Nr. 31/2021
Plagiat

(X. c. «Tagblatt der Stadt Zürich»)

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Zusammenfassung

Mit dem Artikel «Wenn sich Schwimmen in die Länge zieht» vom 18. November 2020 hat das «Tagblatt der Stadt Zürich» den Journalistenkodex nicht verletzt. Der Schweizer Presserat weist eine entsprechende Beschwerde ab, wonach die Redaktion Informationen «in anlehnender Weise» von einem «Berufskollegen» übernommen habe, ohne dabei die Quelle anzugeben. Zwar hat die Redaktion sehr unfair gehandelt, als es die Informationen des freien Autors übernahm und für ihren Artikel unter ausschliesslich eigenem Namen verwendete. Eine andere Quelle als den Autor hatte das «Tagblatt der Stadt Zürich» nicht, und dieser hatte es mehrfach schriftlich aufgefordert, die Informationen nicht zu verwenden. Statt mit ihm eine einvernehmliche Lösung zu finden, beging die Redaktion Ideenklau. Ein Plagiat begangen und damit den Journalistenkodex verletzt hat das «Tagblatt der Stadt Zürich» allerdings nicht: Nach Beurteilung des Presserats war für die Redaktion nicht oder nicht klar genug erkennbar, ob es sich beim Autor um einen Berufskollegen handelte. Genau dies müsste für eine Verletzung des Journalistenkodex aber gegeben sein.

Résumé

En publiant l’article «Wenn sich Schwimmen in die Länge zieht» (quand les nageurs font des longueurs devant la piscine) le 18 novembre 2020, le «Tagblatt der Stadt Zürich» n’a pas porté atteinte au code de déontologie des journalistes. Le Conseil suisse de la presse rejette une plainte selon laquelle la rédaction aurait repris des informations «en s’appuyant» sur un «collègue» sans indiquer sa source. Ladite rédaction a certes usé d’un procédé déloyal en reprenant les informations de l’auteur indépendant et en les utilisant sous son nom propre. Le «Tagblatt der Stadt Zürich» ne disposait pas d’autre source que l’auteur et ce dernier lui avait demandé à plusieurs reprises par écrit de ne pas utiliser les informations en question. Au lieu de chercher une solution consensuelle avec lui, la rédaction a volé des idées. Le «Tagblatt der Stadt Zürich» ne l’a toutefois pas plagié et n’a par conséquent pas violé le code de déontologie des journalistes: le Conseil de la presse estime que la rédaction ne pouvait voir, ou voir clairement, que l’auteur était un collègue. C’est l’élément qui aurait fondé une atteinte audit code.

Riassunto

Con l’articolo «Se il nuoto va per le lunghe» del 18 Novembre 2020 il «Tagblatt der Stadt Zürich» non ha offeso il codice deontologico. Il Consiglio svizzero della stampa respinge il reclamo secondo cui la redazione si sarebbe «appoggiata» alle informazioni di un collega senza citare la fonte. Così facendo – nel momento in cui si è appropriata delle informazioni dell’autore indipendente senza citarne poi il nome nell’articolo – la redazione ha sicuramente agito in maniera molto scorretta.
Il «Tagblatt der Stadt Zürich» non aveva altre fonti e questa aveva più volte sollecitato la testata a non pubblicare le informazioni.
Anzichè trovare un compromesso, la redazione ha commesso un furto di idee. Non ha però commesso reato di plagio e non ha offeso il Codice deontologico. Secondo il giudizio del Consiglio svizzero della stampa non è stato chiaro per la redazione o non sufficientemente riconoscibile se si trattasse di un collega e proprio questo presupposto dovrebbe sussistere perché vi sia un’offesa del codice deontologico.

