“. Ein Bild zeigt Filippo Leutenegger und Christoph Blocher, Präsident der SVP des Kantons Zürich. Es trägt die Bildlegende „Herr und Meister: TV-Chefredaktor Filippo Leutenegger mit dem Oppositionsführer Christoph Blocher“. Der Lead lautete: „Gerät Filippo Leutenegger unter wachsenden Einfluss der SVP? Gibt er diesen Druck an seine Redaktion weiter? Beides wird zunehmend behauptet – und beides von ihm heftig bestritten.“ Auf der selben Seite wurde ein Interview mit Filippo Leutenegger abgedruckt, in welchem dieser die ihm unterbreiteten Vorwürfen bestritt. Auf den Bericht und das Interview wird bereits auf der Titelseite mit dem Titel „Filippo Leutenegger widerspricht Kritik“ und dem Lead „Filippo Leuenegger, Chefredaktor von SF DRS, gerate immer mehr unter den Einfluss der SVP und ihrer Anführer. Leutenegger weist den Vorwurf zurück.“ hingewiesen.

B. Filippo Leutenegger legte am 25. Oktober 2000 beim Presserat gegen die Tamedia AG, den Chefredaktor des „Tages-Anzeigers“ und den Autor des Artikels Beschwerde ein und beantragte die Feststellung, dass medienethische Grundsätze sowie seine Persönlichkeit verletzt worden seien. Die im Artikel erscheinenden Behauptungen seien unrichtig (Ziffer 1 der „Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten“), unterschlügen zu Unrecht einige Quellen (Ziffer 3 der „Erklärung“) und erhöben ungerechtfertigte Anschuldigungen (Ziffer 7 der „Erklärung“). Die vom „Tages-Anzeiger“ veröffentlichten Behauptungen seien zudem persönlichkeitsverletzend (Art. 28 ZGB) und unlauter. Weiter beantragte der Beschwerdeführer, den Beschwerdegegnern seien die Verfahrenskosten aufzuerlegen und es sei ihm eine Parteientschädigung zuzusprechen.

C. Das Präsidium des Presserates wies die Beschwerde zur Behandlung an die erste Kammer. Diese setzt sich zusammen aus Roger Blum (Kammerpräsident), Marie-Louise Barben, Luisa Ghiringhelli, Silvana Iannetta, Philip Kübler, Katharina Lüthi und Edy Salmina.

D. Namens der Beschwerdegegner beantragte der Rechtsdienst der Tamedia AG in einer Stellungnahme vom 20. Dezember 2000, die Beschwerde sei abzuweisen. Das öffentliche Interesse am behandelten Thema sei unbestritten. Der Artikel sei sorgfältig recherchiert worden, es seien gegen zwanzig Personen persönlich befragt worden. Der Text stelle keine falschen Behauptungen auf und gehe mit dem Vorwürfen an den Beschwerdeführer vorsichtig um. Dies gelte auch für Titel, Lead, Bild und Bildlegende. Der Titel enthalte ebensowenig wie der Lauftext die Behauptung, Christoph Blocher sei der „Chef“ und bestimme mittels eines kurzen Telefonanrufes Thema und Zusammensetzung der Sendung, noch, der Beschwerdeführer setze Forderungen der SVP als willenloses Instrument gegenüber seiner Redaktion durch. Schliesslich seien Quellen nur dort ungenannt geblieben, wo es die Regeln des Presserates zuliessen.

E. Die 1. Kammer behandelte die Beschwerde an ihrer Sitzung vom 19. Januar 2001 sowie auf dem Korrespondenzweg.

II. Erwägungen

1. Gemäss Art. 20 des Geschäftsreglements des Presserates ist das Verfahren vor dem Schweizer Presserat kostenlos. Es werden weder Verfahrens- noch Parteikosten gesprochen. Dementsprechend sind die entsprechenden Anträge des Beschwerdeführers von vornherein abzuweisen.

Weiter ist darauf hinzuweisen, dass sich der Schweizer Presserat ausschliesslich auf der Grundlage der berufsethischen Normen äussert. Soweit der Beschwerdeführer darüber hinaus die Verletzung von Rechtsnormen (Art. 28 ZGB, UWG) geltend macht, kann auf die Beschwerde nicht eingetreten werden.

