Nr. 54/2020
Wahrheit / Unterschlagen wichtiger Informationen / Anhören bei schweren Vorwürfen / Sachlich nicht gerechtfertigte Anschuldigungen

(Stach c. «St. Galler Tagblatt»)

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I. Sachverhalt

A. Am 13. Januar 2020 erschien im «St. Galler Tagblatt» ein Artikel von Odilia Hiller über ein Bundesgerichtsurteil gegen einen St. Galler Anwalt wegen überhöhter Honorarforderungen. Das Thema war mit der Schlagzeile auf der Front («Bundesgericht verurteilt St. Galler Anwalt») und mit einem kurzen Text, der auf den Hauptartikel auf Seite 19 verwies, angerissen. In diesem kurzen Anriss hiess es unter anderem, der Rechtsanwalt und HSG-Universitätsrat Patrick Stach sei wegen krass übersetzter Honorarforderung und einer unzulässigen Honorarvereinbarung zu einer Busse von 10’000 Franken verurteilt worden. Das oberste Gericht habe geurteilt, Stach habe gegen das schweizerische Anwaltsgesetz verstossen.

Der Titel des Hauptartikels lautete «Anwalt fordert krass überhöhtes Honorar». Untertitel: «Der St. Galler Rechtsanwalt und HSG-Universitätsrat Patrick Stach hat laut Bundesgericht mit einer überrissenen Honorarforderung gegen das Gesetz verstossen. Er verlangte von einer Klientin und Sozialhilfeempfängerin 20 Prozent ihres Erbes. Nun wird er gebüsst.» Der Text mit Bild und zusätzlicher Information in zwei Kästen füllte die ganze Seite im Teil «Ostschweiz». Der Artikel fasst im Wesentlichen das Urteil des Bundesgerichts zusammen. Er beschreibt, dass Stach von seiner Klientin ein – laut oberstem Gericht – klar übersetztes Honorar von 420’069.20 gefordert habe. Die zugrundeliegende Vereinbarung enthalte «laut Bundesgericht ein verbotenes Erfolgshonorar». Stach habe sich damit 20 Prozent der Erbschaft gesichert. Je nachdem, wie erfolgreich der Versuch ausfalle, den Erbteil gegenüber den Schwestern der Klientin noch zu erhöhen, hätte das geschuldete Honorar verschieden hoch ausfallen können, als Mindesthonorar habe Stach sich 100’000 Franken ausbedungen.

Im Weiteren wird berichtet, der im Zusammenhang mit einem prominenten Gönnerverein und dem Universitätsrat der HSG weitherum bekannte Anwalt sei zu einer Busse von 10’000 Franken verurteilt worden, weil der dem Honorar zugrundeliegende Stundenansatz das in St. Gallen Übliche um einen Faktor zwei bis drei überstiegen habe. Den Verstoss gegen die Berufsregeln hätten die Gerichte als «mittel bis schwer» gewichtet. Mit diesem Urteil habe das Bundesgericht die vorinstanzlichen Urteile geschützt, für Einzelheiten dazu wird auf einen separaten Kasten verwiesen. Dort geht die Autorin auf die gesetzlichen Grundlagen und den Verlauf des Verfahrens ein und weist darauf hin, dass der Anwaltsverband sich überlege, disziplinarische Schritte gegen Stach zu unternehmen.

Der Artikel selber geht dann auf die Vorgeschichte des Verfahrens ein, darauf, dass die Klientin ihren Anwalt Stach bei der Anwaltskammer angezeigt habe, nachdem dieser ihr eine «Zwischenabrechnung» von Fr. 420’069.20 gestellt habe. Sie habe sich – laut eigener Angabe, zitiert aus dem Urteil der Anwaltskammer am Kantonsgericht – bei Stach beklagt, dass sie von ihrem voraussichtlichen Erbe, abgesehen von diesem grossen Honorar, vermutlich auch noch Sozialhilfe zurückzahlen müsse, die sie über Jahre bezogen habe, ebenso wie unentgeltliche Rechtshilfe in verschiedenen Gerichtsverfahren. Daraufhin habe Stach mit einem weiteren Anwalt Vorkehren getroffen, um mit fingierten Verträgen und einer Treuhand-Konstruktion die wahren Vermögensverhältnisse der Klientin zu verschleiern. Auch gegen diese Aktion des Anwaltes habe die Klientin dann Strafklage eingereicht, auf diese sei die Staatsanwaltschaft aber nicht eingetreten. Das erstinstanzliche Urteil habe festgehalten, der Zweck des entsprechenden «Treuhandkonstrukts» sei unklar geblieben, die Schwelle zu einem Betrugs- oder Falschbeurkundungsversuch sei aber laut Staatsanwaltschaft noch lange nicht überschritten worden.