I. Sachverhalt

A. Am 18. November 2020 veröffentlichte das «Tagblatt der Stadt Zürich» einen Artikel von Sacha Beuth mit dem Titel «Wenn sich Schwimmen in die Länge zieht». Der Lead lautete «Geduldsprobe – Wegen der neusten Coronaschutz-Massnahmen mussten die Hallenbäder der Stadt die Besucherzahlen um rund einen Viertel reduzieren. Sehr zum Leidwesen mehrerer Stammbesucher, die nun teilweise lange warten müssen, bis ihnen Einlass gewährt wird und sie ihre Längen ziehen können.»

Im Artikel wird ausgeführt, dass in den Stadtzürcher Hallenbädern aufgrund der Corona-Pandemie pro Bahn in einem 25-Meter-Becken nur noch maximal vier Personen zugleich erlaubt sind, in einem 50-Meter-Becken nur noch maximal acht Personen. Das sei eine Reduktion um 25 Prozent und führe zu langen Wartezeiten vor den Hallenbädern. Zu Wort kommen zwei Besucherinnen, die Verständnis für die Schutzmassnahmen zeigen, sowie ein Besucher, der sich über die Sonderbehandlung für Vereinsmitglieder ärgert. Laut dem Sportamt wird deren Eintritt ins Schwimmbad aus organisatorischen Gründen anders gehandhabt als bei Individualschwimmern. Man wisse, dass die Situation nicht bei allen auf Verständnis stosse, und suche nach Wegen, den Betrieb weiter zu optimieren. Der Artikel schliesst mit einer Empfehlung, wo und zu welchen Zeiten Stadtzürcher aktuell am besten schwimmen.

B. Am 3. Dezember 2020 reichte X. eine Beschwerde beim Schweizer Presserat gegen den Artikel des «Tagblatt der Stadt Zürich» ein. Dieser verletze die Richtlinie 4.7 (Plagiat), die zur «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (nachfolgend: «Erklärung») gehört. Und zwar aus den folgenden Gründen: Nach einem Telefonat mit dem «Tagblatt der Stadt Zürich»-Redaktor Sacha Beuth am 10. November 2020 habe er diesem und der Redaktion gleichentags per Mail einen von ihm «beinahe fertig gestellten» Artikel geschickt. Dies mit der Anfrage, ob der Artikel im «Tagblatt der Stadt Zürich» unter seinem Namen publiziert werden könne. Am 11. November 2020 habe ihm Sacha Beuth per Mail mitgeteilt, dass sich die Redaktion dem im Artikel beschriebenen Thema (weniger zugelassene Schwimmende wegen Corona bzw. Wartezeit vs. Privilegien für Vereinsmitglieder) selbst annehmen werde. Zudem habe Beuth ihn gefragt, ob er als «Betroffener» dazu Auskunft geben wolle. Beides habe er gleichentags per Mail abgelehnt und Beuth mitgeteilt, dass er versuchen wolle, die Geschichte bei einem anderen Medium zu publizieren. Beuth habe ihm noch am selben Tag per Mail geantwortet, dass X.’ Name nicht im «Tagblatt»-Artikel erscheinen werde. Daraufhin habe er Beuth – mit Kopie an die Chefredaktorin – wissen lassen, dass der Redaktor die Informationen aus X.’ Artikel nicht übernehmen und unter eigenem Namen publizieren dürfe. Am 13. November habe die Chefredaktorin geantwortet, dass X.’ Artikel den Anforderungen der Redaktion nicht genüge, diese ihn nicht kenne und die Geschichte deshalb selbst recherchieren werde. Tags darauf habe er, der Beschwerdeführer, der Chefredaktorin einen «Kompromissvorschlag» unterbreitet: Man könne den Artikel in beider Namen – X. und Sacha Beuth – publizieren. Seither habe er nichts mehr gehört. Der Artikel von Sacha Beuth sei am 18. November 2020 im «Tagblatt der Stadt Zürich» erschienen.

