Nr. 45/2020
Wahrheit / Anhörung bei schweren Vorwürfen / Sachlich nicht gerechtfertigte Anschuldigungen

(X. / Y. c. «Bote der Urschweiz»)

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I. Sachverhalt

A. Am 17. Juli 2019 erschien im «Bote der Urschweiz» auf der Frontseite ein von Jürg Auf der Maur gezeichneter Artikel unter dem Titel «53’000 Franken für eine Abschiedsparty». Dieser verwies auf einen längeren Text auf Seite 5 des Blattes. Der wiederum war betitelt mit «Zum Abschied der Chefin spielte sogar Konstantin Wecker auf», Untertitel «Finanzkontrolle kritisiert unbewilligtes 53’000-Franken-Fest in der Psychiatrischen Klinik». Der Artikel und ein grosses Bild der Klinik decken zwei Drittel der Seite ab.

Im Anriss auf der Frontseite wird der Leiter der Schwyzer Finanzkontrolle zitiert, der sagt, er kenne keine ähnlichen Fälle wie die Vorfälle an der Psychiatrischen Klinik Zugersee im Jahr 2017. Damit gemeint sei «eine Verabschiedungsfeier, die die damalige Chefärztin steigen liess. Das Fest liess keine Wünsche offen und kostete insgesamt über 53’000 Franken. Das wird aus dem Bericht der Schwyzer Finanzkontrolle bekannt, den Pfyl gestern veröffentlichte.» Das gebe unter anderem zu reden, weil das Geld aus Sponsorentöpfen stamme, welche von Versicherten gespiesen würden. An der Feier hätten nicht nur Mitarbeitende der Klinik teilgenommen, auch Freunde und Kollegen der scheidenden Chefin seien eingeladen gewesen. Der Zuger Regierungsrat Martin Pfister, Präsident des Psychiatriekonkordats, habe reagiert und gesagt, er werde sicherstellen, dass sich derartige Vorgänge nicht wiederholten.

Der Hauptartikel schildert – nach der Erläuterung von Zuständigkeiten im Psychiatriewesen der Kantone Zug, Schwyz und Uri – dass der Abgang der Chefärztin mit einem «grossen und nicht minder teuren Fest» begangen worden sei, einem «Fest, an dem es offenbar an nichts mangelte». Dann wird auf den erwähnten Bericht der Finanzkontrolle verwiesen, der zeige, dass das Fest – einschliesslich Konstantin-Wecker-Auftritt – 53’337.30 Franken gekostet habe. Unter dem Zwischentitel «Ohne Bewilligung aus Pool für Weiterbildung Geld genommen» wird weiter erläutert, die Feier sei zwar nicht mit Steuergeldern bezahlt, aber auch nicht von der Chefärztin persönlich bezahlt worden, sondern aus dem «Ärzte- und Sponsoring Pool», der eigentlich zur Weiterbildung der Ärzte gedacht sei. Für diesen gebe es kein Reglement, das Sinn und Zweck dieses Pools genau umschreibe, noch habe eine Bewilligung für die Party und die Geldentnahme vorgelegen. Der Präsident des Psychiatriekonkordates Uri, Schwyz und Zug, der Zuger Regierungsrat Martin Pfister, habe Höhe und Finanzierung dieser Ausgaben laut dem neuesten Tätigkeitsbericht der Schwyzer Finanzkontrolle ausdrücklich missbilligt. Das Geld stamme aus Einnahmen von halbprivat und privat versicherten Personen. Mit Ausnahme der Festausgaben, so der Artikel weiter, hätten die Revisoren nichts festgestellt, was nicht den Rechtsgrundlagen entsprochen hätte. «Auch Martin Pfister, Zuger Regierungsrat und Präsident des Konkordatsrates, schnauft hörbar auf. ‹Der Konkordatsrat hat festgestellt, dass keine öffentlichen Gelder oder Kantonsbeiträge im Spiel waren›, teilt er mit.» Am Schluss des Artikels enthält ein Kasten Informationen zum Sänger Konstantin Wecker. Er sei als «Musiker und Sänger» in den 60er-Jahren ein Held der Linken gewesen, in den 90er-Jahren sei seine Drogensucht eskaliert, heute sei er Gastprofessor an der Uni Koblenz-Landau.