Übrig geblieben sei schliesslich das Verfahren wegen des überhöhten Honorars. Das «Tagblatt» schreibt, beide beschuldigten Anwälte bestritten die Vorwürfe gegen sie.

Laut Bundesgericht – so der Artikel weiter – sei schon die zugrundeliegende Honorarvereinbarung unzulässig. Leistung und Gegenleistung stünden in einem offenbaren Missverhältnis. Der Anwalt habe seine eigenen Interessen vor jene der Klientin gestellt. Insbesondere seien 427 Stunden Aufwand unter dem Titel «Rechtsberatung» nicht nachzuvollziehen. Noch weniger, dass er dafür einen Tarif in Rechnung stellte, der zwei- bis dreimal so hoch sei wie der übliche Stundenansatz.

B. Am 27. Februar 2020 erhob der von einem Anwalt vertretene Patrick Stach Beschwerde gegen den Artikel mit der Begründung, dieser verstosse gegen die Ziffern 1 (Verpflichtung zur Wahrheit), 3 (Unterschlagung wichtiger Informationen) und 7 (sachlich nicht gerechtfertigte Anschuldigungen) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (nachfolgend «Erklärung»). Ergänzend werden insbesondere Verstösse gegen die zur «Erklärung» gehörende Richtlinie 3.8 gerügt (Anhörung bei schweren Vorwürfen) sowie gegen das Fairnessprinzip.

Einen Verstoss gegen die Wahrheitspflicht (Ziffer 1 der «Erklärung») begründet der Beschwerdeführer (BF) damit, dass das «Tagblatt» den BF mit den Hinweisen auf ein «Treuhandkonstrukt» und «fingierte Verträge» eines krassen, ja kriminellen Fehlverhaltens bezichtige, gestützt auf unwahre Tatsachenbehauptungen und einseitige Parteienbehauptungen, welche schon im (erstinstanzlichen) Entscheid der Anwaltskammer widerlegt worden seien.

Einen Verstoss gegen Ziffer 3 der «Erklärung» (Unterschlagen wichtiger Tatsachen) rügt Stach, weil das «Tagblatt» verschwiegen habe, dass die Anwaltskammer ihm bezüglich der Honorarstellung zugebilligt habe, dass das Mandat äusserst umfangreich und anspruchsvoll gewesen sei, dass die Klientin ihm gegen 1000 E-Mails geschickt und ausdrücklich auf zwei Anwälten bestanden habe. Über diesen Entscheid hätte die Zeitung die Leserschaft – wenn überhaupt – vollständiger informieren müssen, insbesondere auch darüber, dass diese Kammer festgestellt habe, das fragliche Mandat sei «anspruchsvoll und aufwendig» gewesen. Auch sei unterschlagen worden, dass der BF die Zahl von 427 Arbeitsstunden immer als deutlich zu wenig bezeichnet habe, was in der Konsequenz in der gerichtlichen Beurteilung zu einem viel zu hohen Stundenansatz geführt habe. Auch sei verkürzt und damit irreführend behauptet worden, der Beschwerdeführer habe mit der Klientin ein Erfolgshonorar vereinbart, obwohl dieses «unzulässig» sei. Das entspreche in dieser Form nicht den Tatsachen, ein «pactum de palmario» sei unter bestimmten Voraussetzungen sehr wohl zulässig.