2. Der angefochtene Artikel diskutiert Vorwürfe an den Beschwerdeführer, Chefredaktor des Schweizer Fernsehens DRS, er stehe unter wachsendem Einfluss der SVP und gebe diesen Druck an seine Redaktion weiter. Im Lead des Artikels werden beide Fragen ausdrücklich gestellt, gefolgt vom Satz: „Beides wird zunehmend behauptet – und beides von ihm heftig bestritten.“ Der Lauftext beginnt mit einer positiven Charakterisierung des Beschwerdeführers und wiederholt die Frage, ob dieser die von ihm selber propagierte Unabhängigkeit durchwegs wahre. Weiter im Text folgen die einzelnen Vorwürfe, welche laut Artikel gegen den Beschwerdeführer erhoben werden. Allen ist gemein, dass der Beschwerdeführer beim Erfüllen seiner Aufgabe im Schweizer Fernsehen in der einen oder anderen Weise die Schweizerische Volkspartei (SVP) bevorzugt behandle. Zu Wort kommen einige namentlich genannte Politiker (Anita Fetz, Rosemarie Zapfl), vor allem aber nicht namentlich bezeichnete Quellen: „Eine SP-Frau“, „ein Redaktor“, „ein anderer Redaktor“, „ein Kollege“. Bei vielen Informationen wird nicht einmal die Art der Quelle genau bezeichnet: „… hört man aus dem inneren Kreis der Partei …“; „… wird mehrfach kritisiert …“, „… heisst es …“. Der Beschwerdeführer hatte Gelegenheit, in einem separat abgedruckten Interview auf der gleichen Seite in der gleichen Ausgabe des Tages-Anzeigers zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen, und er wies diese allesamt zurück.

3. Gemäss Ziff. 9 der „Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten“ dürfen Medienschaffende weder Vorteile noch Versprechungen annehmen, die geeignet sind, ihre berufliche Unabhängigkeit und die Äusserung ihrer persönlichen Meinung einzuschränken. Laut Ziff. 11 der „Erklärung“ dürfen sie journalistische Weisungen nur von den hierfür als verantwortlich bezeichneten Mitgliedern ihrer Redaktion entgegennehmen. Schliesslich sind Journalistinnnen und Journalisten aufgrund von Ziff. 2 der „Erklärung“ verpflichtet, die Freiheit der Information, des Kommentars und der Kritik sowie die Unabhängigkeit und das Ansehen ihres Berufes zu verteidigen. Der Presserat hat im Zusammenhang mit der Auslegung dieser Bestimmungen immer wieder auf die grosse Bedeutung der Unabhängigkeit als wichtigstes Kapital für die Glaubwürdigkeit der Journalistinnen und Journalisten und die Medien ingesamt hingewiesen (vgl. z.B. die Stellungnahme i.S. H. und Co. c. „Stadt-Anzeiger Opfikon-Glattbrugg“ vom 7. November 1996, Sammlung 1996, S. 88ff.).

Der Verdacht der Parteilichkeit, mithin der fehlenden Unabhängigkeit, gerichtet an den Chefredaktor des Schweizer Fernsehens, wiegt zudem besonders schwer, weil die SRG aufgrund ihres gesetzlichen Leistungsauftrags und ihrer Konzession zu einer sachgerechten Berichterstattung verpflichtet ist. Besonders die Sendung „Arena“, welche der Beschwerdeführer moderiert hat, ist zu einer politisch wichtigen Meinungsplattform geworden. Damit ist zwar einerseits das öffentliche Interesse an der Diskussion um die Unabhängigkeit des Beschwerdeführer nachgewiesen. Es ergeben sich daraus aber auch besondere Anforderungen an die Sorgfalt der Journalistinnen und Journalisten im Umgang mit entsprechenden Vorwürfen.

4. Ziffer 3 der „Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten“ schreibt vor, dass Medienschaffende nur Informationen, Dokumente, Bilder und Töne veröffentlichen, deren Quellen ihnen bekannt sind. Weiter sollen sie keine wichtigen Elemente von Informationen unterschlagen. Der Presserat hat aus dieser Bestimmung abgeleitet, dass Quellen zu prüfen und in der Publikation grundsätzlich bekanntzugeben sind (Stellungnahme i.S. K. c. SDA vom 6. September 1993, Sammlung 1993, S. 42ff.). Umgekehrt sind die Journalistinnen und Journalisten aufgrund von Ziff. 6 der „Erklärung“ aber gehalten, das Redaktionsgeheimnis zu wahren und die Quellen vertraulicher Informationen nicht preiszugeben. Diesem Interessenkonflikt zwischen Transparenz und Fairness der Berichterstattung auf der einen und dem Quellenschutz auf der anderen Seite trägt die Richtlinie 3.1 zur „Erklärung“ Rechnung. Danach liegt eine genaue Bezeichnung einer Quelle im Interesse des Publikums, sie ist vorbehältlich eines überwiegenden Interesses an der Geheimhaltung einer Quelle unerlässlich, wenn dies zum Verständnis der Information wichtig ist. Mit anderen Worten ist im Einzelfall immer eine Interessenabwägung vorzunehmen.