B. Am 24. September 2019 erhob die ehemalige Chefärztin der Klinik Zugersee Beschwerde gegen die Berichte des «Bote der Urschweiz». Sie verstössen gegen die Ziffern 1 (Verpflichtung zur Wahrheit), 3 (Unterschlagen wichtiger Informationen), 7 (Unterlassen nicht gerechtfertigter Anschuldigungen) sowie gegen das Fairnessprinzip der Präambel der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (nachfolgend «Erklärung»). Möglicherweise sei auch die Ziffer 5 verletzt (Verpflichtung zur Berichtigung falscher Informationen).

Den Verstoss gegen Ziffer 1 der «Erklärung» begründet die Beschwerdeführerin (BF 1) damit, dass es das vom «Bote der Urschweiz» beschriebene teure Fest, oder eine derartige teure Party gar nie gegeben habe. Es habe einen schlichten Liederabend mit Konrad Wecker gegeben, anlässlich dessen es laut dem Leiter der Schwyzer Finanzkontrolle zu Konsumationen im Wert von insgesamt 187 Franken gekommen sei, das ergebe 1.35 Franken pro Person. Demgemäss sei die Charakterisierung als einer «teuren Abschiedsparty», an der «keine Wünsche offenblieben», falsch. Aus dem Bericht der Finanzkontrolle Zug vom 6. September 2017, den die BF der Beschwerde beilegt, gehe hervor, dass sich die Gesamtkosten des Liederabends mit Konstantin Wecker auf Fr. 10’161.65 beliefen. Über diesen Liederabend hinaus habe – so die BF – ein Fachsymposium stattgefunden mit namhaften Referenten (Kosten insgesamt, inklusive Abendessen für die Gäste: Fr. 43’175.65). Über diesen Anlass, welcher im Übrigen als Weiterbildungsveranstaltung regelmässig organisiert werde, hier ergänzt mit dem Nachtessen zum Abschied der BF, habe der Bericht aber nichts ausgesagt.

Den Verstoss gegen Ziffer 3 (Unterschlagen von Elementen, falsche Darstellungen, Verzerrungen) der «Erklärung» begründet die BF damit, dass der Bericht unterschlage, dass es nicht nur den Liederabend gegeben habe, der mit dem fraglichen Betrag finanziert worden sei, sondern – eben – vor allem ein Fachsymposium. Dieses sei aus Mitteln finanziert worden, die genau dazu, zur Weiterbildung, vorgesehen seien. Darüber hinaus sei der falsche Eindruck erweckt worden, der Berichterstatter habe mit Regierungsrat Pfister über diese Angelegenheit gesprochen («Pfister schnauft hörbar auf»). Das sei nicht der Fall gewesen.

Sachlich ungerechtfertigte Anschuldigungen gemäss Ziffer 7 der «Erklärung» sieht die BF 1 darin begründet, dass die Artikel nicht nur von einer teuren Abschiedsparty berichtet hätten, welche es nie gegeben habe, sondern auch darin, dass zudem eine Zweckentfremdung von Weiterbildungsgeldern suggeriert werde, die nicht stattgefunden habe. Das Symposium habe der Weiterbildung gedient, entsprechend sei nichts zweckentfremdet worden. Sie, die BF, sei auch statutarisch berechtigt gewesen, diese Auslagen anzuordnen, der Ausdruck «unbewilligt» sei demgemäss tatsachenwidrig und rufschädigend.

Das Fairnessprinzip sieht die BF 1 damit verletzt, dass sie selber nie zu den Vorwürfen befragt worden sei. Auch habe der «Bote» nicht mit anderen über die Vorgänge informierten Personen Kontakt aufgenommen. Seine einzige benannte Auskunftsperson, Herr Pfyl, der Leiter der Finanzkontrolle Schwyz, habe keinen Bezug oder Einblick in die Vorgänge in der Klinik Zugersee, er habe all seine Informationen nur aus zweiter Hand.