Den Verstoss insbesondere gegen Richtlinie 3.8 (Anhörung bei schweren Vorwürfen) sieht Stach darin, dass er zu den im Artikel aufgeführten schweren Vorwürfen nicht befragt worden sei. Zwar nehme Richtlinie 3.9 Berichte über Gerichtsurteile von dieser Bestimmung aus, aber angesichts der Tatsache, dass der Artikel falsche Behauptungen enthalte und wesentliche Elemente unterschlage, seien die Voraussetzungen für die Ausnahmen unter Richtlinie 3.9 nicht gegeben.

Ziffer 7 der «Erklärung», das Gebot, nicht gerechtfertigte Anschuldigungen zu unterlassen, sei verletzt, weil das «Tagblatt» im Zusammenhang mit dem «Treuhandkonstrukt» und den «fingierten Verträgen» den BF im Widerspruch zu den Feststellungen der Anwaltskammer eines krassen, ja kriminellen Fehlverhaltens bezichtigt habe und bewusst den Eindruck erweckt habe, der BF habe absichtlich eine unzulässige Honorarvereinbarung mit einer ihm unterlegenen Sozialhilfebezügerin abgeschlossen und auch noch Anstalten unternommen, Geld vom Staat zu verstecken.

Das in der Einleitung zur «Erklärung» festgehaltene Fairnessprinzip sieht der BF zum einen durch die eben beschriebenen Behauptungen und Unterlassungen verletzt, sowie dadurch, dass das «Tagblatt» eine vom BF nach Erscheinen des Artikels sofort verbreitete Medienmitteilung nicht publiziert habe, welche die Sichtweise des BF hätte zur Geltung bringen können. Auch sei ein Leserbrief des Satirikers Andreas Thiel sowie weiterer Leserbriefschreiber nicht publiziert worden. Das Verhalten der Redaktion gegenüber dem BF widerspreche dem Fairnessprinzip.

C. Das anwaltlich vertretene «St. Galler Tagblatt» (Beschwerdegegner, BG) nahm am 13. März 2020 Stellung zur Beschwerde und beantragte deren Abweisung.

Der Vorwurf, das «Tagblatt» habe gegen die Wahrheitspflicht (Ziffer 1 der «Erklärung») verstossen, indem es dem BF unterstellt habe, das Treuhandprojekt habe die Vermögensverhältnisse der Klientin verschleiern sollen, damit werde dem BF zu Unrecht ein schwerwiegender Vorwurf gemacht, wird bestritten. Das «Tagblatt» selber werfe Stach nichts vor, es schildere im Artikel nur, was seine Klientin dem Beschwerdeführer laut Anwaltskammer-Entscheid dazu vorgeworfen habe. Die Autorin stelle im Weiteren wahrheitsgemäss fest, laut Anwaltskammer sei unklar geblieben, wozu das «Treuhandkonstrukt» wirklich gedient habe. Stach werde also nichts vorgeworfen, was nicht in den Urteilen stehe. Ausdrücklich erwähne das «Tagblatt», dass die Strafanzeige der Klientin gegen den BF zu einer «Nichtanhandnahme» seitens der Staatsanwaltschaft geführt habe, dass also kein strafrechtlich relevantes Verhalten zur Diskussion stehe. Schliesslich sei auch ausdrücklich gesagt worden, beide Anwälte hätten die Vorwürfe der Klientin zurückgewiesen. Das «Tagblatt» werfe dem BF nichts Kriminelles vor, es berichte nur über einen rechtskräftigen Entscheid.

Zum Verstoss gegen Ziffer 3 (Unterschlagen wichtiger Tatsachen) erwidert die Redaktion, dass kein Anlass bestanden habe, einzelne Erwägungen des Urteils der Anwaltskammer nochmals aufzuführen. Der Artikel habe korrekt festgehalten, dass der Zweck des Treuhandkonstrukts unklar geblieben sei. Auch sei es nicht erforderlich, wie vom BF gefordert, sich generell mit seinen Argumenten im erstinstanzlichen Verfahren auseinanderzusetzen. Drei Instanzen hätten diese gehört, beurteilt und verworfen. Ebensowenig sei es nötig gewesen, sich ausführlicher mit der Bestimmung über Erfolgshonorare auseinanderzusetzen. Fakt sei, dass das vereinbarte Honorar drei Mal als ein in diesem Fall unzulässiges «pactum de palmario» qualifiziert worden sei.