5. Im konkreten Fall ist das Interesse des Beschwerdeführers (und des Publikums) an der namentlichen Nennung der Quellen der Vorwürfe dem Interesse – letztlich wiederum des Publikums – gegenüberzustellen, von den Vorwürfen trotz der Wahrung der Anonymität eines grossen Teils der Quellen Kenntnis zu nehmen.

Wie bereits ausgeführt, besteht unbestreitbar ein öffentliches Interesse daran, den von verschiedenen Quellen erhobenen Vorwurf der angeblichen Parteilichkeit des Beschwerdeführers öffentlich zu diskutieren. Ebenso ist für den Presserat nachvollziehbar, dass ein grosser Teil der Quellen des Autors des umstrittenen Beitrags nur unter Zusicherung der Wahrung der Anonymität bereit waren, ihre Kritik am Beschwerdeführer öffentlich zu machen. Gegenüber dem Beschwerdeführer kritisch eingestellte Redaktoren von SF DRS schienen andernfalls Sanktionen zu fürchten, sei es vom Beschwerdeführer, sei es von ihren jeweiligen Vorgesetzten. Das ist eine verständliche Haltung, die bei fast allen Unternehmungen und Behörden anzutreffen wäre. Wäre eine Pflicht zur vollständigen, namentlichen Nennung der Quellen auch in solchen Fällen generell zu bejahen, hätte dies zur Folge, dass die Medienschaffenden über Meinungen und Stimmungen innerhalb eines Betriebes kaum mehr direkte Informationen beschaffen bzw. veröffentlichen könnten, insbesondere wenn es um Kritik an Vorgesetzten geht. Das wäre unter dem Gesichtspunkt der Rechts der Öffentlichkeit auf Information nicht akzeptabel. Ein öffentliches Interesse vorausgesetzt, muss die Recherche und Veröffentlichung von Informationen also ausnahmsweise auch dann zulässig sein, wenn diese nur unter der Voraussetzung der Wahrung der Anonymität der Quellen möglich ist. Von selbst versteht sich allerdings, dass die Transparenz dennoch so gut wie möglich sicherzustellen ist. Die relevanten Merkmale der zitierten Personen sind – bis zur Grenze der Identifizierbarkeit – offenzulegen. Schliesslich ist auch immer vorauszusetzen, dass die Glaubwürdigkeit der Information des anonymen Informanten durch die Medienschaffenden im Einzelfall überprüft werden kann (vgl. die Stellungnahme i.S. B. c. „FACTS“ vom 6. Juni 1997, Sammlung 1997, S. 54ff.).

Dem Interesse des Publikums an der Veröffentlichung der gegenüber dem Beschwerdeführer erhobenen Kritik steht dessen legitimes Interesse gegenüber, sich in fairer Weise gegen diese Kritik verteidigen und gegebenenfalls der Wahrheit nicht entsprechende Vorwürfe entkräften zu können. Diesbezüglich ist zwar einzuräumen, dass es im Allgemeinen einfacher ist, sich gegen Vorwürfe zur Wehr zu setzen, deren Quellen vollumfänglich bekannt sind. Bei den im konkreten Fall gegenüber dem Beschwerdeführer erhobenen Vorwürfe erscheint eine genügende Verteidigung auch dann möglich, wenn die Quellen zu einem erheblichen Teil nicht namentlich genannt sind. Der Beschwerdeführer weist denn im Interview auch sämtliche im Artikel vorgebrachten Vorwürfe als ungerechtfertigt bzw. unwahr zurück. Im Ergebnis gelangt der Presserat deshalb zum Schluss, dass im konkreten Fall das Interesse an einer Geheimhaltung eines Teils der Quellen gegenüber demjenigen an einer vollständigen Quellennennung überwogen hat.