Schliesslich sei möglicherweise auch die Ziffer 5 der «Erklärung» (Berichtigungspflicht) verletzt, weil der «Bote» zwei Leserbriefe, welche eine Berichtigung der Berichterstattung zum Ziel gehabt hätten, nicht publiziert habe, obwohl er klar auf die publizierten Fehler aufmerksam gemacht worden sei.

C. Bereits am 17. September 2019 sowie später mit einer vom Presserat angeforderten Ergänzung vom 16. Oktober 2019 erhoben auch Y. und neun weitere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Klinik Zugersee (Beschwerdeführer und -führe-rinnen 2, BF 2) Beschwerde gegen die beiden Artikel im «Bote der Urschweiz».

Sie machen im Wesentlichen die gleichen Verstösse geltend wie die BF 1: Ebenfalls eine Verletzung von Ziffer 1 der «Erklärung», es habe keine Abschiedsparty für 53’000 Franken gegeben, nur einen schlichten Liederabend ohne Verköstigung und ein Fachsymposium, das mehr als 80 Prozent der Kosten verursacht habe, welches der «Bote» als Kosten einer «Party» vermeldet habe.

Einen Verstoss gegen die Ziffer 3 der «Erklärung» sehen auch die BF 2 darin, dass der «Bote» das Fachsymposium nicht erwähnt hat, für welches der grösste Teil des Geldes investiert wurde, ebenso wie weitere Einzelheiten, die schon in der Beschwerde der BF 1 erwähnt worden waren.

Ziffer 7 der «Erklärung», das Verbot von falschen Anschuldigungen, sei verletzt mit der unwahren Behauptung, wonach Weiterbildungsgelder für eine Party zweckentfremdet wurden. Diese Behauptung habe, insbesondere auch mit der Folgeberichterstattung in anderen Medien, welche sie ausgelöst habe, eine schwere Schädigung des Rufs sowohl der Beschwerdeführerin als auch der Klinik zur Folge gehabt. Eine Zweckentfremdung habe nicht stattgefunden. Sowohl die Mittel aus dem Ärztepool als auch jene aus dem Sponsoringpool seien bestimmungsgemäss verwendet worden und hätten vor allem zum Ziel gehabt, die Verwendung öffentlicher Gelder zu vermeiden.

Und die BF 2 sehen das Fairnessprinzip insbesondere dadurch verletzt, dass der «Bote» die schwer beschuldigte BF nie mit seinen Vorwürfen konfrontiert habe.

D. Am 18. November 2019 nahm Jürg Auf der Maur, Chefredaktor des «Bote der Urschweiz» und Autor der beiden fraglichen Texte, Stellung zu den beiden Beschwerden. Seine Stellungnahmen sind inhaltlich weitgehend gleichlautend und werden deswegen hier zusammengefasst. Der Autor weist darauf hin, dass zwei Veranstaltungen zum Abschied der Chefärztin durchgeführt worden seien, die zusammen 53’000 Franken gekostet hätten. Dazu eingeladen seien auch «Freunde» gewesen, es sei also nicht nur um Fachpersonal, Arbeitskollegen oder Patienten gegangen. Der «Bote» habe für die beiden Texte auf den Bericht der Finanzkontrolle Schwyz abgestellt, der sich «unter Federführung der Zuger Kollegen» mit dieser Feier und deren Kosten auseinandergesetzt habe, dies nachdem die Feierlichkeiten und deren Kosten bei den Aufsichtsorganen zu grosser Verärgerung geführt hätten. Solche Kontrollberichte zeigten jeweils die gemeinsame Sicht aller Beteiligten, sie seien vergleichbar mit jenen des Bundes, es gebe keine journalistischen Zweifel, dass das, was darin festgehalten werde, auch zutreffe. Entsprechend erübrige es sich, die Beteiligten nochmals zu kontaktieren. Das werde beispielsweise auch bei Berichten der Eidgenössischen Finanzkontrolle oder der Finma so gehandhabt. Zudem habe er noch andere (nicht genannt sein wollende) Quellen für seine Berichte gehabt.