Aus dem Mailverkehr mit der Redaktion, schreibt der Beschwerdeführer weiter, gehe hervor, dass das zur Diskussion stehende Thema dem «Tagblatt der Stadt Zürich» zuvor unbekannt gewesen sei. Die Redaktion habe die Informationen «in anlehnender Weise» übernommen, ohne dabei die Quelle anzugeben. Mit der Veröffentlichung des Artikels habe die Redaktion die zur «Erklärung» gehörende Richtlinie 4.7 (Plagiat) verletzt.

Für den Fall, dass die vorgebrachten Beanstandungen aus Sicht des Schweizer Presserats nicht gegen die «Erklärung» verstossen, regt der Beschwerdeführer an, die Richtlinien entsprechend anzupassen. Im Kern gehe es für ihn um die Frage, wie sich ein Informant in Zukunft noch einem Journalist anvertrauen und ihm Informationen liefern könne, wenn er nicht sicher gehen könne, ob dieser «vertrauensvoll» mit den Informationen umgehe. Der Journalist sei zwar nicht von Gesetzes wegen, aber doch aufgrund seines «Berufsethos» verpflichtet, den Quellenschutz zu wahren und erhaltene Informationen vertraulich zu behandeln.

Im dargelegten Fall sei das Gegenteil passiert: Der Journalist Sacha Beuth habe «keine Rücksicht auf die Wünsche des Autors» genommen. Er habe ihn am Telefon nicht darüber aufgeklärt, dass er die Informationen aus X.’ Artikel, der ihm zugestellt werden würde, übernehme und zu einem eigenen Artikel ohne jegliche Quellenangabe verarbeiten würde. Die Chefredaktorin habe ihm zwar mitgeteilt, dass es beim «Tagblatt der Stadt Zürich» klare Richtlinien für die Publikation eines Artikels einer Drittperson gäbe und keine Transparenz darüber bestehe, wer er sei. Doch sie habe ihn über die Anforderungen an Artikel und Autorschaft erst informiert, nachdem die Redaktion den Artikel bereits empfangen habe. Er rege an, dass der Presserat die «Erklärung» um eine «Aufklärungspflicht» ergänze, «insbesondere dann, wenn der Informant dem Journalisten vertrauliche Informationen» übergebe.

Eine solche «Aufklärungspflicht» könne potentiellem «Missbrauch» vorbeugen, schreibt der Beschwerdeführer. So sei es aktuell denkbar, dass eine Redaktion einen Artikel eines freien Journalisten entgegennehme, die darin enthaltenen Informationen übernehme und nur in eigenem Namen veröffentliche. Dies unter dem Vorwand, der Freischaffende genügen ihren Anforderungen nicht. Folglich bedürfe dieser in Zukunft einer Absicherung gegen ein solches Verhalten der Redaktion, was Aufwand und Zeit koste.

C. Am 20. Januar 2021 nahmen Lucia Eppmann, die Chefredaktorin des «Tagblatt der Stadt Zürich», und Redaktor Sacha Beuth Stellung zur Beschwerde von X. Diese erwiese sich in jeder Hinsicht als unbegründet und sei abzuweisen.

Die Chefredaktorin führt aus, dass es sich beim eingereichten Artikel um einen «provisorischen Artikel(entwurf)» gehandelt habe. Wer sich hinter dem Namen des Autors verberge, sei nicht ersichtlich gewesen. Auch Recherchen im Internet hätten keine Kontaktinformationen ergeben. Es sei nicht in Frage gekommen, einen «dermassen polemisierenden Artikel eines unbekannten Verfassers, über den man auch nicht weiss, ob er von irgend einer Seite infiltriert worden ist», zu veröffentlichen. Die Redaktion sei gemäss Amtsblattvertrag mit der Stadt Zürich sowie dem Redaktionsstatut zu absoluter Transparenz verpflichtet. Es dürften keine polemisierenden Artikel publiziert werden, und auch politisch in städtischen Angelegenheiten zu kommentieren, sei nicht erlaubt. Die Publikation des Textvorschlags, schreibt die Chefredaktorin, hätte zudem «jeglicher journalistischen Sorgfaltspflicht» widersprochen. Deshalb sei man den erhobenen Vorwürfen selbst nachgegangen und habe darüber einen «sauber eingeordneten Artikel» verfasst.