Zum Vorwurf, der BF hätte vor der Publikation angehört werden müssen, verweist das «Tagblatt» auf Richtlinie 3.9, welche nicht nur besage, bei Gerichtsurteilen sei die Befragung der durch einen Artikel Belasteten nicht erforderlich, sondern Richtlinie 3.8 besage auch, die Befragung sei ganz generell nur bei schweren Vorwürfen nötig, also bei solchen, die laut Praxis des Presserates einem illegalen Handeln gleichkommen. Unter beiden Titeln sei eine Befragung des BF im Vorfeld des Artikels nicht erforderlich gewesen, dessen Ansicht sei ohnehin in allen drei Instanzen des Prozessverfahrens berücksichtigt und beurteilt worden.

Zudem habe das «Tagblatt» den BF am 13. Januar 2020, am Tag der Publikation des ersten Artikels, zu einer Stellungnahme für einen Folgeartikel am nächsten Tag aufgefordert, der Vertreter des BF sei dem auch nachgekommen und entsprechend zitiert worden.

Dass das «Tagblatt» eine Medienmitteilung des BF nicht abgedruckt habe, sei nicht zu beanstanden, diese habe nichts Neues enthalten und eine Pflicht zum Abdruck von Medienmitteilungen bestehe nicht, erst recht keine Pflicht zum Druck von Leserbriefen, wie der BF meine, wenn er von «Unterschlagen» von Leserbriefen spreche.

Zum Verstoss gegen Ziffer 7 (sachlich nicht gerechtfertigte Anschuldigungen) verweist der BG darauf, das «Tagblatt» habe ausschliesslich aus rechtskräftigen Entscheiden zitiert. Man habe dem BF nie kriminelles Fehlverhalten vorgeworfen, habe im Gegenteil ausdrücklich erwähnt, dass eine Strafklage zu einer Nichtanhandnahme geführt habe.

Und zur gerügten Verletzung des Fairnessprinzips erklärt die Redaktion, es sei nachvollziehbar, dass die drei Urteile für den BF nicht zufriedenstellend seien. Das könne aber nicht bedeuten, dass ihm bei einer reinen Gerichtsberichterstattung Gelegenheit gegeben werden müsse, nochmals sämtliche von ihm in den Verfahren vorgebrachten Argumente darlegen zu können. Seine Position sei ausreichend dargestellt worden.

D. Der Presserat teilte den Parteien mit, die Beschwerde werde vom Presseratspräsidium behandelt, bestehend aus Dominique von Burg, Präsident, Francesca Snider, Vizepräsidentin, und Max Trossmann, Vizepräsident.

E. Das Presseratspräsidium hat die vorliegende Stellungnahme per 27. Juli 2020 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.

II. Erwägungen

1. Der Beschwerdeführer wirft dem «St. Galler Tagblatt» vor, die Wahrheitspflicht (Ziffer 1 der «Erklärung) damit verletzt zu haben, dass ihm im Artikel ein «krasses, ja kriminelles Fehlverhalten» vorgeworfen werde, indem auf ein «Treuhandkonstrukt» und «fingierte Verträge» verwiesen werde. Das stehe im Widerspruch zu Passagen im Entscheid der Anwaltskammer vom 22. August 2018. Das «Tagblatt» erwidert darauf, es habe hier aus den Prozessakten lediglich zitiert, was die Klientin dem BF im betreffenden Verfahren vorgeworfen habe. Man habe aber aus den gleichen Akten auch erwähnt, dass die Strafanzeige seiner Klientin zu einer Nichtanhandnahme geführt, also eben gerade kein strafbares Verhalten zutage gefördert habe.

Dem Beschwerdegegner ist recht zu geben, ebenso wenn er weiter darauf verweist, der Artikel habe explizit erwähnt, dass für die Vorinstanzen unklar geblieben sei, was mit diesem Treuhandkonstrukt effektiv beabsichtigt gewesen sei, und weiter, dass es hier eben um Gerichtsberichterstattung gehe, um den Inhalt eines rechtskräftigen Urteils, welches dem BF immerhin «krass überhöhte Honorarforderungen» sowie Verstösse gegen das Anwaltsgesetz und in diesem Zusammenhang «mittleres bis schweres Verschulden» vorwirft. Der Presserat kann keinen Verstoss gegen die Wahrheitspflicht erkennen.