Der Verfasser des Kontrollberichts, der Leiter der Schwyzer Finanzkontrolle, habe im Übrigen den ganzen Artikel seinerzeit autorisiert und bestätige noch heute (am 18. November 2019) dessen Richtigkeit. Zudem habe er, der Beschwerdegegner, auch mit anderen, nicht genannt sein wollenden Quellen gesprochen, welche bestätigten, dass die Auslagen für diese Verabschiedung weit über allem lägen, was bei anderen, auch prominenteren Abgängen an Universitäten oder in der Politik aufgewendet werde.

Im Weiteren
– bezeichne der Begriff «Party» ein «zwangloses Fest, eventuell mit Musik und Tanz», dieses Synonym sei in diesem Sinne richtig gewählt gewesen.
– Eine Zweckentfremdung von Mitteln habe der Artikel nicht behauptet, es werde im Gegenteil explizit festgestellt, dass keine Steuergelder eingesetzt worden seien.
– Auf den Vorwurf, ein Passus des Berichts sei nicht wahrheitsgemäss («Pfister schnauft hörbar auf»), er erwecke den Eindruck, der Autor habe mit dem Regierungsrat über dieses Thema gesprochen, was effektiv nicht der Fall gewesen sei, antwortet der BG, es gehe hier um die Aufgabe des Journalisten, komplexe Vorgänge aus der Amtssprache in eine «gut verständliche ‹Alltagssprache›» umzusetzen. Dabei kämen auch fiktive Elemente, respektive journalistische Ausdrucksformen zu Anwendung.
– Und zur Weigerung, Leserbriefe zu veröffentlichen, welche die Sachverhalte berichtigen wollten, erklärt der Chefredaktor, er habe darum gebeten, Unterstellungen ihm gegenüber zu unterlassen. Das sei in einem Fall geschehen, worauf der abgeänderte Brief veröffentlicht worden sei. Im zweiten Fall sei keine neue Version vorgelegt worden.
– Dass andere Medien die Berichterstattung übernommen hätten und in welcher Form dies geschehen sei, entziehe sich seiner Verantwortung.

E. Der Presserat teilte den Parteien am 27. Mai 2020 mit, der Schriftenwechsel sei geschlossen, die beiden Beschwerden würden vom Presseratspräsidium behandelt, bestehend aus Dominique von Burg, Präsident, Max Trossmann, Vizepräsident, und Casper Selg, Vizepräsident.

F. Am 30. Mai 2020 reichte die BF 1 ergänzende Informationen nach, welche den weiteren Verlauf der Ereignisse betreffen. Der Presserat geht darauf nicht ein, weil der Schriftenwechsel abgeschlossen war und nichts für die Beurteilung wesentlich Neues zur Sprache kommt.

G. Das Presseratspräsidium, bestehend aus Dominique von Burg (Präsident), Casper Selg und Max Trossmann (Vizepräsidenten) hat die vorliegende Stellungnahme per 26. Juni 2020 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.

II. Erwägungen

1. Im Vordergrund beider Beschwerden stehen zwei Fragen: Wurde mit dieser Berichterstattung die Wahrheitspflicht verletzt? Und: War es legitim, diese Sachverhaltsdarstellung mit ihren Vorwürfen an die Beschwerdeführerin 1 zu veröffentlichen, ohne diese zuvor zu den Vorwürfen zu befragen? Der Presserat geht davon aus, dass die Wahrheitspflicht klar verletzt wurde, dass aber die Frage, ob die Beschuldigte hätte befragt werden müssen, aufgrund der dem «Bote der Urschweiz» damals vorliegenden Quellen knapp verneint werden muss.