Laut Redaktor Sacha Beuth unterschlägt der Beschwerdeführer, dass dieser ihm den Kern der Geschichte bereits am Telefon erzählt und erst danach erwähnt habe, dass er einen Artikel darüber verfasst habe und diesen der Redaktion zur Veröffentlichung anbieten wolle. X. sei «Ideengeber» des «Tagblatt»-Artikels, den er – Sacha Beuth – «vollständig selbstständig» erarbeitet und schliesslich publiziert habe, aber keinesfalls «Autor». Sämtliche Aussagen von Badegästen und Behörden habe er als Journalist persönlich eingeholt, auch das Foto stamme von ihm. Es habe deshalb keinen Grund gegeben, X. als Co-Autor zu nennen. Der von X. eingereichte Artikel sei unfertig gewesen, unter anderem habe die Stellungnahme des Schul- und Sportdepartements gefehlt. Auch X. selbst habe dies erwähnt. Ein «ethisch bedenkliches Verhalten» liege nicht vor.

Betreffend des vertrauensvollen Umgangs mit Informationen sei festzuhalten, dass es hierbei um den Schutz des Informanten vor Repressionen gehe, schreibt Redaktor Beuth. Dies habe der Beschwerdeführer nie zu befürchten gehabt. Auch habe X. weder am Telefon noch per Mail erwähnt, dass die erwähnten Informationen «vertrauensvoll» seien und er diese nur preisgebe, wenn sein Artikel publiziert oder aber sein Name zu einem entsprechenden Artikel dazugestellt würde. Darauf wäre die Redaktion nicht (und sei sie bisher auch noch nie) eingegangen.

Es habe auch seitens des «Tagblatts der Stadt Zürich» einen «Kompromissvorschlag» gegeben. Konkret habe er X. vorgeschlagen, ihn als «Betroffenen» zu befragen, womit er als «Initiator/Ideengeber» hätte genannt werden können. Doch dieser habe den Vorschlag abgelehnt.
Zwischen der Kontaktaufnahme und der Veröffentlichung des «Tagblatt»-Artikels sei rund eine Woche vergangen. Trotz X.’ Ankündigung, den Artikel anderswo publizieren zu lassen, sei das nicht geschehen. Entweder habe er sich nicht genügend darum bemüht oder auch andere Redaktionen hätten Vorbehalte betreffend seines «polemischen Schreibstils» gehabt.

Die Geschichte als solches, fügt Sacha Beuth an, sei der Redaktion zwar unbekannt gewesen. Allerdings habe er «zu keinem Zeitpunkt irgendwelche Versprechungen gemacht, dass wir uns dieser Geschichte nicht selber annehmen wollen und/oder können». Ein Missbrauch liege somit nicht vor. Es sei die Pflicht der Redaktion, der Leserschaft für sie relevante Informationen auch mitzuteilen.

D. Das Präsidium des Presserates wies den Fall seiner 3. Kammer zu. Ihr gehören Max Trossmann (Kammerpräsident), Annika Bangerter, Monika Dommann, Michael Furger, Jan Grüebler, Simone Rau und Hilary von Arx an.

E. Die 3. Kammer behandelte die Beschwerde an ihrer Sitzung vom 4. März 2021 und auf dem Korrespondenzweg.

II. Erwägungen

1. Richtlinie 4.7 zur «Erklärung» verpflichtet Journalistinnen und Journalisten, kein Plagiat zu begehen: «Wer Informationen, Präzisierungen, Kommentare, Analyse und sämtliche anderen Informationsformen von einer Berufskollegin, einem Berufskollegen ohne Quellenangabe in identischer oder anlehnender Weise übernimmt, handelt unlauter gegenüber seinesgleichen.» Mit Plagiaten hatte sich der Presserat bisher selten auseinanderzusetzen. So rügte er zum Beispiel in der Stellungnahme 22/2001 das plagiatorische Verhalten der «SonntagsZeitung» gegenüber dem «Beobachter».