6. Ungeachtet der Frage des Quellenschutzes bzw. der Quellennennung gilt auch in diesem Fall, dass sämtliche gegenüber dem Beschwerdeführer erhobenen Vorwürfe, die objektiv als schwerwiegend zu bewerten sind, dem Betroffenen zur Stellungnahme unterbreitet werden müssen (vgl. zuletzt die Stellungnahme 27/00 i.S. Aktion Dialog c. „Tages-Anzeiger“ vom 30. August 2000 mit weiteren Hinweisen). Ebenso ist der betreffende Standpunkt in angemessener und fairer Weise in die Veröffentlichung einzuarbeiten. Mit dem Abdruck des Interviews mit dem Beschwerdeführer zusammen mit dem kritischen Artikel hat die Redaktion des „Tages-Anzeigers“ diese Anforderungen erfüllt: Dem Beschwerdeführer wurden die wesentlichen Vorwürfe zur Stellungnahme unterbreitet, es wurde ihm eine gute Gelegenheit zum Widerspruch gegeben. Seine fehlende Bereitschaft, sämtliche Fragen zu beantworten, und das Interview mündlich statt schriftlich durchzuführen, kann jedenfalls den Beschwerdegegnern nicht zum Vorwurf gemacht werden.

7. Soweit der Beschwerdeführer weiter sinngemäss geltend macht, der Autor des Artikels habe bei seiner Recherche Ziff. 4 der „Erklärung“ („Sie bedienen sich bei der Beschaffung von Informationen, Tönen, Bildern und Dokumenten keiner unlauteren Methoden …“) verletzt, kann ihm ebenfalls nicht gefolgt werden. Der Presserat hat in seiner Stellungnahme i.S. C. c. „FACTS“ vom 31. Januar 1999 (Sammlung 1999, S. 26ff.,) darauf hingewiesen, dass Journalistinnen und Journalisten ihre Gesprächspartner vor einer Befragung zwar zumindest darüber informieren solle, worum es sachlich konkret geht. Sie brauchen jedoch nicht bekannt zu geben, in welcher journalistischen Form dies geschehen soll.

Dementsprechend war der Autor des Artikels nicht verpflichtet, dessen Stossrichtung – sofern eine solche bereits von Anfang an feststand, was von den Beschwerdegegnern bestritten wird – von Vornherein bekanntzugeben. Spätestens nachdem ihm die schriftlichen Fragen vorlagen, wusste der Beschwerdeführer aber jedenfalls genau, worum es im Artikel ging. Im Ergebnis kann deshalb keine Rede davon sein, dass sich der Autor des Artikels Informationen dank der Vorspiegelung falscher Tatsachen beschafft hätte.

8. Es bleibt zu prüfen, ob der gestalterische Gesamteindruck des Artikels eine Irreführung darstellt, indem der Titel, das Bild, die Bildlegende, der Lead und die Überschriften der Textabschnitte bei der Leserschaft einen falschen Eindruck hinterlassen hat. Der Presserat hat bereits in seiner Stellungnahme 32/2000 vom 30. August 2000 i.S. „Il Diavolo“ c. „la Regione“ darauf Rücksicht genommen, dass Zeitungsartikel nicht immer vollständig gelesen, sondern mit unterschiedlicher Aufmerksamkeit wahrgenommen werden. Beim unbefangenen Leser weckt der Titel des Artikels „Immer schneller ein Anruf vom Chef“ in Kombination mit dem Bild und der Bildlegende zumindest im ersten Moment den durch den Artikel nicht belegten Eindruck, der Beschwerdeführer nehme in Verletzung seiner berufsethischen Pflichten zunehmend direkte Weisungen von seinem angeblichen „Chef“, Christoph Blocher, entgegen. Die Bildlegende mit dem Wortspiel „Herr und Meister“ und die Fragestellung im Lead unterstützen die Suggestivwirkung des Titels zusätzlich: Der unbefangene Betrachter wird den auf dem Bild rechts neben dem Beschwerdeführer stehenden Christoph Blocher als „Herr und Meister“ und den Beschwerdeführer als Befehlsempfänger deuten.

Zwar ist den Beschwerdegegnern zuzugestehen, dass man den Titel nach einer genauen Lektüre des Artikels auch anders deuten kann (nämlich: Der Beschwerdeführer als TV-Chefredaktor rufe immer häufiger seine Redaktoren an, wenn diese einen Beitrag über die SVP recherchierten). Die Zweideutigkeit der Darstellung bleibt aber zumindest bestehen. Dementsprechend ändert die von den Beschwerdegegnern geltend gemachte Deutungsvariante des Titels nichts daran, dass er bei der Leserschaft den Eindruck einer zunehmenden, systematischen und bewussten Unterordnung des Beschwerdeführers in seinem Verhältnis zur SVP bzw. zu Christoph Blocher erwecken konnte. Dadurch wird ein schwerwiegender Vorwurf, der durch die im Artikel erscheinenden Tatsachen und kritischen Meinungsäusserungen nicht genügend gestützt wird, im Titel – in Kombination mit Bild und Bildlegende – zu einer Tatsache zugespitzt. Damit werden die Ziffern 1 (Wahrheitspflicht), 3 (Kennzeichnung unbestätigter Meldungen) und 7 (Sachlich nicht gerechtfertigte Anschuldigungen) verletzt. Die tatsachenverzerrende Wirkung des Titels wird aber zumindest dadurch einschränkt, dass bereits auf der Frontseite der gleichen Ausgabe des „Tages-Anzeigers“ prominent auf den Widerspruch des Beschwerdeführers aufmerksam gemacht wurde.