Im Einzelnen:

2. Zu Ziffer 1 (Wahrheitspflicht) der «Erklärung»: Die Frage, ob die Titel und Teile der Artikel die Wahrheitspflicht verletzen, ist zu bejahen. Zwar hat der mehrfach angesprochene Bericht der Finanzkontrolle kritisch festgestellt, dass die Bezeichnung der beiden Anlässe als «Mitarbeiter- und Fortbildungsanlässe» «sehr weitgehend» sei und dass die entsprechenden Ausgaben «sehr hoch» gewesen seien. Aber aus dem gleichen Bericht, auf welchen der Artikel selber ausdrücklich Bezug nimmt, ergibt sich auch, dass der Abend mit Konstantin Wecker knapp ein Fünftel dessen gekostet hat, was der Titel auf der Frontseite suggeriert. Es gab entsprechend keine «Abschiedsparty für 53’000 Franken». Es gab auch kein «unbewilligtes 53’000-Franken-Fest in der Psychiatrischen Klinik», zu dem Konstantin Wecker aufgespielt hat, wie Titel und Untertitel des Artikels auf Seite 5 das schildern. Die beiden Titel sind so nicht wahr. Das Gleiche gilt für Passagen im Hauptartikel selber, der von einem «grossen und nicht minder teuren Fest» spricht, «an welchem es offenbar an nichts mangelte». An Weckers Auftritt gab es unbestrittenermassen nur äusserst bescheidene Tranksame und Weckers Lieder: Das ist keine «Party, an der es an nichts mangelte». Und an der wesentlich teureren zweiten Veranstaltung, von der im Artikel gar nie die Rede ist, ging es um ein Symposium und ein Abendessen für die Eingeladenen, verbunden mit Würdigungen der abtretenden Chefärztin. Diese Veranstaltung mag sehr teuer, möglicherweise deutlich zu teuer gewesen sein («sehr hoch»: Zitat der Zuger Finanzkontrolle), aber selbst dann war das mit «Fest, an welchem es an nichts mangelte», falsch beschrieben. Die Ziffer 1 der «Erklärung» ist mit den Titeln und der Charakterisierung der Vorgänge verletzt.

3. Was beide Beschwerden unter «Fairness» kritisieren, nämlich die Tatsache, dass die Beschuldigte zu den Vorwürfen nicht angehört wurde, ist unter der zur «Erklärung» gehörenden Richtlinie 3.8 geregelt: Diese Bestimmung verlangt, dass Betroffene vor der Publikation schwerer Vorwürfe anzuhören sind. Schwere Vorwürfe sind nach der bisherigen Praxis des Presserates solche, die einem illegalen oder vergleichbaren Handeln gleichkommen. Das unbewilligte Abzweigen von 53’000 Franken für sachfremde Zwecke (Zitate aus dem «Bote»: «unbewilligtes 53’000-Franken-Fest» «Weiterbildungsgeld» für eine «Party») kommt einem derartigen schweren Vorwurf gleich. Die Anhörungspflicht entfällt aber gemäss Richtlinie 3.9 (Anhörung – Ausnahmen) bei schweren Vorwürfen, die sich auf öffentliche Quellen, zum Beispiel Gerichtsurteile stützen. Darauf beruft sich der Beschwerdegegner mit der Begründung, dass man hier von einer gründlichen Prüfung der Vorgänge ausgehen könne und davon, dass die Parteien zu den Vorwürfen zu Wort gekommen seien und sich mit dem Bericht einverstanden erklärt hätten. Der Revisionsbericht der Finanzkontrolle Zug, worauf sich der veröffentlichte Bericht der Finanzkontrolle Schwyz materiell stützte, und welcher dem Presserat vorliegt, entspricht dieser Anforderung insofern, als es hier erstens um eine behördlich angeordnete Untersuchung geht, und weil zweitens sowohl der Präsident des Konkordatsrates (der psychiatrischen Kliniken) als auch der CEO der Klinik Zugersee sich mit dem Ergebnis einverstanden erklärt haben. Zusätzlich hat der Autor nach eigener Angabe den Text des fertigen Artikels dem Verfasser des Berichts der Schwyzer Finanzkontrolle vorgelegt und dieser, der Verfasser dieser öffentlichen Quelle, habe den Text so als korrekt akzeptiert. Damit hat der «Bote» der Anhörungspflicht knapp Genüge getan. Eine Anhörung der Beschuldigten wäre aber nach Auffassung des Presserates in diesem Fall – wenn auch laut Kodex nicht zwingend, so doch – angezeigt gewesen.