2. Das «Tagblatt der Stadt Zürich» gibt unumwunden zu, dass ihm die Situation in den Stadtzürcher Hallenbädern vor der Kontaktaufnahme durch X. nicht bekannt war. Die Redaktion hat die Informationen also einzig und allein von X. erhalten, der als freier Journalist dazu einen Artikel anbot – wofür sie ihm per Mail dankte. In der Beschwerdeantwort an den Presserat bezeichnet die Redaktion ihn als «Initiator» und «Ideengeber».

In der Folge übernahm die Redaktion das Thema (weniger zugelassene Schwimmende wegen Corona bzw. Wartezeit vs. Privilegien für Vereinsmitglieder) und holte hierzu vor zwei Schwimmbädern in der Stadt Zürich Stimmen und beim Sportamt eine Stellungnahme ein. Sie tat dies, obwohl X. im vorangehenden Mailaustausch mehrfach geltend gemacht hatte, er wolle nicht, dass man das Thema übernehme. Sein Artikel dürfe nicht als Grundlage für einen im Namen des Redaktors publizierten Artikel verwendet werden. Auch teilte er der Redaktion mit, dass er versuchen werde, seinen Artikel anderswo veröffentlichen zu lassen. Damit hat das «Tagblatt der Stadt Zürich» sehr unfair gehandelt.

3. Hat die Redaktion auch ein Plagiat begangen? Gemäss Richtlinie 4.7 zur «Erklärung» handelt unlauter, wer «Informationen (…) von einer Berufskollegin, einem Berufskollegen ohne Quellenangaben in identischer (…) Weise übernimmt» (Hervorhebung durch 3. Kammer). Das trifft auf den vorliegenden Fall nicht zu: Der Journalist des «Tagblatt» hat die Stimmen von Badegästen und Behörden selbst eingeholt und auch nicht von X.’ Textentwurf abgeschrieben. Er verfasste seinen Artikel selbstständig. Das Bild stammt ebenfalls von ihm.

Richtlinie 4.7 untersagt Journalistinnen und Journalisten aber auch, «Informationen (…) von einer Berufskollegin, einem Berufskollegen ohne Quellenangaben in (…) anlehnender Weise» zu übernehmen (Hervorhebung durch 3. Kammer). Redaktor Sacha Beuth stellt sich auf den Standpunkt, X. habe ihm den «Kern der Geschichte» am Telefon erzählt und erst danach erwähnt, dass damit auch ein Artikel verbunden sei, den er dem «Tagblatt der Stadt Zürich» anbiete. Es scheint, als ob Beuth damit sagen wolle, dass es sich damit nicht um ein Plagiat handeln könne. Was beim Telefongespräch in welcher Reihenfolge gesagt wurde, kann der Presserat nicht beurteilen. Der Beschwedeführer äussert sich in seiner Beschwerde dazu nicht. Entscheidend ist, dass er seinen Artikel bereits am Telefon erwähnte und ihn noch am selben Tag an die Redaktion schickte. Spätestens nach X.’ mehrmaliger schriftlicher Aufforderung, das Thema nicht zu übernehmen, hätte Beuth einlenken und zusammen mit X. eine einvernehmliche Lösung suchen müssen. Den Artikel ohne jegliche Quellenangabe zu veröffentlichen, ist für den Presserat keine einvernehmliche Lösung. Er sieht diesen Vorgang eindeutig als «Ideenklau» an.