9. Über den zu rügenden Titel hinaus vermag der Presserat auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Informationen in der Berichterstattung des „Tages-Anzeigers“keine ungerechtfertigten Anschuldigungen festzustellen. Der Presserat ist nicht in der Lage, detailliert zu prüfen, ob einzelne Vorwürfe der zum Teil anonymen Informanten des Autors des Artikels wahr oder falsch sind. Vielmehr hat er sich mit der Feststellung zu begnügen, dass diesbezüglich Aussage gegen Aussage steht. Darüber hinaus ist festzustellen, dass die in der Berichterstattung des „Tages-Anzeigers“ wiedergegebenen kritisierenden Meinungsäusserungen nicht von Vornherein als durchwegs offensichtlich abwegige und nicht von einem öffentlichen Interesse gedeckte blosse Unterstellungen gegenüber einer Person des öffentlichen Interesses erscheinen. Der Beschwerdeführer und das Schweizer Fernsehen DRS müssen sich, wie jedes staatlich konzessionierte Unternehmen, eine Diskussion über eine Gefährdung ihrer Unabhängigkeit gefallen lassen. Die Beschwerdegegner machen in diesem Zusammenhang zu Recht geltend, dass das Thema ihrer Berichterstattung (Verhältnis des Beschwerdeführers zur SVP) auch in anderen Medien wie auch unter Politikern bereits Anlass zu Diskussionen gab. Bei einer Gesamtbetrachtung der Berichterstattung des „Tages-Anzeigers“ über den Beschwerdeführer vom 12. Oktober 2000 ist festzuhalten, dass diese zwar sehr kritisch ausgefallen ist, die Leserschaft aber durchaus in der Lage war, sowohl die externe wie auch die interne Kritik am Beschwerdeführer einzuordnen und zu gewichten.

III. Feststellungen

1. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen, nämlich soweit der mehrdeutige Titel des Artikels „Immer schneller ein Anruf vom Chef“ gerügt wurde. Mit der Zuspitzung eines Vorwurfs zu einer Tatsachenbehauptung hat der „Tages-Anzeiger“ die Ziffern 1 (Wahrheitspflicht), 3 (Kennzeichnung unbestätigter Meldungen) und 7 (Sachlich nicht gerechtfertigte Anschuldigungen) verletzt.

2. Darüber hinaus wird die Beschwerde abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann. Der „Tages-Anzeiger“ hat mit der Veröffentlichung eines kritischen Artikels über das Verhältnis des Chefredaktors von SF DRS zur SVP keine berufsethischen Pflichten verletzt. Dem Chefredaktor wurde ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt, und die Wahrung der Identität von vertraulichen Informanten war aufgrund der Umstände gerechtfertigt.

3. Zwischen der berufsethischen Pflicht einer möglichst genauen Quellenangabe und der Pflicht, die Quellen vertraulicher Informationen nicht preiszugeben, besteht ein Spannungsverhältnis, welchem durch eine Interessenabwägung Rechnung zu tragen ist. Grundsätzlich sind Quellen bekannt zu geben. Ausnahmsweise ist die Veröffentlichung von Informationen ohne namentliche Nennung der Quelle zulässig, vorausgesetzt, dass die Veröffentlichung dieser Informationen im öffentlichen Interesse liegt und dass diese Informationen ohne die Zusicherung von Anonymität nicht öffentlich gemacht werden könnte. Zudem müssen die anonymen Informationen von den Medienschaffenden vor der Veröffentlichung auf ihre Glauwürdigkeit überprüft werden. Schliesslich darf die Veröffentlichung von Vorwürfen anonym bleibender Informanten nicht dazu führen, dass sich die von schweren Vorwürfen Betroffenenen nicht in angemessener Weise äussern können. In jedem Fall ist die Transparenz auch bei Wahrung der Anonymität der Informanten dennoch so gut wie möglich sicherzustellen. Die relevanten Merkmale der zitierten Personen sind – bis zur Grenze der Identifizierbarkeit – offenzulegen.