Nr. 51/2020
Deklaration einer Beilage

(X. c. «Luzerner Zeitung»)

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I. Sachverhalt

A. Am 19. Dezember 2019 enthielt die «Luzerner Zeitung» wie auch die übrigen Zeitungen von CH Media eine acht Seiten lange Beilage, die sich mit der Entwicklung in China beschäftigte und diese im allerbesten Licht darstellte. Nach einem allgemeinen Artikel unter dem Titel «Ein feierliches Jahr für China» mit einem grossen Bild der Staatsoberhäupter Xi Jinping und Ueli Maurer im Blumenschmuck folgten darin ein Text über «Die Schweiz und die Volksrepublik China – eine Erfolgsgeschichte», dann «Zahlen zur sozio-ökonomischen Entwicklung in China», Texte über die Vorzüge des Baus der neuen Seidenstrasse, über «Die Etappen auf dem Weg zur Öffnung», «Unzählige attraktive Reiseziele» bis zu einer Seite «Wussten Sie, dass …», auf welcher Wissenswertes über China zu lesen war, etwa dass die Uiguren in Xinijang jedes Jahr Ende Juli das islamische Opferfest feiern und dabei auf dem Heytgah-Platz singen und tanzen, alles illustriert mit vielen Bildern und Statistiken. Die Beilage erschien vierspaltig, nicht fünfspaltig wie der redaktionelle Teil, die Schrift, insbesondere die Titel, unterschieden sich vom übrigen Blatt, am Fuss jeder Seite war der Vermerk zu lesen «Publikation des Generalkonsulats der VR China in Zürich» und auf Seite drei enthielt ein Kästchen das Impressum «Eine kommerzielle Publikation des Generalkonsulats der Volksrepublik China, Bellariastrasse 20, 8002 Zürich, Tel. …».

B. Am 24. Dezember 2019 erhob X. Beschwerde gegen die Beilage mit der Begründung, sie verstosse gegen die Ziffern 1 (Verpflichtung zur Wahrheit) und 2 (Verteidigung der Freiheit der Information) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (nachfolgend «Erklärung»).

Er macht erstens geltend, die Beilage sei nicht als das gekennzeichnet gewesen, was sie wirklich war, nämlich als «Anzeige». Damit sei der Leser bewusst irregeführt worden. Nur unten auf der jeweiligen Seite habe ein kleingedruckter Hinweis gestanden und auf Seite drei ein kleines Kästchen, das darauf hingewiesen habe, dass es sich um eine Propagandaaktion der Volksrepublik China handle.
Die Publikation einer solchen, mit tendenziösen und falschen Inhalten versehenen Propaganda könne nicht unkommentiert verbreitet werden, ohne dass die Wahrheitspflicht verletzt werde. Mindestens eine klare Kennzeichnung als «Anzeige» wäre erforderlich gewesen.

Zweitens macht X. geltend, die Freiheit der Information werde verletzt. Im Zentrum sieht er dabei, dass seine beiden Leserbriefe zu diesem Thema nicht veröffentlicht, «von einem Geschäftsführungsmitglied abgefangen» worden seien. Das verstosse gegen die freie Meinungsäusserung.

C. Gemäss Art. 13 Abs. 1 des Geschäftsreglements behandelt das Presseratspräsidium, bestehend aus Dominique von Burg, Präsident, Francesca Snider, Vizepräsidentin, und Max Trossmann, Vizepräsident, Beschwerden, auf die der Presserat nicht eintritt.

D. Das Presseratspräsidium hat die vorliegende Stellungnahme per 6. Juli 2020 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.

II. Erwägung

Gestützt auf Art. 11 Abs. 1 seines Geschäftsreglements tritt der Presserat nicht auf eine Beschwerde ein, wenn sie offensichtlich unbegründet ist.

Dem Beschwerdeführer ist zwar zuzustimmen, wenn er fordert, dass Propaganda, Werbung, ganz besonders politische Propaganda, klar zu kennzeichnen sind. Das gebietet schon die zur «Erklärung» gehörende Richtlinie 10.1, welche besagt: «Die deutliche Trennung zwischen redaktionellem Teil/Programm und Werbung bzw. bezahltem oder durch Dritte zur Verfügung gestelltem Inhalt ist für die Glaubwürdigkeit der Medien unabdingbar.»

Der Presserat hat diesem Punkt in seiner Praxis spezielle Bedeutung zugemessen, wenn der von Dritten anzubietende Inhalt politischer Natur ist, etwa in seiner Stellungnahme 29/2019 oder jüngst in Stellungnahme 42/2020. In diesem letzten Entscheid wird festgestellt: «Demokratiepolitisch besonders bedenklich ist dieses Verwischen von Grenzen zwischen redaktionellen Inhalten und politischer Werbung. Denn hier schadet die mangelnde Transparenz nicht nur der Glaubwürdigkeit des Mediums, sondern auch der demokratischen Willensbildung der Bürgerinnen und Bürger.»

Die Frage, die sich im konkreten Fall stellt, lautet: Unterschied sich die Beilage deutlich genug vom redaktionellen Teil, obwohl sie nicht klar mit «Anzeige» angeschrieben war? Der Presserat empfiehlt eine derartige Kennzeichnung zwar, verzichtet aber auf das Erfordernis, wenn die übrige Darstellung sich deutlich genug vom redaktionellen Teil abhebt (vgl. u.a. Stellungnahme 67/2019). Dies ist im vorliegenden Fall klar gegeben: Die Beilage hat die Anmutung eines Prospektes. Sie hat eine andere Aufteilung in Spalten als der redaktionelle Teil, eine andere Schrift, auffällig insbesondere bei den Titeln, sie ist unten an jeder Seite als Publikation des Generalkonsulates der VR China gekennzeichnet, ein kleines Impressum weist ebenfalls auf die Herkunft hin. Die Beilage ist damit klar vom redaktionellen Teil zu unterscheiden.

Es ist eine andere Frage, ob es opportun erscheint, politische Propaganda eines Regimes wie des chinesischen in einer demokratisch orientierten Zeitung zu platzieren. Das ist aber eine Frage der Politik eines Verlagshauses und nicht vom Presserat zu beantworten.

Der zweite Punkt, den der Beschwerdeführer kritisiert, ist, dass seine beiden Leserbriefe, welche sich auf diese Beilage bezogen hatten, nicht veröffentlicht worden seien. Hierzu ist zu sagen, dass der Beschwerdeführer zu Unrecht davon ausgeht, dass das Nichtpublizieren von Leserbriefen einer Einschränkung der Meinungsfreiheit gleichkommt. Niemand hat Anspruch auf die Veröffentlichung seiner Meinung. Der Entscheid darüber liegt bei der Redaktion. Diese darf Leserbriefe auch kürzen. Oder nicht veröffentlichen, wenn der Autor mit einer Kürzung nicht einverstanden ist (Richtlinie 5.2 Leserbriefe und Online-Kommentare). Alles andere wäre angesichts der Zahl von Zuschriften, die eine Redaktion erhält, gar nicht umsetzbar.

Entsprechend tritt der Presserat nicht auf die Beschwerde nicht ein, sie ist offensichtlich unbegründet.

III. Feststellung

Der Presserat tritt auf die Beschwerde nicht ein.