Eine Verletzung von Richtlinie 4.7 zur «Erklärung» (Plagiat) sieht der Presserat nach lebhafter Diskussion trotzdem nicht gegeben. Die Chefredaktorin des «Tagblatt der Stadt Zürich» teilte X. nämlich schriftlich mit, dass sie nicht wisse, wer sich hinter seinem Namen verberge. Er sei dem «Tagblatt» nicht als freier Journalist bekannt, die Transparenz zu seiner Person fehle. Die Beweggründe für eine Publikation seien ebenfalls unklar. In der Beschwerdeantwort vom 20. Januar 2021 ergänzte die Chefredaktorin, es sei nicht in Frage gekommen, einen «dermassen polemisierenden Artikel eines unbekannten Verfassers, über den man auch nicht weiss, ob er von irgend einer Seite infiltriert worden ist», zu veröffentlichen. Die Redaktion sei gemäss Amtsblattvertrag mit der Stadt Zürich sowie dem Redaktionsstatut zu absoluter Transparenz verpflichtet. Die Ausführungen zeigen: Es war für das «Tagblatt» nicht oder nicht klar genug erkennbar, ob es sich bei X. um einen Berufskollegen handelt. Genau dies müsste für eine Verletzung der Richtlinie 4.7 aber gegeben sein. Laut dieser dürfen keinerlei «Informationen (…) von einer Berufskollegin, einem Berufskollegen ohne Quellenangaben in identischer oder anlehnender Weise» übernommen werden (Hervorhebung durch 3. Kammer).

4. Doch auch wenn die Redaktion kein Plagiat begangen und Ziffer 4 (keine unlautere Beschaffung von Informationen) demnach nicht verletzt hat: Nach Beurteilung des Presserats hätte sie sich durchaus stärker bemühen dürfen, mehr über X. in Erfahrung zu bringen. Er war immerhin «Ideengeber» und «Autor» eines Textes, den er dem «Tagblatt der Stadt Zürich» zur Veröffentlichung anbot. Er betonte in seiner Antwort an die Chefredaktorin, er könne der Forderung nach mehr Transparenz entsprechen. Doch diese ging auf X.’ Angebot genauso wenig ein wie auf seine mehrfache schriftliche Ermahnung, das Thema nicht von ihm zu übernehmen.

Unabhängig davon, welche Qualität der eingereichte Text aufweist: X. als dessen Autor hat – oder besser: hätte – es verdient, fair behandelt zu werden. Dies gilt umso mehr, als er angab, für Veränderungen am Text offen zu sein: Bereits in seiner ersten Mail an die Redaktion sprach er von einem «provisorischen» und «noch nicht fertiggestellten» Artikel, in den er die Stellungnahme des Stadtzürcher Sportamts noch einbauen wolle. In seiner Antwort an die Chefredaktorin fügte er ausserdem an, er hätte bei der Überarbeitung des Textes «etwas lernen können».

5. Die Redaktion verteidigt sich: Sie habe X. einen «Kompromissvorschlag» unterbreitet. Doch dieser habe abgelehnt, seine Beobachtungen als «Betroffener» auszuführen. Damit habe er als «Initiator/Ideengeber» auch nicht genannt werden können. Dieses Argument überzeugt den Presserat nicht. Denn auch wenn es sich bei X. allenfalls um einen Betroffenen handelt: Er wandte sich weder telefonisch noch per Mail als Betroffener an die Redaktion, sondern als «Ideengeber» und «Autor». Deshalb wollte er auch nicht als Betroffener im Artikel vorkommen. Im «Kompromissvorschlag» der Redaktion finden «Initiator» und «Ideengeber» keine Erwähnung.