2. Hinsichtlich einer Verletzung von Ziffer 3 (Unterschlagen wichtiger Tatsachen) macht der BF geltend, das «Tagblatt» habe unterschlagen, dass die Anwaltskammer festgestellt habe, das fragliche Mandat sei anspruchsvoll, umfangreich und aufwändig gewesen. Dies nicht zu erwähnen bedeute, dass die Leserschaft ein falsches Bild erhalte. Zudem habe das «Tagblatt» unterschlagen, dass die beiden Anwälte die Zahl von 427 Stunden Aufwand von Beginn der Verfahren an als falsch und zwar als zu gering bestritten hätten. Der BG macht demgegenüber geltend, es könne nicht Aufgabe eines Gerichtsberichts sein, sämtliche Argumente einer Partei aus den Vorinstanzen noch einmal aufzuführen, insbesondere weil diese ja durch drei Instanzen hindurch geltend gemacht und verworfen worden seien. Dem ist zuzustimmen, insbesondere auch weil sich für den Presserat aus den sehr umfangreichen Beilagen der beiden anwaltlichen Eingaben unter anderem ergibt, dass das Bundesgericht und die Vorinstanz das Mandat des Beschwerdeführers – anders als von ihm selber beschrieben – als relativ einfach eingestuft haben: Das Bundesgericht befand: «(Die Vorinstanz) ging dabei davon aus, dass trotz einer etwas aufwändigen Kommunikation mit der Klientin und der Notwendigkeit, gewisse Arbeiten unter Zeitdruck zu erledigen, die Angelegenheit einfach war.» Und dass das Honorar auch als übermässig eingestuft werden müsse «angesichts der keine schwierigen rechtlichen oder sachlichen Fragen aufwerfenden Angelegenheit». Angesichts dieser gerichtlichen Beurteilung hat sich eine Relativierung, wie sie der BF fordert, nicht aufgedrängt. Der Vorwurf, das «Tagblatt» habe unterschlagen, dass der BF den Aufwand immer schon bestritten habe, ist zudem schwer verständlich: Die Anwaltskammer hatte den zeitlichen Aufwand von 427 Stunden Rechtsberatung als nicht nachvollziehbar gross hinterfragt, der BF will ihn aber umgekehrt als viel zu klein bestritten haben (um damit zu belegen, dass der Ansatz pro Stunde doch nicht so hoch zu errechnen sei wie gerügt).

Dass das «Tagblatt» die Honorarvereinbarung als «unzulässig» bezeichnet hat, ohne beizufügen, dass ein pactum de palmario unter gewissen Umständen sehr wohl zulässig sein könne, wie der BF das moniert, entspricht ebenfalls keiner Unterlassung gemäss Ziffer 3 der «Erklärung», denn diese Feststellung wäre müssig: Entscheidend ist im konkreten Zusammenhang, dass diese getroffene Vereinbarung laut allen drei Instanzen nicht zulässig war, weil sie während des laufenden Mandats, das heisst erst nach dessen Beginn und vor dessen Ende, abgeschlossen worden war. Die Formulierung im Artikel hiess: «… laut Bundesgericht ein verbotenes Erfolgshonorar». Das war so richtig und hat nichts zum Verständnis wirklich Relevantes unterschlagen. Ein Exkurs darüber, wann pacta de palmario zulässig sind und wann nicht, war jedenfalls nicht zwingend. Ziffer 3 der «Erklärung» ist nicht verletzt.

3. Der BF macht geltend, Richtlinie 3.8 sei verletzt, weil er zu schweren Anschuldigungen nicht angehört worden sei. Der BG wendet ein, das sei aus zwei Gründen nicht nötig gewesen. Zum einen seien die Anschuldigungen nicht schwer im Sinne der «Erklärung» gewesen und vor allem sei die Anhörung gemäss Richtlinie 3.9 im Fall von Gerichtsurteilen nicht nötig.