4. Ziffer 3 (Unterschlagen von Elementen, falsche Darstellungen, Verzerrungen) der «Erklärung» sieht die BF 1 damit verletzt, dass der «Bote» die wesentliche Information ausgelassen habe, dass der grosse Betrag nicht in erster Linie für den Liederabend, sondern vor allem für ein Fachsymposium ausgegeben worden sei. Dem ist zuzustimmen, diese Information wäre zur Einordnung des Vorganges wichtig gewesen. Sie war im Bericht enthalten, auf welchen der «Bote» Bezug nahm. Ob der Bericht dem Autor vorgelegen hat, oder ob ihm nur daraus zitiert worden war, wäre in diesem Zusammenhang von Relevanz, wird aber aus den dem Presserat vorliegenden Unterlagen nicht klar. Diesen Verstoss subsumiert der Presserat unter den damit inhaltlich zusammenhängenden der Ziffer 1 der «Erklärung»: Verletzung der Wahrheitspflicht.

Dass der «Bote» eine persönliche Begegnung mit Regierungsrat Pfister suggeriert, wenn er schreibt, dieser «schnaufe auf», trifft zu. Anders als wenn gesagt wird, der Regierungsrat «erklärt sich erleichtert» vermittelt diese Formulierung die direkte Beobachtung eines Gegenübers, welche nicht gegeben war. Der Begründung des «Bote», wonach auch Fiktion zum Instrumentarium des Journalisten gehöre, wenn es darum geht, Amtsdeutsch in allgemeinverständliche Sprache zu übersetzen, kann der Presserat zwar nicht folgen, einen vollumfänglichen Verstoss gegen die Wahrheitspflicht sieht er in dieser ungenauen Formulierung aber nicht.

5. Der Presserat sieht hingegen einen Verstoss gegen Ziffer 7 (sachlich nicht gerechtfertigte Anschuldigung) der «Erklärung» als gegeben, weil mit dem Hauptartikel eine Zweckentfremdung und eine nicht autorisierte Entnahme von Geldern suggeriert wird. Die Formulierung im Zwischentitel «Ohne Bewilligung aus Pool für Weiterbildung Geld genommen» signalisiert, dass die BF 1 ihre Kompetenz überschritten hat, ohne Bewilligung vorgegangen sei und dass sie für die behauptete grosse Party Weiterbildungsgeld abgezweigt habe. Das traf so nicht zu. Die BF 1 war laut Untersuchung der Finanzkontrolle für die fraglichen Beträge zeichnungsberechtigt. Dem Autor ist zwar recht zu geben, dass er gleichzeitig betont habe, dass keine öffentlichen Gelder verwendet worden seien. Das eine schliesst aber das andere nicht aus. Ziffer 7 der «Erklärung» ist verletzt.

6. Der Vorwurf, der «Bote» habe zwei Leserbriefe nicht veröffentlicht und damit die Berichtigungspflicht verletzt, trifft nicht zu. Zum einen stellt sich die Frage nach der Aktivlegitimation der Beschwerdeführerin 1 (sie war nicht die Leserbriefschreiberin). Vor allem aber hat der «Bote» nach eigener Angabe den ersten Leserbrief später in geänderter Form publiziert und von dem Autor oder der Autorin des zweiten hat er nach der ersten Absage lange nichts mehr gehört. Zudem liegt die Veröffentlichung von Leserbriefen im redaktionellen Ermessen der Redaktion. Sie kann inhaltliche Änderungen verlangen, wenn der Inhalt den Anforderungen nicht genügt, und sie darf die Veröffentlichung verweigern, wenn die Änderungen nicht vorgenommen werden. Ziffer 5 der «Erklärung» ist nicht verletzt.

III. Feststellungen

1. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen.

2. Der «Bote der Urschweiz» hat mit dem Artikel «53’000 Franken für eine Abschiedsparty» vom 17. Juli 2019 die Ziffern 1 (Wahrheitspflicht) und 7 (sachlich nicht gerechtfertigte Anschuldigungen) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verletzt.

3. Ziffer 3 (Anhörungspflicht) und Ziffer 5 (Berichtigung) der «Erklärung» wurden nicht verletzt.