Was sich X. hätte vorstellen können, war eine Zusammenarbeit mit Sacha Beuth, respektive wenigstens eine Nennung als Co-Autor in dessen Artikel. Dies teilte er sowohl Beuth als auch der Chefredaktorin schriftlich mit. Warum die Redaktion dies nicht wollte, entzieht sich der Kenntnis des Presserats. Aus Sicht des Presserats hätte es dem «Tagblatt der Stadt Zürich» gut angestanden, ihren «Ideengeber» wie von ihm vorgeschlagen als Co-Autor aufzuführen oder ihn mit seinem Einverständnis zumindest am Schluss des Artikels unter «Mitarbeit» oder «Idee(ninput)» zu erwähnen. Beuth hätte den Artikel ja immer noch selbstständig erarbeiten können und so die journalistische Hoheit darüber behalten.

6. Der Beschwerdeführer wünscht sich vom Presserat eine Ergänzung der «Erklärung» mit einer «Aufklärungspflicht». Darunter versteht er die Pflicht des Journalisten gegenüber seinem Informanten, ihn darüber aufzuklären, wie er mit den Informationen des Informanten oder des Verfassers eines Artikels umzugehen gedenke. Dies wäre seines Erachtens unter anderem deshalb sinnvoll, weil der Informant und/oder Verfasser so «autonom darüber entscheiden kann, ob er noch davon abstandnehmen will, dass seine Informationen in angedachter Form publiziert werden».

Der Presserat versteht die Enttäuschung und den Ärger des Beschwerdeführers im vorliegenden Fall. Im Sinn der Transparenz und Fairness hätte das «Tagblatt der Stadt Zürich» X. durchaus bereits am Telefon mitteilen dürfen, dass man den Inhalt seines Artikels bei Interesse übernehmen und zu einem eigenen Artikel ausarbeiten werde. So hätte X. entscheiden können, ob er seinen Text unter diesen Umständen noch an die Redaktion schicken will. Dass es sich bei den Informationen um «vertrauliche Informationen» gehandelt haben soll, wie X. in seiner Beschwerde ausführt, war für das «Tagblatt» wohl kaum ersichtlich. Im Mailaustausch zwischen den Parteien ist davon jedenfalls keine Rede.

Der Presserat erachtet eine generelle Aufklärungspflicht für Journalistinnen und Journalisten als nicht praktikabel. Journalismus lebt von Ideen, Inputs, Informationen – oft werden sie von aussen an Redaktionen oder einzelne Medienschaffende herangetragen. Es wäre schlicht mit zu viel Aufwand und Zeit verbunden, jeder einzelnen Informantin, jedem einzelnen Ideengeber auszuführen, was man mit (noch so kleinen) Ideen, Inputs, Informationen allenfalls zu machen gedenkt. Als «vertraulich» deklarierte Informationen sind ein Spezialfall, auf den der Presserat in dieser Stellungnahme nicht eingeht. Der vorliegende Fall ist davon ohnehin nicht betroffen.

7. X. schreibt in seiner Beschwerde, der Journalist sei zwar nicht von Gesetzes wegen, aber doch aufgrund seines «Berufsethos» verpflichtet, den Quellenschutz zu wahren und erhaltene Informationen vertraulich zu behandeln. Hier scheint der Beschwerdeführer etwas falsch verstanden zu haben: Mit Quellenschutz ist das Recht von Journalistinnen gemeint, ihre Informanten geheim zu halten – wenn diese das wollen und/oder wenn die Journalistinnen es als nötig erachten. Darum geht es X. aber nicht. Er würde es sogar begrüssen, als Informant (oder Co-Autor, Ideengeber oder Ähnliches) namentlich genannt zu werden. Mit einer Identifizierung hätte er kein Problem.

Die Frage, ob Journalistinnen und Journalisten erhaltene Informationen vertraulich behandeln müssen oder sollen, ist eine andere Frage und hat mit Quellenschutz nichts zu tun.

III. Feststellungen

1. Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. Das «Tagblatt der Stadt Zürich» hat mit dem Artikel «Wenn sich Schwimmen in die Länge zieht» die Ziffer 4 (Plagiat) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» nicht verletzt.