Dazu ist festzuhalten, dass das «Tagblatt» irrt, wenn es sagt, die Vorwürfe seien nicht schwer im Sinne der «Erklärung». Die Tatsache allein, dass der BF zu einer Busse von 10’000 Franken verurteilt wurde, zeigt, dass es hier um einen schweren Vorwurf im Sinne von illegalem Handeln, also im Sinne der «Erklärung» geht. Dasselbe gilt für die Vorwürfe hinsichtlich des Erarbeitens von Treuhandkonstrukten zwecks Verschleierung von Vermögensverhältnissen. Allerdings ist dem BG dennoch recht zu geben, wenn dieser geltend macht, die Berichterstattung des «Tagblatt» sei gedeckt durch Richtlinie 3.9 (Anhörung – Ausnahmen). Das ist sie in der Tat: Das «Tagblatt» hat einen rechtskräftigen Gerichtsentscheid korrekt zusammengefasst und war deswegen nicht verpflichtet, den Beschuldigten anzuhören. Diese Regelung der «Erklärung» ist hier insbesondere anwendbar, weil die Parteien in sämtlichen drei Verfahrensstufen Gelegenheit hatten, ihre Sicht der Dinge einzubringen. Das Anliegen des BF wäre gerechtfertigt, wenn das «Tagblatt» im Artikel schwere Vorwürfe erhoben hätte, von denen in den drei Verfahren und deren Urteilen nicht die Rede gewesen wäre. Solche kann der Presserat aber, wie unter Erwägung 3 erläutert, nicht erkennen. Richtlinie 3.8 zur «Erklärung» ist nicht verletzt, auch nicht dadurch, dass das «St. Galler Tagblatt» eine Medienmitteilung oder Leserbriefe mit dem Standpunkt des BF nicht veröffentlicht hat. Dazu ist die Zeitung nicht verpflichtet. Ob eine entsprechende Notiz allenfalls klug gewesen wäre, ist nicht vom Presserat zu beurteilen.

4. Ziffer 7 der «Erklärung», das Erheben nicht gerechtfertigter Vorwürfe, sieht der BF erneut darin begründet, dass mit dem Hinweis auf Treuhandkonstrukte und Verschleiern von Vermögensverhältnissen widersprechende Passagen aus dem Urteil der ersten Instanz nicht berücksichtigt worden seien und so der Eindruck erweckt worden sei, der BF habe sich ein krasses, ja kriminelles Verhalten zuschulden kommen lassen. Dem ist – mit dem BG – auch an dieser Stelle entgegenzuhalten, dass der Artikel ausdrücklich darauf hinweist, dass die Staatsanwaltschaft auf die Strafklage in dieser Sache nicht eingetreten ist, weil die Schwelle zu einem Betrugs- oder Falschbeurkundungsversuch «noch lange nicht überschritten» worden sei. Ziffer 7 der «Erklärung» wurde nicht verletzt.

5. Dasselbe gilt für das Fairnessprinzip, den erneuten Vorwurf des BF, er sei nicht gebührend angehört worden: Gemäss Richtlinie 3.9 (Anhörung – Ausnahmen) ist die Redaktion nicht verpflichtet, Angeschuldigte bei schweren Vorwürfen anzuhören, wenn die Berichterstattung ein Gerichtsurteil betrifft. Dies erachtet der Presserat in concreto deswegen nicht für unfair, weil die Position des Betroffenen im Verfahren dreimal zur Kenntnis genommen und gewürdigt wurde. Und sie sich letztlich in der Urteilsbegründung des Bundesgerichts spiegelt, über welche das «St. Galler Tagblatt» korrekt berichtet hat.

III. Feststellungen

1. Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. Das «St. Galler Tagblatt» hat mit dem Artikel «Anwalt fordert krass überhöhtes Honorar» vom 13. Januar 2020 die Ziffern 1 (Wahrheit), 3 (Unterschlagen wichtiger Informationen / Anhören bei schweren Vorwürfen), 7 (Sachlich nicht gerechtfertigte Anschuldigungen) und das Fairnessprinzip der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» nicht verletzt.